Precious Species - die Schmetterlinge

Es geht schon wieder um Schmetterlinge - oder vielmehr noch einmal neu. Einige werden vielleicht bemerkt haben, dass ich zwei Beiträge gelöscht habe - sie sind nicht mehr aktuell. Ich habe eben erfahren, dass ich am Donnerstag nicht am ländlichen Markt teilnehmen kann - der Brotjob geht vor. Das ist einerseits sehr traurig und kurzfristig, aber andererseits sind die Kunstwerke ja nicht verloren. Das nächste Weihnachten kommt bestimmt.

Die Paper Art Schmetterlinge sind auf sogenanntes Fabric Paper montiert, das ich von Hand herstelle. Es ist eine Mischung feinster Lagen Papier und Stoff. Für letzteres verwende ich Mullkompressen - hier mit weißem Seidenpapier verschmolzen. Bei anderen Schmetterlingen gibt es eine Lage alten Buchpapiers.


Ich möchte die Serie der Schmetterlinge darum trotzdem noch einmal kompakt vorstellen. Und erzählen, wie es dazu kam. Die meisten werden mitbekommen haben, dass sich im Moment all meine Tätigkeiten wohltuend auf meine ganz privaten Spezialinteressen zubewegen: die Natur mit allem, was kreucht und fleucht und wächst. Als Fachwissen im Brotjob für ein digitales Lern-Management-System eines großen Fachverlags, vom Leben her im Naturpark mit wunderbaren Wanderungen an der Seite des Inspirational Managers Bilbo. Schreibend: Ich führe privat ein paar Sketchbooks zu Naturthemen und schreibe hier Im Blog zum Thema Natur. Während beim Schmuck sich im Moment alles auf Maßanfertigungen konzentriert, habe ich meine Papierkunst erweitert auf Assemblage: Objekte hinter Glas oder in Schachteln und Dosen.

Der echte Bücherwurm - hier stimmt die lateinische Bezeichnung korrekt - lebt nun in allen Entwicklungsstadien hinter Glas: Ei, Larve, Vollkerf, nebst Nahrungssorten. Die Larve lebt von Buchpapier, der Vollkerf saugt Nektar aus Buchblumen.


Obwohl - oder gerade weil - ich derart privilegiert in einer noch intakt erscheinenden Natur in einem Naturpark lebe, mit vielfältigen wertvollen Biotopen, machen mir das Arten- und Insektensterben der letzten Jahre nicht nur zu schaffen, sondern manchmal regelrecht Panik. Ich kann das Schwinden jeden Tag bei meinen Wald- und Wiesengängen hautnah erleben. Ich weiß zu genau, welche Tiere und Insekten ich seit vielen Jahren überhaupt nicht mehr gesehen habe, obwohl sie in meiner Kindheit das Üblichste waren. Es zerreißt mich manchmal fast. Kunst ist für mich dann einerseits ein Mittel des Kraftschöpfens, vielleicht sogar des Überlebens, obwohl mir das zu theatralisch klingt. Aber ich bin immer auch auf der Suche nach einer Kunst mit Außenwirkung.

Mindestens die Form ist von realen Insekten abgenommen. Hier die Anfangsphase des Käferprojekts. Die Käfer müssen in alte Zigarettendosen passen, jede wird anders.


Mein Weg ist vielleicht ungewöhnlich, weil ich nicht mit drastischen Bildern oder Schock arbeite, keine politische Kunst mache. Ich persönlich denke, wir werden derart von täglichen Schockern in Social Media bombardiert, dass es nicht einfach ist, jenseits des Monumentalen dem noch etwas draufzusetzen, das sich nicht abschleift, sondern uns erweckt. Mir ist auch etwas anderes wichtig, das mir im Umgang mit der Natur bei so vielen Menschen abhanden zu kommen scheint: das Berührtwerden, die Gefühle. Ich schrieb bereits über die erschreckende Entfremdung.

Die Körper der Schmetterlinge entstehen aus Fundstücken, wie hier aus einem Rest glitzernden Geschenkbands. Für die Perlage verwende ich feinste Glasperlchen, maximal 2 bis 2,5 mm im Durchmesser.


Es gibt einen extremen Gegensatz zu den hässlichen Gefühlen, zu den Bildern von Untergang und Apokalypse genauso wie zu den Memen von Hass und Extremismus: Schönheit.

Das fertig gerahmte Bild mit den drei Schmetterlingen misst ca. 42 x 23 cm.


Als ich Anfang der 1990er im ehemaligen "Ostblock" in Warschau lebte, habe ich spürbar, erlebbar gelernt, dass die diktatorischen Systeme, egal ob von links oder rechts, Unterdrückung und Gleichschaltung auch dadurch erreichen, dass sie die Schönheit ausschalten. Sie ersetzen sie durch Pseudodekoration. Wer je unter dem Zuckerbäckerstil der stalinistischen Protzbauten stand und sich dann in die Massenplattenbauten mit den "Arbeiterkäfigen" bewegte, der spürt schon rein körperlich: Das ist Dekoration im Dienst der Macht, das sind Farben (oft fehlend) und Formen der Unterdrückung. Ich habe erlebt, was passiert, wenn in einem solchen Angstumfeld plötzlich Street Art KünstlerInnen Fassaden verändern, wenn Gärten und Parks wachsen. Schönheit wird oft belächelt, aber sie macht etwas mit uns. Echte Schönheit kann für solche Machthaber gefährlich werden, weil sie sich nur in Freiheit entfaltet, wild ist, unberechenbar. Sie bricht die gleichgeschalteten und ideologischen Ideale. So, wie sich die Schönheit in der Natur nicht darum schert, was den Menschen gefallen könnte. Sie entsteht nicht, um vor Instagram zu bestehen.

