Legal kaufen macht Mühe

Nun habe ich also endlich auch einen Reader, lese Papier wie E gleichermaßen gern und dicke Wälzer auf E noch viel lieber. Gefährlich, denn das Einkaufen per Reader verläuft so einfach und schnell, dass einem das Geld manchmal lockerer sitzen mag, als es sollte. Die Lust auf Bücher begleitet mich ja auf Schritt und Tritt.

Wie groß aber war mein Erstaunen, als ich feststellen musste, dass ich meine E-Book-Lust gar nicht so befriedigen kann, wie ich das gern hätte! 70% aller Bücher einer Einkaufsliste sind nicht als E-Books zu haben. Der Großteil der edlen und feinen Verlage entpuppt sich als E-Book-Verweigerer oder testet gerade mal mit ein paar gängigen Titeln herum, die mich nicht interessieren, weil mir das Gängige selten liegt. Soll ich dazu verdammt sein, nur Bestseller lesen zu können? Eben wieder: Sofia Tolstaja: Ein Leben an der Seite Tolstois, Insel-Verlag. Ein nettes Bändchen, das nicht unbedingt Platz im Regal wegnehmen muss und das ich so nebenbei mal verdrücke. Fehlanzeige. Als E-Book nicht zu haben.

Bis es als Taschenbuch bei mir im Briefkasten liegt oder ich mit den teuren Benzinpreisen und Parkhausgebühr nach Deutschland zum Buchhändler gefahren bin, der es auch erst bestellen muss - da hat mich die Leselust schon wieder verlassen. Werde ich zur Fast-Food-Leserin durch den Reader? Nein, ich habe schon früher viele Bücher nicht gekauft, weil sie zu umständlich zu haben waren. Es trifft dann immer die Lektüren auf der Liste "Könnte ich mir gönnen, muss ich aber nicht dringend lesen." Und es trifft Leserinnen, die wie ich auf dem platten Lande fernab jeder gutsortierten Buchhandlung leben.

Kommt gerade per Twitter ein Buchtipp aus dem Berlin Verlag herein. Orlando Figes' Buch über den Krimkrieg. 36 Euro gedruckt, ein mächtig dickes Buch. Mächtig dicke Bücher möchte ich auf meinen handgelenkschonenden Reader haben. Da kostet das Buch aber immer noch satte 34.99 Euro im Kindle-Shop. Das würde theoretisch heißen, dass Druck, Layout, Buchsatz, Papier und Papierlogistik nur einen Euro wert sind??? Oder umgekehrt ...? Lade ich das E-Book aus den USA in der deutschen Fassung herunter, kostet es mich 17,34 $. Aber hoppla. Da steht die englische Originalfassung: 8,99 Euro (nicht Dollar)! Das ist doch mal ein Wort. Seit ich meinen Reader habe, lese ich plötzlich wieder englischsprachige Bücher. Nicht nur wegen der häufigeren Verfügbarkeit. Aber 34.99 Euro gebe ich nicht für eine E-Book-Version aus, die mir "körperlich" ja noch nicht mal gehört, die ich nicht an meine Freunde verleihen kann, die mir so viel weniger gibt als Papier.

Und dann kommt der wahre Schrecken. Viel mehr interessiert mich nämlich ein anderes Buch von Orlando Figes: Natasha's Dance. Es interessiert mich so sehr, dass ich es sofort, im Moment, kaufen möchte und sofort, jetzt gleich, lesen. Die deutsche Fassung muss ich beim Buchhändler gar nicht erst suchen. Er hat so etwas nicht. Die Printpreise der unterschiedlichen Sprachen variieren gar nicht so sehr, so dass ich mir das bequemere deutsche Buch zulegen könnte. Ich will es aber jetzt, auf den Reader. Keine Chance. Auch Google Books verkündet: Nicht als E-Book erhältlich. Warum eigentlich nicht? Zumal ich das andere vom gleichen Autor, das mich weniger interessiert, doch auch haben kann?

