NaNoWriMo? Nee, non.
Es ist also wieder so weit, ein Event, das mit schöner Regelmäßigkeit seit Jahren an mir vorübergeht und dessen Name ich mir seither trotzdem nicht merken kann: NaNoWriMo. Ich verbringe doch eh keinen Tag ohne Schreiben, was also soll ausgerechnet ich damit? Weil aber nun immer mehr Menschen daran teilnehmen, die ich kenne, wurde ich doch neugierig. Wer wie ich keinen blassen Schimmer hat: Da versuchen weltweit Menschen, im November einen Roman aus 50.000 Wörtern zu schaffen, macht nach Adam Riese*** 1666,666... Wörter pro Tag. Und weil hierzulande niemand im Gewerbe in Wörtern zählt: Eine Normseite für Verlage fasst etwa 280 bis 310 Wörter, je nachdem, wie ärmlich die Sprache ist und wie viele Leerstellen durch Dialoge entstehen. Würde man das Ergebnis so verkaufen können, wie es ist, käme man auf 150-160 Normseiten - ein wenig dünn für eine Verlagsbewerbung.
"Ärmlich" sage ich übrigens deshalb, weil man mit Partikeln und Artikeln, mit "ist" und "tut" und "man" und "kann" natürlich ganz anders Wörter schinden kann als mit der "Rohrpumpenzangenattacke" oder der "Mastkraut-Birnmoos-Trittpflanzengesellschaft". Ich will den NaNoWriMo keinesfalls heruntermachen! Die Aktion ist absolut wertvoll, um Disziplin im Schreibgeschäft zu üben oder sich selbst zu prüfen, ob man das ein Leben lang durchhalten will. Sie ist auch deshalb wertvoll, weil sich Anfängerinnen dabei nicht nur untereinander austauschen können, sondern in vielen Ländern Bildungsangebote und Programme in Schulen, Bibliotheken und anderswo begleitend angeboten werden. Die Aktion kann hilfreich sein, weil sich Gleichgesinnte gegenseitig anspornen können und es überall im Internet Feedback, Plaudereien und Beiträge gibt. Und genau an der Stelle wurde ich neugierig, den Wettbewerb einmal mit dem ganz alltäglichen Arbeiten einer hauptberuflichen Autorin zu vergleichen. Wäre ich nach nunmehr dreißig Jahren in Schreibberufen überhaupt wettbewerbsfähig? Ich sage es frei heraus: Nein! Absolut nicht.
Ich habe heute eine völlig verkorkste Szene in den Müll geworfen und neu geschrieben. Nach einer Woche Ladehemmung (sie war wirklich extrem verkorkst) flutschte es heute fast erschreckend gut: 1525 Wörter allein in der Vormittagsschicht. Ein Text, der wahrscheinlich eher weniger Lektorat brauchen wird. Ich bin jetzt im Kopf erst einmal Gemüse, muss eine Pause machen und mit mit dem Hund die Gedanken freilaufen. Unterwegs will ich auf eine Idee kommen, wie ich den Plot, der sich nun geändert hat, fortführe zu einer bereits bestehenden Szene. Wenn ich Glück habe, kann ich am Nachmittag weiterschreiben (edit: hatte ich nicht), aber das Tempo von heute morgen werde ich nicht schaffen. 2000 Wörter wären Spitze. Mein Tagessatz liegt eher im Schnitt bei drei Normseiten täglich, was wiederum 840-930 Wörter macht. Ich falle also täglich beim NaNoWriMo durch. Und meine 2000 Wörter mit der absolut gelungenen Szene, einer der besten bisher im ganzen Roman - die ist auch kein Triumph, wenn ich das auf die sieben Null-Tage vorher mit umlege. Das wären nämlich nur schlappe 250 Wörter pro Tag.
