Shopping für die Figur
Ich bin ein Mensch, der immer neugierig alles ausprobieren muss. Wenn ich eine Romanfigur über einen Berg jage, bin ich vorher selbst über einen gegangen. Ich finde es ungeheuer spannend, mir zwielichtige Viertel anzusehen, oder Leuten mit einem bestimmten Beruf auf die Nerven zu fallen, um möglichst viel darüber zu erfahren. Meine Neugier ist manchmal so hemmungslos, dass mir früher jemand gesagt hat: "Nicht, dass Sie eines Tages mal Krimis schreiben und vorher um der Recherche willen einen Mord begehen!"
Nein, keine Angst, ich habe mich in Extremfällen in der Hand. Allerdings können die kleinen unscheinbaren Recherchen manchmal auch fast tödlich sein.
Am Freitag war ich für eine Romanfigur shoppen. Ich musste wissen, was sie isst, wie sie sich kleidet. Also bin ich in den Laden einer bekannten deutschen Billigmarke, wo ich die mir teilweise völlig unbekannte Ware so neugierig angeschaut habe, dass ich ständig Angst hatte, des möglichen Diebstahls bezichtigt zu werden. Denn um mich herum warfen die Leute das Zeug mit einem Affenzahn in den Wagen, um es dann von der Kassiererin in einem noch schlimmeren Affenzahn entgegen zu nehmen. Offensichtlich Ware, die man besser nicht genauer anschaut - und schon gar nicht das Kleingedruckte liest, wie ich das gewöhnt bin.
Es war spannend. Nicht bei Nudeln, Käse oder Klopapier. Aber all die Paletten mit dem "Lebensnützlichen", auf das sich die Leute stürzten, als könne man ohne nicht existieren. Plastikvorleger fürs Bad, wahlweise in quietschorange oder kackbraun, Schweißfußpulver und Vergrößerungsspiegel, Kabel - einfach nur Kabel mit Stecker, ein Negligé in "Sahnegelb" (wer trägt heute noch Polyester-Negligés?) passend zur Küchengardine aus dem gleichen Gefaser. Unmengen von Süßem, Schokolade - und Plastikpantoffeln, wie sie die alten Männer in meiner Kindheit getragen hatten.
Ich wurde mutig. Nachdem ich mich informiert hatte, mir welcher Farbe sich meine Figur die Haare tönen könnte, wenn sie nicht in der Drogerie einkauft, entschied ich mich für ein Parfum. War sie eher "Madame" oder "Mademoiselle"*? In irgendeiner weisen Vorahnung sprühte ich beides nicht auf mich, sondern auf meinen Einkaufszettel. Bis zur Kasse war ich sozusagen geruchsblind. Draußen schon hatte sich Madame dünn gemacht und Mademoiselle stank wie ein Puff. Ich bekam so etwas wie einen allergischen Anfall. Meine Augen tränten.
Ab in die Hosentasche mit dem Zettel, den ich noch brauchte. Zuhause musste die Hose in die Wäsche, das Puff hatte sich wahrscheinlich unter meiner Körperwärme zu einer Generalversammlung aller Rotlichtbezirke begeben. Den Zettel zerknüllte ich und beging einen fatalen Fehler. Er landete im Papierkorb. In einem offenen Papierkorb. Heute betrat ich mein Arbeitszimmer und fiel rückwärts wieder hinaus. Es ist mir unvorstellbar, wie ein Mensch diesen Geruch auf der eigenen Haut ertragen kann. Die Generalversammlung stank jetzt wie eine Deponie mit Chemiesondermüll. Mein Zimmer ebenfalls.
Als ich dann noch in einem Billig-Fabrikladen nach Klamotten für meine Figur fahndete, landete ich zwischen Polyester-T-Shirts mit glitzernden Totenköpfen und grellfarbenen, affigen Sprüchen, wo sich die Nähte schon vom Anschauen auflösten. Schuhe gab es für drei oder acht Euro, die wahrscheinlich nicht mal so weit hielten, wie man das Geld werfen konnte. Manche waren schon kaputt produziert worden, garantiert nicht im Lande.
Nach so viel Müll, der angeblich nichts kostet, schrieb ich meine Romanfigur um. Sie ist jetzt eine unscheinbare Landpomeranze, die ihre einfarbigen Baumwoll-T-Shirts zehn Jahre lang aufträgt und sorgsam pflegt. Vielleicht lasse ich sie ihr Lavendelwasser selbst ansetzen. Aber dass mir eine Romanfigur noch mal so zum Himmel stinkt, kommt mir nicht mehr aufs Papier! Schließlich zahlt mir keiner eine Gefahrenzulage.