Ich suche bei Google nach Autor und Name, ob es nicht vielleicht in einem anderen Shop zu haben ist, vielleicht in einem anderen E-Book-Format. Schon auf den ersten Positionen werde ich zugeschüttet mit Shops, die mir sämtliche Formate anbieten, die ich mir nur wünschen kann. Die mir das Buch auch noch schenken wollen. Es ist verrückt. Weil die Verlage mich als E-Book-Leserin im Stich lassen, komme ich überhaupt erst auf diese Suchidee. Ich gebe nur Autorenname, Titel und das Wort "ebook" ein. Ich suche nicht nach illegalen Möglichkeiten, ganz bestimmt nicht. Doch Google spuckt weder Verlage noch Amazon aus. Mindestens fünf "Filesharing"-Seiten bieten mir das gewünschte Ebook nur einen einzigen Mausklick entfernt an, auf Englisch, auf Deutsch. Eine davon lenkt mich sogar automatisch auf das Portal im eigenen Land um.

Es handelt sich natürlich um illegale Downloads. Und die werde ich mir wohlweislich verkneifen. Und genau das ist das, was mich so schockiert. Ich muss es mir aktiv verkneifen! Ich werde damit konfrontiert, ob ich will oder nicht. Ich muss sauber bleiben, moralisch bleiben und entscheiden: NEIN. Obwohl es so einfach ist. Jedes gewünschte Buch einen Klick weit entfernt.

Nun könnte man natürlich wieder jammern über die illegale Szene, die Verbrecher und die bösen User, die sich im Gegensatz zu mir verführen lassen. Die Sache ist kriminell, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und Piraterie sollte auch weiterhin als kriminell gelten. Wo aber liegt die Hemmschwelle beim User? Was würde ich tun, wenn ich ein Buch dringendst zur Recherche bräuchte und es anders nicht zu haben wäre? Ab wann würde ich weich werden? Würde mich das HADOPI-Gesetz in Frankreich ausreichend abschrecken, weil ich dort verknackt werden kann, wenn ich erwischt würde? Wer hat diese Hemmschwelle nicht, weil er kein Autor ist, nicht um die Schäden weiß, die er allen Beteiligten zufügt? Jammern hilft nicht. Google breitet uns die illegalen Verführungen auf den ersten Positionen aus.

Es ist meiner Meinung nach höchste Zeit, dass die Verlage ihren Hintern hochbekommen und endlich mit der Zeit gehen! Ich will im E-Book-Shop nicht nur Trash und Bestseller finden, sondern auch gute Bücher, feine Verlage - all die Lektüre, für die sich die Kettenbuchhandlungen schon längst nicht mehr fein genug sind. Und diese Lektüre will ich zu einem angemessenen Preis für ihre äußere Form erstehen. Welchen Wert bitteschön soll denn ein Papierbuch noch haben, wenn man es nur einen einzigen Euro teurer als das E-Book verschrottet oder gar billiger herauswirft! Ja. Richtig gelesen. Nicht wenige deutsche Verlage bieten ihr Papierbuch sogar billiger als das E-Book an! Bitte nicht falsch verstehen - ich halte auch nichts von Selbstverramschung à la 99 Cent oder 2,99 E. Aber warum kann ein amerikanischer oder englischer Verlag, der Print genauso teuer verkauft, E-Books zu vernünftigen Preisen anbieten?

Natürlich kaufe ich mir nachher neue Lektüre für den Reader. Es wird ein amerikanischer Thriller werden. Im Deutschen fast so teuer wie im Print. Im Amerikanischen als E-Book knapp über 10 Euro. Die Bildung muss eben noch warten. Bis ich mal wieder auf Bücher im Briefkasten warten mag. Oder beim Buchhändler bestelle und dafür 80 km fahren kann. Bis ich wieder Geld übrig habe, das ich nicht in E-Book-Schmonzetten stecke. Bis es die deutschen Verlage ihren Kundinnen und Kunden endlich endlich leicht und bequem machen, auf legale Weise jedes gewünschte E-Book zu kaufen.

Davon träume ich. Immerhin, meine Englischkenntnisse haben sich seit meinem Reader-Kauf gebessert. Das ist doch auch schon mal was. Damit spare ich Leute wie mich kaputt, die ihren Kühlschrank mühsam mit der harten Arbeit der Übersetzerin füllen müssen. Und warum? Weil ich mir beim E-Book mit meinen Honoraren keine verrückten Hardcoverpreise leisten kann und will. Killing you softly. So verrückt ist der Markt schon. Mit der eigenen Birne gegen die Wand. Eines Tages kann ich womöglich nicht mal mehr die Bücher kaufen, die ich selbst übersetzt habe. Ach ja, stimmt ja, das letzte gibt es natürlich auch nicht als E-Book...

