Grenzgängerei pur
All diese Kollegen, die wie Dagobert Duck Dollarzeichen in den Augen tragen, möchte ich immer wieder fragen: Schreibt ihr im Ernst Bücher, nur um reich und berühmt zu werden? Habt ihr wirklich noch nie durchgerechnet, wie wenige Buchmillionäre weltweit herumlaufen? Und unter den Self-Publishern sind es noch sehr viel weniger - auch wenn sie überdurchschnittlich oft durch die Medien gejagt werden. Hättet ihr doch besser einen anderen Beruf erlernt! Nein, die Masse der Autoren wird nicht reich mit ihrer Arbeit - egal in welcher Form die Bücher erscheinen, egal, welche Technik des Lesens benutzt werden mag. Man berechne nur einmal den Aufwand der eigenen Ausbildung, die Arbeitszeit, die Belastung, die Leistung und berechne daraus einen Stundenlohn. Autoren, die ein Buchprojekt nur im Hinblick auf den Profit angehen, sollten nicht auf die Controller von Großverlagen schimpfen. Mit Buchhalterei alleine schöpft man keine Inhalte.
Tatsächlich gibt es - so finde ich jedenfalls - jede andere Menge Gründe, ein Buch zu schreiben. Wenn ich KollegInnen frage, kommt am häufigsten die Antwort, dass sie gar nicht anders können. Ohne das Erschaffen von Manuskripten scheinen sie nicht überlebensfähig zu sein. Andere nennen die große Freude und Befriedigung, oder einen Erkenntnisgewinn, die Spannung bei der Recherche. Manchen geht das Herz auf, wenn sie Welten schöpfen, in denen die Leser eines Tages spazieren gehen können. Andere nutzen ihre Bücher, um zu unterrichten und auch neben dem Schreiben Wissen weiterzugeben. Sogar Schriftsteller, die gar keine werden wollten und sich mit Händen und Füßen gegen die Berufung wehrten, sind mir begegnet. Oder Menschen, die diesen Beruf gleichermaßen hassen und lieben. Keiner von denen, die auch nur einigermaßen bekannt sind, schreibt allein deshalb, weil man auf diesem Wege Reibach machen könnte. Das scheint ein Internet-Phänomen der Hoffnungsvollen zu sein - und derer, die mit ihnen Geld verdienen wollen.
Ich muss darum schmunzeln, wenn ich in letzter Zeit immer öfter gefragt werde, ob mein Buch "Faszination Nijinsky" denn nun ein Erfolg geworden sei (nach einem Monat auf dem Markt!). Ich habe keinerlei Messwerte - Verkaufszahlen sehe ich erst später und Presserezensionen wird es erst zur Saison im Oktober geben. Dennoch weiß ich, dass ich bei der Art der Distribution wahrscheinlich nie die Verkaufszahlen wie bei anderen Büchern erreichen werde - das Buch liegt schlicht nicht auf Buchhändlertischen. Was ist also Erfolg? Eine dicke Abrechnung?
Erfolg ist für mich, wenn ich ein Thema, dem ich mich mutig gestellt habe, auch wirklich zu meiner eigenen Zufriedenheit bewältige - und ich bin mir eine extrem scharfe Kritikerin. Erfolg heißt, über meine eigenen Grenzen und Begrenzungen hinauszuwachsen, Fortschritte im Schreiben zu machen, im Denken. Wachsen, um für das nächste Buch die Messlatte wieder ein Stückchen höher hängen zu können. Erfolg mit einem erschienenen Buch habe ich, wenn ich in glänzende und bewegte Leseraugen blicke. Wenn man mir erzählt, dass irgendetwas an diesem Buch zum Denken angeregt hat, Freude bereitet hat - oder im Idealfall sogar etwas bewegte. Erfolg ist, wenn ein Buch berührt. Ich liebe den Erfolg, wenn sich für Leser die Welt weitet und sich ihr Horizont verschiebt.
