Vom Kaffee und vom Schreiben
Ich erzähle sicher nichts Neues, wenn ich sage, dass ich wie viele AutorInnen ein Kaffee-Junkie bin. Vor meinem ersten Café au lait am Morgen spricht man mich besser nicht an. Auf Kaffee verzichten? Allenfalls bei ernsthaftem Krankheitsbefund oder wenn das Gebräu einfach zu schlecht wäre! In der Regel kaufe ich im Supermarkt, mehr oder weniger bewusst - und wenn möglich aus fairem Handel, nie als überteuerten Kapselmüll. Arabica-Bohnen müssen es sein, die Sorte aromatisch. Aber dies soll kein Artikel über Genüsse aus gerösteten Bohnen werden! Ich will darüber nachdenken, was unsere Texte und Bücher womöglich mit Kaffee gemeinsam haben könnten.
Irgendwann war Monatsende, mehrere Kunden hatten ihre Rechnungen nicht bezahlt, ich war fast pleite und freute mich: Mein Supermarkt hatte eine Großpackung italienischen Espresso mit fünf oder sechs Kaffeepäckchen zu einem sagenhaften Sonderangebotspreis. Den konnet ich mir gerade noch leisten und würde sehr lange an meinem Kaffee haben, also auch Benzin und Zeit sparen. Billigst, schnell, bequem, sofort im Haus. Nur dass ich vor lauter Sparsamkeit vergaß, genauer auf das schreiend rote Päckchen zu schauen. Nach dem ersten grausligen Schluck holte ich das nach: Kein Wort über die Bohnen oder die Röstung. Ich hatte schauderhafte Robusta-Bohnen eingekauft. Und sechs Päckchen miesen Geschmack vor mir ...
Unlängst, bei meinem Auftritt, bekam ich statt Blumen ein Geschenkpäckchen von der Veranstalterin. Man habe das schon lange statt Blumen eingeführt. Völlig übernächtigt öffne ich es am nächsten Morgen und zum Vorschein kommt ein Riesenpäckchen Kaffee aus dem Edelladen in der Innenstadt mit Rösterei, liebevoll mit Kaffeenougat verpackt und dem handschriftlichen Vermerk in Silberschrift, dass es sich um einen speziellen Monsooned Malabar handle - eine Bohnenspezialität, die vor dem Rösten dem Monsunregen ausgesetzt wird. Das erfahre ich, weil ich die Edelware im Internet suche. Denn meine Neugier ist geweckt! Nach meinem Monatsende-Grauen eine wahre Geschmacksexplosion, die ich zelebriere: sanft, aromatisch, schmiegeweich, mit einem Schokoladeton. Kostet genau das Doppelte vom normal guten Kaffee aus dem Supermarkt. Aber ich habe Blut, pardon, Aroma geleckt: Den würde ich wieder kaufen! Trotzdem.
Was hat das mit Büchern zu tun?
Es trifft so ziemlich mein Einkaufsverhalten bei Büchern. Manchmal habe ich schlicht kein Geld übrig und bin trotzdem lesehungrig und süchtig: Ich fahre zur Bibliothek oder lade mir ein billiges E-Book aus dem Großramschladen auf den Reader. Und manchmal darf es der Hochgenuss sein, dann will ich das Schleifchen aus dem Edelbuchladen ohne Stapelware - das goutiere ich dann. Ich kaufe fair ein, wenn mir danach ist - und nicht, wenn mir das die Moralkeulen von außen einhämmrn wollen. Manchmal zweifle ich an so manchem Bio-Label (zu Recht, wie man weiß) und dann ist der Hypermarché doch wieder der vernünftigere. Ich kannte mal einen kleinen Buchladen, der hat sein Personal übler behandelt als Amazon. Manchmal will oder muss ich auch einfach herumsauen, weil die Marke im Edelladen gar nicht herumliegt. Ich kaufe nach Gusto und nach Geldbeutel - und beides kann sehr schwanken.
