Vollidioten
Ich werde oft gefragt, ob mir das Bücherschreiben nicht fehlt. Wahrscheinlich würde es das, wenn ich heitere Romane geschrieben hätte oder vielleicht Gourmetkrimis. Aber mein Thema waren die Abgründe, die Brüche - die Frage, warum der Mensch so tickt, wie er tickt. Selbst wenn ich eine Kulturgeschichte verfasst habe oder das Portrait einer historischen Person, lief für mich die Aktualität dieser Welt im Kopf immer mit.
Neuerdings kommen die Tage, über die vielleicht irgendjemand einmal schreiben wird: Es gab da eine Beinahe-Katastrophe. Die Welt, die lange friedlich und hoffnunggebend schien, sah offenen Auges eine Kriegsgefahr am Horizont. Zwei durchgeknallte Horrorclowns spielten die Sandkastenspiele, die Selbstverliebte ohne Liebesfähigkeit so spielen.
Es gab damals einen Außenminister, der seinen Verstand noch beisammen hatte und der das Unmögliche versuchte, auch wenn es sicher nicht frei war vom Eigennutz seines Staates: Er reichte verbal eine Hand. Er nutzte schwierige, gerade noch offene Kanäle. Es gab wieder ein kleines bißchen mehr Hoffnung. Auch wenn jeder wusste: Das würde ein Kraftakt der Diplomatie werden.
Plötzlich, so plötzlich wie ein Schachtelteufel, sprang das kreischende, hassende Trotzkind herbei, dass sich seinen Ball nicht wegnehmen lassen wollte, nicht einmal von einem Mitglied der eigenen Regierung. Obwohl das Trotzkind doch gar nicht fähig war, Ball zu spielen. Mit einem einzigen Tweet seiner hässlichen kleinen Hände brachte es die Welt wieder an den Abgrund zurück. Weil es diese fiesen kleinen Hände am Smartphone einfach nicht stillhalten kann. Haudruff, am besten auch noch auf die eigenen Leute. Wehe, die erdreisten sich. Dieses Es.
Und dann sitze ich da und denke, darüber müsste man doch eigentlich schreiben können, über diesen Irrsinn und wie die ganze Welt gelähmt zuschaut und weiß und hinschaut und sich all dessen bewusst ist und keiner macht etwas dagegen. Ich könnte ein Buch schreiben in einer Zeit, in der man die Welt schon mit 140 Zeichen kaputttwittern kann?
Vielleicht sitze ich zufällig in dieser Ruine, in der ich vor vielen Jahren dieses Foto geschossen habe: "Des cons sur terre" - "Vollidioten auf der Erde". Das war mal die erste Ölraffinerie der Welt - heute erobert sie sich der Wald zurück. Wie eine verlassene Kathedrale aus einer fernen Zeit steht sie da, verwachsen mit den Bäumen. Einen Science Fiction müsste man schreiben, dachte ich damals beim Fotografieren, über eine völlig verblödete Spezies, die auf der Erde landet - und plötzlich entdeckt ein kleines Kind, dass die Erbewohner längst "übernommen" worden waren.
Aber da sind keine Außerirdischen. Es sind Erdlinge. Wie im Märchen "Des Kaisers neue Kleider" gibt es hier und da einen Menschen, der den Kaiser in Realität sieht, nackt. Und alle schauen hin und zu und keiner sagt etwas und keiner macht etwas.
Ich laufe dann still durch jenen Wald und denke, dass all die wichtigen Bücher bereits geschrieben sind: Das Märchen, das keiner richtig liest; die Science-Fiction-Romane, die uns die Augen öffnen könnten; die Kulturgeschichten und selbst die Geschichte um jenen Zerfall dieser Pseudokathedrale, das Vergehen des ersten großen Ölrauschs, Geldrauschs. Geblieben sind Backsteine, leere Fensteröffnungen, rostendes Metall und Spuren von Menschen, die längst nicht mehr sind. Sie haben hier drinnen geschwitzt, geschuftet und gelitten - reich wurden andere. Wie war ihr Leben? Sitzt noch ein bißchen etwas von ihren Träumen in den Spinnweben?
Ich streichle eine Efeuwurzel, die eine Mauer zerlegt, rieche den Duft der Blätter, welche die Fenster ausfüllen, und lache mit den winzigen Unkräutern, die den Beton des 19. Jahrhunderts erobern. Was soll ich Bücher schreiben in einer Zeit der Vollidioten? Wer soll sie lesen? Wo man doch mit 140 Zeichen schon alles in Stücke hauen kann, was andere mühselig aufbauten?
An solchen Tagen kehre ich heim und streichle Buchseiten, die einmal Teile eines Waldes waren, reiße sie, rolle sie, forme von neuem Baumblätter daraus und färbe und forme. Nein, an solchen Tagen fehlt mir das Bücherschreiben nicht. An solchen Tagen möchte ich mich vom Wald überwuchern lassen und von der Schönheit, möchte im Duft der Erde versinken und sonnenwarme Felsen streicheln.
Sie werden mehr, diese Tage der Vollidioten und ich habe leider keine Antworten und keine Geschichten mehr in mir, die in Worte zu fassen wären. Vielleicht wird das einmal wieder anders werden. Aber im Moment ist es gut so, wie es ist, das mit dem Schreiben. Nur das mit der Welt, das ist ganz und gar nicht gut, das ist sehr übel, nicht nur, weil es mir das Schreiben nimmt.
