Nichts davon trendet!
Im seltenen Sonnenlicht glitzern die Wälder an den Berghängen im hellen Silbergrau schwellender Knospen. Scharf wie Silhouetten stehen die nassdunklen Stämme von Eichen und Buchen im Herbstlaub, durch das zaghaft Grün bricht. Buschwindröschen entfalten ihre Blätter auf dem Endspurt zum Knospen, Hahnenfußgewächse fingern sich durch den Morast, eng an den Zacken keimender Brennnesseln vorbei. Den Feldrain färbt Gamander-Ehrenpreis in seinem Himmelblau und Weiß fast wie ein Himmelsspiegel.
Es war so lange düster, grau und immer regnerisch. Nicht, dass ich mich beklagen möchte, das Nass brauchen die Grundwasserspeicher so dringend. Aber es ist mühsam zu laufen, wenn selbst die Wiesen unter Wasser stehen, mit ihren Wildschweinkuhlen sowieso. Neuerdings tut sich die Erde auf. Wühlmausgänge laufen voll, die von der Dürre letztes Jahr eingravierten Treckerspuren brechen, überall sickert Wasser ein. Und schon ist es passiert und ich wäre beinahe hineingelaufen, wenn der Hund nicht viel aufmerksamer wäre als ein träumender Mensch: Ein kreisrundes Loch in der Wiese, inzwischen fast einen Meter breit. Unten drin fließt ein Bächlein, bis zum Grund geht es bestimmt einen Meter tief. Aber das lässt sich nicht bestimmen, weil sich das Umfeld senkt und der Grund auch. Auf der einen Seite fasziniert es mich - ich möchte hineinschauen, untersuchen. Auf der anderen Seite kenne ich das Gelände zu gut, um einen Bogen herum zu machen. Es gibt da ein Sperrgebiet in der Nähe, das einstürzen könnte. Sandlinsen befinden sich bis tief im Lehmboden. Manchmal verpappt durch Natursphalt, manchmal seit hundert Jahren ausgehöhlt. Das Wasser spült sie aus, die Füllung wandert, die Erde bekommt Hohlräume.
Immerhin laufen wir heute nicht oben am Berg, wo es bei solchem Weter schwierig wird, den Hund von den Bächen fernzuhalten. Die schillern nach starken Regenfällen in Regenbogenfarben. Denn dort drückt der Regen das Rohöl hoch, das in der gesamten Region bis hin an den Rheingraben hier und da im Boden steckt. Die Wildschweine lieben es als Medizin für die Haut und gegen Parasiten, aber ein Hund wird das nur durch eine Speiseölwaschung wieder los ...
Bilbo, als Welpe durch die Vorbesitzer voll Panik vor jeder Feuchtigkeit, erinnert sich nicht mehr an böse Zeiten und zerrt mich jetzt mit Feuereifer in Riesenlachen und Wassergräben. Wenn die Menschin diese langen Gummifüße hat, das hat er gelernt, gibt es keine Ausrede mehr, in köstlichen Schmodder aller Art zu treten. So langsam gleicht sich auch ihr übriger Körper an - in den Jackentaschen sammeln sich schon wieder Steine und leere Schneckenhäuser und Flechten und tolle Äste. Was machen Menschen eigentlich mit dem ganzen Kram? Sich unsichtbar wie Hunde, die sich in Hinterlassenschaften wälzen?
Also meint es der Hund besonders gut mit mir und findet einen Vogelriss. Glücklich schnobert er nach Überresten und weiß genau, dass er jetzt Ruhe vor mir hat: Den schönsten Elsternfedern kann ich nicht widerstehen - sie landen in der Hosentasche, weil die Jackentaschen schon voll sind.
Hinter uns macht ein Rabenpaar Hochzeitsgeräusche. Es klingt, als würde man eine knarzende Tür lustig hin und her bewegen. Dann schmeißt sich das Männchen vom Baumwipfel in den starken Wind, flattert wie ein Kasper, lässt sich hochtreiben, spiralt ein wenig und veranstaltet dann mit wonnigem Knarzen Saltos in der Luft. Das Weibchen wirft sich dazu, jetzt überschlagen sie sich beide und spielen. Sie haben allen Grund dazu, das Leben zu genießen - ihr Nistplatz ist der beste aller Zeiten und kein Mensch wird dorthin gelangen. Ob sein "Räbelchen" dabei ist? Bilbo beobachtet sie und schnuppert an jeder Walnussschale, die Rabenvögel in den Wiesen haben liegenlassen. Sein Räbelchen ortet er nicht.
Einzelne Schlehen explodieren in Blütenpracht. Überall flauscht es streichelweich: Gedrungene Weidenkätzchen, langschwänzige Erlenkätzchen, der Waldrand wartet auf Bienen. Heute ist es noch zu kalt, erst unten dann im Garten in praller Sonne umduften mich die Lorbeerschneebälle, in denen es emsig summt. Durch den recht warmen Winter blühen sie extrem spät, aber genau richtig für erwachende Insekten: Schweb- und Goldfliegen trinken bereits Nektar, eine erste Biene ist zu sehen.