Mir fällt Rafik Schami ein, der kürzlich in einem Radiointerview erzählte, dass man ihn auch ständig mit der Frage quäle, wie viele Seiten er pro Tag schreibe. Die Leute stellen sich Schriftsteller wohl einfach als Produzenten einer Ware vor, wo man am Fließband seine Teigstückchen in regelmäßigen Abstand abhackt, damit Brötchen daraus werden. Rafik Schami hat für die Neugierigen umgerechnet, wie viele Seiten Veröffentlichung bei einer Teilung durch 365 Tage bei ihm herauskommen. Er ist noch viel schlechter als ich, viel viel schlechter. Was die Masse betrifft! Aber ist Schreiben reine Masse, Akkordarbeit? Rafik Schami denkt viel länger nach, schnitzt womöglich noch viel intensiver an einem Text, bis er druckreif vor ihm liegt. Und natürlich hat er, wie so viele "Hauptamtliche", auch noch andere Arbeiten zu erledigen, absolviert Bouchtouren und hat - wie die meisten von uns - ein Familienleben.
Ich habe zwar schon viele Bücher geschrieben, aber ich bin erst an meinem dritten Roman. So langsam glaube ich zu wissen, wie man Romane schreibt - und zweifle doch jeden Tag von Neuem daran, ob ich gut genug bin. Etwas wie dieser Wettbewerb würde mir Beine machen, die Zweifel beiseite zu schieben und einfach endlich Text herunterzuratzen. Aber meine 30 Jahre Schreiberfahrung haben mich gelehrt, dass Zweifel, so sie nicht krankhaft übersteigert sind, eine Grundvoraussetzung meines Schreibens sind. Wie sonst sollte ich mit jedem neuen Buch versuchen, meine eigenen Beschränkungen und Grenzen immer ein Stückchen mehr auszuweiten und den Ehrgeiz zu entwickeln, noch bessere Dialoge zu schaffen, noch packender zu erzählen? Ich bin der Typ, der ohne diese Zweifel sich auf dem Erreichten ausruhen und ganz schnell langweilen würde. So habe ich mein Zweifeln ins Arbeiten eingebaut als Korrektiv und extrem wertvolle "Leerzeiten", die eigentlich Lehrzeiten sind.
Ich lese dann nämlich gigantisch gute Dialoge und analysiere, warum und wie sie so wunderbar funktionieren. Ich schaue mir an, wie es ein von mir bewunderter Schriftsteller schafft, mich mit einem banal wirkenden Bild am Anfang eines Romans derart zu packen, dass mir dieses Bild nie mehr aus dem Kopf gehen wird und mich im Laufe des Romans mit Gänsehaut versieht. Und dann schaue ich mir meinen eigenen Anfang kritisch an: Was sehe ich da? Gibt es überhaupt etwas zu sehen? Was mache ich damit? Ist mein Bild ein Zufallsprodukt? Ist mir nur nichts Besseres eingefallen? Oder hat es Potential für mehr?
Ich denke manchmal stundenlang am Telefon mit Kollegen über irgendwelchen philosophischen Probleme irgendeiner literarischen Eigenart nach oder fühle mich inspiriert, wenn mir einer im Vertrauen eine lächerliche Geschichte um einen Staatsanwalt erzählt, der sich zu sehr hat verstricken lassen. Ein Mord im Dorf hinter der Grenze? Müllprobleme unter den Einheimischen? So vieles, das bei anderen nur als Geplauder durchginge, ist bei mir bereits Notiz für eventuell noch zu schreibende Krimis. Als Berufsautorin hat man die schönsten Ausreden fürs Nichtstun: Es kann alles Recherche sein, Bücher entstehen aus dem Leben, nicht aus der Aura von Schreibtischen und Bildschirmen! Zum Glück hat der Beruf trotz allem ein ordnendes Element: Wer nicht arbeitet als Freiberuflerin, verdient kein Geld und die schönste Kunst nutzt nichts, wenn der Kühlschrank leer und die Heizung kalt bleibt. Disziplin!
