Kinderbücher können gefährlich nachwirken

Als Kind bekam ich von einem Patenonkel "die dicksten Bücher der Welt" geschenkt: Sämtliche Erzählungen von Nikolaj Gogol in einem Band, Lew Tolstoi zwischen zwei Buchdeckeln mit Erzählungen und den Jugenderinnerungen dazu - später folgte Dostojewskij. Riesige reiche Erzählwelten taten sich für mich auf und vom ersten selbstverdienten Geld kaufte ich mir Turgenjew und Tschechow. Ich lese diese Bücher seither immer wieder und immer noch - staunend, begeistert. Und unwahrscheinlich neugierig, wie man es schaffen kann, Figuren derart lebendig wie in Fleisch und Blut zu erschaffen und die Leser in Welten zu ziehen, die sie sich vorher nicht haben vorstellen können.

Wie das Leben so spielt, wenn man auf seinen Bauch hört, bin ich frischgebackenes Mitglied in der seit einem Jahr existierenden deutsch-russischen Kultur-Gesellschaft Baden-Baden und werde mit obigen Herren und einigen ihrer Zeitgenossen noch einiges zu tun haben ... Wenn ich als Kind geahnt hätte, dass sie direkt neben meiner Geburtsstadt zeitweise gelebt oder zumindest gekurt oder Roulette gespielt haben - auf alle Fälle aber geschrieben! Die Welt kann manchmal sehr klein sein - oder wie Krimiautoren zu sagen pflegen: "Der Mörder kehrt irgendwann immer an den Tatort zurück".

Ein ganz besonderes Vergnügen war es für mich allerdings, endlich einmal Nijinsky, Diaghilew und die anderen perfekt ausgesprochen zu hören. Beim Rest schweigt der Genießer (warum rede ich heute in Sprichworten?). Von den Überraschungen an dieser Stelle nur die offiziellen. Wenn es das Winterwetter mit dem Auslandsmitglied gut meint, werde ich am 13. Dezember mein Nijinsky-Buch bei den öffentlichen Monatsveranstaltungen der deutsch-russischen Kultur-Gesellschaft Baden-Baden in einer Mischung aus Plauderei und Leseproben vorstellen. In Frankreich ist das der Tag der heiligen Odilia, an dem ich meinen Erstling über dieselbe fertig geschrieben hatte. Nein, abergläubisch bin ich natürlich überhaupt nicht!

Oder doch? Wie war das: Wenn man sich etwas ganz heftig wünscht, darf man nicht darüber sprechen und dann geht es in Erfüllung? Man darf sich allenfalls selbst an die Stirn tippen, wenn man sich Schräges wünscht. Wie soll ich das sagen - nach heftigem Stirntippen in stillen Stunden wird mein Pressetext ins Russische übersetzt und ein kleines blaues Buch geht dann auf Reisen: ins Ursprungsland der Ballets Russes.

Wahrscheinlich wird mich das Buch mit dem Eigenleben, das es inzwischen entwickelt hat, noch einige Male überraschen. Ich staune derweil über meinen Hinterkopf, aus dem tief vergrabene, vergessene russische Vokabeln frech über das Französische purzeln. Ich spreche heute ein grausames, verwirrtes "Europlais" mit tiefstem Holzhackerakzent und stelle fest, es wird mal wieder Zeit, eine Sprache zu lernen, damit sich die anderen Sprachen wieder ordentlich hinsetzen im Hirn.

6 Kommentare:

  1. Aha! Klasse! Na also - jetzt an die Arbeit nee, Vergnuegen. Und gratuliere.

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  2. Klingt gut, was Du schreibst! Klingt wirklich sehr, sehr gut!

    Vielleicht klappt es ja doch noch mit dem "reich und berühmt" werden. Vor allem mit dem "reich"...

    ;-)

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  3. Fürs "reich" habe ich den falschen Beruf, da hätte ich etwas "Anständiges" lernen müssen ;-) Dafür ist aber meine Arbeit ein einziges Vergnügen...

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  4. Gerade lese ich einen Band russischer Kriminalgeschichten mit Beitragen von u. a. Dostojewskij, Turgenjew und Tschechow. Und die russischen Märchen im zerfledderten Buch meiner Kindheit sind mir in starker Erinnerung!
    Alles Gute für deinen Nijinsky-Aufritt!

    Christa

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  5. Na, wenn sie jetzt überall um Dein Buch so einen Hype anzetteln wie zu dem von Mrs. Roche? Dann haste doch Chancen!

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  6. Danke Christa!
    Sabine, da stimmen einige Parameter nicht, für den Roche-Effekt...

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