Harald, die Welt braucht dich!
Gestern kürte das Oxford Dictionary das Wort "post-truth", im Deutschen "postfaktisch", zum leider bestens treffenden Wort des Jahres 2016. Tatsächlich fühlt es sich an, als lebten wir in einem quietschebunten Illusionkarussell, das sich immer schneller dreht - und in dem diejenigen am mächtigsten werden, die am dreistesten lügen. Emotionen statt Fakten, schrill, aufgeblasen, wohlfeil. Wenn da nicht Harald wäre!
Von Harald höre ich zum ersten Mal vor zwei Nächten bei einem Empfang. Es muss eine große Sache sein, mit erlesenen Gästen. Denn als ich an mir herunterschaue, sehe ich ein extrem teures, todschickes Abendkleid an mir, einen Traum in smaragdgrüner Seide. Etwas jünger als sonst und sehr geländegängig in Highheels, stöckele ich in einen leeren Salon, um mich etwas auszuruhen. Das Ambiente wirkt, als würden hier sonst nur Menschen in teurer Abendgarderobe flanieren. Als ich in einem Sessel versinke, höre ich plötzlich cholerisches Geschrei. (Ich werde die Dialoge der Einfachheit halber aus dem Amerikanischen übersetzen.)
"Haraaaaald! Wo zum Teufel *Reihe von Kraftausdrücken* steckt dieser Mann, wenn man ihn dringend braucht! Harald muss mir zeigen, wie das mit diesem *Kraftausdrücke* Computer funktioniert, Haraaaald, sofort zu mir!" Die Stimme gehört einem massiv wirkenden Mann, dessen orangefarbenes Toupet nach vorn verrutscht ist. Ich versuche, noch tiefer in den Sessel zu sinken, denn der Mann wirkt wie eine Dampflok, die nicht genug Dampf ablassen kann. Er stampft seinen herbeieilenden Sekretär mit Worten regelrecht in den Boden. Das Männchen, das dabei immer winziger wird, katzbuckelt und verspricht, den elenden *Kraftausdrücke* Harald herbeizuschaffen.
Das orangefarbene Toupet brüllt ihm nach: "Jetzt, wo ich das wichtigste Frisurenmodel der Welt bin, kann mich dieser *jajaja* Harald doch nicht einfach im Stich lassen! Ich kann doch *nicht schon wieder Kraftausdrücke* nicht alles können, was die von mir verlangen!!! Ich brauch ihn!!!!! Er muss mir unverzüglich das Ding mit dem Computer erklären!"
Ich nutze eine Pause, während der er sich zum offenen Kamin umdreht, um aus dem Zimmer zu flüchten. Den Flur entlang in den Festsaal, wo der Champagner in Strömen fließt. Ich erkenne Michelle Obama, die mein Kleid in Blau trägt, und andere Leute, die mir irgendwie bekannt vorkommen.
Michelle flüstert Dr. Who zu: "Wenn er jetzt schon nicht ohne Harald kann, wie wird das erst nächstes Jahr?" Leider kann ich die Antwort nicht hören, weil ein dicker Mensch wie ein Elefant trötet: "Findet den Mann endlich, unsere Zukunft hängt an ihm!"
Jetzt bin ich doch neugierig: "Wer ist eigentlich dieser Harald?", frage ich eine große Dürre, die neben mir am Buffett nach dem Kaviar angelt. Der fällt ihr vor Schreck auf die Tischdecke.
"Sie wissen das nicht?! Aber Kindchen, wo um Himmels Willen leben Sie denn? Im Tal der Ahnungslosen? Harald ist dieser Kerl, der nie da ist, wenn man ihn mal wirklich braucht. Ohne ihn wird das Toupet die Codes für die Atomwaffen ausdrucken und vielleicht auch noch das Internet. Nicht auszudenken, was da passieren kann! Harald weiß einfach, wie's geht. So einen brauchen wir jetzt."
Daraufhin schaufle ich die doppelte Portion Kaviar auf meinen Teller und suche nach dem verschollenen Unikum. Woran würde ich ihn erkennen? Einer, der jetzt durch sein Wissen und Können die Welt retten könnte, würde bei einem solchen Empfang doch sicherlich nicht im schäbigen Batman-Kostüm auftauchen? Als hätte sie meine Gedanken gehört, kichert eine kleine alte Dame und flüstert hinter vorgehaltener Hand: "Ich glaube, dieser Harald ist klein, dürr und unscheinbar. Wahrscheinlich trägt er sogar eine Brille. Einer, den die Leute lieben, muss nicht mächtig wirken."