Habe ich schon erzählt, dass ich im Moment nur zwei Räume geheizt habe, um Geld zu sparen? Ich muss mir den Roman nämlich diesmal wirklich absparen. Wer ohne Vorschuss von einem Verlag ins Blaue hinein arbeitet, blockiert leider die Zeit fürs echte Geldverdienen. Und von den heutigen Vorschüssen lässt es sich so lange auch nicht leben. Ich weiß genau: Ich werde diesen Roman dringend wieder ein Weilchen liegenlassen müssen und mich um einen Auftrag bemühen. Schon das ließe mich aus dem NaNoWriMo herausfallen. Obwohl ich zum reinen Geldverdienen ja auch schreibe, aber ich tue es für andere und nicht unbedingt so, dass man es als Kunst deklarieren könnte. Hier sind wir bei einem kuriosen Punkt: Hauptberufliche AutorInnen schreiben eher weniger, als man sich das so gemeinhin vorstellt. Jedenfalls, wenn sie nicht zur Sorte VielschreiberInnen gehören, bei deren Werkausstoß mir immer schwindlig wird - vier Bücher pro Jahr und manchmal noch mehr unter Pseudonym, das muss man erst mal können! Ich habe allein vier Jahre für "Faszination Nijinsky" recherchiert und gearbeitet.
Also auch da volles Versagen auf ganzer Linie bei mir. Ich würde vielleicht ein paar Tage lang die 1666,666 Wörter durchhalten, aber spätestens dann krachte mir mein Buchhaltungstag ins Konzept, der Tag der Deklarationen, Einkaufstouren und eine Konferenz, die Fahrt zu einem Meeting und vielleicht ein Auftritt, den ich außerdem vorbereiten müsste. Technische Arbeiten nehmen mir viel Zeit, seit ich E-Books verlege - und getrommelt will auch zur rechten Zeit werden, will man heutzutage mit seinen Büchern überhaupt noch sichtbar werden. Ich habe mich einmal bis an den Rand der Erschöpfung gearbeitet, weil mein Verlag freudig verkündete, sie könnten und wollten meinen Roman zwei Monate früher haben, da sei gerade ein Kollege ausgefallen. Naiv nimmt man anfangs solche Chancen wahr und merkt erst dann, dass das Leben neben der Schreiberei schrumpft, das Hirn und die Energie auch. In meinem Alter bestimmt man selbst, wann eine Geschichte reif ist und pocht auf Termine in Verträgen, die man mitbestimmt. Ich bin definitiv kein Novembertyp.
Bis hierher habe ich in diesem Beitrag übrigens gerade - vor Korrektur - 1261 Wörter oder zweieinhalb Normseiten getippt. An Wörtern fast so viel wie mein tolles Tagesergebnis im Roman. Die Blogwörter habe ich allerdings in einer guten halben Stunde in die Tasten gekippt, beim Roman brauchte ich zweieinhalb Stunden. Die Mengenlehrelehrer unter meinen Bekannten schelten mich oft, warum ich so viel Zeit mit "Internetschreiberei" und "Social Media" vertun würde. Ob ich nicht diese Wörter lieber in meinen Roman investieren sollte? So kommt das, wenn man in reinen Mengenangaben denkt. Aber es besteht doch ein großer qualitativer Unterschied zwischen einem "dahingerotzten" Blogbeitrag und einer anspruchsvollen Szene oder gar einem literarischen Text; zwischen Inhalten, die man eh im Kopf hat und welchen, die man mühsam erarbeiten muss. Wörter allein machen eben noch keinen Roman! Außerdem: Dieses Schreiben hier und bei Facebook und Twitter benutze ich zum "Runterkommen" vom Bücherschreiben. Um meinen Kopf freizuschreiben. Als Kantine und Großraumbürogebabbel. Zum lauten Nachdenken über Dinge, die irgendwie und irgendwann in mein eigentliches Schreiben eingehen. Ich schreibe, also bin ich. Oder wie ich scherzhaft sage: Andere Leute atmen, ich schreibe eben.
Als hauptberuflich Schreibende durchbreche ich also die Schallmauer jenes Wettbewerbs mit Leichtigkeit jeden Tag, aber ich darf all diese Wörter nicht zum Romanschreiben zählen: Nicht die bei Facebook und im Blog, nicht die für Kunden oder das Finanzamt, obwohl es ohne all das mich in meiner Art des Schriftstellerns gar nicht gäbe.
