Ausgereiztes Gimmick?

Ich habe nun schon drei Mal Bücher einfach so verschenkt (Zum Nachlesen: Teil 1 / Teil 2 / Teil 3). Und zwar im großen Stil, wenn auch zeitlich eng begrenzt - nämlich so viel die Herzen der Leserinnen und Leser begehrten. Das soll man nicht tun, sagen viele. Weil man sich zum billigen Jakob mache, weil man den Markt übersättige, weil man zum Preisverfall beitragen würde. Weil ordentliche Schriftsteller sich für ordentliche Arbeit ordentlich bezahlen lassen.

Ich war noch nie ordentlich brav. Wenn drei Kollegen "igitt" schreien, bin ich die vierte, die es ausprobiert. Und weil ich auch für andere in PR unterwegs bin, weiß ich, dass es die ungewöhnlichen und überraschenden Aktionen sind, die oft zum Erfolg führen. Ich rechne also nicht "entgangene Tantiemen" auf, sondern sehe diese als Investition in eine Kampagne, die mich anderswo - etwa bei Anzeigen - sehr viel mehr kosten würde. Außerdem ist nicht jeder Mensch, der zu kostenlosen Büchern greift, auch zwingend ein Leser, der überhaupt Geld investiert hätte.

Wie funktioniert das nun also?
Amazons E-Book-Programm "KDP Select" gibt einem durch die exklusive Händlerbindung die Möglichkeit, pro Buch und innerhalb von 90 Tagen 5 kostenlose Tage zu schalten; gruppiert wie man möchte. Die Exklusivität kommt Amazon zugute, weil man sich für 90 Tage an den Händler bindet (nur sinnvoll, so lange der Marktführer ist), und sie nutzt dem Autor, weil man wegen der Buchpreisbindung solche Aktionen nur durchführen darf, wenn man sie gleichzeitig bei allen Händlern startet und beendet. Das ist aufgrund unterschiedlicher Server-Updates fast ein Ding der Unmöglichkeit, und so hat man es bequem.

Wer die Berichte über meine bisherigen Erfahrungen zum Verschenken nachliest, wird bemerken, dass ich eine große Befürchtung entwickelte: Dass sich das Instrument abnutzen könnte. Und natürlich hatte ich auch Angst, dass irgendwann das Publikum meine Bücher wirklich satt hat, weil einfach schon zu viele eines haben. Das Fazit meiner dritten Aktion dürfte umso interessanter sein, als ich drei sehr unterschiedliche Bücher verschenkt habe: Zum dritten Mal war der Unterhaltungsroman "Lavendelblues" dabei. Inzwischen, das darf man laut sagen, hat der Roman aus meiner eigenen Hand und als E-Book um ein Vielfaches mehr Menschen erreicht als in der gesamten Laufzeit als Taschenbuch bei Lübbe. Es kam ein Kurzkrimiband eines Kollegen hinzu, der in den Social Media nicht aktiv ist und sehr quer zum Mainstream schreibt. Und dann war da noch ein Buch, das einst erfunden wurde, um mein Blog zu finanzieren, und trotzdem am schlechtesten von allen läuft - sei es aufgrund des grottigen Covers (muss dringend gewechselt werden), sei es, weil Blogbücher generell schlecht laufen.

Was hat's gebracht?
Im Gegensatz zu den anderen Aktionen lief es diesmal sehr schleppend an. Erschwerend kam nämlich hinzu, dass sich ein paar Tage zuvor bei Amazon (laut Gerücht) ein großer Server-Crash zugetragen hatte. Dadurch verschwand ein Buch über lange Zeit aus der Bestsellerliste, dem Verkaufsinstrument überhaupt. Hinter den Kulissen und in den Rängen gab es bis vorgestern Gemüse statt korrekter Zahlen, so dass auch damit nicht zu arbeiten war. Ich vermutete jedoch auch einen zweiten Grund: Meine eigenen Vernetzungen haben bereits die meisten Bücher. Zusätzlich bot ich die Aktion also auch noch via xtme.de und eliterati an.

Ich will nur mit gröbstem Zahlenmaterial langweilen. Acht Stunden lang tat sich absolut nichts, erst dann stiegen die Bücher langsam in den Rängen auf. "Lavendelblues" hat einen nennenswerten und vor allem sichtbaren Platz erst geschafft, als es nach einem Tag schon wieder Geld kostete - wie gesagt, es war leider durch die technische Panne spurlos aus der Bestenliste verschwunden. Kletterte am nächsten Tag aber noch auf Platz 5 aller Gratisbücher - mit nun insgesamt 1419 verschenkten Exemplaren. Ausländische Shops spielen dabei keine nennenswerte Rolle. Das Buch, das auch im Verkauf am schlechtesten läuft, "Best of Cronenburg", wollten die wenigsten geschenkt haben: 223 Personen bedienten sich kostenlos, obwohl dieses Buch wie die Krimis zwei Tage lang zu haben war. Es landete auf einem Platz 102, damit knapp außerhalb der Top Hundred. Die Krimis überraschten am meisten: Der völlig unbekannte Dan Rocco mit "Rouge & Revolver" kam langsam, aber gewaltig. Am zweiten Aktionstag stand er in der Kategorie Krimis & Thriller auf dem dritten Platz und kletterte dann bedächtig aber stetig auf Platz 4 aller Gratisbücher. Hier haben 1142 Leute zugegriffen.

