Die Russen kommen
Nein, sie sind längst da. Letzten Donnerstag in Baden-Baden habe ich auf der Straße mein Russisch wieder etwas aufmöbeln können, als Schülerin musste ich dafür ins Sprachlabor. Wenn ich zwischen den Belle-Epoque-Fassaden wandle, denn in dieser Stadt verhält man unwillkürlich seinen Schritt - dann ist mir schon bewusst, dass ich auf Schritt und Tritt in die Fußstapfen der ganz Großen meines Berufes trete. Fast gespenstisch sind sie anwesend, jeder kennt sie, manche grüßen ihre Büsten, und anderswo längst vergriffene Bücher liegen wie selbstverständlich in den Buchhandlungen.
Wenn man ihnen schon an Können nicht nacheifern kann, in dieser Stadt darf man ihnen nachlaufen. Dostojewski war da und spukt noch heute ab und zu in einem Theaterspiel durchs Casino. Turgenjew lebte hier seine Ménage à trois, Gogol und Tolstoi kamen: Baden-Baden war einst nicht nur die Sommerresidenz Europas, sondern auch die Stadt der Schriftsteller. Otto Flake, dessen hübsche, mit Fachwerk verzierte Villa schräg gegenüber der Trinkhalle liegt, wo sich all die Schriftsteller beim Schlürfen von preiswertem Thermalwasser trafen, schrieb einmal, 1814 sei "Baden-Baden" zum gesellschaftlichen Begriff geworden.
Und weil Baden-Baden vor allem die Stadt der "Reichen und Schönen" ist, kommen jetzt die Russen von heute als Touristen. Nicht immer sind sie schön, nicht immer reich, aber manchmal einfach unverschämt reich. Was letztere tatsächlich treiben zwischen den auch schon in die Schlagzeilen geratenen Casinobesuchen und touristischen Edelevents, darüber wird in der Stadt viel gemunkelt und viel gelästert. Kann sich einer wirklich nur für alte Kultur interessieren, gar für Schriftsteller? Wie verdächtig, wenn heute noch jemand Dostojewski liest! Als ob man immer so genau wüsste, was deutsche, amerikanische oder japanische Reiche mit ihrem Geld anstellen...
Jedem, der das Phänomen der "kommenden Russen" verstehen will - und darüberhinaus ein wenig vom seltsamen Mikrokosmos Baden-Badens, dem empfehle ich Renate Efferns kurzweiliges Büchlein "Hurra, die Russen kommen zurück". Die hochkarätige Fremdenführerin, Leiterin der Turgenjew-Gesellschaft und Historikerin zeichnet in ihren wahren Anekoten ein sehr menschliches und differenziertes Bild von den Bewohnern beider Nationen. Ihr Humor ist trotz der Härte ihres Berufs unerschütterlich, ihre Erlebnisse sind - wie das mit dem Luxushoteldirektor unterm Tisch - manchmal umwerfend. Obwohl immer versöhnlich im Ton, entlarvt sie Großmannssucht oder menschliche Gleichgültigkeit, zeigt, dass die da oben nicht weniger schrullig sind als die da unten. Eigentlich, so der Grundtenor des Buches, sollte doch jeder willkommen sein, der sich für Schriftsteller interessiert?
Aber was machen die Schriftsteller von heute in dieser Kurstadt? Manchmal gibt es einen Stadtschreiber, inzwischen öfter lieber einen Stadtmusicus - denn da ist ja das Festspielhaus. Manchmal gibt es Autoren, die zu genau hinschauen, zu kritisch betrachten. Die mag man dann nicht so in der Stadt. Das Wort "Nestbeschmutzer" nimmt keiner gern in den Mund, man bleibt sauber. Und liest Jürgen Roths "Ermitteln verboten" trotzdem heimlich unter der Decke. Und dann gibt es Bücher über die Dekadenz gewisser Kurorte, die so freundlich entlarven, dass kaum einer merkt, wie der Kaiser plötzlich ohne Kleider dasteht. "Sanfte Illusionen" von Carsten Otte, der in Baden-Baden lebt, ist mehr als ein Buch über Kurstädte und ihre Dekadenz. Er zeichnet ein feines Bild moderner Sicherheitssehnsucht, die nur in der Rückwärtsgewandheit und Konservierung überleben kann.