Ob sie zu viel Harry Potter gelesen hat? Ich wundere mich, dass Dr. Who immer noch Smalltalk macht, obwohl man das Gebrüll des Toupets mittlerweile trotz der lauten "Ode an die Freude" hört. Bitte, bitte, bitte, steckt diesen Mann in eine blaue Polizei-Telefonzelle, bevor es zu spät ist, und schickt ihn ans Ende aller Zeiten, in die Leere hinter allen Parallelwelten! Doch Dr. Who zwinkert mir nur ironisch zu und flüstert: "Suchen Sie Harald."
Es kommt, wie es kommen muss. Das mittlerweile völlig wirr zerzauste Toupet mischt die Party auf. Alle hatten gedacht, es würde schon nicht so schlimm, wenn er im Salon stecke. Es wird schlimm. Am Ende eines Tobsuchtsanfalls, bei dem das halbe Buffet und die vordere Reihe des Orchesters dran glauben muss, sitzt der Mann puterrot auf dem polierten Parkett und trommelt mit den Fäusten auf den Boden. "Ich will wissen, wie das mit dem Computer geht. Jetzt! Sofort!" Jemand ruft nach dem Notarzt, aber wir alle ahnen, dass es eine Spritze nicht richten wird. Wir brauchen Harald. Jetzt. Harald muss die Welt retten, wenn wir schon keine Zeit haben. Als mir mein Hund die Pfote auf die Brust setzt, um mich zu wecken, bin ich mir sicher: Harald wäre keiner von denen, die seelenruhig weiter Kaviar schaufeln oder Smalltalk machen. Der wüsste was zu tun ist, der würde ohne Umschweife handeln. Blöd nur, dass er nie da ist, wenn man ihn mal braucht. Aber er ist der einzige, der den verdammten Computer umprogrammieren kann. Schafft um Himmels Willen diesen Harald herbei!
PS: Dies ist keine Fiktion. Man darf das jetzt postfaktische Fakten nennen.
Die Spenden fließen in die Kaffeekasse von Harald, äh, pardon, Haraaaaald, gudsigudsigudsi ... kooooomm!
Von Harald höre ich zum ersten Mal vor zwei Nächten bei einem Empfang. Es muss eine große Sache sein, mit erlesenen Gästen. Denn als ich an mir herunterschaue, sehe ich ein extrem teures, todschickes Abendkleid an mir, einen Traum in smaragdgrüner Seide. Etwas jünger als sonst und sehr geländegängig in Highheels, stöckele ich in einen leeren Salon, um mich etwas auszuruhen. Das Ambiente wirkt, als würden hier sonst nur Menschen in teurer Abendgarderobe flanieren. Als ich in einem Sessel versinke, höre ich plötzlich cholerisches Geschrei. (Ich werde die Dialoge der Einfachheit halber aus dem Amerikanischen übersetzen.)
"Haraaaaald! Wo zum Teufel *Reihe von Kraftausdrücken* steckt dieser Mann, wenn man ihn dringend braucht! Harald muss mir zeigen, wie das mit diesem *Kraftausdrücke* Computer funktioniert, Haraaaald, sofort zu mir!" Die Stimme gehört einem massiv wirkenden Mann, dessen orangefarbenes Toupet nach vorn verrutscht ist. Ich versuche, noch tiefer in den Sessel zu sinken, denn der Mann wirkt wie eine Dampflok, die nicht genug Dampf ablassen kann. Er stampft seinen herbeieilenden Sekretär mit Worten regelrecht in den Boden. Das Männchen, das dabei immer winziger wird, katzbuckelt und verspricht, den elenden *Kraftausdrücke* Harald herbeizuschaffen.
Das orangefarbene Toupet brüllt ihm nach: "Jetzt, wo ich das wichtigste Frisurenmodel der Welt bin, kann mich dieser *jajaja* Harald doch nicht einfach im Stich lassen! Ich kann doch *nicht schon wieder Kraftausdrücke* nicht alles können, was die von mir verlangen!!! Ich brauch ihn!!!!! Er muss mir unverzüglich das Ding mit dem Computer erklären!"
