Mein misanthropischer Tag

Ich habe heute einen echten Hass auf Social Media. Denn selten habe ich derart viel Hass, Abscheu und Intoleranz - gepaart mit erschreckendem Unwissen - zum Thema Halloween erlebt. Als ob nicht Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Anschauungen einfach unterschiedlich leben und feiern könnten, womöglich sogar miteinander Feste teilen, miteinander an einem Tisch sitzen könnten (ich weiß, es gibt die auch, aber sie gehen im Abscheugeschrei leider immer allzu leise unter).

Postkarten, wie sie früher ganzjährig beliebt waren, nicht nur zu Halloween.
Was zu diesem Thema tw. "abgesondert" wurde, hat mit Halloween selbst längst nichts mehr zu tun, sondern zeigte einmal mehr Engstirnigkeit, religiöse Ausgrenzung und nationalistisch geprägten Hass, der sich mehr und mehr auch hinter dem Deckmäntelchen von Konsumkritik verbirgt. Und da geben sich beide Seiten nichts, beim fröhlichen Hinrichten Andersartiger gäben sich so mancher Halloweenfan, Neoheide, Lutherverehrer und was da noch so aufeinanderprallte, die Hand im Publikum.

Würde die Welt nur aus Social Media bestehen, dann wäre sie endgültig zerfallen in ein Gegeneinander, in die Anbetung des Ego: Ich bin richtig und wenn du nicht bist wie ich, bist du falsch. Und weil ich richtig bin, habe ich jedes Recht der Welt, dich niederzuschreien, niederzuknüppeln, am liebsten auszulöschen. Wir schützen nicht mehr nur unsere Gärten mit leblosen Steinverfüllungen und hohen Wänden.

Derweil ist ein wichtiges Buch erschienen: "Die Weisheit der Wölfe" von Elli H. Radinger - und ich habe den Verdacht, dass wir uns von einem solch empathischen Sozialverhalten weit entfernt haben. Von Mitgeschöpflichkeit sind immer mehr Menschen entfernt, denn sie achten nicht einmal die Mitglieder der eigenen Art.

Derart hassende Intoleranz, absolut a-sozial, steht dem Prinzip des Lebens und der Evolution entgegen. Vielleicht ist es Zeit, daran zu glauben, dass der todesverliebte Mensch sich schlicht endlich selbst abschaffen will. So viele Probleme auf diesem Planeten wären mit einem Schlag gelöst. Und wir haben die freie Auswahl, wie wir gerne abtreten würden, selbst schnelle Methoden sind wohlfeil zu haben, vom Atomtod bis zur Pest.

Ja, ich habe heute meinen misanthropischen Tag! Mir ist die Leichtigkeit in diesem Medium Facebook abhanden gekommen, die Empathie, das soziale Miteinander. Mir fehlen die wilde Lust auf menschliche Fantasie, auf Visionen, die Freude am Leben. Morgen kann das natürlich schon wieder anders aussehen. Heute glaube ich erst einmal, dass es vielleicht gar nicht so übel wäre, wenn Ratten und Viren die Weltherrschaft übernähmen.

Der Zustand hält nicht lange vor, keine Angst. Mir hilft er beim (leider oft schmerzlichen) Nachdenken. Und er macht trotzig. Vor nicht allzu langer Zeit glaubte ich, es gäbe gar keinen so großen Unterschied zwischen Facebook, Twitter und der "Kohlenstoffwelt". Denn es sind ja die Menschen, die beide Welten bevölkern. Ist das wirklich so? In meiner Kohlenstoffwelt war es absolut kein Thema, wer was feiert und mit wem. Da bringen eher Museen die Fantasie von Kindern und das menschliche Urbedürfnis nach Verkleidung zusammen. Es entsteht etwas Wunderbares: gelebte Kunst. Fantasie, Spieltrieb, Riesenspaß. So einfach könnte das alles sein.

Stattdessen lassen wir immer mehr von unserer Energie und Zeit von Facebook vergiften, denn es belohnt die niederen Instinkte und verstärkt böses Gebrüll, nicht konstruktive Stimmen. Facebook ist eben nicht die echte Welt, diese Unschuld hat die Plattform längst verloren, wenn sie denn je vorhanden war. Facebook wählt vorab aus, manipuliert uns, appelliert an unsere niedersten Instinkte, immer stärker zu emotionalisieren, zu polarisieren. Es wird zur Gegenmaschine des sozialen, empathischen Miteinanders. An Tagen wie diesen habe ich das Gefühl, ich müsste Desinfektionsmittel über meine Maus schütten. Und irgendwie möchte ich anders an der Welt "basteln", mich besser ausklinken können, ohne die halbe Welt blockieren zu müssen. Ich weiß nur noch nicht wie.

