Ein Buch ist doch keine Leistung!
"Ja wie jetzt - du willst seit 1998 nur ein paar Bücher geschrieben und sonst nix gearbeitet haben?"
"Ich habe gearbeitet wie ein Brunnenputzer. Und "nebenbei" auch noch jede Menge Texte rausgehauen und sogar Bücher und ein Theaterstück übersetzt. Und eins geschrieben."
"Und davon kann man leben?"
"Nicht immer. Viele dieser Arbeiten werden jämmerlich bezahlt. Es gibt berühmte literarische Übersetzer, die in Armut starben."
"Was für Arschlöcher. Hättense mal für die Industrie übersetzt. Biste doch selber schuld, was machste so einen Dreck!"
"Dreck?"
"Naja, Jobs, die schlecht bezahlt werden. Jetzt haste Bücher im Regal und bist eigentlich nichts Richtiges geworden. In deinem Alter hätteste mindestens einen Job in leitender Position erreichen müssen. Was für die Gesellschaft tun, was Produktives. Guck mich an, ich habe auch einen richtigen Beruf und hocke nicht nur herum."
"Ich schreibe und übersetze Bücher."
"Wer braucht sowas?! Willste dich nicht mal nützlich machen?"
"Kaufst du denn keine Bücher?"
"Ist mir zu teuer."
Bei Leuten wie diesen ist es verlorene Liebesmüh. Aber ich möchte gern jedem den Text "Was ist Schreiben" von Nina George einhämmern. Weil er wie kaum ein anderer wunderbar auf den Punkt bringt, was unsereins den ganzen Tag tut, wenn wir nur "herumhocken" - und welch hohen Preis wir oft für unsere Arbeit zahlen, den man gar nicht in Geld berechnen kann. Dieser herrliche Text erklärt außerdem das Wesen von Kunst und Künstlern - und warum die anders ticken als Leute, die für die Industrie arbeiten - warum sie anders ticken müssen. Aber nun ja, wer braucht schon so einen Dreck wie Kunst?
Ui, da wäre ich mehr als nur stinkig geworden!
AntwortenLöschenIch frage dann diese Leute jeweils, ob sie ein Paar dieser überteuerten Stoffturnschuhe zu Hause haben (ja, diese für 100 und mehr Franken mit einem Warenwert von 5 bis 10 Franken) und ob sie sich dabei nicht total bescheuert vorkämen. (Es funktioniert auch mit Energy Drinks, Apfel Computern und anderen masslos überteuerten Dingern mit Gewinnmargen, bei denen das Herz ins Flippern gerät).
Nur Bücher, die dürfen nichts kosten. Und verdienen daran sollten wir auch nicht. Wäre ja schon fast unanständig, für so etwas lachhaft Einfaches noch Geld zu bekommen.
Und ja, manchmal schweigt man besser auch. Weil die drei Hirnzellen des Gegenübers nicht einmal miteinander verlinkt sind. Oder das Gesetz der freien Marktwirtschaft so tief verinnerlicht ist, dass man besser Blumen pflanzen geht als sich auf eine Diskussion einzulassen.
Ich versuche mir bei solchen Gesprächen dann bewusst zu machen, dass man den Dialog genauso gut umdrehen könnte in:
AntwortenLöschen"Wie? Du arbeitest für die Industrie? Nichts eigenes, nichts kreatives? Immer nur zuarbeiten und keine Freiheiten haben? Wie kann man ein so unerfülltes Leben führen?"
Ihr seid herrlich! Vor allem Letzteres muss ich mir merken. Ich bin in solchen Situationen leider oft einfach zu verdattert, um richtig reagieren zu können.
AntwortenLöschenSchlimm ist ja nicht nur dieses "kein Geld für Bücher", sondern die gesamte Entwertung von künstlerischem oder kulturellem Schaffen. So als seien wir die Schmarotzer einer Gesellschaft, statt Produzenten des Treibstoffs, der Gesellschaften menschlich zusammenhält.
Jener Typ zückte übrigens irgendwann sein iPhone. Tja.
Wir sind ja selbst schuld, wenn wir arm sind. *grummel*
Gerade eben zu diesem Thema gelesen: "The art of asking" von Amanda Palmer. Ziemlich gutes Buch.
AntwortenLöschenAllerdings solltest du erst die Leiche verstecken. (Du willst mir nicht ernsthaft erzählen, die andere Person hat es überlebt?)