Meine kritischen Beobachtungen

Die Schnelligkeit und Leichtigkeit, mit der ich einen sichtbaren Effekt erzielte, hat von Aktion zu Aktion stetig abgenommen. An der Sättigung des eigenen Publikums kann es nicht ausschließlich liegen, da ich einen weiteren Gratisblog als Instrument hinzugenommen habe und völlig neue Bücher anbot. Meine Vermutung: Je mehr Menschen dieses Instrument nutzen, desto schwieriger ist es, sich durchzusetzen. Gleichzeitig war am gleichen Tag z.B. ein relativ bekannter Indie-Autor mit einer ganzen Serie an den Start gegangen. So mögen auch Tage und Konkurrenzangebot etwas beitragen. Einen Abnutzungseffekt darf man vermuten.

Man muss keine Angst haben, dass man zuviel verschenken könnte. In allen Aktionen zeigte sich, dass die Zahl der investierten Exemplare nach oben hin gedeckelt zu sein scheint. Um Bücher zu verschenken, muss man sich also richtig anstrengen.

Die Menschen sind nicht so gierig, wie ihnen nachgesagt wird. Es geistert durch Branche wie Medien immer wieder das Bild des ach so gierigen Lesers, der nichts anderes zu tun habe, als Piratenbörsen abzugreifen und sich Bücher kostenlos abzusaugen, anstatt sie zu kaufen. Wäre dies der Fall, ließen sich die KDP-Aktionen ins Unermessliche treiben. Tatsache aber ist, dass sich Menschen nicht alles andrehen lassen. Dass sie mittlerweile auch bei kostenlosen Büchern wählerisch geworden sind. Noch schlimmer: Ich traf in den Social Media auf Leute, die mir sagten, sie würden das Buch jetzt nicht nehmen, sondern warten, bis es wieder Geld koste! Drum ist es tatsächlich auch bei mir so: Was sich schlecht verkauft, verschenkt sich schlecht. Was sich gut verschenkt, verkauft sich nachher auch gut! Und aufgrund der hohen Vergabezahlen und Statistiken dazu kann ich mir sehr fein Gedanken um mein Zielpublikum machen, um verpasste Chancen (wie grottige Cover) oder um die Frage, ob mein Zielpublikum für gewisse Bücher tatsächlich bei Amazon kauft!

Hat Amazon ein typisches Publikum? All meine Erfahrungen zusammen betrachtet, kann ich sagen, dass bei Amazon im E-Book all das gut läuft, was in Buchketten auch in Stapeln liegen würde. Es ist vor allem Unterhaltungsliteratur; Genres wie Krimi, Thriller, Frauenroman und Romanzen scheinen am besten zu laufen. Dazu kommen Bücher, die in den Buchketten weniger herumliegen: Die richtig alten Klassiker und erotische Literatur. Typische "Bildungsbürgerware" hat es schwer. Daraus zu folgern, Bildungsbürger würden bei Amazon nicht einkaufen, wäre meiner Meinung nach jedoch zu kurz gegriffen. Ich glaube, bei diesen Menschen bestehen die größten Ängste / Vorbehalte gegenüber E-Readern. Und weil die entsprechenden Verlage auch mit der Umsetzung von Literatur und anspruchsvollen Büchern in bezahlbare E-Books geizen, kommt man weniger auf die Idee, nach solchen überhaupt zu suchen.

Verschenkaktionen sind die schnellste Methode, um den Fankreis zu erweitern. Nach der Aktion haben sich die Verkaufszahlen auch diesmal wieder verdreifacht - ein Effekt, der allerdings mit der Zeit auch wieder - auf höherem Niveau - nachlässt. Aber er zeigt, dass man vor allem durch die Verbreitung in den etablierten Gratisblogs doch immer wieder neues Publikum auftun kann, wenn die eigenen Social-Media-Kontakte begrenzt sind. Nach solchen Aktionen verzeichne ich bei Facebook und Twitter immer wieder verstärkt Neuzugänge im Fankreis. Wichtig, denn neue Fans sind nur Fans, wenn man sie auch halten kann. Vorsichtig sein muss man allerdings bei der Art der Werbung! Zieht man mit Verschenkaktionen das falsche Publikum an, kann es auch zu vermehrt schlechten Rezensionen kommen, etwa, wenn man Liebhaber einfacher Romanzen unter falschem Label z.B. Hochliteratur andrehen würde oder Freunden von "Häkelkrimis" den blutrünstigen Thriller.