*Namen geändert - man erkennt's am "Duft"...
Nein, keine Angst, ich habe mich in Extremfällen in der Hand. Allerdings können die kleinen unscheinbaren Recherchen manchmal auch fast tödlich sein.
Am Freitag war ich für eine Romanfigur shoppen. Ich musste wissen, was sie isst, wie sie sich kleidet. Also bin ich in den Laden einer bekannten deutschen Billigmarke, wo ich die mir teilweise völlig unbekannte Ware so neugierig angeschaut habe, dass ich ständig Angst hatte, des möglichen Diebstahls bezichtigt zu werden. Denn um mich herum warfen die Leute das Zeug mit einem Affenzahn in den Wagen, um es dann von der Kassiererin in einem noch schlimmeren Affenzahn entgegen zu nehmen. Offensichtlich Ware, die man besser nicht genauer anschaut - und schon gar nicht das Kleingedruckte liest, wie ich das gewöhnt bin.
Es war spannend. Nicht bei Nudeln, Käse oder Klopapier. Aber all die Paletten mit dem "Lebensnützlichen", auf das sich die Leute stürzten, als könne man ohne nicht existieren. Plastikvorleger fürs Bad, wahlweise in quietschorange oder kackbraun, Schweißfußpulver und Vergrößerungsspiegel, Kabel - einfach nur Kabel mit Stecker, ein Negligé in "Sahnegelb" (wer trägt heute noch Polyester-Negligés?) passend zur Küchengardine aus dem gleichen Gefaser. Unmengen von Süßem, Schokolade - und Plastikpantoffeln, wie sie die alten Männer in meiner Kindheit getragen hatten.
Ich wurde mutig. Nachdem ich mich informiert hatte, mir welcher Farbe sich meine Figur die Haare tönen könnte, wenn sie nicht in der Drogerie einkauft, entschied ich mich für ein Parfum. War sie eher "Madame" oder "Mademoiselle"*? In irgendeiner weisen Vorahnung sprühte ich beides nicht auf mich, sondern auf meinen Einkaufszettel. Bis zur Kasse war ich sozusagen geruchsblind. Draußen schon hatte sich Madame dünn gemacht und Mademoiselle stank wie ein Puff. Ich bekam so etwas wie einen allergischen Anfall. Meine Augen tränten.
Ab in die Hosentasche mit dem Zettel, den ich noch brauchte. Zuhause musste die Hose in die Wäsche, das Puff hatte sich wahrscheinlich unter meiner Körperwärme zu einer Generalversammlung aller Rotlichtbezirke begeben. Den Zettel zerknüllte ich und beging einen fatalen Fehler. Er landete im Papierkorb. In einem offenen Papierkorb. Heute betrat ich mein Arbeitszimmer und fiel rückwärts wieder hinaus. Es ist mir unvorstellbar, wie ein Mensch diesen Geruch auf der eigenen Haut ertragen kann. Die Generalversammlung stank jetzt wie eine Deponie mit Chemiesondermüll. Mein Zimmer ebenfalls.
Als ich dann noch in einem Billig-Fabrikladen nach Klamotten für meine Figur fahndete, landete ich zwischen Polyester-T-Shirts mit glitzernden Totenköpfen und grellfarbenen, affigen Sprüchen, wo sich die Nähte schon vom Anschauen auflösten. Schuhe gab es für drei oder acht Euro, die wahrscheinlich nicht mal so weit hielten, wie man das Geld werfen konnte. Manche waren schon kaputt produziert worden, garantiert nicht im Lande.
Nach so viel Müll, der angeblich nichts kostet, schrieb ich meine Romanfigur um. Sie ist jetzt eine unscheinbare Landpomeranze, die ihre einfarbigen Baumwoll-T-Shirts zehn Jahre lang aufträgt und sorgsam pflegt. Vielleicht lasse ich sie ihr Lavendelwasser selbst ansetzen. Aber dass mir eine Romanfigur noch mal so zum Himmel stinkt, kommt mir nicht mehr aufs Papier! Schließlich zahlt mir keiner eine Gefahrenzulage.
*Namen geändert - man erkennt's am "Duft"...
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