Ich bin das, was vielleicht weder Amazon noch der unabhängige Buchhandel so wirklich mögen: Eine Multikanal-Einkäuferin; eine Verbraucherin, die nicht mehr nur einen Weg will, sondern alle. Und die das sehr spontan und nicht immer nach langem Nachdenken entscheiden möchte. Die oft auch bequem ist und es eilig hat - aber immerhin, mein Hypermarché hat einen Drive-in und die Edelrösterei versendet auch per Internet!
Die Diskussion, die derzeit wieder um die Rettung des Buchhandels aufflammt, kennen wir alle. Inzwischen hat mich auch schon eine Buchhändlerin angeherrscht, weil ich bei Facebook einen Amazonlink für die Kindle-Ausgabe eines meiner Bücher postete. Pfui aber auch. Finde ich aber nicht: Als Autorin muss ich an alle KundInnen denken. Und da sind halt auch mal solche dabei, die sich die Brühe im Massenladen holen wollen, warum auch immer. Würde diese Buchhändlerin denn mein Buch anbieten?
Aber auch diese Diskussion will ich jetzt gar nicht bedienen. Weil nämlich die Autorinnen und Autoren darin nur seltenst vorkommen. Die stehen ganz unten, wie die Leute, die die Kaffeebohnen pflücken. Nur, dass noch keiner einen Fair Trade angedacht hat: Wir legen dein Buch in den Edelladen, damit du es nicht mehr nötig hast, dich auf dem Weltmarkt verzocken zu lassen. Wir garantieren dir gute Mindesttantiemen. Was für ein Traum!
Was hat das mit dem Schreiben zu tun?
Es geht aber auch um den Text selbst. Mit dem all die Fragen um Wertigkeit und Genuss doch erst anfangen. Ich habe mich einmal gefragt, wie das in Zukunft mit dem Geldverdienen aussehen könnte, wenn unsere Bücher in immer weniger Buchläden überhaupt "vorkommen", wenn sie immer unsichtbarer im stationären Handel werden (das ist ja nicht erst seit Amazon der Fall). Ich frage mich, was aus unserem Einkommen würde, wenn "Geiz ist geil" sich durchsetzte, wenn die Preise für E-Books ins Bodenlose fielen oder Streamingdienste den Abruf ähnlich kläglich bezahlen würden wie Spotify unbekannte Musiker. Vielleicht sind wir eines Tages auch wirklich von einem einzelnen Moloch wie Amazon abhängig? Der dann die Tantiemen ganz ohne Verhandlungen diktieren könnte oder uns aussperrt. Könnte ich mir in einer solchen Welt überhaupt noch die miese Robusta-Bohne zum Frühstück leisten?
Ich habe eben mit der Premiere meines ersten Theaterstücks eine ganz besondere Erfahrung gemacht, die sich mit der Idee, Geschichten in den städtischen Raum zu bringen, fortsetzt. Die Kaffeebohne - das sind meine Texte. Die Kaffeerösterei - das bin ich! Da muss es im Regal eben die austauschbare Instantware geben, auch ich saufe sie manchmal im Stehen hinunter und habe den Geschmack dann gleich auch wieder vergessen. Vampirroman von Susi Rose, von Susi Veilchen und Susi Himbeer .... das ist so austauschbar geworden, so ununterscheidbar, dass es die Masse bringen muss, der Preis. Weil da sonst nicht viel Eigenes ist. Kein Wunder diskutiert man in solchen Kreisen das, was die Produzenten meiner schrill-roten Kaffee-Großpackung wohl auch diskutiert haben: Preisaktionen, Dumping, um Regalfläche im Großmarkt zu erobern, Etablieren über die Masse. So funktioniert das nun mal bei einer Käuferschicht, die entweder gerade geizig oder einfach nur arm ist.
Nun war ich für einen Tag jedoch die Kafeerarität. Höchstens 60 Menschen hatten Zugang zu meinem Text, der wie Kaffee veredelt war durch feinste Schauspieler. Nur wenige Menschen konnten mich erleben, noch weniger anfassen und noch weniger hinterher mit mir feiern. Aber was diese wenigen Menschen mir gaben und für mich taten, war ungleich mehr als ich das je bei einem Verlag erlebt habe. Und diese Leute waren berührt, tief berührt, erlebten Emotionen. Sie vergessen meinen Namen nicht und lesen meine Bücher freiwillig. Viele lesen nun alle der Reihe nach. Und natürlich habe ich an dem Abend auch Geld verdient - für das ich sonst viele Bücher verkaufen müsste.
