Voodoo gegen Orange

Einige erinnern sich sicher an "Voodoo gegen Orange", das ich auf Instagram gezeigt habe? In der heutigen Zeit bekommt man ja schon ab und zu mal die großen inneren Aggressionen, die man als zivilisierter Mensch selbstverständlich nicht auslebt wie Michael Douglas in "Falling Down" (die berühmte Szene "I want breakfast"). Wohin also mit der Weltenwut? Vor allem, wenn sie ausgelöst wird von dieser absolut narzisstischen Menschenfeindlichkeit in Zartorange? Wutbürgerin werden geht ja auch nicht, die sind genauso eklig. Auch wenn sie blau sind - aber beim Kratzen kommt Drecksnazibraun zum Vorschein.

Angefangen hat es mit einem Wutbild in Orange und Betongrau. (c) by Petra van Cronenburg

Wir Künstlerinnen haben es gut. Wir können uns sogar hauptberuflich austoben und die Waffen der Wahl von der Steuer absetzen. Da ist eigentlich alles drin von der Textilkünstlerin, die Stoffbahnen zerschlitzt, bis zum Biohacker, der sich selbst den Arm aufschneidet. Letzteres vor Publikum, sonst akzeptiert es das Finanzamt nicht. Wie man hier sieht, kann Kunst sogar albern machen, vor allem wenn ein Projekt einem dieses Gefühl gibt, letztendlich doch triumphiert zu haben. So muss sich Aderlass im 18. Jahrhundert angefühlt haben, hingestreckt auf eine Chaiselongue, perlenden Champagner im Glas, während der Leibarzt die wertvolle rote Flüssigkeit abzapft und nebenan die Köpfe von der Guillotine rollen. Ich schweife ab. Aber das liegt nur daran, dass ich eben im Labor hingestreckt auf einem orangefarbenen (!) Sessel, kostbares Nass abgezapft bekam. Zurück zum Thema!

Ideal für fiese miese Schlagzeilen von schlechter Energie: der Spiegel. Da ist sogar die Werbung roh. Ich habe es jedoch nicht übers Herz gebracht, diese Energien ins Bild zu kleben, und blieb beim schwarzen Ausschnitt für die Collage (c) by Petra van Cronenburg

Ich mag also eigentlich kein Blut sehen, Orange kann ich auch nicht mehr sehen. Zum Mülleimerorange und orange-kackbraunen Tapeten-Riesenmustern meiner Kindheit kommt quälend ein Toupet, das eine wahre Kakophonie absondert. Ich kann Farben ja hören.

Die nächste Schicht brauchte Strukturaufbau. Da kam mir die graue Betonfarbmasse, gemischt mit Gesso, gerade recht. (c) by Petra van Cronenburg

Und wieder eine neue Schicht, neue Farben und Attacken ... (c) by Petra van Cronenburg

Nun hat mir mal eine Forscherin erzählt, Voodoo würde wirken. Und zwar erstaunlicherweise vor allem bei Leuten, die gar nicht daran glauben. Das konnte ich ihr zunächst nicht glauben, aber ihre Theorien um Selbstsuggestion selbst bei offener Ablehnung klangen einleuchtend. So einleuchtend, dass wir im Dorf mal aus Hilflosigkeit heraus zu mehreren einem Hundequäler Püppchen in den Briefkasten legten, weil legale Wege nicht möglich waren. Diese Püppchen hatten das Rohr in der Hand, mit dem er den Hund schlug - und einen beißenden Hund am Arm. Eine Woche später genossen wir schadenfroh das Schauspiel, dass der Typ sich nicht mehr in seinen eigenen Garten traute. Er wagte es nicht einmal, den Motrorradhelm abzunehmen. Sein Hund war zur Bestie geworden. Das Militär hat ihn abholen müssen, mit Duft einer heißen Hündin. Anders kam keiner ran. Und der Hundequäler hatte fortan nie wieder einen Hund. Wenn jemand im Dorf böse Dinge treibt, kann es durchaus vorkommen, dass ihm irgendwer ein Püppchen schickt. Der Dorfvoyeur hustet seither ständig. Natürlich mach ich bei so etwas nicht mit, ich glaube ja nicht an Voodoo! Alles Zufall und Einbildung. Aber vielleicht wirkt es als Selbstbefreiungsritual?

Detail (c) by Petra van Cronenburg

Ich habe also wieder mal die volle Weltenwut auf diesen Kinderschinder, schnappe mir einen Malkarton und lege los: Übelstes Orange, welches miese Töne macht, alle Wut rein, zack, auf den Karton gespachtelt. Und Gesso. Das kann man so schön attackieren, mit dem Malmesser. Schneiden, kratzen, stechen, hauen, alles legal. Wahrscheinlich bekäme ich sogar die Absolution dafür, wäre ich katholisch? Und die nächste Schicht und noch schlimmer drauf. Ich habe diesen Vorgang schon einmal als einen sehr ruhigen, meditativen beschrieben und gezeigt - diesmal war es wirklich ein Hauen und Stechen!

Eigentlich könnte es jetzt fertig sein: Eine völlig neue Welt ist auf dem Drecksorange entstanden. Aber irgendetwas fehlt noch, es klingt nicht rund, das Bild. (c) by Petra van Cronenburg

Aber das sollte ja ein Zauber werden. Würde ich diese fiese Pampe von Ekelorange verwandeln können in eine völlig andere Welt? Eine positive, schöne Welt, wie ich sie mir wünsche? Ich mache es kurz und zeige einfach die unterschiedlichen Phasen.

Es ist Text aus der Erklärung der Menschenrechte, der das Bild jetzt klingen lässt und gegen den die untere Welt, pardon, Schicht, nicht mehr ankommt. (c) by Petra van Cronenburg

Für die letzte Schicht, bei der ich endlich Orange besiegen wollte und dahin schicken, wo er, ähm, es hingehört, brauchte ich nicht nur gestalterisch eine Idee. Und ich fand sie, die ultimative Waffe, die man dieser Tage nicht oft genug zücken kann: Ich druckte die Erklärung der Menschenrechte aus. So wie Tränen oder Blut fließen, wurde sie mit Wasserfarben aus der Pipette betropft. Bildende Kunst ist im Gegensatz zum Schreiben eine herrlich körperliche Angelegenheit. Die Streifen überlagern jetzt das Bild und ich fühlte, dass es fertig war. Es war ein sehr friedliches, aber auch triumphierendes Gefühl. So etwas schafft das Toupet nicht, Kreativität ist nicht so das Ding von Narzissten. Ich glaube nicht an Voodoo. Aber irgendwas wirkt. Wenn das ganz viele machen wie in unserem Dorf, dann hat der Hundequäler irgendwann nie wieder einen Hund. Und steht mutterseelenallein da in seinem selbstgeschaffenen Fegefeuer. Aber ich bin auch nicht katholisch. Ich habe nur einfach ein Malmesser, das beschäftigt werden will.

Detail des fertigen Bildes. (c) by Petra van Cronenburg

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