Geheimnis Odilienberg

Auch Autoren haben Leichen im Keller. Diejenige, die am meisten stinkt, ist mein Erstling: "Geheimnis Odilienberg". Im damals noch edlen, für religionswissenschaftliche Themen berühmten Eugen Diederichs Verlag war es gleich zu Anfang ein richtiger Bestseller. Aber schon 1998 erkannte man Trends und so wurde ich mangels Doktorentitel in Richtung "Esoterik" verkauft. Damals der absolute Renner, New Age ging um und in jeder zweiten Frau steckte eine Hexe. Dementsprechend wurde das Buch "gebürstet", auch wenn jede Menge religionswissenschaftliche Theorien dahinterstecken. Ich war von der Buchbranche unbeleckt und naiv, wusste nicht, dass man auch Nein hätte sagen dürfen. Also ließ ich die Werbemaschinerie anlaufen, selbst wenn es mich persönlich fast verriss - zwischen meinem eigenen Anspruch und der Person, die ich durch PR werden sollte.
"Geheimnis Odilienberg" wird völlig neu bearbeitet werden.
Der feine verlegergeführte Verlag ging dann den Weg alles Irdischen, Aufkäufe, Fusionen, Konfusionen. Zuletzt endete nur noch sein Name als Imprint bei Random House - und die haben mir dann auch ganz schnell all meine Rechte am Buch wiedergegeben. Die zahlreichen Vorbesitzer hatten sich nicht imstande gesehen, auch nur eine Mail von mir, von der Agentur oder dem Anwalt zu beantworten. Keine schönen Gefühle also, die mich mit diesem Buch noch verbanden.

Kam dazu, dass wissenschaftliche Erkenntnisse sich im Lauf der Zeit verändern, Moden auch. Und nicht zuletzt fanden auf dem Berg neue Ausgrabungen statt. So, wie der Text, der 1998 erschien, auf dem Papier steht, ist er nicht mehr zu halten. So viel ist zu ändern, zu streichen, dass ich das Buch in der Urform nicht neu auflegen lassen kann. Denn ich kann 2013 nicht mehr hinter diesem Text stehen - er ist in großen Teilen überholt, auch meine eigenen Meinungen haben sich verändert. Ein Fall für Depublikation ...

Ebenfalls nicht schön waren damals manche Auswüchse im Publikum, die mich völlig überrollten, denn hier in Frankreich wird man nicht gleich als Spinner angeschaut, wenn man das Wort "Schalensteine" oder "Schamanismus" in den Mund nimmt. Leider hat mich da die PR-Arbeit in ein Licht gestellt, in das ich eigentlich nicht wollte. Ich erlebte Dinge, die ich nie wieder erleben möchte: Frauen, die beim Signieren fast auf die Knie fielen und mich fragten, in welcher Geheimloge ich initiiert sei; Neonazis, die meine Lesung stürmten und von ihrem sauigeligen Möchtegerngral erzählen wollten, den sie mal schnell auf dem Berg geortet haben wollten. Der angebliche Nachfahre des Leibarztes des Kaisers von China kontaktierte mich telefonisch, weil ich dringend meinen Namen für seine Seminare hergeben sollte, bei denen man offensichtlich für viel Geld in den dritten Grad des Schwachsinns levitierte. Und als ich selbst eine historische Führung auf dem Berg anbot, wurde ich ständig mit Fragen gelöchert wie: "Spüren Sie auch diese gelb-schwarz gepünktelte Aura um diesen Stein?" Eine Frau war kurz davor, zum Notfall für den Rettungsdienst zu werden, fiel mir mit einem nicht enden wollenden Heulkrampf in die Arme: Sie hatte zum ersten Mal seit 20 Jahren bewusst den Wind auf ihrer Haut gespürt (ja, eine Szene im späteren Roman "Alptraum mit Plüschbär" lässt grüßen).

