Madame stichelt ...

Noch bin ich dabei, mich nach all den Zahnarztbesuchen zu restaurieren, sprich, ich versuche, mir Schönes zu gönnen und Schönes zu schaffen. Das ist im Moment nicht schwer, denn in der Region läuft noch bis Sonntag das Internationale Kreuzstichfestival, ausgerichtet vom Maison Rurale, in mehreren Orten (Programm).

Ich konnte nicht widerstehen beim großen Farbenangebot - Stickgarn fürs Visible Mending meiner alten Jeans und eines Mottenfraßpullis, den ich retten will, weil ich ihn so liebe..


Es ist wirklich erstaunlich, wieviele Sprachen man dort hört: Französisch. Deutsch, Niederländisch, Italienisch, Spanisch und mehr. Manche Fans fahren an die 1000 km, um es zu sehen! Man trifft sich rund um die Themen Kreuzstich und Stickerei, mit jeder Menge Passendem wie Spitzenmachen, Filzen, Kelsch, Holzarbeiten. Zu sehen ist eine gut ausgewogene Mischung von eher kommerziellen Ständen und zuweilen auch Kitsch bis hin zu feinster Kunst. Und natürlich gibt es auch Zubehör zum Kaufen. Ich habe das gleich mal härtegetestet, nachdem ich für eine Spontanidee vergeblich überall Goldfaden suchte. Und zwar sehr feine Stickfäden, wie man sie für Lunévillestickerei verwendet. Natürlich bekam ich alles, was ich suchte, in unterschiedlichen Stärken zu haben und absolut edel wirkend. Bevor ich das an den Seidenkokons ausprobiere, habe ich erst einmal einen Schmuckanhänger aus Papier und Seide bestickt.

Buchpapier, handgefärbte Seide in Maisgelb, ein Glasammonit aus Manufakturarbeit und Goldstickerei auf Buchpapier. Ich arbeite zuerst auf der Oberfläche des Anhängers, der später auf geschichtetes Papier aufmontiert wird.
Die Nahaufnahme gibt im Vergleich zur Buchschrift einen Eindruck, wie fein das Goldgarn ist.


Das wird meine neue Herbstkollektion. Nachdem ich herausgefunden habe, dass man durch hauchdünne Sariseide die Schrift von Buchpapier hindurchsehen kann, experimentiere ich in Sachen Mixedmedia: Schmuck aus Papier und Stoff, intuitiv mit feinsten Glasperlchen bestickt und anderen Perlen verschönert. Das Besondere, ja der Luxus liegt im Detail: Glasperlchen von Preziosa, die golden oder silbern schimmern, werden tatsächlich mit den Edelmetallen bedampft.

Hier sind die Perlen das Besondere: Goldene Miniperlchen und auch die Imitation einer echten Perle sind aus Glas, in Tschechien hat man das Know-How fürs Finish. Sariseide auf Papier, handbestickt.


Und so kam ich auf die nächste verrückte Idee: Kann man Seide eigentlich vergolden? Mit Papier geht das ja. Und mit vorbehandelter Seide tatsächlich auch! Das Gold schmiegt sich dabei in die Faserverläufe, wenn man es poliert. Ich arbeite dabei zunächst mit Künstlermetall. Ich kann auch mit 14 Karat Gold arbeiten, aber das mache ich natürlich nur auf Bestellung.

So sieht es aus, wenn man Seide mit Künstlermetall vergoldet - anders als auf glatten Flächen bekommt das Metall eine leichte Struktur.


Das ist übrigens aus dem Kapitel: Man lernt nie etwas umsonst oder man lernt fürs Leben. Früher habe ich einmal einen Roman über eine Ikonenfälscherin schreiben wollen, aus dem nie etwas wurde außer einer Kurzgeschichte. Aber um das schreiben zu können, habe ich mir "Das Kunstfälscher Handbuch" zugelegt und durchgearbeitet und ein Fachbuch für Vergolden. Und letzteres habe ich dann tatsächlich geübt und praktiziert! So lag das Handwerksmaterial noch da und ich kann all das Wissen endlich praktisch nutzen. Bücher, die man nicht schreibt, sind manchmal die besten ... Gestern musste ich dann glatt noch schmunzeln, wie ich eine Ausstellerin mit ihrer Freundin reden hörte: "Ich nehm da Schwarztee!" Sie verriet der Freundin, wie sie Leinenstoffe "auf Alt trimmt", um sie so zu verkaufen. Einfachste Kunstfälscherübung: das künstliche Altern mit Kaffeesatz oder Schwarztee. Funktioniert auch auf Papier, ist allerdings heutzutage nachweisbar.

Hauchdünne, handgefärbte Seide in einem Farbverlauf von dunklem Veilchenlila bis Aubergine - auf Buchpapier und mit Perlen bestickt. Auch die Seide beziehe ich direkt aus einer Manufaktur.


Die nächsten Tage habe ich noch viel zu sehen beim Festival - es gibt wunderbare Kunst dort. Darum halte ich es kurz und zeige noch einen Anhänger im Mixedmedia-Stil.

Die Nahaufnahme zeigt, wie schön das Buchpapier durchscheint. Während mein Papierschmuck komplett abweisend gegen Feuchtigkeit ist, ist auch hier der Korpus dicht. Um jedoch das Feeling von Stoff etwas zu erhalten, sind die Ränder aus gedrehten Seidenbändern nicht behandelt - hier würde der Stoff nass werden. Er könnte aber durchtrocknen, ohne den Untergrund anzugreifen. Ein Zugeständnis, das man an textilen Schmuck manchmal machen muss - aber wer trägt das schon unter der Dusche!

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