Legeprobe für einen Riesenschmetterling, Spannweite ca. 11 cm. Rahmen 23 x 18,5 cm. Er sieht jetzt schöner aus, montiert auf Fabric Paper aus alten Buchseiten, hinter Passepartout, in einem schwarzen Rahmen. Bestickt mit Preciosa-Perlen und Stickgarn.


So entstand die Idee zu den "Precious Species", auch "kostbare Arten" oder "espèces précieuses". Nicht für den Verkauf, sondern hoffentlich einmal für eine Ausstellung entstehen dabei die Paper Art Käfer in alten Zigarettendosen. Die Sammlungen alter Wunderkammern und kostbare Taschenreliquare früherer Jahrhunderte lassen grüßen.

Dose aus dem Käferprojekt, in dem ich auch kunsthandwerkliche Techniken alter Reliquare aufnehme. Hier ist es das sogenannte French Beading, eine Technik, mit der vor allem im 19. Jhdt. in Frankreich Blütenkränze hergestellt wurden.


Für den Verkauf habe ich die Pflanzen und Schmetterlinge entwickelt, die hinter Glas gerahmt werden als Objektbilder. Schmetterlinge gehören zu den Tieren, die fast alle Menschen mögen und kennen. Und die genauso vom Artensterben bedroht sind. Die eine Richtung der Serie orientiert sich am naturalistischen Aussehen, den echten Farben und Größenverhältnissen. Sie erscheinen nur leicht gebrochen dadurch, dass man ihnen das Papier ansieht, durchscheinende Buchstaben, Zeichnungen des Ursprungpapiers.

Die naturalistischere Serie zeigt Schmetterlinge in Originalformat wie diesen Zitronenfalter und den Aurorafalter, dazu Blüten und Pflanzen, deren Formen ich von Originalpflanzen abnehme. Jedes dieser Blätter ist also tatsächlich einmal gewachsen! Paper Art und Stickerei.


Die andere Richtung spielt damit, dass auch heute noch viele Spezies unentdeckt, vor allem aber unbenannt sind. Auch hier entsteht Schwund einer anderen Art: Immer weniger Geld wird heutzutage investiert, um seltene Arten zu erforschen, zu katalogisieren, zu benennen, öffentlich zu machen. Nicht umsonst werden auf diesem Sektor schon LaiInnen als NaturforscherInnen eingespannt. Es ist nur so: Was nicht benannt und bekannt wird, wird seltener geschützt. Wieder eine Art weniger, die wir gar nicht kannten? Es macht weniger Aufsehen als ein Pandabär. Keiner wird einer Art nachweinen, die er nicht kannte, oder? Was also geschieht in uns, wenn etwas benannt wird?

Schmetterlinge sind meist starke Kindheitserinnerungen. Die Stoffreste dieser Insekten stammen von einem Kleid, das ich als Kind trug. Stickerei mit Seide und narzissenfarbenen Glasperlchen.


Deshalb benenne ich meine Fantasieschmetterlinge wie bei einer naturkundlichen Schmetterlingssammlung. Die Namen spielen teilweise mit echten Schmetterlingsnamen, sind aber auch lateinische Anklänge an die neue Form, die Farben, meine Ideen. Eine neue Spezies ist da zu sehen und sie sollte wunderschön sein, hat die reale Form real existierender Schmetterlinge. Aber etwas ist anders: Die bunten Papiere, aus denen wir uns so gern eine heile Welt basteln würden, wenn wir nur könnten. Wir wickeln Geschenke in solche Muster, dekorieren damit Mädchenzimmer oder Glückwunschkarten ... Prächtig ausgestattet sind die Schmetterlinge auf der einen Seite: Alles, was ich als Mensch an intensiver Aufmerksamkeit diesem Papier widmen kann: wildes Sticken, Perlenstickerei, feinste Glasperlchen.

Wildes, intuitives Sticken hat nichts mit den akkuraten Stickmustern aus der Kindheit zu tun, aber viel mit Zeichnen und Malen. Es geschieht intuitiv, angeregt durch Formen und Farben des Untergrunds. Durchmesser der Perlchen 2 mm, Spannweite breiteste Stelle 6 cm. Gestickt wird mit extrem feinen Perlage-Spezialnadeln, denn die müssen samt Faden durch die Löcher passen. Als Kind habe ich Sticken gehasst, weil es akkurat sein sollte.


