Freuden der Backlist
Kommen diverse Katastrophen der Branche hinzu, von denen ich mehrere Lieder singen kann. Mein Sachbucherstling wurde beim Stand von 4000 schnell verkauften Exemplaren im Hardcover plötzlich von einem neuen Verlagseigner aus dem Programm genommen, mein zweites Buch ging gleichermaßen durch eine Verlagsfusion unter. Die Romane wurden Opfer einer völligen Programmumstrukturierung - plötzlich war das Imprint, in dem sie erschienen waren, auf der Abschussliste - keiner kümmerte sich mehr darum. Ganz übel traf es mich mit meinem so aufwändig erarbeiteten Rosenbuch, das von der Natur her ein echter Longseller hätte werden können. Wenn es nicht kurz nach Erscheinen (!) durch Verlagsverkauf in den Besitz einer buchfremden Abwicklungsgesellschaft übergegangen wäre. Aber um Bücher muss man sich kümmern, mit Büchern zockt man nicht.
Wenn ein Buch untergeht, weil keinerlei Nachfrage zu wecken ist, so ist das traurig, aber verkraftbar. Verschwindet jedoch ein Buch nur deshalb vom Markt, weil ein neuer Verlagseigner nicht mag, was der Vorgänger veröffentlicht hat, oder weil er sich seine Investition zusammensparen muss, dann ist das echt bitter für die Autoren. Bisher waren wir den Veränderungen durch die zunehmende Marktkonzentration hilflos ausgeliefert. Vergriffene Bücher machen keinen guten Eindruck. Wie oft habe ich mir die Frage anhören müssen, ob mein Buch so schlecht gewesen sei, dass man den Verkauf eingestellt habe. Ja, warum denn der neue Eigentümer nicht einfach nachdrucken könne? LeserInnen verstehen diese Mechanismen nicht, die ein Buch zur austauschbaren Ware wie Zahnpasta machen. Umso schöner, dass wir AutorInnen vergriffene Bücher nun selbst neu auflegen können.
Die eigene Backlist zu pflegen, ist jedoch nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt habe. Zunächst ist zu bedenken, dass man an Layout, Satz und Cover keine Rechte hat, das also alles neu schaffen muss. Gewisse Konzernverlage versuchen neuerdings, einem bei der Rechterückgabe einen Passus aufzudrücken, man habe nur das Recht auf seinen unlektorierten Urtext. Mein Anwalt, Spezialist für Urheberrecht, hat dazu köstlich gelacht, vor allem, wenn nur Doktor Duden zu Rate gezogen wurde. Viele leisten ja nicht einmal mehr ein Lektorat, das seine Bezeichnung wert ist. Man sollte sich also nicht irre machen lassen, hier klirren vornehmlich diejenigen mit den Sporen, die gern vom Backlist- und E-Book-Kuchen etwas abhaben wollen.
Ich rate übrigens - aus eigener leidvoller Erfahrung - sich zu jedem veröffentlichten Buch eine Endversion abzuspeichern, in der der druckfertige Text enthalten ist. Bisher war nur einer meiner Verlage so freundlich, seine Autoren mit solchen Versionen zu versorgen. Hat man diese Datei nicht, muss man, mit dem gedruckten Buch in der Hand, selbst noch einmal fleißig durchlektorieren. Es gibt nur einen Trost: Bei diesem aufwändigen Duchgang kann man sich auch von den schlimmsten Lektoratsklopsen befreien und die allerletzten Druckfehler aus dem Buch tilgen.
Zu welcher Buchform man tendiert, hängt meiner Meinung nach vom finanziellen Aufwand ab, den man betreiben möchte. Berechnen sollte man die Chancen, die so ein "gebrauchtes" Buch noch auf dem Markt hat. Manchmal sind Bücher ja zu Recht ausgelaufen. Sehr oft können aber auch aktive Autoren neue Publikumsschichten erschließen. In Social Media und bei Auftritten aktive Autoren bringen manchmal ein Fandom mit, das ihnen ein Verlag nicht bieten konnte. Egal jedoch, wie die Ausgangslage aussieht - Verkaufszahlen wie ein Publikumsverlag wird man natürlich nie mehr erreichen.
Kostenaufwändig ist eine Herausgabe in Papierform, selbst wenn man das recht risikolose Print-on-Demand-Verfahren wählt. Hier merkt man sofort, wenn bei Layout und Grafik geschludert wurde. Zu den Honoraren in diesem Bereich kommt die Pauschalsumme für den Dienstleister. Und jede Menge PR-Arbeit, weil diese Bücher vom Buchhandel in der Regel gemieden werden - also so gut wie unsichtbar sind. Deshalb sind Autorenwebsites so wichtig!
