Ich will nicht schnell berühmt werden!
Es ist schon wieder passiert: Jemand wollte mir selbstlos (*hüstel*) helfen, sehr schnell berühmt zu werden. Wer mit Büchern arbeitet, kennt das Geschäft, das so bezeichnend Vanity Press heißt und im Deutschen Druckkostenzuschussverlag oder kurz DKZV. Das Wort Vanity verrät, worum es geht: Im Geschäft um die eigene Eitelkeit sind Möchtegernberühmtheiten bereit, den Verstand noch vor der Kasse abzugeben und viel zu viel Geld zu investieren in windige Versprechen. Im Idealfall gelangen sie "nur" an einen überteuerten Dienstleister, der ihnen die Garage mit schwer gängiger Ware füllt, in vielen Fällen geht es ihnen jedoch wie einer Frau, über die ich früher mal einen Artikel schrieb: Ihr "Verlag" hatte pro Kopf 6000 Euro und mehr kassiert und die Bücher nie gedruckt, der Eigner verschwand dann nachts mit all der Knete über die Grenze. Was ich nicht wusste: Das System gibt es für Möchtegernberühmtheiten aller Berufe und durch und durch digital.
Der Sumpf der Vanity-Geier tummelt sich ziemlich unbehelligt bei Instagram. Dort sind die Egomanen besonders von der Rolle - manche prügeln sich sogar um den besten Selfieplatz. Es wird nicht immer gemeldet, es wird selten gelöscht und schließlich bringen sogar diese Accounts Zuckerberg Einnahmen - warum sollte er ernsthaft etwas dagegen tun? Damit sie nicht gelöscht werden, werden sie immer raffinierter. Als naive Userin, die glaubt, Instagram sei ein Kanal, um nette Fotos zu teilen, kann man schneller hereinfallen als gedacht. Erste Regel: Bei Instagram nie direkt Geschäfte per PN abschließen! Allein schon vom Verbraucherschutz her ein Unding.
Ich erscheine also nun vordergründig als eins dieser naiven Mäuschen, das Bilder malt und abfotografiert, ohne fett im Profil mit Kunststudium oder Edelgalerie punkten zu können. Dass ich Paper Art hauptberuflich fertige und verkaufe, hänge ich auch nicht ständig an die große Glocke, weil ich finde, das nervt. Und meine etwa 300 Follower empfinde ich schon als viel. Ich poste also wieder einmal ein fertiges Gemälde nebst passenden Hashtags. Und bekomme langsam über einige Tage verteilt die üblichen Likes: von Leuten, mit denen ich auf mehreren Kanälen wirklich kommuniziere, von echten Fans oder KundInnen, von anderen KünstlerInnen (die entweder echtes Interesse haben oder nur auf ein Relike spekulieren), von Leuten, die spontan das Bild gut finden und über einen Hashtag herfanden.
Dann ein Like von einer Frau, die irgendwas mit Kunst zu tun hat. Aus der Profilbeschreibung wird man nicht schlau, ob sie Galeristin, Agentin oder Betrügerin ist. Gleichzeitig lädt sie mich per PN ein, mich kostenlos puschen zu lassen - ich hätte das Zeug, Influencerin für Kunst werden zu können! Ich müsse nur den Link in ihrem Profil für mehr Info anklicken (kostenlos ist da allerdings nur die Info).
Boah, wow, dass ich da nicht schon eher draufgekommen bin! Influencerin für Kunst - ausgerechnet ich. Die Zuschrift war so dreiststrunzdumm, dass ich nicht nur herzlich gelacht habe. Anstatt das zu tun, was ich immer tue - als Spam melden und blockieren - war ich neugierig, wie das System funktioniert. Wer träumt nicht davon: Berühmte Künstlerin zu werden UND auch noch Influencerin! Da regnen doch gleich die Dollars vom Affenbrotbaum!? Also habe ich mal weitergeklickt.
Was kam, war mir nicht neu. Neu war für mich, dass die Typen inzwischen schon nach Berufssparten getarnt unterwegs sind. Hinter dem angeblich privaten Account der angeblichen Frau steckte eine sehr bekannte Followerverkaufsfirma (die auf Instagram auch ein Firmenaccount hat, das wiederum mit Leuten wie dieser Frau verbandelt ist). Eine von der Sorte, die nicht illegal arbeitet, sondern sich in Grauzonen engagiert - und die auch schon von der ein oder anderen echten Influencerin genutzt wurde. Besagte kunstbegeisterte Dame war allerdings nicht etwa eine Mitarbeiterin - das System ist noch perfider (dazu unten mehr).