Am Waldrand dagegen schrammt eine Hummel haarscharf an meiner Nasenspitze vorbei. Bilbo reckt die seine in die Luft und bedeutet mir, dass er jetzt am liebsten querfeldein und über den ganz tiefen Bach und immer weiter rasen möchte, weil sich dort etwas Hochinteressantes tut. Ich brauche ziemlich lang, bis ich die winzige Gestalt am Horizont erkennen kann: Ein Imker schaut nach seinen Bienen. Alles geht jetzt sehr schnell: Der Weißdorn setzt erste winzige Blättchen an und sogar Blütenknöspchen, die Hainbuchenknospen richten sich jetzt nach Tageslänge und Temperatur, bis sie aufplatzen.
Der Boden saftet, knarzt und quietscht. Wenn ich den Gummistiefel aus dem Matsch ziehe, gurgelt es manchmal und vor einem kleinen Wädchen inmitten von Feldern quatscht und quasselt es im Untergrund. Einmal bin ich richtig erschrocken. Aber wenn es plötzlich laut rülpst oder einen kleinen Blubberschrei gibt, ist das wirklich nur der Sumpf. Irgendwo steigen Blasen auf.
Kurz vor dem Gartentor will Bilbo wieder umkehren, zu Nachbars Ziegen laufen. Die hatten wir ganz zu Anfang besucht, weil sie Kleine haben. Ich hab sie mit Vogelmiere gefüttert und eine schwarze Ziege wird langsam zutraulich, lässt sich mit Wonne zwischen den Hörnchen und Ohren kraulen. Bilbo ist völlig fasziniert, sie ist nur wenig größer als er selbst und er darf sie ganz nah beschnuppern. Er kann sich kaum losreißen. Und auch in Kilometer weiter Entfernung sorgt er sich um sie und warnt, wenn sie mal wieder ausbrechen. Ich höre es an der Art seines Bellens, was passiert ist und rufe dann den Nachbar an.
Heute aber keine Ziegen mehr. Zufrieden und erholt kehren wir von der verlängerten Mittagspause heim, der Hund ein herrliches Schlammmonster. Und auch ich könnte mal wieder die Hände gründlich waschen! Sie sind schon wieder braun und schwarz bis unter die Fingernägel. Aber zuerst muss ich die Schätze aus allen Taschen bergen. Als ich die bis oben verschlammten Gummistiefel ausziehe, frage ich mich kurz, warum von all der wunderbaren Schönheit nichts in Social media "trendet".
Das Bild mit Bilbo ist schon älter. Wenn ich mit allen Poren genieße, gehe ich ohne Kamera und Handy los ... oder vergesse, dass ich es dabei haben könnte. |
Es war so lange düster, grau und immer regnerisch. Nicht, dass ich mich beklagen möchte, das Nass brauchen die Grundwasserspeicher so dringend. Aber es ist mühsam zu laufen, wenn selbst die Wiesen unter Wasser stehen, mit ihren Wildschweinkuhlen sowieso. Neuerdings tut sich die Erde auf. Wühlmausgänge laufen voll, die von der Dürre letztes Jahr eingravierten Treckerspuren brechen, überall sickert Wasser ein. Und schon ist es passiert und ich wäre beinahe hineingelaufen, wenn der Hund nicht viel aufmerksamer wäre als ein träumender Mensch: Ein kreisrundes Loch in der Wiese, inzwischen fast einen Meter breit. Unten drin fließt ein Bächlein, bis zum Grund geht es bestimmt einen Meter tief. Aber das lässt sich nicht bestimmen, weil sich das Umfeld senkt und der Grund auch. Auf der einen Seite fasziniert es mich - ich möchte hineinschauen, untersuchen. Auf der anderen Seite kenne ich das Gelände zu gut, um einen Bogen herum zu machen. Es gibt da ein Sperrgebiet in der Nähe, das einstürzen könnte. Sandlinsen befinden sich bis tief im Lehmboden. Manchmal verpappt durch Natursphalt, manchmal seit hundert Jahren ausgehöhlt. Das Wasser spült sie aus, die Füllung wandert, die Erde bekommt Hohlräume.
Immerhin laufen wir heute nicht oben am Berg, wo es bei solchem Weter schwierig wird, den Hund von den Bächen fernzuhalten. Die schillern nach starken Regenfällen in Regenbogenfarben. Denn dort drückt der Regen das Rohöl hoch, das in der gesamten Region bis hin an den Rheingraben hier und da im Boden steckt. Die Wildschweine lieben es als Medizin für die Haut und gegen Parasiten, aber ein Hund wird das nur durch eine Speiseölwaschung wieder los ...