10 Kommentare:

  1. Ich finde, ein ebook kann sogar eine gute Werbung für die Printausgabe sein. Denn mir ging es ab und zu so, dass ich es nach dem Lesen auf dem IPad, auch als echtes Buch haben wollte.
    "Fasznation Nijinsky" ist zum Beispiel eines, das ich lieber "in echt" habe. Manche meiner Bücher lege ich nämlich gern in meinen Kursen aus.

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  2. Wenn die großen Medien endlich mal aus ihrer Wochenendhöhle kämen, um die gegenwärtigen Möglichkeiten tatsächlich zu nutzen (und vielleicht sogar - Schock! - ein kundenfreundliches Angebot draus zu machen), würde sich dieser ganze Berg an illegalen Angeboten ziemlich schnell in Bedeutungslosigkeit verlieren. Komplett verschwunden würde er natürlich nicht (dazu gibt es einfach a) zu viele Geizkragen und b) zu viel, was einfach nur noch auf diesem Weg zu haben ist), aber es ist doch schon lächerlich, wieviel Geld tatsächlich in die Bekämpfung der digitalen Piraterie gesteckt wird, anstatt mit dem gleichen finanziellen Aufwand ein digitales, bezahlbares Verkaufsnetz aufzubauen. Ich liebe meinen eBook-Reader, aber manche Bücher will man natürlich trotzdem lieber im Regal stehn haben. Aber für das, was man "nur so" liest, muss man jetzt kein Papier mehr verbraten. ^^

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  3. Bin auch eine Doppelkäuferin. Bücher, die ich unbedingt besitzen und öfter lesen möchte, kaufe ich nach Bibliotheksbesuchen oder digitaler Form zusätzlich auf Papier. Eben, eil ich dann davon überzeugt bin.

    Ich habe für den Nijinsky ja extrem viel in Digitalisaten recherchiert (dank ausländischer Unis und Nationalbibliotheken). Ergebnis: Ich habe mir alle wichtigen Bücher dann überall auf der Welt auf Papier zusammengesucht und gekauft. Kein einziges davon war mehr im deutschen Buchhandel zu bekommen - einschließlich der Tagebücher und der Biografie Nijinskys von Suhrkamp-Insel. Immerhin hatte der Verlag noch ganz nett Exemplare in irgendeinem Regal gefunden.

    Und danke für das Kompliment, das ehrt mich! :-)

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  4. Diandra,
    hier in Frankreich mache ich mich ja strafbar durch illegale Downloads, darauf steht Kappen des Internetanschlusses bis hin zu Gefängnis, je nach Menge.
    Ich habe deshalb meinen Augen nicht trauen wollen, als nun in Frankreich eine Studie über die Effektivität von Hadopi erschien, absolut seriös. Tenor: Es ist eine einzige Grabstätte für Steuergelder und packt nur die kleinsten Fische. Noch verrückter aber war ein anderes Ergebnis: Die Leute, die sich in der "Szene" herumtrieben, gaben gleichzeitig am meisten für legale Inhalte (Musik, Spiele und Bücher) aus - mehr als normale Kunden. Und sie waren bereit, noch mehr in legale Inhalte zu investieren, wenn diese 1. leicht verfügbar / downloadbar wären und 2. zu angemessenen Preisen zu haben wären.

    Ich hoffe doch sehr, dass die Branche schneller aufwacht als die Musikindustrie. Es ist fünf vor zwölf.

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  5. Liebe Petra,
    ich habe gerade am Wochenende das Buch "Nataschas Tanz" in der Hand gehabt. Eine Freundin hat es hier gekauft: http://www.bpb.de/die_bpb/
    Vielleicht wäre das ein Tipp für Dich, wenn Du wert darauf legst, es billig zu kaufen. Ich werde es mir auch zulegen. Er schreibt so schön über die "russische Seele", wie ich beim Überfliegen sehen konnte.
    LG

    Henny

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  6. Liebe Henny,
    das ist ja mal ein toller Tipp, danke! Nicht so sehr wegen billig (die 14 $ für das Buch würde ich auch ausgeben), sondern weil ich da gerade noch anderes Hochinteressantes für meinen "Brotjob" gefunden habe. Klasse.