Oder sagen wir es mal mit weniger Worten: Ich wünsche all denen, die das angesetzte Pensum des NaNoWriMo nicht schaffen werden, trotz allem gute Laune. Ihr seht an mir, dass auch aus solchen Versagern noch hauptberufliche Autorinnen werden können!
PS: Ich war schon immer extrem schwach in Mathematik, falls ich mich verrechnet haben sollte, mich bitte korrigieren!
Man kann doch nicht immer nur Wörter schreiben! An manchen Tagen muss ich zeichnen, Hilfsgärtnerin Amanda Joos verlangt das von mir. Hier bildet sie sich doch tatsächlich ein, einen Gestaltungauftrag zu bekommen! Der mir immerhin viele Seiten Text liefert und vor allem Orientierung in einem fiktiven Dorf. |
"Ärmlich" sage ich übrigens deshalb, weil man mit Partikeln und Artikeln, mit "ist" und "tut" und "man" und "kann" natürlich ganz anders Wörter schinden kann als mit der "Rohrpumpenzangenattacke" oder der "Mastkraut-Birnmoos-Trittpflanzengesellschaft". Ich will den NaNoWriMo keinesfalls heruntermachen! Die Aktion ist absolut wertvoll, um Disziplin im Schreibgeschäft zu üben oder sich selbst zu prüfen, ob man das ein Leben lang durchhalten will. Sie ist auch deshalb wertvoll, weil sich Anfängerinnen dabei nicht nur untereinander austauschen können, sondern in vielen Ländern Bildungsangebote und Programme in Schulen, Bibliotheken und anderswo begleitend angeboten werden. Die Aktion kann hilfreich sein, weil sich Gleichgesinnte gegenseitig anspornen können und es überall im Internet Feedback, Plaudereien und Beiträge gibt. Und genau an der Stelle wurde ich neugierig, den Wettbewerb einmal mit dem ganz alltäglichen Arbeiten einer hauptberuflichen Autorin zu vergleichen. Wäre ich nach nunmehr dreißig Jahren in Schreibberufen überhaupt wettbewerbsfähig? Ich sage es frei heraus: Nein! Absolut nicht.
Ich habe heute eine völlig verkorkste Szene in den Müll geworfen und neu geschrieben. Nach einer Woche Ladehemmung (sie war wirklich extrem verkorkst) flutschte es heute fast erschreckend gut: 1525 Wörter allein in der Vormittagsschicht. Ein Text, der wahrscheinlich eher weniger Lektorat brauchen wird. Ich bin jetzt im Kopf erst einmal Gemüse, muss eine Pause machen und mit mit dem Hund die Gedanken freilaufen. Unterwegs will ich auf eine Idee kommen, wie ich den Plot, der sich nun geändert hat, fortführe zu einer bereits bestehenden Szene. Wenn ich Glück habe, kann ich am Nachmittag weiterschreiben (edit: hatte ich nicht), aber das Tempo von heute morgen werde ich nicht schaffen. 2000 Wörter wären Spitze. Mein Tagessatz liegt eher im Schnitt bei drei Normseiten täglich, was wiederum 840-930 Wörter macht. Ich falle also täglich beim NaNoWriMo durch. Und meine 2000 Wörter mit der absolut gelungenen Szene, einer der besten bisher im ganzen Roman - die ist auch kein Triumph, wenn ich das auf die sieben Null-Tage vorher mit umlege. Das wären nämlich nur schlappe 250 Wörter pro Tag.
Mir fällt Rafik Schami ein, der kürzlich in einem Radiointerview erzählte, dass man ihn auch ständig mit der Frage quäle, wie viele Seiten er pro Tag schreibe. Die Leute stellen sich Schriftsteller wohl einfach als Produzenten einer Ware vor, wo man am Fließband seine Teigstückchen in regelmäßigen Abstand abhackt, damit Brötchen daraus werden. Rafik Schami hat für die Neugierigen umgerechnet, wie viele Seiten Veröffentlichung bei einer Teilung durch 365 Tage bei ihm herauskommen. Er ist noch viel schlechter als ich, viel viel schlechter. Was die Masse betrifft! Aber ist Schreiben reine Masse, Akkordarbeit? Rafik Schami denkt viel länger nach, schnitzt womöglich noch viel intensiver an einem Text, bis er druckreif vor ihm liegt. Und natürlich hat er, wie so viele "Hauptamtliche", auch noch andere Arbeiten zu erledigen, absolviert Bouchtouren und hat - wie die meisten von uns - ein Familienleben.