Aktionen müssen gut vorbereitet werden. Verschenkaktionen funktionieren nicht, wenn sie nicht im Vorfeld angekündigt und während der Aktion kontinuierlich betreut werden. Am besten jedoch funktionieren sie, wenn man sie mit anderen Maßnahmen unterstützt. Das reicht von Werbung und Leseproben anderer Bücher im Anhang der verschenkten Titel bis hin zu persönlicher Kommunikation mit Fans. Und hier sollte man von den Plattformen lernen, die nicht umsonst Daten sammeln. Fans können es zwar nicht leiden, mit Dauerwerbebeschuss konfrontiert zu werden, sind aber gewiss bereit, z.B. einen dezenten, nicht allzu oft erscheinenden Newsletter zu beziehen - oder ein Blog zu abonnieren.

In diesem Sinne danke ich allen, die meine Bücher während der Aktion aus der virtuellen Unsichtbarkeit ins Schaufenster der Top 100 geholt zu haben. Ich danke den Leserinnen und Lesern, die mir fleißig Feedback gaben und geben, in welcher Form auch immer. Und ich danke noch mehr all denen, die für meine Bücher Geld bezahlen, damit auch ich meine Rechnungen bezahlen kann.

6 Kommentare:

  1. Man muesste eigentlich, rein Theortisch, meine online Kurse umpacken koennen und ebenfalls diesen Weg eingehen. Oder?

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  2. an anderer Stelle beantwortet ;-)

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  3. PvC, nur kurz - ich habe nicht viel Zeit -, zu deiner immer wiederkehrenden Selbstkritik bezüglich des Covers der 'Blog-Buchs'. Ich fand und finde das Cover absolut toll. Was ich suboptimal finde, ist der Titel 'Blog-Buch'. Darunter konnte ich mir wirklich nichts vorstellen, von dem ich in irgendeiner Form angenommen hätte, dass ich es lesen sollte.

    Dabei sind die Inhalte wirklich toll ausgewählt. Einer der Beiträge oder etwas, das diese recht gut charakterisiert sollte den Titel liefern. Titel müssen im Kopf eine Lampe anmachen. Eine Vorstellung und Sehnsucht erzeugen. Blog-Buch löst bei mir leider gar nichts aus.

    Ich hoffe, du nimmst mir diese Anmerkung nicht krumm. Sie ist ausschließlich positiv gemeint. Und vielleicht hilft dir ja mein Feedback. Dein Foto ist jedenfalls wirklich klasse und machte/macht mir Lust, mir anzuhören, was du zu sagen hast. :)

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  4. Hallo zazz,
    danke für dein Feedback! Dass das Cover grottig wirkt, ist nicht auf meinem Mist gewachsen, ich bekomme öfter mal Feedback, dass es viel zu düster ist und gar nicht zum Hingreifen anmacht, das muss ich ernst nehmen. Das heißt ja nicht, dass ich alles in die Tonne trete und auf jede Einzelmeinung etwas gebe, aber grafisch kann man da sicher etwas verbessern!

    Was das Blogbuch betrifft - das ist inzwischen ein festes Genre, vor allem in den USA. Da ist nur ein technischer Unfall passiert, dass Amazon das mit in den Titel genommen hat, es sollte nämlich nur der Serientitel sein. Der Titel des Buchs ist schlicht "Best of Cronenburg". Dann wäre die Serie gekommen: Blogbuch 1, 2, 3 ... Leider kann man einmal eingetragene Titel nicht einfach so ändern.

    Ist aber nicht schlimm, denn so wie es aussieht, wird es womöglich kein Blogbuch 2 geben. Es macht mehr Arbeit, als dass es sich verkauft. Allerdings auch ein Phänomen in den USA: Die Leute wollen kein Geld für etwas bezahlen, das sie frei im Netz lesen können.

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  5. Die Menschen sind nicht so gierig, wie ihnen nachgesagt wird.

    - Schuldig im Sinne der Anklage *lach*.

    Weil ich die Bücher nur auf dem PC lesen kann, werde ich wohl über das Anlesen nicht hinauskommen. Sollte mir Lavendelbluea aber gefallen, werde ich die Druckversion nachkaufen.

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  6. Na, vielleicht wirst du ka eines Tages doch noch neugierig auf einen Reader. Meiner ist seit dem letzten Update noch papierartiger und die gestochen scharfe Schrift in beliebiger Vergrößerung ermöglicht auch noch eine Bettlektüre mit winzigen Augen ;-)
    Aber der Antiquar wird sich natürlich auch freuen ...

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