PS: Der letzte Satz ist natürlich ein wenig geschwindelt. Dieses Blog ist so ein positiver Ort. Aber Facebook unterdrückt selbst Links zum Blog, es wird für die bequemeren User dort unsichtbar. Und die machen das mit: Kommentiert wird fast nur noch auf FB, selten in den Blogs selbst. "Ich weiß noch nicht wie" beschreibt aber auch den Zustand von Gedanken in meinem Hinterkopf. Ich würde gern wieder Kurse im echten Leben anbieten. Noch ist offen, in welche Richtung ich gehen möchte, aber ich glaube, das kann ein Weg sein, damit sich Menschen verbinden können, denen Empathie und Mitmenschlichkeit noch nicht egal sind. Kommt Zeit, kommt Rat.

Mit den europäischen, in diesem Fall elsässischen Wurzeln von Halloween beginnt übrigens mein Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt." Leider habe ich damals den Namen der Nacht noch nicht gekannt: die Rommelbootzenaaht. Man lernt eben immer wieder dazu!

11 Kommentare:

  1. Damit nicht nur bei Facebook kommentiert wird, kommt jetzt hier ein Kommentar. Danke für den nachdenklich machenden Beitrag, der auch über das Thema Halloween hinaus zum Überlegen anregt, wie Social Media sich auf die Interaktionen mit anderen Menschen auswirken. Die Polarisierung und die damit einhergehende Emotionalisierung sind ein Aspekt, aber ich glaube, hinzu kommt, dass die Hemmschwelle für manche Äußerungen sinkt, wenn man sie "nur" in einen Computer tippt und nicht einem anderen Menschen direkt ins Gesicht sagen muss.

    Was nun Halloween selbst angeht, verstehe ich nicht recht, warum so große Aufregung darüber nötig ist. Es wird ja schließlich niemand gezwungen, mitzumachen, aber umgekehrt auch keiner daran gehindert, zu feiern, und alles in allem ist es in der gängigen Form doch ein harmloses Vergnügen. Auf manche Aspekte könnte ich ehrlich gesagt auch verzichten, wenn es nur auf meinen Geschmack ankäme (bluttriefende Zombiekostüme brauche ich nicht unbedingt ... Und abgeschlagene Köpfe eigentlich auch nicht ;)), aber es ist doch - egal ob nun mit Maske aus dem Kaufhaus oder mit handgeschnitzter Rübenlaterne - kein Fest, das irgendwelche bösen Auswirkungen auf die Welt hätte. Insofern wäre allseits mehr Gelassenheit schön.

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    1. Gelassenheit ist ein großes, wichtiges Wort, Maike! Danke dafür!
      Ich verstehe es auch nicht. Ich hatte schon Feste bei mir zuhause, wo sich die Leute verkleideten und manche nicht. Ich habe unterschiedliche Nationen am Tisch und wir reden in allen möglichen Sprachen durcheinander. Wir feiern an so einem Abend die Gemeinsamkeiten, nicht die Unterschiede, und sind froh, dass wir nicht alle gleich sind, denn wie langeilig wäre das denn!

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  2. Ich beachte Social Media ehrlich gesagt kaum noch und wenn dir FB schon rabiat vorkommt, dann schalte besser nie Twitter an. Es ist erstaunlich, wie viel negatives Gebrüll sich auf 128 Zeichen komprimieren lässt. Ich kriege das in erster Linie seit ein paar Monaten unter den Buchbloggern mit. Alle zicken sich gegenseitig an, wegen Mumpitz, und gleichzeitig propagieren dieselben Leute, die andere anfeinden, man solle sich um mehr friedliches Miteinander bemühen. Manche löschen ihre Blogs, weil ihnen plötzlich die Lust am Bloggen vergangen ist und alles zu anstrengend geworden ist - wegen der Anfeindungen auf Social Media Kanälen. Da bin ich echt dankbar für meine Fähigkeit Dinge zu ignorieren, weil ich Twitter, Facebook & Co. dann einfach wegklicke und die Streithähne streiten und lästern lasse. Es lohnt sich einfach nicht sich diese ganze Gedankengrütze zu geben. Im echten Leben wäre die Hälfte dieser tippfreudigen Hater nur halb so groß mit Hut und würde den Mund kaum aufkriegen, aber im Internet werden alle zu Moralaposteln und selbsternannten Vorbildern. Auf der anderen Seite sind die Menschen auch einfach nicht mehr kritikfähig und reagieren auf jede abweichende Meinung gereizt. Wahrscheinlich bräuchten viel mehr Menschen mal eine Social Media Auszeit, weil sie gar nicht merken wie stark sie ständig unter Strom stehen, durch diesen regen Austausch, der ja im Grunde 24h am Tag da ist.