Auf den ersten Blick (!) erschien die US-Fima auf ihrer Website seriös, Zahlungsmodalitäten (Kreditkarte oder Paypal) schienen korrekt installiert, die "Ware" war genau beschrieben, nur eine AGB war nicht zu finden ... Folgendes habe ich dazu getwittert:
So geht das also, überraschend billig übrigens. Die meisten Firmen dieser Art verkaufen einem schlicht Follower. Das mag auf den ersten Blick das Ego gewaltig pimpen, aber es hat fatale Konsequenzen. Das Hootsuite Blog hat es getestet und schreibt, was passiert, wenn man es tut - unbedingt lesenswert! Obige Firma also will den Schwindel undurchschaubarer machen, indem sie auch echte Likes verspricht, ja sogar Interaktion. Fehlt die bei hohen Followerzahlen, ist das nämlich der untrügliche Hinweis, dass dahinter eine Trollfabrik o.ä. steckt. Woher aber beziehen die Interaktion, die nicht von Social Bots kommt?
Da mir meine Kreditkarte selbstverständlich zu heilig ist für solche Recherchen, konnte ich nicht überall hinter die Kulissen schauen. Habe aber doch Verbraucherberichte googeln können und auf der Website Schlüsse gezogen. Und so funktioniert das:
Als Kundin kann ich über Premiumpakete (extra teuer) "Treuepunkte" sammeln. Ich bekomme aber auch Treuepunkte, wenn ich vorgeschlagenen Leuten (die irgendwo auf dem Firmenserver sichtbar sein müssten?) Likes schenke. Das wird dann auch in Tausenderbereichen gezählt. Treuepunkte wiederum haben einen - nicht einlösbaren - Geldwert. Kurzum: Ich kann für 10.000 Follower und 6000 Likes entweder knapp 60$ bezahlen - oder die Summe in Treuepunkten abarbeiten. Dafür muss ich einen Haufen Holz durchklicken! Und dann gibt es noch Leute wie diese Dame (ich fand auch einen Herrn mit ähnlichem Account), die ich mal freundlich als DrückerInnen bezeichnen möchte. Die bekommen für ihre Dienste auch irgendetwas.
Zwecklos, mich nach den Adressen zu fragen - ich habe natürlich alle bei Instagram gemeldet und blockiert. Viele tun das leider nicht.
Manche leisten sich nur mal 1000 Follower, um nicht "ganz blöd dazustehen". Andere langen saftig zu. Und es ist bekannt, dass viele Influencer, die heute mit diesem "Beruf" richtig fett Kohle verdienen, dank der Grauzonen überhaupt erst aufstiegen. Irgendwann hat man so viele Follower, dass keiner mehr genau hinschaut und alle automatisch folgen, weil Masse ja Klasse haben muss in der schönen neuen Welt des Scheins. Bei GeschäftspartnerInnen kann es dann allerdings schon mal in die Hose gehen, denn die sind oft kritischer. Peinlich, wenn sich dann plötzlich die Mehrzahl der Follower als Porrnobots oder russische Trollfabrik entpuppt. Da werden die meisten Fakeaccounts produziert. Denn die Vanity-Szene wird oft von den gleichen bestückt, die Sifftwitter oder Hassaccounts aufblasen oder gleich Wahlen beeinflussen wollen: braucht die gleichen Skills. Die Unterschiede zwischen Propaganda und Egoshooter-Werbung sind fließend. Und es kann selbst für Unbeteiligte gefährlich werden: Immer mehr Identitäten werden im Internet für solche Geschäfte gestohlen (s. Artikel unten in der NYT)!
Will man so etwas? Ich nicht. Aber ich will ja auch nicht schnell berühmt werden!
Das Thema wird und sollte uns jedoch auch beschäftigen, wenn wir gar nicht eitel sind - rechtsradikale Netzwerke arbeiten damit, Stimmungsmache bei Wahlen wird so organisiert. Wir sollten in allen Social Media Kanälen öfter mal einen genauen Blick darauf werfen, was für Follower, Liker und Kommentatoren Leute rekrutieren, die besonders laut oder wichtig erscheinen. Oft sind es nicht mal echte Menschen.
