Bleib dir treu!
Sagen wir es laut: Es ist blöd. Sehr blöd sogar. Denn in dieser "verlorenen Arbeitszeit" hätte ich das Heizöl verdienen können, das ich immer noch nicht habe. Ich hätte etwas "Sinnvolles" tun können oder mein Wohnzimmer neu tapezieren oder sogar faulenzen! Warum tut man sich so etwas an? Und springt dann ab, wie von der Tarantel gestochen?
Es ging um eine sehr edle Ausschreibung. Das Feinste vom Feinsten, was man sich an Jury, Sponsoren und Organisatoren denken kann, darunter ARTE. Jaja ... die Möhre. Es ging um einen Wettbewerb für ein Kunstprojekt zum Thema XY, bei dem die Besten eine Crowdfunding-Aktion mit einer sehr hohen Summe gewonnen hätten. Wohlgemerkt: Nur die Aktion, das Geld hätte man dann fürs eigene Projekt selbst eintreiben müssen, allerdings mit einem Background an Edelnamen und toller PR-Reichweite. Und alles passte so schön auf mich, meine Person, mein Können. Also beschloss ich, meine Krimiserie einzureichen, weil ich mir die Schreibzeit daran quasi abhungere. Mit dem Geld hätte ich ein Weilchen leben und sogar die Bücher selbst herstellen lassen können. Kann man ja versuchen!
Schon bei den Bewerbungsunterlagen wurde mir klar, dass ich mein Projekt für die Ausschreibung hätte zurechtschnitzen müssen. Ich hätte eine der Nebenfiguren zumindest in der Beschreibung ins Zentrum rücken müssen. Ich hätte einen wichtigen "Red Herring" (eine falsche Spur im Krimi) ändern müssen, um einem der Hauptsponsoren zu gefallen. Vordergründig waren das keine großen Zugeständnisse, bei Verlagen macht man oft mehr. Also ließ ich mich darauf ein und schrieb die besten Werbetexte nebst Pitching ... und bekam ein immer mulmigeres Gefühl. Es lief mir nämlich keineswegs so leicht von der Hand wie gedacht. Und weil den Esel die Möhre zu sehr lockte, bemerkte ich nicht, dass es Alarmzeichen waren, wo ich besonders stockte. Nein, ich habe mich durchgequält, geschuftet, gefeilt ... und dann war das Dossier fertig und erschien mir sehr überzeugend.
Ich habe in diesem Moment, kurz vor der Abgabe, genau das getan, was man in seliger Betriebsblindheit immer mal wieder tun sollte: Ich habe ein paar Fachleute gefragt, die mir nahestehen und auf deren Urteil ich viel geben kann. Weil sie unbestechlich denken, das Metier kennen und meine Arbeit.
Die sagten einhellig dasselbe: "Bleib dir treu!"
Bleib du selbst, bleib ganz bei deinem eigenen Projekt. Verbieg dich nicht in der Hoffnung auf einen Gewinn, den nur ganz wenige absahnen werden und eine Crowdfunding-Aktion, die du dann erst mal durchziehen musst.
Deshalb schreibe ich diesen Beitrag. Um zu zeigen, wie blind man manchmal selbst ist. Wie einen die Aussicht auf feine Bezahlung oder tolle Namen korrumpierbar machen kann. Es ist gar nicht so einfach, in diesem Metier Nein zu sagen oder im rechten Moment zu verzichten. Und sich dann nachher eben nicht als Versagerin zu fühlen, weil man es nicht versucht hat.
Nachdem man mir also den Kopf gewaschen hatte, las ich mir mein Dossier mit neuen Augen durch. Das war ein wunderbares Pitching. Das versprach einer Jury Aufregendes. Aber das war gar nicht mehr meine Krimiserie. Überall dort, wo ich mich an die Ausschreibung herangeschrieben hatte, war die Luft raus. Aus dem Roman nämlich. Ich hätte mich selbst zerrissen zwischen Passendmachen und Zugeständnissen. Was ich da arbeite, passt nämlich nicht auf eine Ausschreibung. Und wollte ich nicht sowieso mal ins Crowdfunding gehen damit? Nämlich dann, wenn ich Zeit habe, wenn ich alle Vorbereitungen abgeschlossen habe, wenn ich mich rundum darum kümmern könnte? Zugegeben: Dann hätte ich keine Edelnamen und keine PR von außen, nur mein eigenes Netzwerk.