Meine Arbeit an diesem Blog wird durch Spenden finanziert - schon ein kleiner Kaffee kann mir den Tag versüßen! An dieser Stelle all denen herzlichen Dank, die die Funktion rechts im Menu schon genutzt haben - natürlich wird nicht alles in Kaffee umgesetzt, sondern auch in Hundeknabberzeug.
Neuerdings kommen die Tage, über die vielleicht irgendjemand einmal schreiben wird: Es gab da eine Beinahe-Katastrophe. Die Welt, die lange friedlich und hoffnunggebend schien, sah offenen Auges eine Kriegsgefahr am Horizont. Zwei durchgeknallte Horrorclowns spielten die Sandkastenspiele, die Selbstverliebte ohne Liebesfähigkeit so spielen.
Es gab damals einen Außenminister, der seinen Verstand noch beisammen hatte und der das Unmögliche versuchte, auch wenn es sicher nicht frei war vom Eigennutz seines Staates: Er reichte verbal eine Hand. Er nutzte schwierige, gerade noch offene Kanäle. Es gab wieder ein kleines bißchen mehr Hoffnung. Auch wenn jeder wusste: Das würde ein Kraftakt der Diplomatie werden.
Plötzlich, so plötzlich wie ein Schachtelteufel, sprang das kreischende, hassende Trotzkind herbei, dass sich seinen Ball nicht wegnehmen lassen wollte, nicht einmal von einem Mitglied der eigenen Regierung. Obwohl das Trotzkind doch gar nicht fähig war, Ball zu spielen. Mit einem einzigen Tweet seiner hässlichen kleinen Hände brachte es die Welt wieder an den Abgrund zurück. Weil es diese fiesen kleinen Hände am Smartphone einfach nicht stillhalten kann. Haudruff, am besten auch noch auf die eigenen Leute. Wehe, die erdreisten sich. Dieses Es.
Und dann sitze ich da und denke, darüber müsste man doch eigentlich schreiben können, über diesen Irrsinn und wie die ganze Welt gelähmt zuschaut und weiß und hinschaut und sich all dessen bewusst ist und keiner macht etwas dagegen. Ich könnte ein Buch schreiben in einer Zeit, in der man die Welt schon mit 140 Zeichen kaputttwittern kann?
Vielleicht sitze ich zufällig in dieser Ruine, in der ich vor vielen Jahren dieses Foto geschossen habe: "Des cons sur terre" - "Vollidioten auf der Erde". Das war mal die erste Ölraffinerie der Welt - heute erobert sie sich der Wald zurück. Wie eine verlassene Kathedrale aus einer fernen Zeit steht sie da, verwachsen mit den Bäumen. Einen Science Fiction müsste man schreiben, dachte ich damals beim Fotografieren, über eine völlig verblödete Spezies, die auf der Erde landet - und plötzlich entdeckt ein kleines Kind, dass die Erbewohner längst "übernommen" worden waren.
Aber da sind keine Außerirdischen. Es sind Erdlinge. Wie im Märchen "Des Kaisers neue Kleider" gibt es hier und da einen Menschen, der den Kaiser in Realität sieht, nackt. Und alle schauen hin und zu und keiner sagt etwas und keiner macht etwas.
Ich laufe dann still durch jenen Wald und denke, dass all die wichtigen Bücher bereits geschrieben sind: Das Märchen, das keiner richtig liest; die Science-Fiction-Romane, die uns die Augen öffnen könnten; die Kulturgeschichten und selbst die Geschichte um jenen Zerfall dieser Pseudokathedrale, das Vergehen des ersten großen Ölrauschs, Geldrauschs. Geblieben sind Backsteine, leere Fensteröffnungen, rostendes Metall und Spuren von Menschen, die längst nicht mehr sind. Sie haben hier drinnen geschwitzt, geschuftet und gelitten - reich wurden andere. Wie war ihr Leben? Sitzt noch ein bißchen etwas von ihren Träumen in den Spinnweben?
Ich streichle eine Efeuwurzel, die eine Mauer zerlegt, rieche den Duft der Blätter, welche die Fenster ausfüllen, und lache mit den winzigen Unkräutern, die den Beton des 19. Jahrhunderts erobern. Was soll ich Bücher schreiben in einer Zeit der Vollidioten? Wer soll sie lesen? Wo man doch mit 140 Zeichen schon alles in Stücke hauen kann, was andere mühselig aufbauten?
An solchen Tagen kehre ich heim und streichle Buchseiten, die einmal Teile eines Waldes waren, reiße sie, rolle sie, forme von neuem Baumblätter daraus und färbe und forme. Nein, an solchen Tagen fehlt mir das Bücherschreiben nicht. An solchen Tagen möchte ich mich vom Wald überwuchern lassen und von der Schönheit, möchte im Duft der Erde versinken und sonnenwarme Felsen streicheln.
Sie werden mehr, diese Tage der Vollidioten und ich habe leider keine Antworten und keine Geschichten mehr in mir, die in Worte zu fassen wären. Vielleicht wird das einmal wieder anders werden. Aber im Moment ist es gut so, wie es ist, das mit dem Schreiben. Nur das mit der Welt, das ist ganz und gar nicht gut, das ist sehr übel, nicht nur, weil es mir das Schreiben nimmt.
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