Das ist etwas, was niemand heutzutage mehr für mich tut, wenn ich nicht den Spitzentitel bekomme, und was Amazon absolut nicht leisten kann: die Rarität, die besondere Marke erschaffen.
Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer schlimmer. Will heißen: Neben "Geiz ist geil" gibt es auch immer mehr Menschen, die in edle Ware investieren. Wenn selbst eine Arme wie ich bereit ist, das Doppelte für einen köstlichen Kaffee auszugeben, nur weil er köstlich schmeckt und für alle Sinne verpackt ist!
Ich glaube, dass wir vielleicht tatsächlich mit E-Books immer weniger verdienen werden - aus vielen, komplex gestalteten Gründen. Aber da draußen ist ein Hunger nach dem Mehrwert, nach Luxus, nach sinnlichem Erleben und Emotionen. Ich muss mich als Autorin anfassen lassen, Gefühle teilen, Emotionen wecken - das kann man geschützt sehr professionell tun. Wenn die Qualität stimmt, wenn der Geschmackssinn überwältigt wird, dann sind Kunden wieder bereit, zu zahlen. Sie wollen genießen. Sie wollen etwas, was nur Kleinstrukturen wirklich können, nicht Konzerne: Dieses Du-zu-Du.
Als Autorin bin ich die kleinste Kleinstruktur. Ich kann all die üblichen Wege gehen, solange es sich für mich lohnt. Aber wirklich lohnt sich für mich auch finanziell die Tuchfühlung mit meinen "Kunden" - der direkte Kontakt zu meinen Leserinnen und Lesern. Und darum entwickle ich künftig Bücher auch andersherum. Vom Storytelling her, vom Feedback her. Meine literarischen Spaziergänge sind Vorstufen, die irgendwann ins Buchprojekt münden sollen, vielleicht auch durch Crowd und Sponsoren mitfinanziert. E-Book als preiswerte Volksausgabe, den Luxus im Print, die Rarität gegen Eintritt live. Ich bin sogar so weit, dass ich mir vorstellen kann, auch den Verkauf zusätzlich auf mich selbst zu ziehen - mit einem White-Label-Autorinnenshop. Wo meine treuen Leser diejenige direkt unterstützen, die sie auch lesen wollen: mich.
Zukunftsmusik? Sicherlich. Aber man muss jetzt anfangen, sie zu erdenken. Ich glaube nicht an die Unkenrufe, die Amazons Weltherrschaft fürchten. Amazon macht in Robusta und Mischmasch und wird eines Tages so riesig sein, dass es bestimmte Dinge, die Kunden lieben, gar nicht mehr erfüllen kann. Konzerne können nicht alles. Kleinststrukturen können auch nicht alles. Was sie aber können: Sie sind die flexibelsten auf einem Markt, sind Risikofreude schon um des Überlebens willen gewohnt, sie können schneller und wendiger reagieren als jeder größere Apparat. Autorinnen und Autoren werden vielleicht in Zukunft die besten Guerillakämpfer fürs Buch sein. Wer eine Zukunft fürs Buch will, muss dessen SchöpferInnen hätscheln. Sie sollten wir pflegen, fair handeln ... sonst handeln sie eines Tages einfach alleine! Wie so manche Kaffeepflücker-Kooperative, die winzig und verlacht anfing und heute schon mal vom Hypermarché umbuhlt wird, weil sie etwas kann, was andere verlernt haben.
PS: Praktisch gesprochen werden demnächst meine E-Books nach und nach via Distributor auch in die Epub-Shops kommen, wobei ich mir über deren Marktanteile absolut nichts vormache. Aber dann haben all die Amazongegner eine Alternative. Und wenn ich Luft und Zeit habe, wird meiner Website ein eigener Shop angeschlossen, mit dem ich dann auch zur Buchhändlerin meiner selbst werde. Print gibt es weiterhin überall im Buchhandel, im stationären, online und natürlich bei Amazon.
