Verpackungsmüll adé!

Kürzlich habe ich bei Nachbarn Müll schnorren müssen. Nicht nur, weil ich sowieso extrem müllarm einkaufe - zuweilen geht mir tatsächlich eine bestimmte Art von Verpackungsmüll aus. Kürzlich habe ich extra Plastikflaschen gekauft, weil ich neue Behälter fürs Atelier brauchte. Ist billiger und vernünftiger als der Gang in den Baumarkt. Und wer über den letzten Eierskandal nachdenkt, wird kaum wissen, wie wichtig Eierkartons für mich als Aufbewahrungsort für Rocailles-Tütchen sind! Verschlüsse von Flaschen und Dosen benutze ich zum Anmischen von Farben oder Leim, fürs Lackieren. Und wie ist das mit dem Recycling für die Schmuckstücke selbst?

Großflächige Schmuckstücke beginnen mit einem Kern aus Pappe oder Karton. Bei sehr dicken Stücken darf das schon mal Wellpappenkarton sein, der aber dann ummantelt werden muss. Kartons von Pizza, Zucker, Pasta - alles potentieller Schmuck! Komplizierte Formen fertige ich allerdings aus Aquarellkarton - das hat Gründe.

Als ich kürzlich von Munsell Color in den USA interviewt wurde, hieß es in der Einleitung:
Artist and author Petra van Cronenburg tells stories in paper, beads and strings, choosing materials that combine both sustainability and the luxury of traditional craftsmanship. The paper beads and art originate from “garbage”… old and damaged books, newspapers, magazines and packaging, and she sources non-toxic paint materials, natural materials and other found objects.
Warum aber gebe ich mit so etwas nicht ständig z.B. bei Etsy an? Was ist Recycling?

Darauf gibt es eine einfache Antwort: Der Begriff Recycling wird behördlich anders gehandhabt als in der Umgangssprache. Jedes Land schreibt in eigenen Gesetzen vor, was bei der Fertigung von Waren Recycling ist und was nicht. Darauf muss ich bei Produktbeschreibungen achten: Recycling ist es, wenn ich ein altes Buch vom Müll zerlege und verwende - nicht aber, wenn ich eigens ein Buch dafür kaufen würde. Von Recycling kann ich sprechen, wenn ich Verpackungsmaterial verwende, das ich sonst wegwerfen würde - nicht aber, wenn ich den uralten, auf dem Speicher gefundenen Zeichenblock zerlege, weil der noch nutzbar gewesen wäre. Eine Papierperle besteht aus Recyclingmaterial, wenn ich sie aus alten Büchern, Magazinen und Wegwerfpapier drehe, nicht aber, wenn ich dafür eigens Geschenkpapier oder Künstlerpapiere kaufe. Behörden mögen es kompliziert, auch wenn das dem Schutz der Verbraucher dient - wenden wir uns also einfach wieder der Lebenswirklichkeit zu.

Inzwischen habe ich ein feines Gespür für Verpackungsmaterial. Insgesamt gesehen wird es zunehmend dünner, besteht selbst aus mehr und mehr Recyclingmaterial. Man sieht auch an den Schnitten und Klebungen, dass Material eingespart wird im Gegensatz zu früheren Jahren. Das ist gut für die Umwelt, aber schlecht fürs Atelier. So kann ich z.B. Pizzakartons fast nur noch für sehr grobe, einfache Rohlinge verwenden, denn es schwemmt aufgrund des Altpapiergehalts extrem auf und wird nicht richtig hart. Dagegen liebe ich Zuckerkartons für sehr feine Stücke - sie sind dünn und sehr stabil. Kurzum: So gern ich solche Pappen verwende, manchmal gerate ich beim Recycling einfach an technische Grenzen.

Und deshalb fertige ich besonders edle Stücke, die auch noch modelliert werden müssen, aus mehreren Lagen Aquarellkünstlerkarton. Es handelt sich dabei um ein leider teures Ausgangsmaterial - aber es entwickelt fast perfekt die Eigenschaften von weichem Holz und macht beim Schleifen nicht schlapp. Schließlich müssen die Rohlinge eine gewisse Dicke bekommen, damit sich das Schmuckstück später auch in der Hand angenehm anfühlt.

Für Bestellungen muss immer wenigstens der Rohling auf Lager sein. So gibt es manchmal reine Schnippeltage. Noch benutze ich dazu Hand und Schere und keinen Lasercutter, denn der ist bei solchen Mengen nicht wirtschaftlich. Kleben allein macht natürlich kein Schmuckstück. Während des Verleimens mehrerer Schichten werden diese von Hand in Form modelliert und nach dem Trocknen erst einmal ordentlich geschliffen. Dafür habe ich eine kleine Scherenschleifmaschine umgebaut, die langsam genug läuft, um den Werkstoff nicht zu verbrennen. In Ecken muss ich dann schon mal mit der Handfeile.

Der Vorteil dieser Rohlinge liegt auf der Hand: Ich kann sie zum Schluss belegen, wie ich Lust habe (fast). Ob Notenpapier oder Buchpapier, ob Papier aus dem 19. oder dem 21. Jahrhundert. Ich kann Collagen fertigen, mit feinen Papieren einen Vintagestil imitieren, ja sogar Papier einkerben und vergolden! Auflagen auf Rohlingen lassen sich wie Papierperlen auch von Hand aquarellieren, mit Papierspitzen belegen oder durch Decoupage-Technik färben. Technische Grenzen entstehen dort, wo sich Papiere nicht für die Behandlung eignen (etwa weil sie selbst zu sehr behandelt sind), wo sich die Druckfarben in den Lacken auflösen würden oder etwas überhaupt nicht lichtecht wäre. Äußerst problematisch kann es mit Fotos werden. So etwas kläre ich bei Extrawünschen immer mit den KundInnen ab. (Übrigens öffnen alle Links hier zu Beispielfotos).

Ganz neu ist die Möglichkeit, das auch technisch im neuen Shop anbieten zu können! Früher musste ich auf Verdacht fertige Stücke verkaufen. Die gibt es natürlich heute auch für die Kurzentschlossenen. Aber jetzt kann ich z.B. diese Fibelbrosche auch individuell gestaltet anbieten: Schon beim Bestellvorgang sucht die Kundin ihr gewünschtes Design aus und kann dann per Privatkontakt über spezielle Wünsche mit mir reden.

So kann die Buchautorin sich ihre eigenen Texte aufmontieren lassen und der Verliebte eine Passage aus einem Liebesbrief, vorausgesetzt eben, die Papiere sind verwertbar und die Tinten haltbar. Denn das ist die ganz große Stärke bei akribischer Handarbeit: Die KundInnen wissen es zu schätzen, wenn man fern aller Massenware und Trends Wert legt auf das ganz persönliche Stück. Solch eine Brosche erzählt Geschichten! Dieser Schmuck gleicht übrigens selbst bei Kleinstserien nie einem zweiten Stück, weil es immer ein Original ist. Wie es sich gehört, kommt es mit Herkunftspapier und ist in einem solchen Fall auch signiert und gegebenenfalls nummeriert.

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