Klatsch'n'Tratsch

Ein kleines Lebenszeichen aus einer Hitze, bei der ich leider nicht mehr zufriedenstellend funktioniere und sich das Hirn viel zu oft in in Träumen von Vanilleeis mit Erdbeeren ergeht, anstatt rasant Daten zu verarbeiten. 33 bis 34 Grad im Schatten und nie Regen in Sicht - ich bin neidisch auf Nachbarn, die das gern das ganze Jahr hätten. Denke aber, irgendwann werden sie ihren Willen wohl bekommen. Ich schreibe auch fast keine Mails zur Zeit, telefoniere lieber. An der Tastatur kommt man zu sehr ins Schwitzen. Die ist für den Job reserviert, der mir viel Spaß macht, weil ich jeden Tag etwas dazulerne.

Das Foto ist alt. Die Wiesen sind schon lang nicht mehr grün, aber der Himmel bleibt unerbittlich wolkenlos.


Viel Arbeit habe ich im Moment. Und es macht mich unzufrieden, dass die langen Hundeläufe ausbleiben - der Hund knatscht auch. Als wir das letzte Mal vor acht Uhr morgens, also mitten in der Nacht, losliefen, stieg das Thermometer binnen 40 Minuten auf 28 Grad. Bilbo wetzt sich beim Buddeln nach Mausnestern die Krallen ab, der Lehmboden ist wie Beton. Immerhin ist er nasal gesehen glücklich. Bock- und Fuchsmarken stinken bei dieser Hitze so, dass auch ich sie rieche.

Aber ich will nicht jammern. Hitze ist gut fürs Gären im Innern. Da gärt so einiges, wo ich bewusst die Luft rauslasse. In nächster Zeit keine Wettbewerbe mehr, keine Veranstaltungen, die ich nicht selbst genügend vorgeplant habe - es bringt mich aus dem Tritt mit meinen Kunstprojekten. Ja, ich bin recht unsichtbar diesbezüglich, aber nur, weil Neues wächst. Manche fragten schon, ob ich denn überhaupt noch Papierschmuck verkaufe, im Shop bei Etsy tue sich nichts. Auch das hat einen Grund: Es werden inzwischen zu 95% Maßanfertigungen bestellt, also Schmuck, den ich speziell für jemanden schaffe, sei es passend zu einem Anlass, einem Kleid oder einer Persönlichkeit. Das ist meine Spezialität - man muss mich da nur kontaktieren und eine Budgetvorstellung haben, ab 20 E geht es los. Ich mag das, denn die Stücke im Shop sind natürlich auch immer ein Lagerrisiko. Auf lange Sicht will ich mich mit einem Shop auf der Website außerdem unabhängiger machen, aber das ist ein juristisches Spießrutenlaufen und will gut durchdacht sein. Da wird dann auch die Website vorher neu gemacht werden müssen.

Vielleicht veranstalte ich im Herbst eine Art Online-Markt für ein paar ältere Stücke, das lasse ich dann via Newsletter wissen. Selbst für eine neue Ausgabe ist es einfach zu heiß ...

Ich sitze viel an meinen wunderschönen Sketchbooks, die ich im Ausverkauf erstanden habe. Führe ein Herbarium wie in Schulzeiten und genieße die Langsamkeit. Wie lange es dauert, Pflanzen nach einem Spaziergang zu pressen, mit Papierstreifen einzukleben, zu bestimmen und zu beschriften - es tut gut. Und weil ich auch Umstände notiere, wird das ein kleines Erinnerungsbuch, ein Spurensammeln vom eigentlichen Finder - Bilbo. Es macht sich bezahlt, dass ich nicht nur ein Buch für Entwürfe habe, sondern eins für das Zeichnen von Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Ich habe bemerkt, dass selbst so einfache Dinge wie eine Biene oder ein Vergissmeinnicht aus Glasperlen schnell vergessen sind, was die Arbeitsschritte betrifft. Und den fertigen Formen sieht man leider die Windungen und Fädelungen des Drahts nicht an. Was aufwändig wirkt, spart Zeit: Ich muss nur "Biene" aufschlagen und kann wieder loslegen. Da entstehen derzeit kleine Frustrationen: Im Kopf habe ich einen Schmuckentwurf der besonderen Art, Textiles, Papier und Glasperlen kombiniert, Bienen auf Waben. Bis allerdings die Realität so aussieht wie das Bild im Kopf, das kann anstrengend sein. Die Materialien wollen nicht, wie ich es will. Es heißt, weiter testen, probieren, wegwerfen.