Ich habe zwar schon viele Bücher geschrieben, aber ich bin erst an meinem dritten Roman. So langsam glaube ich zu wissen, wie man Romane schreibt - und zweifle doch jeden Tag von Neuem daran, ob ich gut genug bin. Etwas wie dieser Wettbewerb würde mir Beine machen, die Zweifel beiseite zu schieben und einfach endlich Text herunterzuratzen. Aber meine 30 Jahre Schreiberfahrung haben mich gelehrt, dass Zweifel, so sie nicht krankhaft übersteigert sind, eine Grundvoraussetzung meines Schreibens sind. Wie sonst sollte ich mit jedem neuen Buch versuchen, meine eigenen Beschränkungen und Grenzen immer ein Stückchen mehr auszuweiten und den Ehrgeiz zu entwickeln, noch bessere Dialoge zu schaffen, noch packender zu erzählen? Ich bin der Typ, der ohne diese Zweifel sich auf dem Erreichten ausruhen und ganz schnell langweilen würde. So habe ich mein Zweifeln ins Arbeiten eingebaut als Korrektiv und extrem wertvolle "Leerzeiten", die eigentlich Lehrzeiten sind.
Ich lese dann nämlich gigantisch gute Dialoge und analysiere, warum und wie sie so wunderbar funktionieren. Ich schaue mir an, wie es ein von mir bewunderter Schriftsteller schafft, mich mit einem banal wirkenden Bild am Anfang eines Romans derart zu packen, dass mir dieses Bild nie mehr aus dem Kopf gehen wird und mich im Laufe des Romans mit Gänsehaut versieht. Und dann schaue ich mir meinen eigenen Anfang kritisch an: Was sehe ich da? Gibt es überhaupt etwas zu sehen? Was mache ich damit? Ist mein Bild ein Zufallsprodukt? Ist mir nur nichts Besseres eingefallen? Oder hat es Potential für mehr?
Ich denke manchmal stundenlang am Telefon mit Kollegen über irgendwelchen philosophischen Probleme irgendeiner literarischen Eigenart nach oder fühle mich inspiriert, wenn mir einer im Vertrauen eine lächerliche Geschichte um einen Staatsanwalt erzählt, der sich zu sehr hat verstricken lassen. Ein Mord im Dorf hinter der Grenze? Müllprobleme unter den Einheimischen? So vieles, das bei anderen nur als Geplauder durchginge, ist bei mir bereits Notiz für eventuell noch zu schreibende Krimis. Als Berufsautorin hat man die schönsten Ausreden fürs Nichtstun: Es kann alles Recherche sein, Bücher entstehen aus dem Leben, nicht aus der Aura von Schreibtischen und Bildschirmen! Zum Glück hat der Beruf trotz allem ein ordnendes Element: Wer nicht arbeitet als Freiberuflerin, verdient kein Geld und die schönste Kunst nutzt nichts, wenn der Kühlschrank leer und die Heizung kalt bleibt. Disziplin!
Habe ich schon erzählt, dass ich im Moment nur zwei Räume geheizt habe, um Geld zu sparen? Ich muss mir den Roman nämlich diesmal wirklich absparen. Wer ohne Vorschuss von einem Verlag ins Blaue hinein arbeitet, blockiert leider die Zeit fürs echte Geldverdienen. Und von den heutigen Vorschüssen lässt es sich so lange auch nicht leben. Ich weiß genau: Ich werde diesen Roman dringend wieder ein Weilchen liegenlassen müssen und mich um einen Auftrag bemühen. Schon das ließe mich aus dem NaNoWriMo herausfallen. Obwohl ich zum reinen Geldverdienen ja auch schreibe, aber ich tue es für andere und nicht unbedingt so, dass man es als Kunst deklarieren könnte. Hier sind wir bei einem kuriosen Punkt: Hauptberufliche AutorInnen schreiben eher weniger, als man sich das so gemeinhin vorstellt. Jedenfalls, wenn sie nicht zur Sorte VielschreiberInnen gehören, bei deren Werkausstoß mir immer schwindlig wird - vier Bücher pro Jahr und manchmal noch mehr unter Pseudonym, das muss man erst mal können! Ich habe allein vier Jahre für "Faszination Nijinsky" recherchiert und gearbeitet.