Ich nutze eine Pause, während der er sich zum offenen Kamin umdreht, um aus dem Zimmer zu flüchten. Den Flur entlang in den Festsaal, wo der Champagner in Strömen fließt. Ich erkenne Michelle Obama, die mein Kleid in Blau trägt, und andere Leute, die mir irgendwie bekannt vorkommen.
Michelle flüstert Dr. Who zu: "Wenn er jetzt schon nicht ohne Harald kann, wie wird das erst nächstes Jahr?" Leider kann ich die Antwort nicht hören, weil ein dicker Mensch wie ein Elefant trötet: "Findet den Mann endlich, unsere Zukunft hängt an ihm!"
Jetzt bin ich doch neugierig: "Wer ist eigentlich dieser Harald?", frage ich eine große Dürre, die neben mir am Buffett nach dem Kaviar angelt. Der fällt ihr vor Schreck auf die Tischdecke.
"Sie wissen das nicht?! Aber Kindchen, wo um Himmels Willen leben Sie denn? Im Tal der Ahnungslosen? Harald ist dieser Kerl, der nie da ist, wenn man ihn mal wirklich braucht. Ohne ihn wird das Toupet die Codes für die Atomwaffen ausdrucken und vielleicht auch noch das Internet. Nicht auszudenken, was da passieren kann! Harald weiß einfach, wie's geht. So einen brauchen wir jetzt."
Daraufhin schaufle ich die doppelte Portion Kaviar auf meinen Teller und suche nach dem verschollenen Unikum. Woran würde ich ihn erkennen? Einer, der jetzt durch sein Wissen und Können die Welt retten könnte, würde bei einem solchen Empfang doch sicherlich nicht im schäbigen Batman-Kostüm auftauchen? Als hätte sie meine Gedanken gehört, kichert eine kleine alte Dame und flüstert hinter vorgehaltener Hand: "Ich glaube, dieser Harald ist klein, dürr und unscheinbar. Wahrscheinlich trägt er sogar eine Brille. Einer, den die Leute lieben, muss nicht mächtig wirken."
Ob sie zu viel Harry Potter gelesen hat? Ich wundere mich, dass Dr. Who immer noch Smalltalk macht, obwohl man das Gebrüll des Toupets mittlerweile trotz der lauten "Ode an die Freude" hört. Bitte, bitte, bitte, steckt diesen Mann in eine blaue Polizei-Telefonzelle, bevor es zu spät ist, und schickt ihn ans Ende aller Zeiten, in die Leere hinter allen Parallelwelten! Doch Dr. Who zwinkert mir nur ironisch zu und flüstert: "Suchen Sie Harald."
Es kommt, wie es kommen muss. Das mittlerweile völlig wirr zerzauste Toupet mischt die Party auf. Alle hatten gedacht, es würde schon nicht so schlimm, wenn er im Salon stecke. Es wird schlimm. Am Ende eines Tobsuchtsanfalls, bei dem das halbe Buffet und die vordere Reihe des Orchesters dran glauben muss, sitzt der Mann puterrot auf dem polierten Parkett und trommelt mit den Fäusten auf den Boden. "Ich will wissen, wie das mit dem Computer geht. Jetzt! Sofort!" Jemand ruft nach dem Notarzt, aber wir alle ahnen, dass es eine Spritze nicht richten wird. Wir brauchen Harald. Jetzt. Harald muss die Welt retten, wenn wir schon keine Zeit haben. Als mir mein Hund die Pfote auf die Brust setzt, um mich zu wecken, bin ich mir sicher: Harald wäre keiner von denen, die seelenruhig weiter Kaviar schaufeln oder Smalltalk machen. Der wüsste was zu tun ist, der würde ohne Umschweife handeln. Blöd nur, dass er nie da ist, wenn man ihn mal braucht. Aber er ist der einzige, der den verdammten Computer umprogrammieren kann. Schafft um Himmels Willen diesen Harald herbei!
PS: Dies ist keine Fiktion. Man darf das jetzt postfaktische Fakten nennen.
Die Spenden fließen in die Kaffeekasse von Harald, äh, pardon, Haraaaaald, gudsigudsigudsi ... kooooomm!
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