Er kann einem ja regelrecht leid tun. Ihm hätte Lesen und der Zugang zu Kunst sicher gut getan. Da sieht man mal, was aus Menschen wird, denen das verwehrt blieb. So jemand versteht deshalb auch nicht, dass Vielfalt belebend und bereichernd ist. Und es nicht "das eine, richtige Leben" gibt. Immer gut, wenn jemand mit einem solch totalitären Weltbild keine Macht über andere hat.
AntwortenLöschenIch würde dir gern zustimmen, liebe Wibke, aber der Mensch mit dem totalitären Weltbild war Scheffe von einer Firma. Solche Leute wissen, wie man Karriere macht ;-)
AntwortenLöschenDanke für den Lesetipp, Diandra! Das kommt mir gerade richtig, denn ich habe ganz verwegen vor, 2015 mit einer Krimiserie ins Crowdfunding zu gehen.
Warum ich solche Typen nicht gern morde? Weil man als LeserIn für die armen Leichen oft noch Sympathie hegt. So eine richtig fiese knalldumme Nebenfigur dagegen wird von Tausenden von Leserinnen gehasst. :-D Jaja, Schadenfreude ist auch manchmal eine meiner Schwächen ;-)
Als Industrie- bzw. Wirtschaftsübersetzerin Englisch halte ich fest: Der Wortpreis liegt bei mittlerweile max. 0,06 € (dann hat man Glück). Der Normalfall ist inzwischen eher, dass Google-Übersetzungen zum Korrigieren für selbstverständlich noch weniger ins Haus kommen. Aufträge laufen nicht mehr lukrativ über den Kunden selbst, sondern nur noch über Agenturen.
AntwortenLöschenAber ich vermute mal, dass dem genannten Denkkünstler diese Feinheiten egal sind.
Es kann wirklich frustrieren, was einem manchmal an geballter Ignoranz in der Welt begegnet. Doch bei den meisten Menschen steckt wahrscheinlich keine böse Absicht dahinter. Ich glaube, dass es für viele Menschen einfach unheimlich ist, jemandem gegenüber zu sitzen, der Gedichte oder Prosatexte schreibt. Ich spreche darum im „real life“ nur selten darüber. Es ist leider keine gute Zeit für Schreibende…
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Pirandîl
Gut, dass du das erwähnst, Susanne Schnitzler. Ich halte mich ja öfter mit literarischen Übersetzungen über Wasser, die auch immer lausiger bezahlt werden. Dann ernte ich sogar im Bekanntenkreis Erstaunen, ob ich mir denn zu fein wäre, auch mal für die "Industrie" zu übersetzen, wo doch die freie Wirtschaft besser bezahle.
AntwortenLöschenIch kenne zufällig die Konditionen etwa in der Gastronomie für Websites - die lässt man wirklich lieber Google Translate benutzen und sich blamieren, als auch nur einen Finger krumm zu machen. Und die sehen die übersetzerische Leistung von Menschen auch nicht. Ich habe mir oft überlegt, dass man sich bei denen mal einmieten sollte und dann so richtig fein essen und trinken ... 100 Euro auf den Tisch legen und sagen: "Was, Sie wollen mehr? Verpflegung und ein Bett kriege ich doch an jeder Ecke!"
@Pirandil
Es ist leider auch für andere kreative Berufe und alles, was man nicht anfassen kann, keine gute Zeit. Und ich kenne eine Menge Menschen in ganz "normalen" Berufen, die inzwischen zwei bis drei Jobs brauchen, um zu überleben. Weil die Dummschwätzer wie im obigen Dialog selbst als erste die Preise drücken. Insofern provoziere ich dann gern absichtlich mal - aber der Betreffende list sicher keine Autorenblogs :-(
Bin ein bisschen spät dran. Ich finde das einfach nur abwertend.
AntwortenLöschenWomöglich sagt so ein Mensch dann noch: So schön möchte ich es auch mal haben! :-) Aber das betrifft nicht nur die Künstler. Als ich einem Wirt, bei dem ich während des Studiums gearbeitet habe, von meinem Studium erzählte, meinte der, das sei doch nix, da verdiene man ja gerade mal genug zum Leben.
Herzlichst
Christa
Liebe Christa,
AntwortenLöschenBlogbeiträge haben ja kein Verfallsdatum ... also immer her mit den Kommentaren! Ich freu mich immer, wenn nicht jede Diskussion zu FB ausgelagert ist!
Herzlichst, Petra