Ich werde mir übrigens den Spaß machen zu untersuchen, wie viele meiner E-Books sich tatsächlich außerhalb von Amazon verkaufen werden und das prozentuale Verhältnis dann veröffentlichen.
Irgendwann war Monatsende, mehrere Kunden hatten ihre Rechnungen nicht bezahlt, ich war fast pleite und freute mich: Mein Supermarkt hatte eine Großpackung italienischen Espresso mit fünf oder sechs Kaffeepäckchen zu einem sagenhaften Sonderangebotspreis. Den konnet ich mir gerade noch leisten und würde sehr lange an meinem Kaffee haben, also auch Benzin und Zeit sparen. Billigst, schnell, bequem, sofort im Haus. Nur dass ich vor lauter Sparsamkeit vergaß, genauer auf das schreiend rote Päckchen zu schauen. Nach dem ersten grausligen Schluck holte ich das nach: Kein Wort über die Bohnen oder die Röstung. Ich hatte schauderhafte Robusta-Bohnen eingekauft. Und sechs Päckchen miesen Geschmack vor mir ...
Unlängst, bei meinem Auftritt, bekam ich statt Blumen ein Geschenkpäckchen von der Veranstalterin. Man habe das schon lange statt Blumen eingeführt. Völlig übernächtigt öffne ich es am nächsten Morgen und zum Vorschein kommt ein Riesenpäckchen Kaffee aus dem Edelladen in der Innenstadt mit Rösterei, liebevoll mit Kaffeenougat verpackt und dem handschriftlichen Vermerk in Silberschrift, dass es sich um einen speziellen Monsooned Malabar handle - eine Bohnenspezialität, die vor dem Rösten dem Monsunregen ausgesetzt wird. Das erfahre ich, weil ich die Edelware im Internet suche. Denn meine Neugier ist geweckt! Nach meinem Monatsende-Grauen eine wahre Geschmacksexplosion, die ich zelebriere: sanft, aromatisch, schmiegeweich, mit einem Schokoladeton. Kostet genau das Doppelte vom normal guten Kaffee aus dem Supermarkt. Aber ich habe Blut, pardon, Aroma geleckt: Den würde ich wieder kaufen! Trotzdem.
Was hat das mit Büchern zu tun?
Es trifft so ziemlich mein Einkaufsverhalten bei Büchern. Manchmal habe ich schlicht kein Geld übrig und bin trotzdem lesehungrig und süchtig: Ich fahre zur Bibliothek oder lade mir ein billiges E-Book aus dem Großramschladen auf den Reader. Und manchmal darf es der Hochgenuss sein, dann will ich das Schleifchen aus dem Edelbuchladen ohne Stapelware - das goutiere ich dann. Ich kaufe fair ein, wenn mir danach ist - und nicht, wenn mir das die Moralkeulen von außen einhämmrn wollen. Manchmal zweifle ich an so manchem Bio-Label (zu Recht, wie man weiß) und dann ist der Hypermarché doch wieder der vernünftigere. Ich kannte mal einen kleinen Buchladen, der hat sein Personal übler behandelt als Amazon. Manchmal will oder muss ich auch einfach herumsauen, weil die Marke im Edelladen gar nicht herumliegt. Ich kaufe nach Gusto und nach Geldbeutel - und beides kann sehr schwanken.
Ich bin das, was vielleicht weder Amazon noch der unabhängige Buchhandel so wirklich mögen: Eine Multikanal-Einkäuferin; eine Verbraucherin, die nicht mehr nur einen Weg will, sondern alle. Und die das sehr spontan und nicht immer nach langem Nachdenken entscheiden möchte. Die oft auch bequem ist und es eilig hat - aber immerhin, mein Hypermarché hat einen Drive-in und die Edelrösterei versendet auch per Internet!
