Snoopy Bilbo und Woodstock Krächzel
Ungefähr mit dem gleichen gebannten und interessierten Blick schaut Bilbo seinem Kumpel Krächzel zu. |
Im vergangenen Jahr nistete bei einem Nachbarn ein Kolkrabenpaar. Ich konnte also alles vom Balzflug an über die Nistgeschenke bis hin zum Flüggewerden genau beobachten. Eins der flauschigen Rabenküken, wahrscheinlich das einzige überlebende, setzte sich dann immer in den Baum vor meinem Atelierfenster und unterhielt uns mit seinem Gekrächzel, das bei Wohlfühlen herrlich in Gurrlaute überging. Irgendwie hatte Bilbo vor ihm den gleichen Respekt wie vor einer befreundeten schwarzen Katze (war es die Farbe?) und setzte sich, aufmerksam lauschend, ans Tor. Das entwickelte sich zu einem Ritual. Der Hund hatte die innere Uhr, wann Krächzel auftauchen würde - wehe die Haustür war dann nicht offen! Und kam Bilbo zu spät, rief Krächzel nach ihm. Der brauchte wohl Zuhörer. Irgendwann rief Krächzel schon von weitem in Anflug und Bilbo flitzte los.
Der Rabe machte sogar Geschenke. Eines Tages entdeckte ich, wie sich die Ritze des Sofas wundersam mit Walnüssen füllte, die unmöglich von uns stammen konnten. Bis ich Räbelchen dabei erwischte, wie er sie vor Bilbos Nase abwarf. Der fand diese Aufbesserung seiner ach so kargen Ernährung wunderbar und revanchierte sich damit, dass er mit Räbelchen herumkasperte. Das sah ungefähr so aus, als sei der Rabe der Rote Baron, der ihm Tiefflug und mit Saltos vor Bilbo Flugschau spielte, während der wiederum den wirklich echten Roten Baron mimen wollte, sprich, irgendwie zu fliegen versuchte. Immerhin schaffte er das wenigstens mit seinen Ohren. Ich hatte bisher junge Raben bei solchen waghalsigen Manövern gesehen, wenn sie miteinander spielten, aber nie mit einem anderen Tier.
Nun ist Räbelchen ein schöner und stolzer Jährling geworden, der sich mit einer Junggesellenbande herumtreibt. Lange war er fort; wie ich feststellte, lebte er im Winter am Waldrand, wo der Tisch reich gedeckt war. Und plötzlich ist er wieder da. Die Geschenke an Bilbo nehmen langsam überhand. Nun erzähle ich zwar gern Märchen, aber die wahre Ursache interessierte mich doch. Er verliert nämlich alle Scheu, sitzt bei Bilbo im Garten - und der staunt ihn an. Als würden die beiden klönen.
Vorhin, beim Rasenmähen, habe ich die Ursache entdeckt. Vogelriss. Das ist nun die Naturerklärung der neuerlichen Freundschaftsbande. Bilbo hat nämlich zwei Miniaturfelsenplatten aus Sandstein, die ihm als Ausguck dienen. Dazwischen liegt das Vogelbad. Er rührt keinen an, das hat er gelernt - und leckere Enten kamen noch nicht vorbei. Während also Bilbo über die Vogeltränke wacht und nach intereressanten Dingen Ausschau hält (anderen Hunden, Menschen, Froschbeinen, Mäusen), fühlen sich die Vögel ganz sicher und baden.
Und dann muss Räbelchen kommen. Und Bilbo das dulden. Ich weiß nicht, ob er inzwischen irgendwo nistet, denn er fliegt sehr häufig hin und her. Jedenfalls finde ich unter seinem Ansitz bei mir nur noch Federn. Und einen Rest finde ich ... an Bilbos Klönplatz vor dem Tor. Dort lässt der Rabe dem Hund einen Teil seiner Beute fallen! Mal ein paar Federn, mal einen Flügelteil, mal etwas Gedärm. Wenn das keine Symbiose ist! Kein Märchen also, sondern Natur. Derjenige, der Vögel nicht jagen darf, mampft Rabengeschenke, dafür lässt er den die Jagd erledigen und gönnt ihm die Hauptbeute ...
Es ist schon faszinierend, was man beobachten kann, wenn sich der Mensch heraushält und ein Hund natürlich sein Leben leben kann.
Es ist richtig schön, wieder von Bilbos Freundschaft mit Krächzel zu lesen - auch wenn die für andere Gartenbewohner bzw. -besucher offenbar so ihre Tücken hat ... Es freut mich, dass die beiden sich immer noch so mögen.
AntwortenLöschenSchön, Maike! Mich freut vor allem, dass Krächzel noch lebt und noch keiner ihn abgeschossen hat. Man weiß ja nie ...
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