Eine Lehre in Geduld
Eigentlich bin ich das Gegenteil. Ich werde ungeduldig, wenn ich eine Vokabel beim dritten Mal nicht weiß. Und unleidlich, wenn sich ein Plotproblem nur mit größeren Umschreibprozessen lösen lässt. Ich kann es an vielen Tagen nicht leiden, beim Bäcker anstehen zu müssen, bis alle ihr Schwätzchen gehalten haben, und bestelle immer öfter Dinge im Internet nur deshalb, weil ich es satt habe, Dutzende von Kilometern dafür zu fahren, um sie dann doch nicht zu finden. Wenn mich an solchen Tagen eine Behördenangestellte ungerecht auflaufen lässt, könnte ich wie das HB-Männchen explodieren und wie Louis de Funès in seinen Filmen schimpfen. Und in diesem Zusammenhang das Wichtigste: Handarbeiten waren mir als Kind ein Grauen. Weil ich es zwar spannend fand, mir Dinge und Muster auszudenken, die Ausführung aber immer zu lang dauerte.
Ausgerechnet ich suche mir nun für mein drittes (viertes?) Standbein, die Schmuckproduktion, ein Sujet aus, für das man nicht nur ruhige Hände, sondern auch viel Geduld braucht. Viel zu viel Geduld. Kunst eben ...
Ich habe anfangs die Sache mit dem Schmuckverkauf echt unterschätzt. Ein Blick in andere Dawanda-Shops und die Bastelszene hat mich schnell belehrt, dass hier noch schlimmer "geklaut" wird als bei den schreibenden UrheberInnen. Wieso kaufen, wenn man abgucken und nachmachen kann? Wieso selbst machen, wenn es die Grundware zu Spottpreisen aus Afrika, Indien oder China gibt? Damit lässt sich preislich in Europa absolut nicht konkurrieren. Der Rat einer Freundin war also wertvoll: "Du musst etwas unverwechselbares, absolut Individuelles schaffen. Einzelstücke, deren Teile man nicht zusammenramschen kann."
Ich dagegen betrachte das Perlenmachen inzwischen wie eine Aufzucht von Küken. Man muss die Stücke ganz schön betüddeln und ziemlich lange aufziehen! Die Auswahl des Papiers und der richtige Schnitt sind schnell gemacht, man bekommt ein Auge dafür und sammelt entsprechend. Wie gut, dass ich bei einem Straßenflohmarkt die kaputten Bücher aus dem 19. Jahrhundert mitgenommen habe, die keiner wollte, weil die Buchdeckel fehlten und die Blätter stockfleckig waren und auseinanderfielen! Nach dem Schneiden wird gedreht, immer straff und regelmäßig. Am Anfang habe ich mir blutige Daumen geholt, weil ich nicht daran gedacht habe, wie scharf Papier schneiden kann.
Für die Romantikerinnen à la Lavendelblues. Es fasziniert mich, Klischees aus Comics mit "Süßem" aus einem uralten Gebetsbuch zu kombinieren. Das sind die Rohlinge, die versiegelt und lackiert werden müssen. Und zwischen den Arbeitsgängen fein geschliffen. Das Herz wird zum Anhänger, der Frosch zur Brosche. |
Das reizt mich. Ich habe schon alte Bilderrahmen von Hand vergoldet - aus jener Zeit stammt die Kurzgeschichte um eine Ikonenfälscherin in meinem Buch "Blaue Fluchten". Ich wusste, was meine Fälscherin anzurühren hatte! Echtes Gold und Papier, Luxus und Recycling .. das wäre etwas. Noch taste ich mich mit Metallpulvern vor, um zu üben.
Eine moderne, klare Linie. Edle Materialien: Hämatit, böhmische Lüsterperlen und Perlen aus Künstlerpapier. |
Gleichzeitig mache ich mich mit der Gesetzeslage vertraut: Über die Vorraussetzungen, künstlerisch Einzelstücke zu schöpfen. Wie eine AGB auszusehen hat. Wie man Produkttexte ansprechend, aber exakt genug schreibt - am liebsten in mindestens zwei Sprachen. Den Shop bei Dawanda in dieser Hinsicht wasserdicht zu installieren und ansprechend zu gestalten, wird auch seine Zeit brauchen. Dann aber ist es so weit - man wird das kaufen können, was aus dem hier gezeigten und noch vielem anderen entsteht. Irgendwie findet alles wie von selbst in die Linien, die mich persönlich schon immer faszinierten: Es wird Schmuck geben, der von alten Fundstücken aus der Steinzeit und bis zur Völkerwanderung inspiriert ist. Eine eher romantische Linie zum Thema Rosen wie im "Lavendelblues". Eine grafisch klare Linie, modern. Und da schlummert noch eine Regenbogenidee ...
Ach ja: Ich schreibe natürlich noch. Eigenartigerweise mit sehr viel mehr Geduld als zuvor.
Ich mag die von dir gezeigten Papierperlen unheimlich gerne und finde es spannend immer wieder zu sehen, an welcher Stelle du gerade (zumindest nach deinen Blogbeiträgen) du damit stehst.
AntwortenLöschenIch finde ja, dass relativ mechanische Handarbeit (bei mir ist es eher das Stricken von simplen Socken oder das Backen) und Kreativität sehr gut ineinandergreifen. Mich macht das immer ruhiger, lässt die Gedanken freier schweifen und bringt gerade deshalb die dringend benötigte Ordnung für manche Projekte.
Danke für das Kompliment, liebe Winterkatze, du ermutigst mich!
LöschenDu beschreibst den Effekt gut (könnte ich nur Socken stricken, eine unbekannte Wissenschaft für mich). Es hat sogar fast einen therapeutischen Effekt, weil es mich herrlich vom täglichen Mediengedöns runterkommen lässt. Einfach mal an "Nichts" denken und dabei noch etwas Schönes erschaffen ...
Das klingt nach einem großen, geduldigen Lernprozess, Petra. Finde mich da auch durchaus wieder, schon das Stricken von Bügelüberzügen in der Schule hat mich wahnsinnig gemacht. Und es sind sehr schöne Stücke, die da so geduldig entstehen ...:-)
AntwortenLöschenHerzlichst
Christa
So geduldig ist der Lernprozess gar nicht, liebe Christa!
LöschenIch habe mir zwei Tage lang intensiv jedes nur erreichbare Tutorial bei youtube reingezogen und dabei gleich losgelegt. Mutig für den Mülleimer geschafft, denn nur durch die rasanten Fehler lernt man viel. Was ich hier zeige, hat den Mülleimer überlebt ;-)
Ich würde allerdings nie etwas gestalten, das mir keinen Spaß macht oder nicht aus meinem Innersten kommt. Deshalb habe ich Handarbeiten in der Schule inständig gehasst.
Bei meinem Schmuck habe ich Ideen im Kopf und überlege von dort aus, mit welchen Materialien ich die verwirklichen könnte oder wie man das und das Steinzeitstück auf "modern" adaptieren könnte.
Herzlichst,
Petra