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    1. Lustig, ich mag Twitter derzeit lieber. Allerdings nutze ich es sozusagen als Medienabo, weniger für Tratsch. Und ich logge mich grundsätzlich zwei Tage lang nicht mehr ein, wenn etwas Aktuelles passiert ist, das den "Volkszorn" geifern lässt.

      Was du mit den Blogs beschreibst, Sam, das kenne ich allerdings auch noch aus uralten Forenzeiten, von Interessensgemeinschaften und selbst Businessplattformen. Irgendwann implodierte das an Neid und Eifersucht oder unsichtbaren Seilschaften. Das passiert aber auch in Vereinen manchmal oder wenn man sich nur mit KollegInnen aus dem eigenen Beruf umgibt, oder?

      Ich halte es ja gern mit Groucho Marx: "Es würde mir nicht im Traum einfallen, einem Klub beizutreten, der bereit wäre, jemanden wie mich als Mitglied aufzunehmen." :-)

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  3. Ach, Petra, wie wahr. Ich hab schon vor langer Zeit meinen FB-Account geschlossen. Schlimmer als all die Kommentare dort war für mich, wie sehr ich mich durch FB verändert hatte. Je spektakulärer die Nachricht, umso mehr Likes. So wollte ich nicht werden.
    Jetzt bin ich noch bei Google+, aber das kann ich kontrollieren und auch mal die Kommentarfunktion ausschalten.
    Ich sehne mich nach den Zeiten zurück ohne FB & Co.
    Übrigens - Danke Petra!!! :-))

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    1. Liebe Elli, ich beneide dich. Ich brauche Social Media halt schon beruflich für mein Atelier - und ich habe dadurch auch wunderbare Kontakte auftun können. Zu Menschen, die mich inspirieren, zu Kundinnen, zu vielen, die mein Blog hier lesen und auch kommentieren. Die will ich nicht missen.
      Und als unlängst das Interviewangebot aus den USA kam, entstand das zwar durch mein Blog, aber die Kontakterei und das erste Kennenlernen vor den Mails kam via Facebook - und das Interview entstand über Google Docs. Bei Google+ bin ich ganz früh raus, weil da mein Klientel irgendwie nicht war.

      Was du schreibst über die eigene Veränderung, das macht mir auch am meisten zu schaffen. Aber es beginnt schon beim Schlagzeilentexten im Blog - mit Schlagzeilen, wie sie vor 20 Jahren üblich waren, lockt man heute keinen mehr hinterm Ofen vor.
      Wenn ich jetzt sage, das waren noch Zeiten, als man geheime Foren mit Passwortzugang hatte, klinge ich wahrscheinlich wie meine eigene Großmutter?

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  4. nun mußte ich doch lachen... Ratten und Viren? Die ganze Welt? Als im Moment recht virengeplagt Schnupfend-Hustende gerne, wenn sie dafür nur mein Körpersystem wieder freigeben...
    Ach Petra, ich bin froh, daß es im Netz noch Blogs gibt wie deinen ... aber trotzdem ist mir klar, daß ich mir nicht mehr die Hoffnung mache, FB und Twitter und all diese unsäglichen SchnellschnellSchreibmalwashinein-Plattformen seien nciht die ECHTE WELT. Sie sind leider eben doch echt... wenn auch die verborgene Welt einer große Masse von Leuten. Irgendwie Brecht pur: der Haifisch, der hat Zähne, ... doch man sieht nur die im Licht sind, die im dunkeln sieht man nicht... und FB&Co sind die Scheinwerfer. Entlarvend grell ausleuchtend. Aber man SIEHT. Unanfenehm genau in alle Richtungen. Sehenden Auges leb ich nicht unmolestiert, aber besser als verschwommen, illusioniert und blind...
    Und man kann sie ja ausknipsen, all die Hater und Moralisten aller Couleurs. Zumindest mal vorübergehend. Weil man ja auch nicht immer alles sehen MUSS, was es zu sehen gibt.