Natürlich nehme ich Geld für meine Arbeit und freue mich, wenn ich einen Winter ohne Frieren durchheizen kann. Würde ich aber lieber bei 25 Grad Raumtemperatur Kaviar schaufeln, hätte ich eindeutig meinen Beruf - nein, meine Berufung - verfehlt. Erfolg ist deshalb auch, wenn ich mir den Luxus des Schreibens erarbeiten kann, die Freiheit, schriftstellerisch auch einmal Nein zu sagen, mich frei zu entwickeln. Dafür gibt es ein anderes Schreiben, eines auf Bestellung, eines, das nicht immer mit den eigenen Herzschmerzprojekten zu tun hat und im Idealfall doch an sie heranreicht.
Wie bei kaum einem anderen Buch zuvor feiere ich mit "Faszination Nijinsky" jedoch auch einen Erfolg, den mir in diesem Ausmaß wirklich kein Verlag hätte verschaffen können, den ich mir selbst erarbeiten musste: Das Buch öffnet Türen. In einer Weise, die ich selbst nicht für möglich gehalten hätte.
Seit Tagen versuche ich zu erkunden, worin das Geheimnis liegen mag, dass dieses Buch nicht nur berührt, sondern auch Kontakte schafft. Ersteres mag ja noch an meinem Schreiben liegen, aber letzteres? Ich kann wieder nur Parallelen aus anderen Künsten ziehen und muss dabei an den Film denken. Menschen, die ein Filmprojekt durchboxen wollen, erscheinen auf ihre Umwelt oft monomanisch, vollkommen in ihrer Themenwelt versunken, auf ein einziges Ziel hin fokussiert. Aber genau damit schaffen sie irgendwann diesen magischen Punkt, an dem sich scheinbar zufällig wie bei der Glücksfee alle Türen öffnen und eins zum anderen kommt. Die Umwelt sieht wieder nicht die oft jahrelange und aufreibende Arbeit, die dahinter steckt...
Kairos nannten das die alten Griechen. Es ist der richtige, der glückliche Zeitpunkt, wo sich der richtige Mensch mit dem richtigen Thema zur richtigen Zeit am richtigen Ort bei den richtigen Menschen befindet - und diesen Zeitpunkt beim Schopfe packt. Der ist nämlich ziemlich flüchtig.
Ich wage zu erahnen, dass ich so einen Kairos mit dem Nijinsky-Projekt erwischt habe. Mit monomanischer Beharrlichkeit, die wahrscheinlich sogar manche Blogleser genervt haben mag. Erinnert sich noch jemand, wie ich in Bezug auf die europäische Avantgarde und die Ballets Russes von der Achse Paris-Petersburg geschwärmt habe? Wie die Grenzgängerin ihr eigenes Europa immer weiter ausgedehnt hat?
Ich rede ja ungern über ungelegte Eier, aber das zeichnet sich schon einmal ab: Dank eines gewissen blauen Buchs hat sich meine künftige Arbeitsachse bis nach Russland verschoben. Ich bin riesig gespannt auf die Projekte mit meiner russischen Übersetzerkollegin. Und wahnsinnig aufgeregt.
*dreimalaufHolzgeklopftundhinterdieSchultergespuckt*
Spricht mir wieder mal aus der Seele! Ja, der Erfolg ist doch für jeden Künstler und Kulturschaffenden in erster Linie, dass man das, wofür das Herz schlägt, verwirklicht hat.
AntwortenLöschenIch füge hier mal einen Spruch ein vom schwedischen Autor Dan Theander: Geld! Ja, es ist herrlich Geld zu haben. Aber kann man davon leben?
Ein wunderbarer Spruch, der auch noch an einem Tag stimmt, an dem ich den zum Vorjahr brutal gestiegenen Heizölpreis verdauen muss.
AntwortenLöschenWeniger wunderbar sind einige "Warnungen" hinter den Kulissen nach dem Motto, ich solle aufpassen, nur ja nicht den Pfad der Tugend zu verlassen. Ich formuliere das mal so blumig, weil ich noch nicht herausgefunden habe, welche Beweggründe hinter so mancher Bemerkung stecken mögen.