Wenn ich in Baden-Baden bin, möchte ich immer Gustav Mahler hören, wie er gesagt hat: "Tradition ist die Bewahrung des Feuers und nicht Anbetung der Asche."
Wenn man ihnen schon an Können nicht nacheifern kann, in dieser Stadt darf man ihnen nachlaufen. Dostojewski war da und spukt noch heute ab und zu in einem Theaterspiel durchs Casino. Turgenjew lebte hier seine Ménage à trois, Gogol und Tolstoi kamen: Baden-Baden war einst nicht nur die Sommerresidenz Europas, sondern auch die Stadt der Schriftsteller. Otto Flake, dessen hübsche, mit Fachwerk verzierte Villa schräg gegenüber der Trinkhalle liegt, wo sich all die Schriftsteller beim Schlürfen von preiswertem Thermalwasser trafen, schrieb einmal, 1814 sei "Baden-Baden" zum gesellschaftlichen Begriff geworden.
Und weil Baden-Baden vor allem die Stadt der "Reichen und Schönen" ist, kommen jetzt die Russen von heute als Touristen. Nicht immer sind sie schön, nicht immer reich, aber manchmal einfach unverschämt reich. Was letztere tatsächlich treiben zwischen den auch schon in die Schlagzeilen geratenen Casinobesuchen und touristischen Edelevents, darüber wird in der Stadt viel gemunkelt und viel gelästert. Kann sich einer wirklich nur für alte Kultur interessieren, gar für Schriftsteller? Wie verdächtig, wenn heute noch jemand Dostojewski liest! Als ob man immer so genau wüsste, was deutsche, amerikanische oder japanische Reiche mit ihrem Geld anstellen...
Jedem, der das Phänomen der "kommenden Russen" verstehen will - und darüberhinaus ein wenig vom seltsamen Mikrokosmos Baden-Badens, dem empfehle ich Renate Efferns kurzweiliges Büchlein "Hurra, die Russen kommen zurück". Die hochkarätige Fremdenführerin, Leiterin der Turgenjew-Gesellschaft und Historikerin zeichnet in ihren wahren Anekoten ein sehr menschliches und differenziertes Bild von den Bewohnern beider Nationen. Ihr Humor ist trotz der Härte ihres Berufs unerschütterlich, ihre Erlebnisse sind - wie das mit dem Luxushoteldirektor unterm Tisch - manchmal umwerfend. Obwohl immer versöhnlich im Ton, entlarvt sie Großmannssucht oder menschliche Gleichgültigkeit, zeigt, dass die da oben nicht weniger schrullig sind als die da unten. Eigentlich, so der Grundtenor des Buches, sollte doch jeder willkommen sein, der sich für Schriftsteller interessiert?
Aber was machen die Schriftsteller von heute in dieser Kurstadt? Manchmal gibt es einen Stadtschreiber, inzwischen öfter lieber einen Stadtmusicus - denn da ist ja das Festspielhaus. Manchmal gibt es Autoren, die zu genau hinschauen, zu kritisch betrachten. Die mag man dann nicht so in der Stadt. Das Wort "Nestbeschmutzer" nimmt keiner gern in den Mund, man bleibt sauber. Und liest Jürgen Roths "Ermitteln verboten" trotzdem heimlich unter der Decke. Und dann gibt es Bücher über die Dekadenz gewisser Kurorte, die so freundlich entlarven, dass kaum einer merkt, wie der Kaiser plötzlich ohne Kleider dasteht. "Sanfte Illusionen" von Carsten Otte, der in Baden-Baden lebt, ist mehr als ein Buch über Kurstädte und ihre Dekadenz. Er zeichnet ein feines Bild moderner Sicherheitssehnsucht, die nur in der Rückwärtsgewandheit und Konservierung überleben kann.
Wenn ich in Baden-Baden bin, möchte ich immer Gustav Mahler hören, wie er gesagt hat: "Tradition ist die Bewahrung des Feuers und nicht Anbetung der Asche."
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