    Und man kann sich dann Kerzen anzünden. Kerzen sind gute Lichter, verschönen, nehmen die Falten aus den Gesichtern, geben warm, alles sieht heimeliger aus, sogar große Zähne blitzen nicht so. Blogs sind eher Kerzen. Dank dir für deine Blog-Kerze!

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    1. Hach, tut das gut! Ich leite deine Viren gern an die Ratten weiter, Karamelle! :-)

      Was ich unten im Kommentar mit der Behörde erzähle, zeigt, dass du Recht hast, die Haifische sind überall. Meine Berufe führen ja nun zwangsläufig dazu, dass ich das mit dem Wegschauen nicht so recht schaffe, auch wenn es besser täte. Aber ich muss mir das mit den Scheinwerfern und den kerzen öfter vor Augen halten!

      Heute habe ich bei irgendeinem Radiosender etwas völlig harmloses, sogar Launiges kommentiert. Prompt hatte ih drei Hater an der Backe, die Geifer spuckten (ich frag mich bis jetzt, warum). Plopp, auf Blockieren geklickt. Kann ich nur lachen. Das Problem ist einfach diese Mitteilungsmaschinerie bei FB, die mir jeden einzelnen Kommentar zum Fraß vorwirft. Und ich vergesse, das zu deaktivieren, weil ja auch mal was Gutes kommen könnte.

      Ich werde mir die Kerzen jedenfalls erst mal noch so merken, dass ich im Ernstfall wenigstens einen Mailkontakt habe.

      Gute Besserung wünsch ich dir!

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  5. Liebe Petra, eine Erklärung, weshalb Dein Blog auf FB kaum noch angezeigt wird, findest Du in diesem Kommentar von Sascha Lobo auf Spiegel Online: FB will Geld sehen.
    Zu welcher Gefahr die beiden Konzerne FB und Google mittlerweile geworden sind, liest Du dort ebenfalls.
    Danke für Deinen schönen Blog!
    http://www.spiegel.de/netzwelt/web/us-wahl-2016-wie-soziale-medien-werbung-zu-propaganda-machten-a-1175906.html

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    1. Danke für den Link, Teresa, ich hatte das bei Sascha schon direkt gelesen. Klar, aber ich sehe nicht ein, auch noch Geld zu zahlen, ich zahle schon mit Daten!
      Das schöne Blog gibt es übrigens dank Google. ;-)

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  6. Ich danke den Anwesenden ganz herzlich, hier statt bei FB zu kommentieren - so bleiben die Kommentare für alle lesbar und man muss sich nicht hetzen, sie zu beantworten. Übrigens kann man rechts im Menu auch entweder Kommentare abonnieren als Feed oder unter "frisch kommentiert" nach aktuellen schauen.

    Ein Erlebnis eben möchte ich hier noch erzählen, das mir zeigt, dass das Verhalten der Menschen längst die Grenzen von FB gesprengt hat.
    Mir ist seit längerem aufgefallen, dass in französischen behörden immer stärkere Sicherheits-Features zu überwinden sind, wenn man auch nur in die Nähe von Mitarbeitern kommen möchte. Bisher habe ich das der Terrorangst zugeschrieben. Aber gerade telefonierte ich mit einer Behörde und bekam nicht etwa den üblichen Callcenter-Text vorgespielt, sondern eine Warnung. Würde ich mit Worten gewalttätig oder hasserfüllt gegen Mitarbeiter agieren, würde man sofort Strafanzeige stellen. Man erinnere daran, dass die Grundlage eines Gesprächs Höflichkeit sei.Erst danach dann der übliche Text.

    Mich hat das schockiert, weil es doch zeigt, zu was für einem Grad die Mitarbeiter bedroht werden müssen! Nun lädt leider weder die Website noch das Handling bei der Hilfe dazu ein, zu niedrigen Blutdruck zu behalten. Aber ich weiß doch, dass am anderen Ende Menschen sind, die dafür nichts können! Offenbar verrohen die menschen tatsächlich.

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