*dreimalaufHolzgeklopftundhinterdieSchultergespuckt*IIch war so freu und habe es einfach mal übernommen, es ist ein Artikel der rundherum Sie sind ... die Begeisterung kommt aus jeden Buchstaben .... In Afrika gibt es Sprichwort "Geld kann man nicht essen" ein Spruch von meinem Besten, den ich mal fragte "Was ist Dir das wichtigste bei Deinen Büchern, die einmaligen Fotos oder Deine Text ... Antwort "Das vielleicht mal in 100 Jahren jemand noch mein Bücher liest, wenn Sie auf Flohmärkten zu finden sind" ... Ich denke es sind auch persönliche Einstellungen der Autoren zu Ihrer Arbeit.
AntwortenLöschenIch lese hier sehr sehr gerne mit.
Lieben Dank für die tollen Komplimente - das motiviert immer wieder!
AntwortenLöschenDas afrikanische Sprichwort dürfte die Buchbranche aber auch gern etwas abwandeln in "Geld genug zum Essen, damit man sich das Schreiben leisten kann" ;-)
Wird man unsere Bücher in 100 Jahren noch lesen können? Als eine, die alte Bücher sammelt, fürchte ich, das moderne Papier und die oft lausige Herstellung werden es so lang nicht machen... Drum besser für die Jetztwelt leben!
Ja, das kann ich alles unterstreichen, auch wenn ich leicht reden kann mit dem "essbaren Geld", das ich daneben verdiene. Und das Schreiben fehlt mir schon wieder so, nachdem ich eben die letzten Fahnen weggeschickt habe!
AntwortenLöschen"Weniger wunderbar sind einige "Warnungen" hinter den Kulissen nach dem Motto, ich solle aufpassen, nur ja nicht den Pfad der Tugend zu verlassen. Ich formuliere das mal so blumig, weil ich noch nicht herausgefunden habe, welche Beweggründe hinter so mancher Bemerkung stecken mögen."
Jemand, der allein vom Schreiben leben muss, könnte
durchaus gezwungen sein, Kompromisse einzugehen. Könnte ich mir vorstellen.
"Wird man unsere Bücher in 100 Jahren noch lesen können? Als eine, die alte Bücher sammelt, fürchte ich, das moderne Papier und die oft lausige Herstellung werden es so lang nicht machen... Drum besser für die Jetztwelt leben!"
War denn das Papier früher wirklich so viel besser? Ich habe schon Bücher aus dem 19. Jahrhundert gelesen, und in Bretten stehen welche aus dem 16. Jahrhundet im Melanchtonhaus, wie du weißt ...Aber es stimmt, ich denke jetzt nicht mehr, schön, wenn jemand das in hundert Jahren noch liest. Ich denke auch nicht, schön, wenn das jemand auf dem Flohmarkt findet. Ich denke,
es wäre gut, wenn meine Bücher den Weg zu ihren Lesern finden.
Herzlichst
Christa
Liebe Christa,
AntwortenLöschendie chemische Zusammensetzung von Papier hat sich verändert. Bücher ab dem späten 19. Jahrhundert sind u. U. schwer zu konservieren und moderne Taschenbücher werden von vornherein für eine kurze Lebensdauer konzipiert. Das Papier von Taschenbüchern aus meiner Schulzeit ist schon recht gebräunt und wird brüchig ... Kein Vergleich zu den herrlichen alten Wälzern.
Was sind Kompromisse? Ob ich ein Sachbuch für einen Verlag oder für einen freien Auftraggeber entwickle - in beiden Fällen ist es Teamarbeit, in beiden Fällen kann ich Nein sagen. Die Zeit, in denen man ein Sachbuch nach eigenem Gusto "erfand", sind auch in der Verlagswelt vorbei. Die lieben besorgten KollegInnen entpuppen sich gerade als welche, die zu oft die falschen Krimis im Fernsehen anschauen ;-)))
Ich wünsch dir baldigst Schreibmuse!
Herzlichst,
Petra