Lehrstoff:
- Das eigene treue und gut betreute Netzwerk ist vielleicht wertvoller als ein Edelname, bei dem du nur eine Nummer bist, die vielleicht eh nichts bringt.
- Ein Projekt hat nur dann Erfolg, wenn du zur richtigen Zeit die richtigen Kontakte schaffst und nichts forcierst, bevor es wirklich reif ist.
- Mach dich künstlerisch nicht zu abhängig von Dritten, die dich fürs eigene Renommé nutzen, aber mit dir gar nicht längerfristig zu tun haben werden.
- Du kannst ein Projekt nur gut verkaufen, wenn es ganz authentisch "dein Ding" ist, wenn du Leidenschaft spürbar machen kannst, selbst dahinterstehst.
- Bleib dir treu heißt: Stelle dich und dein Projekt immer wieder auf den Prüfstand vor dir selbst, ob du noch bei dir bist oder ganz woanders. Kenne deine eigenen Ziele.
- Arbeite hart, aber arbeite zuerst einmal für dich.
- Nur Verbündete, die von deinem Original überzeugt sind, werden dich auch wirklich fördern.
- Wenn du jedem, der Wünsche äußert, "entgegen" schreibst, wird dein Werk lau, austauschbar, anbiedernd.
- Schreib trotzdem so, als müsstest du dich bei den Besten der Besten bewerben und lasse nicht nach.
- Keine Arbeit ist umsonst.
Es gibt keine Texte, die man umsonst schreibt. Wenn ich mein Manuskript fast fertig haben werde, könnte ich mich mit leicht umgeschriebenem Pitching und Exposé an eine Literaturagentur oder an einen feinen Verlag wenden. Und wenn nicht, habe ich meine eigene Crowdfunding-Aktion schon mit Businessplan versehen. Vor allem aber haben mich diese "falschen" Texte gründlichst zentriert: Ich kann jetzt ganz genau benennen, was ich will und was ich nicht will. Was in den Romanen funktioniert und was nicht. Wo ich in ein paar Jahren landen will. Und warum ich an mein Projekt felsenfest glaube. Wer sagt, das habe keinen Wert, der hat keine Ahnung vom Bücherschreiben.
Bücher geschrieben habe ich übrigens schon einige - hier eine kleine Übersicht der noch im Handel befindlichen Romane und erzählenden oder literarischen Sachbücher.
So, inzwischen ist die Bewerbungsfrist lang schon abgelaufen und die Gewinner stehen fest, die sich jetzt überhaupt erst einmal fürs Crowdfunding fitmachen und bestehen müssen. Denn nur, wer dort seine Summe zusammen bekommt, hat gewonnen.
AntwortenLöschenMein Bauchgefühl hat nicht getrogen, meine Krimis hätten entweder nicht da reingepasst oder ich hätte sie böse zurechtstutzen müssen (etwa eine Nebenfigur zur Hauptfigur machen müssen, ein fataler Eingriff). Ausgewählt hat die Jury hauptsächlich Musikproduktionen, Bildende Kunst und Theater und in meiner Region hätte ich gegen eine Filmproduktionsfirma ankommen müssen.
Im Nachhinein weiß ich nun auch, dass ich zum Zeitpunkt, zu dem ich das Video fürs Projekt hätte drehen lassen sollen, etwas aus dem Nichts in Hektik hätte schaffen müssen. Da hätte ich schön Geld in den Sand gesetzt!
Viel gelernt. Inzwischen auch das: Wenn dein Projekt nicht von vornherein wirklich 100%ig auf die Ausschreibung passt, dann lass es ...
Ich lasse es mit den Ausschreibungen erst mal grundsätzlich. :-)