Meine Lust an Krempel

Ihr kennt diese Billigstläden, die man in den USA "Dollarstore" nennt, sicherlich. Früher hätten mich keine zehn Pferde reingebracht, weil ich natürlich sehr bewusst über die Zusammenhänge im Handel nachdenke. Gelandet bin ich dann mal in einem, als ich mir in schlimmen Monaten kaum noch das Essen leisten konnte. Es gibt sie ja nicht nur deshalb, weil wir etwa grundsätzlich knausrig seien, sondern auch deshalb, weil immer mehr Menschen in der reichen Welt sich das Leben kaum noch anders leisten können. Was ich jedoch nicht verstand, war das Phänomen der Sucht vor allem weiblicher Jugendlicher, die sich dort zu bestimmten Zeiten regelrecht an den Regalen zusammenklumpen. Was treibt die an? Ich mache es kurz - es hat auch mich erwischt. Und ich hätte mir nie vorstellen können, warum!

Lausiges Foto, ist auch nur ein Legetest. Ich bin derzeit scharf auf 3-D-Bilderrahmen, also Rahmen, bei denen hinters Glas mehr als ein flaches Foto passt. Die hier scheinen ideal für meine Idee einer "fiktiven Insektensammlung", die aus handgefertigten Papierviechern bestehen wird. Der Bollen neben den Schmetterlingen ist ein Rohling für einen Käferkörper. Und weil es die letzten Rahmen waren, habe ich gleich drei gebunkert. So entstehen neue Projekte im Atelier Tetebrec!
Natürlich habe ich recht schnell entdeckt, dass es da eine Bastelecke gibt. Bei den Preisen kann man Acrylfarben oder Leinwände auch mal so richtig übel vermalen, ohne gleich zu verarmen. Sprich, das ist ideal zum Lernen und Üben. Fürs richtige Bild kaufe ich dann im Kunstbedarf. Aber hinter das eigentliche Geheimnis kam ich erst durch FB-Gruppen zum Thema Mixed Media. Da gibt es nämlich eine ganze Bewegung von Lifehackern, die zu Recht sagen, dass es für die Kunst nicht immer teure Spezialprodukte braucht. Es liefert uns nicht nur die Natur so ungeheuer viel, sondern auch ein ganz normaler Krempel-Billigladen.

Die Betonung liegt tatsächlich auf Krempel. Es sind all diese kleinen Überflüssigkeiten, oft aus billigsten Materialien, die ich mir nie und nimmer in die Küche legen würde. Aber hey ... du willst Monoprints machen und die original "Gelliplate" ist dir viel zu teuer? Du willst richtig aggressive Techniken versuchen, die deine selbstgekochte Gelatineplatte schnell alt aussehen lassen? Da gibt es diese deutsche "Matte" aus Silikon zum Kuchenbacken, funktioniert hervorragend! Nicht, dass ich bis heute wüsste, was genau man auf dieser Matte eigentlich normalerweise anstellt, ich durchsuche jedenfalls neuerdings jeden Billigshop auf diese Dinger hin, ich will unbedingt auch eine zum Drucken

Küchenabteilungen, aber auch die Regale fürs Heimwerken, sind ein wahres Eldorado für Markmaking, Stempeln oder Schablonieren, für Strukturauftrag und Mustermachen. Ich bekomme automatisch diesen leicht verschobenen Blick, kämpfe mich durch kochfreudige Fans überflüssiger Geräte, schiebe werkzeuggierige Menschen beiseite, weil ... "Das Dingens" könnte lustig Farbe spritzen oder klatschen. "Das Dingens" hat eine absolut verführerische Struktur - das in die richtige Paste eingedrückt! Und plötzlich ein anderer Ein-Euro-Artikel, wie ich schöner keine Schablone für Hintergründe schneiden könnte. Durch den könnte ich nicht nur Farbe blasen, ich könnte ihn auch anmalen und damit stempeln.

Plötzlich bin ich nicht mehr allein im Laden - die jungen Mädchen, die traubenweise einfallen, scheinen in den gleichen FB-Gruppen zu sein wie ich. Die wollen nicht etwa kochen lernen, die suchen nach dem Kick für ihr Art Journaling! Sie sammeln billigen Tand für bunte Seiten und zweckentfremden Dichtungsringe.

Kein Mensch hatte dieses Tablett gewollt. Aber dieses Auto schrie geradezu danach!

Die Sucht ist gefährlich, denn die Krankheit befällt immer weitere Teile des Kreativzentrums. Inzwischen durchforste ich mit meinem schrägen Blick auch Gartenzubehör, Bilderrahmen und Dekoartikel. Ich darf gar nicht sagen, dass ich ein absolut grausig kitschiges Metalltablett in marrokanischem Stil gekauft habe, für das wohl kaum jemand Verwendung fand. Es ist nämlich extrem schmal und lang. Aber ich habe da einen Speicherfund, ein altes Modellauto ... Und plötzlich sah ich es in Gedanken in einer Fantasielandschaft dahinrasen, einer Landschaft, die in diesem Tablett aus Papier entstehen wird. Das nennt man dann nicht mehr Krempel, sondern Assemblage Art.

Ich gestehe, ich handle wider alle Vernunft. Gestern habe ich mich nach einem Amtstermin in so einem Laden "abreagiert" (oder sagt man kompensiert?). Natürlich musste feines Papier zum Schachtelbau mit, Stifte sowieso. Die Malpappen waren ausverkauft, was mich fast grummelig machte. Dafür bin ich jetzt Besitzerin einer knallroten Bommelborte (what the hell!), nur weil mein Hinterkopf meldete, dass ich irgendwas Verrücktes zum Thema Schwarzwald entwerfen wolle.

Und natürlich habe ich jetzt drei "Käferrahmen". Ich muss also "nur" noch Insekten basteln. So soll es sein ... es beginnt mit einer Faszination, wie in diesem Fall in der Natur. Im Kopf kommen Bilder, fügen sich zu einer Idee zusammen. Ich denke über Techniken nach, über das Wie, da fehlt so einiges. Und dann finde ich irgendwann diese fehlenden Teile und kann durchstarten. Dabei muss das Zubehör nicht teuer und speziell sein. Eine Fliegenklatsche kann Strukturen geben, als Stempel fungieren oder man bläst die Farben durch die Löcher. Wo bekomme ich schon solch ein Vielzweckgerät im Kunstbedarf?

PS: Kommentieren ist derzeit möglich als Anonym und mit Namen / URL, die Funktion über Profile habe ich leider im Code gecrasht und noch nicht repariert!

PPS: Schnellsthilfe einer Leserin - die "Platten zum Drucken", die ich suche, nennt man Backmatten, habe ich gelernt. Gibt's tatsächlich in Krempelläden.

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