Bilbo, als Welpe durch die Vorbesitzer voll Panik vor jeder Feuchtigkeit, erinnert sich nicht mehr an böse Zeiten und zerrt mich jetzt mit Feuereifer in Riesenlachen und Wassergräben. Wenn die Menschin diese langen Gummifüße hat, das hat er gelernt, gibt es keine Ausrede mehr, in köstlichen Schmodder aller Art zu treten. So langsam gleicht sich auch ihr übriger Körper an - in den Jackentaschen sammeln sich schon wieder Steine und leere Schneckenhäuser und Flechten und tolle Äste. Was machen Menschen eigentlich mit dem ganzen Kram? Sich unsichtbar wie Hunde, die sich in Hinterlassenschaften wälzen?
Also meint es der Hund besonders gut mit mir und findet einen Vogelriss. Glücklich schnobert er nach Überresten und weiß genau, dass er jetzt Ruhe vor mir hat: Den schönsten Elsternfedern kann ich nicht widerstehen - sie landen in der Hosentasche, weil die Jackentaschen schon voll sind.
Hinter uns macht ein Rabenpaar Hochzeitsgeräusche. Es klingt, als würde man eine knarzende Tür lustig hin und her bewegen. Dann schmeißt sich das Männchen vom Baumwipfel in den starken Wind, flattert wie ein Kasper, lässt sich hochtreiben, spiralt ein wenig und veranstaltet dann mit wonnigem Knarzen Saltos in der Luft. Das Weibchen wirft sich dazu, jetzt überschlagen sie sich beide und spielen. Sie haben allen Grund dazu, das Leben zu genießen - ihr Nistplatz ist der beste aller Zeiten und kein Mensch wird dorthin gelangen. Ob sein "Räbelchen" dabei ist? Bilbo beobachtet sie und schnuppert an jeder Walnussschale, die Rabenvögel in den Wiesen haben liegenlassen. Sein Räbelchen ortet er nicht.
Einzelne Schlehen explodieren in Blütenpracht. Überall flauscht es streichelweich: Gedrungene Weidenkätzchen, langschwänzige Erlenkätzchen, der Waldrand wartet auf Bienen. Heute ist es noch zu kalt, erst unten dann im Garten in praller Sonne umduften mich die Lorbeerschneebälle, in denen es emsig summt. Durch den recht warmen Winter blühen sie extrem spät, aber genau richtig für erwachende Insekten: Schweb- und Goldfliegen trinken bereits Nektar, eine erste Biene ist zu sehen.
Am Waldrand dagegen schrammt eine Hummel haarscharf an meiner Nasenspitze vorbei. Bilbo reckt die seine in die Luft und bedeutet mir, dass er jetzt am liebsten querfeldein und über den ganz tiefen Bach und immer weiter rasen möchte, weil sich dort etwas Hochinteressantes tut. Ich brauche ziemlich lang, bis ich die winzige Gestalt am Horizont erkennen kann: Ein Imker schaut nach seinen Bienen. Alles geht jetzt sehr schnell: Der Weißdorn setzt erste winzige Blättchen an und sogar Blütenknöspchen, die Hainbuchenknospen richten sich jetzt nach Tageslänge und Temperatur, bis sie aufplatzen.
Der Boden saftet, knarzt und quietscht. Wenn ich den Gummistiefel aus dem Matsch ziehe, gurgelt es manchmal und vor einem kleinen Wädchen inmitten von Feldern quatscht und quasselt es im Untergrund. Einmal bin ich richtig erschrocken. Aber wenn es plötzlich laut rülpst oder einen kleinen Blubberschrei gibt, ist das wirklich nur der Sumpf. Irgendwo steigen Blasen auf.
Kurz vor dem Gartentor will Bilbo wieder umkehren, zu Nachbars Ziegen laufen. Die hatten wir ganz zu Anfang besucht, weil sie Kleine haben. Ich hab sie mit Vogelmiere gefüttert und eine schwarze Ziege wird langsam zutraulich, lässt sich mit Wonne zwischen den Hörnchen und Ohren kraulen. Bilbo ist völlig fasziniert, sie ist nur wenig größer als er selbst und er darf sie ganz nah beschnuppern. Er kann sich kaum losreißen. Und auch in Kilometer weiter Entfernung sorgt er sich um sie und warnt, wenn sie mal wieder ausbrechen. Ich höre es an der Art seines Bellens, was passiert ist und rufe dann den Nachbar an.
Heute aber keine Ziegen mehr. Zufrieden und erholt kehren wir von der verlängerten Mittagspause heim, der Hund ein herrliches Schlammmonster. Und auch ich könnte mal wieder die Hände gründlich waschen! Sie sind schon wieder braun und schwarz bis unter die Fingernägel. Aber zuerst muss ich die Schätze aus allen Taschen bergen. Als ich die bis oben verschlammten Gummistiefel ausziehe, frage ich mich kurz, warum von all der wunderbaren Schönheit nichts in Social media "trendet".
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