Lesetipps zum Vertiefen des Themas:
Vanity-Trolle
Der Sumpf der Vanity-Geier tummelt sich ziemlich unbehelligt bei Instagram. Dort sind die Egomanen besonders von der Rolle - manche prügeln sich sogar um den besten Selfieplatz. Es wird nicht immer gemeldet, es wird selten gelöscht und schließlich bringen sogar diese Accounts Zuckerberg Einnahmen - warum sollte er ernsthaft etwas dagegen tun? Damit sie nicht gelöscht werden, werden sie immer raffinierter. Als naive Userin, die glaubt, Instagram sei ein Kanal, um nette Fotos zu teilen, kann man schneller hereinfallen als gedacht. Erste Regel: Bei Instagram nie direkt Geschäfte per PN abschließen! Allein schon vom Verbraucherschutz her ein Unding.
Ich erscheine also nun vordergründig als eins dieser naiven Mäuschen, das Bilder malt und abfotografiert, ohne fett im Profil mit Kunststudium oder Edelgalerie punkten zu können. Dass ich Paper Art hauptberuflich fertige und verkaufe, hänge ich auch nicht ständig an die große Glocke, weil ich finde, das nervt. Und meine etwa 300 Follower empfinde ich schon als viel. Ich poste also wieder einmal ein fertiges Gemälde nebst passenden Hashtags. Und bekomme langsam über einige Tage verteilt die üblichen Likes: von Leuten, mit denen ich auf mehreren Kanälen wirklich kommuniziere, von echten Fans oder KundInnen, von anderen KünstlerInnen (die entweder echtes Interesse haben oder nur auf ein Relike spekulieren), von Leuten, die spontan das Bild gut finden und über einen Hashtag herfanden.
Dann ein Like von einer Frau, die irgendwas mit Kunst zu tun hat. Aus der Profilbeschreibung wird man nicht schlau, ob sie Galeristin, Agentin oder Betrügerin ist. Gleichzeitig lädt sie mich per PN ein, mich kostenlos puschen zu lassen - ich hätte das Zeug, Influencerin für Kunst werden zu können! Ich müsse nur den Link in ihrem Profil für mehr Info anklicken (kostenlos ist da allerdings nur die Info).
Boah, wow, dass ich da nicht schon eher draufgekommen bin! Influencerin für Kunst - ausgerechnet ich. Die Zuschrift war so dreiststrunzdumm, dass ich nicht nur herzlich gelacht habe. Anstatt das zu tun, was ich immer tue - als Spam melden und blockieren - war ich neugierig, wie das System funktioniert. Wer träumt nicht davon: Berühmte Künstlerin zu werden UND auch noch Influencerin! Da regnen doch gleich die Dollars vom Affenbrotbaum!? Also habe ich mal weitergeklickt.
Was kam, war mir nicht neu. Neu war für mich, dass die Typen inzwischen schon nach Berufssparten getarnt unterwegs sind. Hinter dem angeblich privaten Account der angeblichen Frau steckte eine sehr bekannte Followerverkaufsfirma (die auf Instagram auch ein Firmenaccount hat, das wiederum mit Leuten wie dieser Frau verbandelt ist). Eine von der Sorte, die nicht illegal arbeitet, sondern sich in Grauzonen engagiert - und die auch schon von der ein oder anderen echten Influencerin genutzt wurde. Besagte kunstbegeisterte Dame war allerdings nicht etwa eine Mitarbeiterin - das System ist noch perfider (dazu unten mehr).
Auf den ersten Blick (!) erschien die US-Fima auf ihrer Website seriös, Zahlungsmodalitäten (Kreditkarte oder Paypal) schienen korrekt installiert, die "Ware" war genau beschrieben, nur eine AGB war nicht zu finden ... Folgendes habe ich dazu getwittert:
Angebot bei#instagram mich als Künstlerin zu puschen. 10.000 follower + 6000 likes für 59.90$, legal. Für 100$ 20.000 / 24.000. Extrapaket 35.000#follower So also wird man#influencer. Geht natürlich auch auf anderen Kanälen.#nichtmitmir
So geht das also, überraschend billig übrigens. Die meisten Firmen dieser Art verkaufen einem schlicht Follower. Das mag auf den ersten Blick das Ego gewaltig pimpen, aber es hat fatale Konsequenzen. Das Hootsuite Blog hat es getestet und schreibt, was passiert, wenn man es tut - unbedingt lesenswert! Obige Firma also will den Schwindel undurchschaubarer machen, indem sie auch echte Likes verspricht, ja sogar Interaktion. Fehlt die bei hohen Followerzahlen, ist das nämlich der untrügliche Hinweis, dass dahinter eine Trollfabrik o.ä. steckt. Woher aber beziehen die Interaktion, die nicht von Social Bots kommt?