Ich sticke neuerdings, obwohl ich es eigentlich gar nicht kann. Mit Spaß. Hier gibt's am Ende des Artikels neue Bilder vom "Visible Mending" an Jeans und einem mottenzerfressenen Pullover. Es geht nahtlos über von meinen Experimenten, pflanzenbedrucktes Papier als Schmuck zu besticken. Passt darum irgendwie modisch zu mir, auch wenn so mancher auflachen mag. Immerhin, in Frankreich kann man individuell herumlaufen, von KünstlerInnen erwartet man fast ein schräges Outfit. Und wenn ich solche Jeans im Museum bei der Arbeit trage, sind sie der perfekte Öffner für Fragen und Gespräche. Apropos Museum - auch dort lerne ich eine Menge Neues ... und meinen Fähigkeiten zu vertrauen. Es gibt wieder eine Premiere - sie lassen mich zum ersten Mal an eine französischsprachige Führung ran. Im Moment pauke ich Biergeschichte, denn ich führe auch in einer Sonderausstellung und mein Publikum kennt sich mit der elsässischen Biergeschichte sicher besser aus als ich.

Zurück zum Sticken, zur Verbindung zwischen Papier und Textilem:  Darum soll auch der Bienenschmuck in diese Technikrichtungen gehen. Und irgendwann gelingt er. Vom letzten Honorar habe ich mir britische Perlenstickerei-Nadeln geleistet, schnell noch einmal vor dem Brexit einkaufen ... Noch ist es mir ein Rätsel, wie man anders als durch Zufall mit dem Spezialfaden ins Nadelöhr treffen kann, aber auch das ist ein Vergnügen an Langsamkeit.

Ich stelle immer mehr fest, welch schlimme Stressfaktoren ständig erwartete Dauerverfügbarkeit, soziale Medien in ihren Auswüchsen (!) und der steigende, immer wirrere Amtskram sein können. Es tut unendlich gut, sich immer mal wieder zu verweigern, die Bremse reinzuhauen.

Darum werde ich auch nicht mehr zu Facebook zurückkehren, sondern den schönen Hashtag wahr machen: #deleteFacebook. Ich habe noch zweimal reingeschaut, um zu testen, was mir fehlt, ob ich einer Sache nachtrauere, was mich aufregt, ob es mir etwas bringt. Was mir fehlt, sind zwei, drei Organisationen, die das Internet mit Facebook verwechseln, sprich, ihre Websiteinhalte nicht pflegen und nur noch bei FB Inhalte raushauen. Die müssen das lernen. Was mir fehlt, sind manche Kontakte, das schnelle und einfache "mal kurz was sagen." Letzteres hat sich zu Twitter verlagert und in die Tiefe geht's per Mail oder Telefon. Mir ist aufgefallen, dass ich speziell bei Facebook mit so vielen Menschen nicht wirklich kommunizierte - es ist ein öffentlicher Auftritt, mehr nicht. Ich kann mir bis heute so viele Namen nicht merken und bin bei Profilbildwechseln hilflos verloren - ich erkenne manche Leute dann nicht wieder. Ob es an der Austauschbarkeit der Inhalte liegt? Ganz sicher an der Zahl der "Freunde". Man ist auch sozial gesehen endlich.

Als ich das letzte Mal reinschaute, kam mir das Posten auch wie ein Erwartungsabfragen vor. Fährt jemand in Urlaub, wird erwartet, dass man gute Wünsche schickt. Wird Arbeit gepostet: Loben! Wird gestöhnt: Trösten! Wird geschimpft: Mitschimpfen! Und wehe, es bricht einer aus und antwortet ganz anders als erwartet ... Nicht, dass solches soziales Miteinander nicht auch virtuell wichtig wäre, aber die Struktur aus Emotikons und Technik macht es vorhersagbar, multipliziert die Aufgaben, lässt wahre Gefühle abflachen. Ich weiß nicht, wie andere es aushalten, wenn in einer Timeline zwei Menschen den Tod von geliebten Menschen beklagen, Bomben hochgehen, Leute verhungern, drei an der Arbeit zusammenbrechen, eine Angst hat und eine andere Wut. Es ist die flachgehaltene Empathie der Journalistin früher am Katastrophenticker, die ich dann verteilen könnte, damit ich selbst nicht draufgehe. Stattdessen habe ich jetzt Zeit, mit einer trauernden Frau einfach mal eine Stunde zu verplaudern, kann sie real in den Arm nehmen. Es ist eine andere Rhythmik im Leben außerhalb dieses Clickdom. Andere erleben das natürlich ganz anders. Aber ich muss ja auf mich achten.