Also auch da volles Versagen auf ganzer Linie bei mir. Ich würde vielleicht ein paar Tage lang die 1666,666 Wörter durchhalten, aber spätestens dann krachte mir mein Buchhaltungstag ins Konzept, der Tag der Deklarationen, Einkaufstouren und eine Konferenz, die Fahrt zu einem Meeting und vielleicht ein Auftritt, den ich außerdem vorbereiten müsste. Technische Arbeiten nehmen mir viel Zeit, seit ich E-Books verlege - und getrommelt will auch zur rechten Zeit werden, will man heutzutage mit seinen Büchern überhaupt noch sichtbar werden. Ich habe mich einmal bis an den Rand der Erschöpfung gearbeitet, weil mein Verlag freudig verkündete, sie könnten und wollten meinen Roman zwei Monate früher haben, da sei gerade ein Kollege ausgefallen. Naiv nimmt man anfangs solche Chancen wahr und merkt erst dann, dass das Leben neben der Schreiberei schrumpft, das Hirn und die Energie auch. In meinem Alter bestimmt man selbst, wann eine Geschichte reif ist und pocht auf Termine in Verträgen, die man mitbestimmt. Ich bin definitiv kein Novembertyp.
Bis hierher habe ich in diesem Beitrag übrigens gerade - vor Korrektur - 1261 Wörter oder zweieinhalb Normseiten getippt. An Wörtern fast so viel wie mein tolles Tagesergebnis im Roman. Die Blogwörter habe ich allerdings in einer guten halben Stunde in die Tasten gekippt, beim Roman brauchte ich zweieinhalb Stunden. Die Mengenlehrelehrer unter meinen Bekannten schelten mich oft, warum ich so viel Zeit mit "Internetschreiberei" und "Social Media" vertun würde. Ob ich nicht diese Wörter lieber in meinen Roman investieren sollte? So kommt das, wenn man in reinen Mengenangaben denkt. Aber es besteht doch ein großer qualitativer Unterschied zwischen einem "dahingerotzten" Blogbeitrag und einer anspruchsvollen Szene oder gar einem literarischen Text; zwischen Inhalten, die man eh im Kopf hat und welchen, die man mühsam erarbeiten muss. Wörter allein machen eben noch keinen Roman! Außerdem: Dieses Schreiben hier und bei Facebook und Twitter benutze ich zum "Runterkommen" vom Bücherschreiben. Um meinen Kopf freizuschreiben. Als Kantine und Großraumbürogebabbel. Zum lauten Nachdenken über Dinge, die irgendwie und irgendwann in mein eigentliches Schreiben eingehen. Ich schreibe, also bin ich. Oder wie ich scherzhaft sage: Andere Leute atmen, ich schreibe eben.
Als hauptberuflich Schreibende durchbreche ich also die Schallmauer jenes Wettbewerbs mit Leichtigkeit jeden Tag, aber ich darf all diese Wörter nicht zum Romanschreiben zählen: Nicht die bei Facebook und im Blog, nicht die für Kunden oder das Finanzamt, obwohl es ohne all das mich in meiner Art des Schriftstellerns gar nicht gäbe.
Oder sagen wir es mal mit weniger Worten: Ich wünsche all denen, die das angesetzte Pensum des NaNoWriMo nicht schaffen werden, trotz allem gute Laune. Ihr seht an mir, dass auch aus solchen Versagern noch hauptberufliche Autorinnen werden können!
PS: Ich war schon immer extrem schwach in Mathematik, falls ich mich verrechnet haben sollte, mich bitte korrigieren!
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