Sehr viel schneller und einfacher ist ein E-Book zu haben. Hier fallen einige technische Schritte weg und das Buch wird in den Onlineshops platziert - Buchhandel braucht es keinen. Ein Cover im Kindleshop ist einfacher zu entwerfen als eines auf edlem Hardcovereinband, je weniger Layout-Schnickschnack so ein Buch hat, desto besser. Theoretisch kostet die Herausgabe eines E-Books aus der Backlist so gut wie nichts, bringt aber sofort Geld ein. Nur zwei Probleme könnten sich ergeben: Noch sind E-Books kein Mainstream, treffen vielleicht nicht gleich aufs alte Zielpublikum. Und aufwändig mit Fotos und Apparat gestaltete Sachbücher eignen sich für E-Reader nicht so gut wie Belletristik mit reinem Textkörper.
Und warum geht das bei mir nicht voran? Ganz einfach: Ich habe das neuerliche Durchlektorieren der alten Buchdateien vollkommen unterschätzt. Im Moment sitze ich an einer Fassung eines meiner Romane, die mich einigermaßen fassungslos macht. Enthalten ist nämlich der gesamte Dialog mit dem Lektorat. Offensichtlich war meine wirklich wunderbare Lektorin gegen Ende im Urlaub gewesen und ich hatte plötzlich eine mir Unbekannte für die Schlusskorrekturen. Hätte ich all ihre Änderungen angenommen, wäre in meinem Roman jede Metapher gestrichen, jeder längere Satz verkürzt worden und Unsinniges eingefügt.
Da sollte eine Espressokanne unter eine Düse geschoben werden, weil die deutsche Leserin sonst unmöglich kapiere, dass man in Frankreich ganze Kännchen Kaffee machen könne. Wortwiederholungen im Abstand von einem Absatz wurden zusätzlich hineinlektoriert - in der gedruckten Fassung vorhanden. Menschen sollten ständig Sätze lächeln. Kurzum, beinahe wäre das auf Chick-Lit gebürstet worden.
So übel es ist, sich diese Anmerkungen noch einmal zu Gemüte führen zu müssen, so sehr es Arbeit macht, meine Proteste aus dem Text herauszulöschen - es bringt auch eine ungeheure Zufriedenheit. Die Espressodüse starb unter meinen Fingern zuerst. Als nächstes warf ich falsches Lächeln heraus. Und endlich endlich kann ich diese peinlichen Duplikate und Wortwiederholungen austauschen! Ein bereits in einem Verlag veröffentlichtes Buch selbst neu herauszubringen, kann also durchaus ein nachträgliches Gefühl der Genugtuung vermitteln.
Übrigens werde ich meine vergriffenen Bücher nach und nach als E-Book herausbringen. Aus finanziellen Gründen und weil ich glaube, dass sich E-Reader in nächster Zeit verbreiten werden. Wer keine Lesegeräte besitzt, kann E-Books mithilfe einer App auf dem Computer lesen. Und ich werde dann anhand der Verkaufszahlen gut testen können, ob sich eine zusätzliche Papierausgabe überhaupt lohnt.
Schade ist das bei einem reich illustrierten Buch wie "Das Buch der Rose". Da ich jedoch auch an den Abbildungen keine Rechte habe, wäre ein Ersatz sehr teuer für mich. Und dank jener Abwicklungsfirma sind noch genügend gedruckte Exemplare im Antiquariat zu haben, die mir als Autorin keinen Cent bringen und nur den Preis für eine eigene Fassung kaputt machen. Es lohnt sich nicht auf Papier.
Vorsicht also! Auf die Idee, man müsse "nur" eine fertige Datei in den Kindle-Shop hochladen und ein Cover basteln, können nur blutige Backlist-Anfängerinnen wie ich kommen.
vielen Dank für diesen aufschlussreichen Artikel!
AntwortenLöschenbeste Grüße, Maria
Gern geschehen, Maria!
AntwortenLöschenWenn ich das so lese, liebe Petra, freue ich mich, dass ich "Das Buch der Rose" schon im Regal stehen habe! Ich würde übrigens niemals denken, ein Buch wäre nicht gut genug, weil es vergriffen ist-höchstens nicht "mainstreaming" genug. Aber ich bin ja auch weniger oder mehr eine Insiderin!:-)
AntwortenLöschenHerzlichst
Christa
Genau liebe Christa, du kennst den Laden von innen ;-) Du glaubst gar nicht, was manchmal für Anfragen von lesern kommen. Manchmal werde ich gefragt, ob der Verlag denn zu viele Druckfehler gemacht hätte und das Buch nun einstampfen und neu drucken muss. Einmal meinte eine Leserin, jetzt, wo mein Odilienbuch völlig vergriffen (und nebenbei: veraltet) sei, könne sie das Buch doch unter ihrem eigenen Namen neu drucken lassen, das würde ihr auch gar nichts ausmachen...
AntwortenLöschenHerzlichst, Petra
Solche Leseranfragen hatte ich glücklicherweise noch nicht. Damals, beim ersten, fragten meine Klienten: Na, wie verkauft es sich denn? Oh, nur so lala? Jetzt, wo sie sich verkaufen, fragt keiner mehr-und ich spreche auch nicht mehr darüber.
AntwortenLöschenHerzlichst
Christa