    In diesem Fall hätte ich einfach gern gleich das E-Book gehabt und verstehe nicht, warum vom Autor anderes als E-Book zu haben ist, das aber nicht. Aber genau dieses Buch klatscht mir Google dann in allen nur wünschbaren Formaten von Piratenbörsen rein. Und so oft ich diese Tipps dann auch noch in Fachforen und bei themenrelevanten Diskussionen im Web finde, muss der Bedarf an diesem Buch als E-Book tatsächlich vorhanden sein. Ohne es zu kennen, würde ich mal ein Referenzwerk, ein Standardwerk darunter vermuten.

    Ist mir kürzlich erst mit einer Printausgabe eines hochwichtigen Standardwerks für die Forschung passiert, das in Nullkommanichts vom Verlag verramscht worden ist. Kein Titel, den Tante Erna sich als Bettlektüre kauft, aber ein Titel, an dem man bei einem bestimmten Thema nicht vorbeikommt. Keine E-Fassung. Muss man jetzt im Antiquariat suchen.

    Übrigens gibt es Nijinskys Tagebücher, Weltliteratur, im Original - falls man da tiefer forschen möchte - ganz ausschließlich kostenlos auf einem schwiemeligen russischen Server... Die Holländer waren da schlauer. Dort erschien 2009 ein Roman über Nijinsky und dazu hat man die Tagebücher neu aufgelegt. Die gab's dann im Doppelpack mit dem Roman zum Sonderpreis. Hat sich beides verkauft wie geschnitten Brot.

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  7. Ich hatte ja länger überlegt, ob ich mir einen eBook Reader hole - vor allem, weil ich die Preise (wie hier angesprochen) nicht OK finde und immer noch zu viel DRM verwendet wird.

    Nun habe ich es doch getan und bereue es nicht - ich lese jetzt wieder mehr, denn ich habe meine Liebe zu Science Fiction entdeckt. Dort ist das Angebot meiner Meinung besser - preislich, aber ach die Anzahl der Bücher. Aber ich habe auch festgestellt, dass da nun viel mehr Bücher von "Amateuren" landen, die wohl nie ein gedrucktes Buch herausgebracht hätten. Dagegen will ich auch gar nichts sagen, denn da sind echt gute Bücher bei, nur gibt es da viel mehr Rechtschreibfehler etc.

    Das Problem, dass es von manchen Büchern keine eBook Version gibt, habe ich auch schon festgestellt - aber auch, dass es von diesen oft eBooks gibt, die man nicht auf legalen Wege bekommt. Und wenn man sich die Kommentare in den Foren durchliest, dann ist die Qualität dieser eBooks auch sehr gut.

    Bei Sachbüchern sieht das Angebot aber noch schlechter aus. Da hätte ich ein paar Exemplare gerne als eBook Version - gibt es aber oft nicht. Und wenn es diese gibt, dann kostet die genau so viel, wie die gedruckte Version - vor allem lustig, wenn sie noch 1 Cent mehr kostet...

    Zu DRM: Was ich vorher nicht wusste: Die Verlage legen selber fest, ob DRM verwendet wird - dachte das ist bei so gut wie allen eBooks so (zumindest bei Amazon). Mit erstauen habe ich festgestellt, dass nur ca. die Hälfte meiner eBooks mit DRM gesperrt wurden.

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  8. Christoph,
    wenn man illegale E-Books von Büchern bekommt, die eigentlich gar keine E-Book-Versionen haben, dann werden die aus illegal gemachten Scans der Druckversion hergestellt, darum die "Qualität", die ja vom Verlag kommt.

    Self Publishing: Empfehle ich immer die schönen langen Leseproben für den Reader, da bekommt man schnell mit, was professionell gemacht ist und was nicht. Letzteres ist durchaus zu haben aber schwer zu finden.

    Tja, die Sachbücher, wirklich schade ... Ich werde meine Bücher übrigens ohne DRM anbieten, weil ich selbst schon am DRM gescheitert bin, als ich ein Buch, das ich online mit der App auf dem Computer gekauft hatte, blauäugig auf meinen Reader transferieren wollte und der mir sagte, der Inhalt sei gesperrt, ich solle das nochmal kaufen. Zwar konnte ich das nun ausschalten, indem ich beide Geräte gleichzeitig in einem Shop registriert habe, aber wenn mir der Computer kaputt geht, habe ich die Freude wieder...

    @Henny
    Die BPB hat jetzt richtig Geld an mir verdient. Danke für den Tipp!

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  9. Dazu soeben:

    http://www.heise.de/tp/artikel/36/36265/1.html

    LG D.

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  10. Danke! Mein Blog ist ja mal wieder aktueller, als die Presse erlaubt ;-)))

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