Es kostete mich immer mehr Kraft, mich solch einen Publikum zu stellen. Gewiss waren über 90% aller Zuhörer bei Vorträgen normale Menschen, aber die Ausgeflippten hefteten sich umso klebriger an meine Fersen. Ich wollte ernst genommen werden, nicht ständig versucht sein müssen, den sozialpsychiatrischen Dienst für meine Fans anrufen zu müssen.
Zwei Jahre hat mich jene Art der PR gekostet, bis ich durch harte Arbeit endlich wieder beweisen konnte: Ich bin nicht diese Esoterik-Maus, die ihr euch wünscht! Ich beschäftige mich auch mal mit Randthemen, aber nicht, ohne meinen Grips auszuschalten. Und ich kann Erleuchtungen am laufenden Meter im Wochenendseminar überhaupt nicht leiden. Mein persönlicher Glücksfall war ein Engagement durch die BBC, die das fachliche Wissen in meinem zweiten Buch erkannt hatten und mich gemeinsam mit zwei weltbekannten Wissenschaftlerinnen auftreten ließen. Ich hatte den falschen Kokon abgestreift und konnte endlich neu anfangen. "Geheimnis Odilienberg" war für mich nun Schnee von gestern.

Heute kann ich über all das lachen und aus dem Anekdotenfundus schöpfen. Ich kann sogar über mein Buch von damals lachen, diese süße Naivität meinerseits, all diese Unzulänglichkeiten im Schreiben und diese knetbare Masse von Autorin, die ich heute nicht mehr bin.

Bis heute erreichen mich Leseranfragen, doch bitte dieses wichtige Buch wieder neu aufzulegen. Bis heute habe ich mich dagegen gesträubt. Und dann nachgeschaut, was denn die Leser an diesem Buch so wichtig finden könnten ...
Die Milde vieler vergangener Jahre, ein völlig neuer Blick mit Abstand: Ja, doch, da ist tatsächlich viel zu viel Gutes im Buch, um es vergammeln zu lassen. Und es ist anders als die üblichen Reisebücher.

Jetzt denke ich, "Geheimnis Odilienberg" hat eien zweite Chance verdient. Allerdings in einer völligen Neubearbeitung. Aktualisiert, sprachlich geglättet, viel leserlicher geschrieben (was habe ich in den Jahren seither alles gelernt!). So etwas macht Arbeit, viel Arbeit. Es ist ein komplett neues Buch. Ganze Passagen müssen neu geschrieben werden, bleibende Passagen überarbeitet. Anschließend ist ein neues Lektorat fällig. Ich kann also nicht versprechen, bis wann ich so etwas neben meiner Arbeit leisten kann. Ich kann nur so viel sagen: Liebhaber des Mont Ste. Odile / Odilienbergs und seiner "Heidenmauer" können sich notieren, dass es eine Neuerscheinung geben wird. Ich werde sie ganz sicher rechtzeitig in meinen Blogs ankündigen. Eine neue Idee für die Aufmachung habe ich außerdem: Es wird stärker zum Reisebuch an einen besonderen Ort werden. Zu einem Reisebuch mit unterschiedlichen Wegen der Annäherung. Was es in dem Buch garantiert nicht geben wird: Rosa-grün gestreifte Levitationen des achten Level der eingeweichten Gralsaussäufer. Nur mal so prophylaktisch bemerkt.

8 Kommentare:

  1. Sie hatten nicht viel, oder gar nichts falschgemacht, für mich war´s besser geschrieben als die verkrümmte Vergangenheits-Erfindungen bei Terra- X; da sah ich mehr Müll, als, das ich es bei ihnen gelesen habe; gut Odile; was für Blumen haben Sie mit Odile gepflückt; eine Idee viele anzusehenden Geschichten; aber bei Terra- X, die zeigten nur bunten Staub irgendwas, einer Geschichte, und Analysten dieses mit Ruhmversehrten Darstellern. Ich habe genug, viele Bücher um irgendwelcher Geschichten in Anläufen zu erzählen; ich lebte und lebe weiter seit der Geburtsstunde von Terra – X, im Osten; sammelte Geschichte aller Welt; dazugehört, auch die Anfänge Frankreichs; manch ein Buch würde ich heute nicht mehr… aber ich kaufte mir ihr Buch ohne zu wissen wer es geschrieben hat; und ich schrieb ihnen was ich daran fand… Ich bin kein Esoteriker Fan, und doch das geschehen dieser Welt hat mehr zu bitten, als nur ein Spinner wie mich; das Kloster, der Berg alles mag Schön sein; und wenn das Buch mal fertig ist werde ich es mir… ich mag Riesensteine die wie Wacker, und die Schalensteine, wenn ich im Wald sie begegne; so lege ich irgendein Mitbringsel für ein Wunsch- Rein; Geschichten, die Religion zu beteuern wissen; sind keine Geschichte zum Geschichten erzählen; was Odile auch war…alles beginnt mit ein Stein darauf ihr Auge geben; das Christentum, stört dabei.
    Das war´s…
    ich mag alte Landbezeichnungen wenn diese weitergeführt werden… Namen aus Stein und in Stein.
    Deshalb kaufte ich mir auch das Buch; der Namen der Orte wegen; gibt es dort richtige Höllen?

