Wahnsinn und Erdung
Ich erzähle eigentlich eine uralte Geschichte. Aber sie verwirrt sich zunehmend mit der Gegenwart. |
Sucht man sich dann auch noch via Facebook oder Twitter Informationen zusammen, könnte man genauso gut an eine glühende Heizspirale fassen und richtig fest zudrücken. Wäre nicht unlängst der seelenrettende Weltkatzentag gewesen, es würde sich anfühlen wie der Kurzworkshop zu "Ich brauche jetzt dringend auch eine Depression, aber bitte heftig!" oder "Shaming, Schimpfen, Sch...". Selbst seriöse Zeitungen gefallen sich neuerdings in Meinungsartikeln über vermeintliche MeinungsmacherInnen, die eigentlich nichts anderes sind als arme Würstchen, die in einem Meinungsmedium aus Versehen etwas gesagt haben, dass andere mit Verve und bösartig zerpflücken, so dass auch aus der blödesten und hohlsten Nichtaussage Meinung wird.
Was jetzt - der Satz soll zu lang sein? Zerpflückt ihn, zerreißt ihn, nagelt ihn an die Wand! Oder nehmt ihn als den Versuch, klanglich abzubilden, wie sich mein Hirn nach solchen Lektüren fühlt. So ähnlich wurde wahrscheinlich der kleine Sticker erfunden, in dem jemand oder etwas mit dem Kopf gegen die Wand knallt. Meinungskotze - und keiner will sie aufwischen.
Am besten übrigens mit Selfies krönen, die so richtig schlimme Grimassen zeigen, gegen das gängige Schönheitsideal von Sexplastikpuppen, zumal die ja inzwischen auch schon als Missbrauchsopfer bedauert werden. Hoppla! Für beide Aussagen könnte ich bei FB schon wieder Blaming abbekommen, oder war es Shaming? Man kennt sich ja kaum mehr aus mit dem, was man früher besser bei sich behalten hat, um nicht die Umwelt zu verschmutzen.
Was ich eigentlich mit diesem Beitrag sagen will, weiß ich gar nicht genau. Aber ich lasse mich treiben, denke laut ins Unreine, lektoriere mich nicht - so ist das heute. Texte produzieren! Meinungsdurchfall.
Auf den Punkt gebracht leide ich eigentlich eher unter der Machtverstopfung zweier durchgeknallter Kerle, denen ein Furz verquer sitzt - und irgendwie haben sie das falsche Viagra gefressen oder die Plastikpuppe ist geplatzt. Man will es gar nicht so genau wissen, was die Welt derzeit an den Rand eines leider sichtbaren Abgrunds treibt und den Irrsinn in ungeahnte Höhen. Männer im schlimmsten Alter, nicht krankheitseinsichtig, würde der Psychiater sagen. Und wir können zwar Verwandte, Freunde und fremde Menschen um uns herum zwangseinweisen lassen, wenn sie für sich oder andere zur Gefahr werden, aber solche dürfen einer ganzen Welt zur Gefahr werden, ohne dass sich einer erbarmt, effektiv einzugreifen ... Kurzum: Ich verstehe es nicht mehr.
Beobachte mich dann wie so viele bei den kleinen Fluchten. Kann plötzlich verstehen, warum unter Hitler die Varietéfilme boomten und sich Vietnamsoldaten die Drogen gebündelt reinpfiffen. Im Nachbardorf kifft fast eine ganze Straße, inzwischen sind sogar schon aktive Kirchengemeindemenschen im Nebel des süßen Vergessens versunken. Für kurze Zeit hilft es denen offenbar, während ich auf ganz harten Drogen bin: Kunst machen und einmal die Woche Dr Who. Wenn dann wieder diese fiese Stimme reinblökt mit "exterminate" oder "fire & dingens", dann weiß ich wieder, wie schön es ist, davon zu träumen, dass Dr. Who dem Bösen raffiniert und intelligent, aber ziemlich nachhaltig den Garaus macht.
Was ich eigentlich sagen wollte? Auch die Kunst gerät mir immer öfter bis kurz vor den Abgrund. Ein Nichtdrandenken ist nicht mehr möglich. Und so habe ich für mein Sketchbookproject den ersten Motivtest für ein Cover gemacht - das selbstverständlich gezeichnet werden wird. Die Familie, die in die USA emigriert - und die Familie, die in Europa zurückbleibt - was passt besser als Mrs Liberty ohne Kopf! Auf dem linken Foto konstruieren Arbeiter das Innengerüst für diesen in den USA. Auf dem rechten Foto sieht man den vom französischen Schöpfer und Bildhauer Bartholdi bereits fertiggestellten Kopf, der vor der Verschiffung in einem Pariser Park ausgestellt wurde.
Mrs Liberty kopflos - und das Hirn im alten Europa, allerdings bewegungslos ohne Arme und Beine - da fallen mir dann viel zu viele Karrikaturen auf meine Jetztzeit ein und ich könnte jetzt noch anderthalb Meilen Meinung absondern. Aber meine LeserInnen können zum Glück selbst denken! Und so wünsche ich allen bis zur nächsten Landung einer rettenden blauen Telefonzelle: Ihr müsst nicht Facebookperfektionismus üben! Lebt. Intensiv. Sagt Leuten, die ihr liebt oder einfach nur mögt, nicht zu spät, dass dem so ist.
Und ich? Verschwinde in die Küche. Ich will wenigstens noch einmal im Leben ein belastetes Ei gegessen und einen Rotwein zu früh am Tag gesüffelt haben. Eigentlich interessiert mich jetzt für den Rest des Abends nur all das, was mein Hund uns Menschen vorlebt: Fressen, Spielen, Schmusen, Schlafen - und manchmal zwei Sachen davon auf einmal. Einfach mal all dieses Meinungsgelaber abschalten. Einfach mal zwei Stunden lang keine Meinung haben müssen, den Aluhut aufsetzen und selbstvergessen in Spaghetti Aglio et Olio rühren!
Falls wider Erwarten Spenden für mein Blog eingehen sollten (rechts im Menu!), werden sie ausschließlich in Drogen gesteckt, versprochen. Filzstifte und Rotwein. Falls völlig wider Erwarten noch größere Spenden eingehen sollten (ich sag's ja, ich schnappe über!), investiere ich selbstverständlich in Anteile am nächsten Armaggedöns oder in meine nächste Atomstromrechnung.
Gut gebrüllt Löwin!!!
AntwortenLöschenMerci, liebe Elli!
LöschenIch hab das auch fürchterlich gebraucht ;-)
Liebe Grüße!