Die Diskussion, die derzeit wieder um die Rettung des Buchhandels aufflammt, kennen wir alle. Inzwischen hat mich auch schon eine Buchhändlerin angeherrscht, weil ich bei Facebook einen Amazonlink für die Kindle-Ausgabe eines meiner Bücher postete. Pfui aber auch. Finde ich aber nicht: Als Autorin muss ich an alle KundInnen denken. Und da sind halt auch mal solche dabei, die sich die Brühe im Massenladen holen wollen, warum auch immer. Würde diese Buchhändlerin denn mein Buch anbieten?
Aber auch diese Diskussion will ich jetzt gar nicht bedienen. Weil nämlich die Autorinnen und Autoren darin nur seltenst vorkommen. Die stehen ganz unten, wie die Leute, die die Kaffeebohnen pflücken. Nur, dass noch keiner einen Fair Trade angedacht hat: Wir legen dein Buch in den Edelladen, damit du es nicht mehr nötig hast, dich auf dem Weltmarkt verzocken zu lassen. Wir garantieren dir gute Mindesttantiemen. Was für ein Traum!
Was hat das mit dem Schreiben zu tun?
Es geht aber auch um den Text selbst. Mit dem all die Fragen um Wertigkeit und Genuss doch erst anfangen. Ich habe mich einmal gefragt, wie das in Zukunft mit dem Geldverdienen aussehen könnte, wenn unsere Bücher in immer weniger Buchläden überhaupt "vorkommen", wenn sie immer unsichtbarer im stationären Handel werden (das ist ja nicht erst seit Amazon der Fall). Ich frage mich, was aus unserem Einkommen würde, wenn "Geiz ist geil" sich durchsetzte, wenn die Preise für E-Books ins Bodenlose fielen oder Streamingdienste den Abruf ähnlich kläglich bezahlen würden wie Spotify unbekannte Musiker. Vielleicht sind wir eines Tages auch wirklich von einem einzelnen Moloch wie Amazon abhängig? Der dann die Tantiemen ganz ohne Verhandlungen diktieren könnte oder uns aussperrt. Könnte ich mir in einer solchen Welt überhaupt noch die miese Robusta-Bohne zum Frühstück leisten?
Ich habe eben mit der Premiere meines ersten Theaterstücks eine ganz besondere Erfahrung gemacht, die sich mit der Idee, Geschichten in den städtischen Raum zu bringen, fortsetzt. Die Kaffeebohne - das sind meine Texte. Die Kaffeerösterei - das bin ich! Da muss es im Regal eben die austauschbare Instantware geben, auch ich saufe sie manchmal im Stehen hinunter und habe den Geschmack dann gleich auch wieder vergessen. Vampirroman von Susi Rose, von Susi Veilchen und Susi Himbeer .... das ist so austauschbar geworden, so ununterscheidbar, dass es die Masse bringen muss, der Preis. Weil da sonst nicht viel Eigenes ist. Kein Wunder diskutiert man in solchen Kreisen das, was die Produzenten meiner schrill-roten Kaffee-Großpackung wohl auch diskutiert haben: Preisaktionen, Dumping, um Regalfläche im Großmarkt zu erobern, Etablieren über die Masse. So funktioniert das nun mal bei einer Käuferschicht, die entweder gerade geizig oder einfach nur arm ist.
Nun war ich für einen Tag jedoch die Kafeerarität. Höchstens 60 Menschen hatten Zugang zu meinem Text, der wie Kaffee veredelt war durch feinste Schauspieler. Nur wenige Menschen konnten mich erleben, noch weniger anfassen und noch weniger hinterher mit mir feiern. Aber was diese wenigen Menschen mir gaben und für mich taten, war ungleich mehr als ich das je bei einem Verlag erlebt habe. Und diese Leute waren berührt, tief berührt, erlebten Emotionen. Sie vergessen meinen Namen nicht und lesen meine Bücher freiwillig. Viele lesen nun alle der Reihe nach. Und natürlich habe ich an dem Abend auch Geld verdient - für das ich sonst viele Bücher verkaufen müsste.