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  2. Ich kenne das zur Diskussion stehende Buch nicht, ich kenne auch "Alptraum mit Plüschbär" nicht. Aber ich weiß, dass eine ganze Reihe von Frauen - sehr häufig, wenn sie als Kinder sexuell missbraucht wurden -, den Wind auf ihrem Körper tatsächlich nicht spüren können.
    Wann eine Tür geöffnet wird und wann nicht, ist nicht unbedingt kontrollierbar und wenn es passiert, überwältigend. Natürlich ist es von vielen Faktoren und Auslösern abhängig, aber zu diesen kann - in der Mischung mit anderen Dingen - durchaus auch ein Aufenthalt auf dem Odilienberg gehört haben (den ich übrigens auch kenne.)
    Ich lese relativ regelmäßig Ihren Blog und mir gefällt eigentlich das meiste; ich finde es schade, dass Sie hier, nur um witzig zu sein, in der Beschreibung ein gutes Stück übers Ziel hinausschießen.
    Und für den Fall, dass der wahre Vorfall mit dieser Frau Ihre Art der Beschreibung zu rechtfertigen scheint, weil nichts von dem zutrifft, was ich erwähnt habe: nach außen kommt nur an, was dort steht.

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  3. Werter Anonym,
    danke für die Kritik, indem Sie mir die Wirkung nach Außen vorführen, dafür bräuchten Sie sich eigentlich nicht für Ihren Namen schämen - die ist mir in dieser Form tatsächlich nicht bewusst gewesen. Und jemand der schreibt, ist immer interessiert, wie ein Text verstanden wird, denn ich selbst bin dafür betriebsblind.

    Nun werden Sie sich sicher vorstellen können, dass ich Fälle aus dem echten Leben so sehr anonymisiere und verfälsche, dass die wahren Personen nicht mehr erkennbar sind. Dazu gehört auch, dass man Umstände *nicht* beschreibt.

    Seien sie also unbesorgt, jene Frau hatte, soweit ich das überhaupt von außen nach ihren Worten beurteilen konnte, ein ganz anderes Problem. Das Spüren und Nichtspüren hatte einen ganz esoterischen Anlass, die Art der Überwältigung hatte Gründe, wie man sie in jedem Wochenendseminar bei einem Guru erleben kann. Der wahre Grund lag wohl eher darin, dass sie an diesem Tag offensichtlich, angestachelt durch ihre Stimmung, einen enormen, nie dagewesenen Ehekrach mit ihrem Mann vom Zaun brach. Ein "Befreiungsschlag", der leider die gesamte Veranstaltung bedrohte ...

    Mir ist natürlich bewusst, dass Menschen, die derart stark Übertragungen machen, wie auch die Dame mit der Geheimloge, dahinter psychische Probleme verbergen mögen. Aber gestehen Sie mir die Freiheit zu, dass ich mich als Autorin bei Vorträgen und Führungen nicht mit etwaigen seelischen Problemen meines Publikums befassen möchte. Und das auch nie leisten könnte und dürfte.

    Und dass ich mich über Esoterikverdummung lustig mache, das nehme ich mir frech heraus, so bin ich eben. ;-)

    "Alptraum mit Plüschbär" ist übrigens ein Roman über die verrückte Glückssuche einer gerade verlassenen Frau, viel irrwitziger als echtes Leben.

