Ihr könnt mich mal ... eine Polemik

Benennen ist gerade hip. DIE Self Publisher, DIE Verlagsautoren, DIE Franzosen, DIE Deutschen, DIE Männer, DIE Frauen. Wie ich Pauschalisierungen liebe!

"Sie ham da so'n Self Publishing Dingens gemacht, könnse mal was zu die Self Dingens sagen?"
"Tja, wissense, das Dingens war eine Verlagsarbeit: Zwei kleine Negerlein, die bastelten ein Ding. Da ging der eine pleite fein, da war's dann nur noch meinerein ..."

"Sie sind doch so ne richtig echte Verlagsautorin, Gatekeeper Hanser und Suhrkamp hamwer gehört, das issja so richtig echt und irre, so feuilletonmäßig, ne, nich, könnse mal was zu die Verlagsdingens sagen?"
"Tja, wissense, das E-Book zu dem Buch von Suhrkamp gebe ich selbst heraus. Im Self Publishing. Der Verlag und ich arbeiten da Hand in Hand. Und stehen Sie bitte auf, klopfen Sie sich erst mal den Staub aus den Haaren. Einen Kotau müssen Sie nicht machen. Pfeifen Sie lieber das Feuilleton her."

"Sie ham da Kommunikation gemacht. Könnse mal zackzack Formular 2015e einreichen?"
"Tja, wissense, moderne Autoren müssen Kommunikation machen. Elfenbeintürme sind nicht mehr, Artenschutz, wissense."

So geh das tagaus, tagein. Dreisprachig. Weil ich so irre bin, in deutscher Sprache in Frankreich für Kunden aus drei Nationen zu arbeiten. Weil ich so irre bin, mich in Deutschland um Endergebnisse und Projekte zu scheren, aber die Methode der Herstellung zweitrangig sehe. Ich bin Frau und französische Steuerzahlerin, gelte sozialversicherungstechnisch als écrivaine / Schriftstellerin, die keine Communication machen darf, und als Autorin für Kommunikation und PR, die keine Bücher schreiben darf. Bei der Steuer heißt das dann auteur-artiste / Autorin-Künstlerin, weil ich keine Skulpturen meißeln und keine Noten komponieren sollte, und weil die Steuerbehörde mit écrivaine nichts anfangen kann.

Die kommunizierende, literarisch schreibende, nichtliterarisch schreibende, nicht meißelnde Frau meißelt aber neuerdings auch noch Bücher. Das nennt man dann auto-édition. Erinnert nicht von ungefähr an auto-érotisme, also das Dingens, wo man sich's grundsätzlich selbst besorgt. Und weil ich langsam den Überblick über meine Identitäten verliere, werde ich jetzt auch noch entrepreneur, Unternehmer, weil man in den Amtsformularen in Frankreich Unternehmerin nicht werden kann.

Verwirrend? Nö, noch lange nicht. Ich werde nämlich womöglich sogar auto-entrepreneur. Nein, das sind nicht die Herren, die sich's in Vorstandsetagen grundsätzlich selbst besorgen. Das ist eine vereinfachte Unternehmensform für Gründungsphasen, in der man 18 Monate lang wie bekloppt schreiben, kommunizieren, meißeln, schreiben, onanieren, schreiben und Bücher machen darf, ohne Schubladen zu brauchen. Auch als Frau. Ihr könnt mich mal ... demnächst "Selbst-Unternehmerin" nennen, weil ich eine richtige Unternehmerin werde mit einem Selbst-Verlag, der aber auch ein richtiger Verlag sein darf, so wie ich eine richtige Unternehmerin sein werde. Noch schlimmer: Ich darf dann sogar Buchhandlung sein. Weil in Frankreich Verlage schon immer gern mal Buchhändler waren. Und Künstler Unternehmer, aber nicht alle Unternehmer Künstler. Man muss da schon genau wissen, wie man sich's selbst besorgt, das Paragrafenwissen, das Formularpäckchen. Auch als Frau!