Da mir meine Kreditkarte selbstverständlich zu heilig ist für solche Recherchen, konnte ich nicht überall hinter die Kulissen schauen. Habe aber doch Verbraucherberichte googeln können und auf der Website Schlüsse gezogen. Und so funktioniert das:
Als Kundin kann ich über Premiumpakete (extra teuer) "Treuepunkte" sammeln. Ich bekomme aber auch Treuepunkte, wenn ich vorgeschlagenen Leuten (die irgendwo auf dem Firmenserver sichtbar sein müssten?) Likes schenke. Das wird dann auch in Tausenderbereichen gezählt. Treuepunkte wiederum haben einen - nicht einlösbaren - Geldwert. Kurzum: Ich kann für 10.000 Follower und 6000 Likes entweder knapp 60$ bezahlen - oder die Summe in Treuepunkten abarbeiten. Dafür muss ich einen Haufen Holz durchklicken! Und dann gibt es noch Leute wie diese Dame (ich fand auch einen Herrn mit ähnlichem Account), die ich mal freundlich als DrückerInnen bezeichnen möchte. Die bekommen für ihre Dienste auch irgendetwas.
Zwecklos, mich nach den Adressen zu fragen - ich habe natürlich alle bei Instagram gemeldet und blockiert. Viele tun das leider nicht.
Manche leisten sich nur mal 1000 Follower, um nicht "ganz blöd dazustehen". Andere langen saftig zu. Und es ist bekannt, dass viele Influencer, die heute mit diesem "Beruf" richtig fett Kohle verdienen, dank der Grauzonen überhaupt erst aufstiegen. Irgendwann hat man so viele Follower, dass keiner mehr genau hinschaut und alle automatisch folgen, weil Masse ja Klasse haben muss in der schönen neuen Welt des Scheins. Bei GeschäftspartnerInnen kann es dann allerdings schon mal in die Hose gehen, denn die sind oft kritischer. Peinlich, wenn sich dann plötzlich die Mehrzahl der Follower als Porrnobots oder russische Trollfabrik entpuppt. Da werden die meisten Fakeaccounts produziert. Denn die Vanity-Szene wird oft von den gleichen bestückt, die Sifftwitter oder Hassaccounts aufblasen oder gleich Wahlen beeinflussen wollen: braucht die gleichen Skills. Die Unterschiede zwischen Propaganda und Egoshooter-Werbung sind fließend. Und es kann selbst für Unbeteiligte gefährlich werden: Immer mehr Identitäten werden im Internet für solche Geschäfte gestohlen (s. Artikel unten in der NYT)!
Will man so etwas? Ich nicht. Aber ich will ja auch nicht schnell berühmt werden!
Das Thema wird und sollte uns jedoch auch beschäftigen, wenn wir gar nicht eitel sind - rechtsradikale Netzwerke arbeiten damit, Stimmungsmache bei Wahlen wird so organisiert. Wir sollten in allen Social Media Kanälen öfter mal einen genauen Blick darauf werfen, was für Follower, Liker und Kommentatoren Leute rekrutieren, die besonders laut oder wichtig erscheinen. Oft sind es nicht mal echte Menschen.
Lesetipps zum Vertiefen des Themas:
Vanity-Trolle
- Sie wollen Instagram-Follower kaufen? Das kommt dabei heraus! / Hootsuite
- The Follower Factory / The New York Times
- Fake Followers - Viel Schein in der Influencer-Welt / SFR
- Warum gekaufte Follower deine Influencer-Marketing-Kampagne ruinieren / FutureBiz
- Eine Instagrammerin rechnet mit Fake-Influencern ab / Gründerszene
- Wie du gekaufte Follower auf Instagram erkennst [5 Schritte] / Franziska Nazarenus
- We researched Russian trolls and figured out exactly how they neutralise certain news / The Conversation
- Russische Trolle für und gegen Merkel / Tagesschau Faktenfinder
- Das Phänomen Sifftwitter / SZ
- Mit den Trollen ums Datenfeuer tanzen / netzpolitik
- Informationen über die schlimmste Hasscommunity im Netz/ medium
Wer meine Arbeit und Recherche schätzt, darf sich gern bedanken. Mir vielleicht sogar eine Tasse Kaffee oder mehr spendieren (im Menu rechts "Wer liebt, gibt": die Spendentaste anklicken) oder Kunst bei mir kaufen. Ich reinvestiere garantiert nicht in Follower! :-)
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