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  4. Liebe Petra,

    ich finde es gut,wenn du dem Buch über den Odilienberg eine neue Chance gibst - vor nicht allzu langer Zeit hätte ich es nämlich gern lesen wollen und nicht mehr bekommen. Auch den Alptraum mit Plüschbär habe ich in der Printversion gelesen. Das mit den Esoterikfrauen kann ich gut nachvollziehen - schließlich ging es um eine Vorstellung des Buches und nicht um eine Selbsterfahrungsgruppe! :-)

    Herzlichst
    Christa

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  5. @Born
    Danke für das Kompliment! In den Anfangszeiten von Terra X dachte ich als Anfängerin noch: Ach, so müsstest du auch schreiben können. Aber stimmt, heute ist das oft nur noch eine Konserve nach fester Strickart. Und weil es möglichst wenig Recherche kosten darf im Fernsehen, holt man dann alle möglichen Experten vor die Kamera. Solche muss ich zwar auch bemühen, aber ich bin beim Schreiben freier.

    Keine Angst, die Essenz wird sicher nicht verloren gehen. All die Legenden, Mythen und die Geschichte, das wird bleiben. Ich muss nur dort aktualisieren, wo inzwischen eben umfangreiche Ausgrabungen gemacht wurden - neue Erkenntnise können genauso spannend sein wie alte. Inzwischen sind britische Wissenschaftler sogar so weit, dass ihre Theorien die meine stützen. Als ich das Buch schrieb, klang das alles noch wie Spinnerei.

    Sehr viel arbeiten muss ich einfach an den logischen Abläufen, der Sprache. Die Geschichte der Merowinger ist so holprig und kompliziert verquer beschrieben, dass es mich wundert, warum die Lektorin damals nicht "aua" geschrien hat. Da muss ich hart ran ... und an andere Holperstellen auch.

    @Christa:
    Es ist ja doppelt schwer, weil man sich vor Publikum auch in gewisser Weise schützen muss, wenn man nicht an manchen "vibrations" leiden möchte, die man manchmal abbekommt ... Und ich mag echt keine Veranstaltungen mehr machen, wo ich in der Tat neben dem Notruf die Nummer des sozialpsychiatrischen Dienstes gespeichert habe (auf Anraten einer Kollegin ähnlicher Bücher) - weil ich schlicht auch als Laie gar keine Hilfe im Notfall leisten kann.

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  6. Nur der Klarheit wegen: es ging mir um den Ton, nicht darum, dass ich der Meinung wäre, Sie hätten sich besser um die Frau kümmern sollen - dieser Meinung bin ich nicht und das habe ich auch nicht gesagt.
    Grenzen zu ziehen ist absolut notwendig in solchen Situation, das weiß ich von Seminaren, die ich selbst in einem Bereich leite, in dem ich auch mit Esoterikern zusammentreffe, obwohl ich absolut esoterik-kritisch bin. Ich halte allerdings nichts davon, sich über diese Leute zu belustigen. Ist einfach nicht mein Stil.
    Und warum ich anonym bin? ist die einfachste und schnellste Möglichkeit, hier zu antworten, die Sie anbieten, und mit meinem Namen könnten Sie ohnehin nichts anfangen.

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  7. Ich kann nur Danken.
    Oder mich belohnen.
    Ein Bonbon hinterlegte ich.
    Streunte heute im Wald; wiedermal, um zu seiner mich zusetzen.
    Viel an Wind. Ich Scharwenzelte. An Zeit, die kriege ich rum.

    Ich dachte nicht an ein Kommentar.

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  8. Anonym, auch wenn ich mit Namen nichts anfangen kann, es ist einfach ein anderes Gefühl, wenn man sich selbst als Autor und namentlich so entblößt, zumindest eine "Teichfolie" oder "Brummbär" ansprechen zu können ;-) Ist aber keine Pflicht sich zu benennen!
    Und Sie werden mir sicher zugestehen, dass ich künftig weiter bei meinem eigenen Stil bleibe? ;-)

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