Odyssee ins Ich
Die unterschiedlichen Kritiken, die das Buch bekommen hat, zeigen: man darf keine Scheuklappen beim Lesen haben und keine allzu festgefahrenen religiösen oder ideologischen Meinungen. Denn dieses Buch über die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaften zum Bereich des Ich und der Identität kratzt an der Philosophie, bringt so manchen Psychotherapeuten zum Weinen und jede Menge von Pseudomythen aus der Wissenschaft zu Fall.
Die beiden Focus-Redakteure haben schlichtweg einen Wissenschaftsthriller geschrieben. Verständlich auch für Leute, die sich bisher mit den genannten Wissenschaften nie beschäftigt haben, absolut packend von der ersten Seite an. Schließlich können sich die beiden an einem riesigen Fundus aus ihrer Arbeit bedienen. Zugegeben... manches ist fast ein wenig zu spektakulär, viele Fälle scheinen so exotisch, dass man sie kaum glauben mag. Aber am Extrem lernt es sich bekanntlich am leichtesten, was den gesunden Zustand ausmacht.
Wer etwas länger über den Film "Matrix" nachgedacht hat, wer gerne über das Ich philosophiert und wissen will, wo die Grenzen zwischen Traum und Realität und inzwischen auch Virtualität verlaufen, ist bei diesem Buch genau richtig. Für Autoren, die wissen wollen, woraus das Ich geformt wird und wie eine Figur im wahren Leben entsteht, ist das Buch ein Must.
Auch wenn Siefer und Weber Hypothesen und Theorien darstellen - ihnen ist sehr bewusst, dass es nur solche sind. Das Fazit, dass der Mensch sich ständig neu selbst erfindet und damit auch frei ist, etwas anderes aus sich zu machen, ist so neu nicht. In seiner wissenschaftlichen Aufschlüsselung könnte es jedoch ganze Denkwelten zum Einstürzen bringen. So belegen die Autoren z.B. eindrücklich, welchen Irrtum man uns einimpfen will, wenn man behauptet, ältere Menschen könnten sich nicht vollkommen ändern, auch charakterlich.
Die Wissenschaft findet nun heraus... dass einfach die Wege, das zu tun, falsch waren. Therapeuten, die auf reine Gesprächstherapien und theoretisches Nachdenken bauen, werden morgen vielleicht zum Arbeitsamt gehen müssen. Oder rechtzeitig umlernen und sehen: neue Gehirnverbindungen bilden sich durch Handeln, durch Training, nicht auf der Couch.
Ebenso spannend die Odyssee ins Thema Verdrängungen und Aufarbeitungen. Von der neuesten Hirnforschung aus gesehen, sollte man sich seine persönlichen Krisen jedenfalls keineswegs schlechtreden lassen - sie können ein besserer Synapsencocktail sein als das leichte Leben.
Das Buch beschäftigt sich außerdem mit der Selbstinszenierung durch soziale Identität, mit erfundenen Erinnerungen zur eigenen Geschichte und mit der Suche nach dem Selbstbewusstsein, mit Sinnkrise und mystischen Antworten im Spiegel der Wissenschaft. Und so, wie das Buch aufräumt mit absoluten Glaubenssätzen der letzten Jahre, so unbequem lässt es den Leser zurück: auch diese Thesen sind nicht absolut, dürfen hinterfragt werden.
Am Ende steht nicht die Frage "wer bin ich?" - sondern die Frage "wer will ich sein, wer könnte ich werden"? Meiner Meinung nach ein Sachbuch mit echten Thrillerqualitäten!
Werner Siefer / Christian Weber: Ich. Wie wir uns selbst erfinden (campus)
Die beiden Focus-Redakteure haben schlichtweg einen Wissenschaftsthriller geschrieben. Verständlich auch für Leute, die sich bisher mit den genannten Wissenschaften nie beschäftigt haben, absolut packend von der ersten Seite an. Schließlich können sich die beiden an einem riesigen Fundus aus ihrer Arbeit bedienen. Zugegeben... manches ist fast ein wenig zu spektakulär, viele Fälle scheinen so exotisch, dass man sie kaum glauben mag. Aber am Extrem lernt es sich bekanntlich am leichtesten, was den gesunden Zustand ausmacht.
Wer etwas länger über den Film "Matrix" nachgedacht hat, wer gerne über das Ich philosophiert und wissen will, wo die Grenzen zwischen Traum und Realität und inzwischen auch Virtualität verlaufen, ist bei diesem Buch genau richtig. Für Autoren, die wissen wollen, woraus das Ich geformt wird und wie eine Figur im wahren Leben entsteht, ist das Buch ein Must.
Auch wenn Siefer und Weber Hypothesen und Theorien darstellen - ihnen ist sehr bewusst, dass es nur solche sind. Das Fazit, dass der Mensch sich ständig neu selbst erfindet und damit auch frei ist, etwas anderes aus sich zu machen, ist so neu nicht. In seiner wissenschaftlichen Aufschlüsselung könnte es jedoch ganze Denkwelten zum Einstürzen bringen. So belegen die Autoren z.B. eindrücklich, welchen Irrtum man uns einimpfen will, wenn man behauptet, ältere Menschen könnten sich nicht vollkommen ändern, auch charakterlich.
Die Wissenschaft findet nun heraus... dass einfach die Wege, das zu tun, falsch waren. Therapeuten, die auf reine Gesprächstherapien und theoretisches Nachdenken bauen, werden morgen vielleicht zum Arbeitsamt gehen müssen. Oder rechtzeitig umlernen und sehen: neue Gehirnverbindungen bilden sich durch Handeln, durch Training, nicht auf der Couch.
Ebenso spannend die Odyssee ins Thema Verdrängungen und Aufarbeitungen. Von der neuesten Hirnforschung aus gesehen, sollte man sich seine persönlichen Krisen jedenfalls keineswegs schlechtreden lassen - sie können ein besserer Synapsencocktail sein als das leichte Leben.
Das Buch beschäftigt sich außerdem mit der Selbstinszenierung durch soziale Identität, mit erfundenen Erinnerungen zur eigenen Geschichte und mit der Suche nach dem Selbstbewusstsein, mit Sinnkrise und mystischen Antworten im Spiegel der Wissenschaft. Und so, wie das Buch aufräumt mit absoluten Glaubenssätzen der letzten Jahre, so unbequem lässt es den Leser zurück: auch diese Thesen sind nicht absolut, dürfen hinterfragt werden.
Am Ende steht nicht die Frage "wer bin ich?" - sondern die Frage "wer will ich sein, wer könnte ich werden"? Meiner Meinung nach ein Sachbuch mit echten Thrillerqualitäten!
Werner Siefer / Christian Weber: Ich. Wie wir uns selbst erfinden (campus)
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