So, wie ich im Unterschied zu anderen gern twittere. Es ist schnell und knapp, ich muss nicht viel herumlabern. Und habe mir das Ding so konfiguriert, dass ich mehr Inspirationen abrufe als all das, worauf ich verzichten möchte. Ich habe dort inzwischen so viele interessante Themenplattformen und Medien kennengelernt, dass ich die besten in einem eigenen Artikel vorstellen werde. Trotz der kritischen Weltlage explodieren an so vielen Orten derzeit die Kreativität, die Forschung, das Weiterdenken. Da gibt es so viele kluge Köpfe ...

Und das tut mir bei einem anderen Gären äußerst gut. Ich will wieder schreiben. Blöder Satz, weil ich ja täglich schreibe. Also noch einmal: Ich will wieder in einer längeren Form schreiben. Ich weiß nur noch nicht ganz wie. Über die vergangenen Monate hat das Thema sich als tragfähig erwiesen. Ich möchte sogar frech behaupten, es kommt genau zur richtigen Zeit. Ganz anders als bisher bei meinen Büchern benutze ich für die Vornotizen ebenfalls ein Sketchbook - so vieles zeichne ich lieber, als dass ich es notiere. Oder Bild und Notiz ergänzen sich zu etwas Neuem. Übrigens in schönstem dreisprachigen Europlais. Manche Fachbegriffe habe ich erst in Frankreich gelernt, meine Recherchematerialien sind fast ausschließlich englischsprachig, die Muttersprache ist Deutsch, das ich in reiner Form nur noch beim Telefonieren höre oder im Fernsehen.

Auch professionell habe ich mich diesbezüglich umgetan, wie es denn wäre, wenn. Wenn ich mich z.B. damit irgendwann bei einer Agentur bewerben würde. Und da sehe ich trotz aller Entwicklungen in Deutschland schwarz. Keine Handvoll Verlage käme dafür in Betracht; etwas, vor dem mich meine Agenten immer gewarnt haben. Soll ich mir das wirklich noch einmal antun, wo ich mir den Schreibvorgang selbst ja finanziell gar nicht leisten kann, zeitlich also auch nur extrem begrenzt?

Ich muss das für mich selbst ausloten. Das erste Kapitel möchte ich auf Englisch versuchen. Und dann noch einmal auf Deutsch. Hinspüren, in welcher Sprache es erzählt werden will und überhaupt erzählt werden kann. Meine sprachlichen Fähigkeiten kann ich kaum selbst beurteilen. Ich weiß nur, ich mag diesmal nicht in Einsamkeit schreiben. Ein Jahr verschwinden und dann erst zur Buchmesse mit Infos rauskommen. Die Journalistin in mir zappelt, weil sie Leserschaft am liebsten immer gleich hätte.

Und so gärt es. Mache ich ein eigenes, zweites Blog dafür auf? Erzähle ich in einem Ein-Frau-Podcast davon? Oder veröffentliche ich zuerst Essays und literarische Reportagen, um das dann zum Buch "umzustricken"? Ich formuliere gern solche Sätze im Indikativ, als Zielvorstellung. Denn bis zu einem Veröffentlichen eines Essays ist es vielleicht weit.

Das ist das Schöne an diesem viel zu untätigen und viel zu heißen Sommer: Ich kann mir alle Zeit der Welt fürs Gären nehmen. Surfe herum, lasse mich inspirieren, quatsche mit Leuten, die Ahnung haben. Zumal ich ja jetzt diese Facebookzeit übrig habe. Längst habe ich mir bestimmte Ziele gesetzt. Über die rede ich nicht, weil man die nicht zerreden darf. Auch das ist eine Gefahr in Social Media: Man kann sich in der Tat Projekte totreden. Weil sie im ersten empfindlichen Stadium wie junge Pflänzchen sind. Sie müssen gehegt und gegossen werden, im eigenen Treibhaus. Erst wenn sie auch kalten Wind vertragen, kann man sie zur Ansicht in die Ausstellungshalle bringen.

Und das hat einen anderen Vorteil: Man kann im Fall des Scheiterns das Pflänzchen auch einfach auf den Kompost kippen, ohne sich rechtfertigen zu müssen, ohne Worte des Bedauerns liken zu müssen, ja sogar, ohne Häme zu erfahren. Wenn es nichts ist, wenn die Idee nicht mit der Realität deckungsgleich gestaltet werden kann: Mülleimer. So, wie ich derzeit einen Untergrund mit Bienenwaben nach dem anderen wegwerfe. Ich weiß ganz genau: Irgendwann habe ich genau den Durchbruch zur Entwurfszeichnung. Oder es gibt eben genau diesen Schmuck nicht. Und dafür einen anderen. Kompost macht Erde fruchtbar.

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