Zurück in Deutschland: "Könnse mal zu die Self Publisher was ... ? Könnse mal zu die Verlagsautoren ... ?"
Nö. Kann ich nicht. Wieso immer ich? Könnse sich das nich ma selbst besorgen?

Ich bin schubladenmüde. Deshalb sorge ich derzeit für einen Überbau. Ich bin dann endlich wer: Unternehmer, männlich, weil das was hermacht und weil das Weibliche in keinem Formular vorkommt. Und ich bin artiste, la, weiblich, weil das jeder Depp und jede Deppin können, egal welchen Geschlechts. Künstlerin, habt ihr gehört? Das haben die Franzosen vor allen anderen begriffen - Künstlerinnen, die Unternehmer sind, alles mit einem Formular machen dürfen: schreiben, künstlern, unternehmen, schreiben, kommunizieren, es sich selbst ... pardon. Da kommt die linguistisch interessierte Übersetzerin in mir durch. Selbstverständlich leitet sich der auto-entrepreneur nicht von auto-érotisme ab. Auto bedeutet einfach: Das arme kleine Schweinlein, das alles selbst macht, von der Kaffeeköchin über die Sekretärin bis zur Chefin, Chefeinkäuferin, Controlerin und Produktionsleiterin, die auch rechtlich ganz allein für sich gerade steht. Kleiner feiner Unterschied: dieses "auto" steht nicht für "selbst", sondern für "allein".

Ihr könnt mich mal ... Alleinverlegerin nennen, Alleinunternehmerin, Alleinkünstlerin, Alleinautorin, Allein-Unterhalterin? Bleibt mir vom Hals mit eurem Self und Verlag und richtig und falsch und echt und nicht echt und nicht ganz echt und echter als echt. L'état, pardon, l'entreprise c'est moi. Echt jetzt.

Was zählt, ist das Ergebnis, nicht der Weg. Was zählt, ist das künstlerische Projekt und nicht die Frage, ob das jemals schon jemand vorher so gemacht hat. Was zählt, sind nicht die Schubladen, in denen sich's doch nur jeder irgendwie selbst besorgt. Was zählt, sind die Vernetzungen über Schubladen hinweg, die kompetenten Partner und das Publikum. Was zählt, ist die Qualität dessen, was am Ende herauskommt. Da ist der Staat hier unerbittlich: Wer bis zum Ablauf des Limits keine schwarzen Zahlen schreibt, fliegt raus aus dem System des "auto".

Drum quatscht hierzulande auch keiner lange herum. Ob Self Publisher was drauf haben oder Verleger zu klein sind oder Verlagsautoren geadelt gehören. Gnadenlos ist das System, Darwinismus pur: 18 Monate Bewährungsprobe. Da kannst du schreiben und verlegen, buchhandeln und unternehmen, kommunizieren und angeben und es der Kaffeeköchin besorgen. Aber wehe, du hast es bis dahin nicht drauf. Dann gehst du wieder auf Los, ziehst aber nicht 4000 Euro ein.

Drum, ihr könnt mich mal alle mit euren Schubladen. Besorgt's euch selbst! Ihr könnt mich mal ... einfach bei meinem Namen nennen. Der steht für das, was ich arbeite und was ich kann oder nicht kann. In welcher Funktion auch immer. Sogar wir Frauen können das. Auch wenn's dafür in den Formularen noch kein Wort gibt.

2 Kommentare:

  1. DANKE für diesen Post - ich habe Tränen gelacht ;-)) und muß mir das mit dem "auto-dingsdabumsda" unbedingt merken, das kann ich sicher mal brauchen !
    Liebe Grüße
    Frauke

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  2. Auto ist immer gut ;-) Ich denk da immer an Jerry Lewis in "Arizona Dream" ...
    Danke fürs Feedback und schöne Grüße,
    Petra

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