Das ist etwas, was niemand heutzutage mehr für mich tut, wenn ich nicht den Spitzentitel bekomme, und was Amazon absolut nicht leisten kann: die Rarität, die besondere Marke erschaffen.
Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer schlimmer. Will heißen: Neben "Geiz ist geil" gibt es auch immer mehr Menschen, die in edle Ware investieren. Wenn selbst eine Arme wie ich bereit ist, das Doppelte für einen köstlichen Kaffee auszugeben, nur weil er köstlich schmeckt und für alle Sinne verpackt ist!
Ich glaube, dass wir vielleicht tatsächlich mit E-Books immer weniger verdienen werden - aus vielen, komplex gestalteten Gründen. Aber da draußen ist ein Hunger nach dem Mehrwert, nach Luxus, nach sinnlichem Erleben und Emotionen. Ich muss mich als Autorin anfassen lassen, Gefühle teilen, Emotionen wecken - das kann man geschützt sehr professionell tun. Wenn die Qualität stimmt, wenn der Geschmackssinn überwältigt wird, dann sind Kunden wieder bereit, zu zahlen. Sie wollen genießen. Sie wollen etwas, was nur Kleinstrukturen wirklich können, nicht Konzerne: Dieses Du-zu-Du.
Als Autorin bin ich die kleinste Kleinstruktur. Ich kann all die üblichen Wege gehen, solange es sich für mich lohnt. Aber wirklich lohnt sich für mich auch finanziell die Tuchfühlung mit meinen "Kunden" - der direkte Kontakt zu meinen Leserinnen und Lesern. Und darum entwickle ich künftig Bücher auch andersherum. Vom Storytelling her, vom Feedback her. Meine literarischen Spaziergänge sind Vorstufen, die irgendwann ins Buchprojekt münden sollen, vielleicht auch durch Crowd und Sponsoren mitfinanziert. E-Book als preiswerte Volksausgabe, den Luxus im Print, die Rarität gegen Eintritt live. Ich bin sogar so weit, dass ich mir vorstellen kann, auch den Verkauf zusätzlich auf mich selbst zu ziehen - mit einem White-Label-Autorinnenshop. Wo meine treuen Leser diejenige direkt unterstützen, die sie auch lesen wollen: mich.
Zukunftsmusik? Sicherlich. Aber man muss jetzt anfangen, sie zu erdenken. Ich glaube nicht an die Unkenrufe, die Amazons Weltherrschaft fürchten. Amazon macht in Robusta und Mischmasch und wird eines Tages so riesig sein, dass es bestimmte Dinge, die Kunden lieben, gar nicht mehr erfüllen kann. Konzerne können nicht alles. Kleinststrukturen können auch nicht alles. Was sie aber können: Sie sind die flexibelsten auf einem Markt, sind Risikofreude schon um des Überlebens willen gewohnt, sie können schneller und wendiger reagieren als jeder größere Apparat. Autorinnen und Autoren werden vielleicht in Zukunft die besten Guerillakämpfer fürs Buch sein. Wer eine Zukunft fürs Buch will, muss dessen SchöpferInnen hätscheln. Sie sollten wir pflegen, fair handeln ... sonst handeln sie eines Tages einfach alleine! Wie so manche Kaffeepflücker-Kooperative, die winzig und verlacht anfing und heute schon mal vom Hypermarché umbuhlt wird, weil sie etwas kann, was andere verlernt haben.
PS: Praktisch gesprochen werden demnächst meine E-Books nach und nach via Distributor auch in die Epub-Shops kommen, wobei ich mir über deren Marktanteile absolut nichts vormache. Aber dann haben all die Amazongegner eine Alternative. Und wenn ich Luft und Zeit habe, wird meiner Website ein eigener Shop angeschlossen, mit dem ich dann auch zur Buchhändlerin meiner selbst werde. Print gibt es weiterhin überall im Buchhandel, im stationären, online und natürlich bei Amazon.
Ich werde mir übrigens den Spaß machen zu untersuchen, wie viele meiner E-Books sich tatsächlich außerhalb von Amazon verkaufen werden und das prozentuale Verhältnis dann veröffentlichen.
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