Das ist so aufwändig und groß wie das Staunen über die Natur selbst: Staunen über den Aufbau eines Schmetterlingflügels, seine Flugfähigkeit trotz der Zerbrechlichkeit, die Konzeption der Farben, der Zellen. All meine Energie in diese Flügel ... und dann kommt der Bruch. Auf dem anderen Flügel fehlt all das. Er wird überlagert von etwas, von Menschenwerk, von Buchpapier. Zu feinster Spitze geschnitten, ist es auch "schön". Aber es ist der Bruch: da hat der Mensch seine Spuren hinterlassen, aufgedrückt.

Manchmal ist der Bruch auch unsichtbar. Ich hüte seit meiner Kindheit ein Kistchen mit echter Stickseide, die mir eine damals schon sehr alte Frau schenkte. Sie war um die Welt gereist und hatte Glück: Ihre Fahrt mit der Titanic hatte sie einst verpasst, war stattdessen auf ein anderes Schiff gebucht. Wenn ich mit den äußerst empfindlichen Seidenfäden sticke, die sie damals aus den USA mitgebracht hatte, muss ich daran denken, dass wir uns wohl alle gerade in der Lage befinden, im letzten Moment wählen zu können: Wollen wir wirklich alle die vermeintlich bequeme, moderne, verführerische Reise auf der Titanic antreten oder wollen wir nicht gemeinsam an einem Schiff bauen, das uns Zukunft ermöglicht?


Die gleiche äußere Form, ein völlig anderer Typ. Die Papierspitze wurde aus einem Larousse-Wörterbuch geschnitten.

Viel herumgedacht an so wenig Papier. Es ist auch eher ein nachträgliches Nachdenken, denn die Stücke selbst entstehen sehr spontan und intuitiv. Und tatsächlich hat der Inspirational Manager Bilbo ebenfalls seine Pfoten mit im Spiel. Er führt mich auf Pfade, wo ich bestimmte Pflanzen beobachte, Schmetterlinge entdecke, Insekten bewundere. Die landen dann gezeichnet im Sketchbook, werden ausgeforscht und manchmal zu Prototypen. Und wenn es nur die Form ist, die ich von ihnen abnehme.

3 Kommentare:

  1. Ich möchte mich entschuldigen, dass mit dem Löschen der beiden letzten Beiträge auch schöne Kommantare verschwunden sind. Ich mache das normalerweise nicht, wollte aber die Ankündigung meines Verkaufs nicht irreführend stehenlassen, der ja nun leider abgesagt ist. Ich werde natürlich die Bilder später verkaufen, muss mich allerdings noch schlau machen, wie ich das Glas bei Versand am besten schützen kann.

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  2. Ach, schade, dass es mit dem Landmarkt nun doch nicht klappt! Aber umso wichtiger ist es, dass du hier noch einmal so differenziert das Konzept hinter deinen Schmetterlingen und anderen Insekten erläuterst und die Bedeutung von schöner Kunst auslotest. Bei ständigen Schockeffekten habe ich auch das Gefühl, dass sie einen auf lange Sicht nur abstumpfen lassen, während wirklich Schönes einen dauerhaft berühren und positiv beeinflussen kann. Und die Geschichte von der Frau, die fast auf der Titanic gelandet wäre und dann doch Glück hatte, ist spannend! Unglaublich, was für Querverbindungen sich von einem Thema wie den Papierschmetterlingen aus ergeben können ...

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    1. Liebe Maike,
      ich bin eigentlich gar nicht der Typ für Kunsterklärungen, was mich selbst betrifft, weil ich denke, das schafft sich im Auge der Betrachterinnen und Betrachter. In diesem Fall war es aber ein auch für mich interessantes Sammeln der Gedanken, die so durch meinen Kopf schwirrten. Das hilft mir, die eigenen Projekte wieder schärfer zu fassen, zu fokussieren. Etwa das mit den Käfern von dem mit den Schmetterlingen zu unterscheiden.

      Zum Thema Schönheit kam ich durch einen Twitterdialog, wo offenbar jemandem der Vorwurf gemacht wurde, aus Dingen, die der Natur schaden oder die für deren Zerstörung stehen, "schöne" Kunst zu erschaffen. Die Rede war von Plastikmüll, von Treibgut aus dem Meer.
      Meine Meinung dazu war, dass die Kunst frei sein muss. Und ich denke auch, KünstlerInnen haben seit der Steinzeit mit den Materialien gearbeitet, die sie fanden, die da lagen - dazu gehört auch unser Müll.
      Es gibt viele fantastische Kunstprojekte, die durch die Schockwirkung einer Verbindung zwischen Dreck und Schönheit sensibilisieren, das Bewusstsein schärfen. Hier im Naturpark werden Kinder mit Basteleien aus recyclingfähigem Müll zur Mülltrennung erzogen und bringen das dann sogar den Eltern bei.

      Und ich glaube ganz fest, dass wir aus diesem extrem dystopischen Denken herauskommen müssen, weil das im Endeffekt lähmen wird oder dazu führt, dass Menschen denken, sie könnten ja eh nix mehr ändern, also könnte man nochmal richtig die Sau rauslassen und bis zum Untergang feiern. Wir müssen wieder ins Konstruktive kommen.

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