Bilbo von Butterblum, mein Inspirational Manager und wunderbarstes Mitwesen. |
"Salut le chien", "grüß dich, Hund", hörte ich heute Morgen mal wieder. Eine Gruppe jugendlicher Wanderer grüßte Bilbo und freute sich daran, das der senkrecht auf zwei Beinen am Tor stand und sie mit einem Dackelblick bezirzte. Das macht er oft, wenn ihm Menschen sympathisch sind, ihn sogar ansprechen, die offenbar auch nichts Böses wollen. Für letztere hat er allerdings ein sehr feines Gespür: Kommt der Mann, der sein Pferd schlägt, auf seinem Sonntagsspaziergang vorbei, wird er von einer Bestie verbellt, die mindestens vier Meter groß zu sein scheint. Bilbos Empathie geht so weit, dass ich auch schon nachts aus dem Bett gezerrt wurde, weil irgendwo weit weg ein Zicklein vergeblich nach der Mutter schrie.
Das ist das Komische an ihm: Eigentlich müsste er vom Charakter her ein Spür- und Jagdhund sein. Ist er auch. Er braucht täglich Herausforderungen im Spurensuchen. Und für Waldgänge habe ich ihn gut erziehen müssen. Er käme nie auf die Idee, dass Wildschweine essbar wären, schleckt sich aber beim Anblick einer Ente das Maul, selbst wenn sie am Himmel fliegt. Über Enten weiß er irgendwie Bescheid. Er beobachtet ihren Flug genau.
Nachbars Ziegen und Schafe, an die ich ihn schon als Welpe gewöhnt habe, scheinen dagegen so etwas wie eine fremdsprachige "Hunde"-Meute für ihn zu sein. Er versteht ihre Gesten nicht immer oder dass sie nicht mit "wuff" antworten können. Aber wenn es einer schlecht geht oder die Bande ausgebüchst ist und von einem Möchtegern-Hirtenhund nach Hause getrieben werden soll, da ist er Spezialist. Der Besitzer, den ich schon öfter mal im Notfall angerufen habe, grinst nur. "Hat's der Hund gemerkt, gell?", sagt er nur.
Zwei von der Ersatzmeute: Ziegen. |
Bilbo will nie einfach nur an den Weiden vorbei, sondern die Meute begrüßen. In der Sommerhitze derzeit gibt es für ihn nichts Schöneres, als mit mir Seite an Seite direkt am Zaun zu sitzen, während die kleinen Zicklein neugierig an seiner Nase schnuppern oder ich trockenes Brot mit ihnen und ihm teile. Oder saftige Kräuter zupfe und herüberreiche. Während der totalen Ausgangssperre haben wir das intensiv gemacht. Ich vergesse die Zeit und alles Drumherum und fühle mich als ein Wesen unter Mitwesen. Wir alle sprechen andere Sprachen, aber Fremdsprachen kann man lernen.
Was ich gestern mit Bilbo erlebt habe, war dann einfach nur noch zauberhaft. Ein abendlicher Gang und ich sah schon am Hang gegenüber, dass etwas anders war als sonst. Um diese Zeit muss ich sehr mit Wild aufpassen. Aus den Maisfeldern brechen manchmal unversehens Rehe und irgendwo ist ein Fuchsbau. Fuchs und Hund funktioniert gar nicht. Dank Bilbo habe ich gelernt, ihn zu riechen. Was aber war das Weiße? Viel zu klein für Kühe. Dann erkannte ich es: eine Storchenfamilie. Sie kommen manchmal bis zu uns und sie waren zum Glück weit weg, am anderen Hügel.
Plötzlich hielt Bilbo seine Nase schnüffelnd in die Luft, intensiv. Man konnte am Weg zwischen Maisfeldern erkennen, dass die Wiese dahinter endlich gemäht worden war. Ein Mäusejagdparadies! Aber schnüffelt man für Mäuse nach oben?
Als die Felder sich teilten und den Blick freigaben, bin ich vor Staunen erstarrt. Hatte erst einmal Mühe damit, den Hund zu halten, der lossprinten wollte. Ich wollte sie nicht verscheuchen. Blieb stehen und machte Bilbo begreiflich, dass er das gefälligst auch tun sollte - und still sein. Wir bewegten uns dann in Zeitlupe, aber sie schauten uns nur neugierig an, stolzierten ein paar Schritte. Knusperten auf der Wiese. Ich setzte mich langsam und vorsichtig hin und Bilbo setzte sich neben mich wie Snoopy auf diesen Bildern mit Charly Brown, wenn sie gemeinsam den Mond anstaunen.
Ich habe so etwas noch nie erlebt: Etwa 50 Meter von uns entfernt standen 18 Jungstörche, noch mit dunklen Schnäbeln, und ein Graureiher. Sie flogen nicht davon, nachdem sie uns eine Weile beäugt hatten.
Bilbo löste sich auf. So nenne ich den Zustand, den ich von meinen Huskies früher gelernt habe. Alle Tiere, die jagen, können das: Sie verschmelzen so mit ihrer Umgebung, manchmal sogar geruchlich getarnt, dass sie anderen Tieren kaum auffallen. Es ist der Zustand, den Wildtiere auf der Pirsch annehmen, nur dass Bilbo wirklich brav einfach nur staunte. Er kannte Störche allenfalls aus seiner Welpenzeit, als ein Storchenpaar immer parallel zu uns auf der Wiese nach Nahrung suchte.
Ich löste mich ebenfalls auf. Ich kann den Zustand schlecht beschreiben. Man vergisst sich selbst, die eigene Existenz, verschmilzt mit der Natur drumherum und ist einfach nur noch Sinneswahrnehmung. Man riecht intensiver, schaut, hört, fühlt ... und manche Gerüche sind so intensiv, dass man sie sogar schmeckt.
Ich weiß nicht, wie lange wir neben den Störchen saßen und ich diesen wunderschönen Anblick der graziösen Tiere genoss. Irgendwann hatte sich die kleine Gruppe am anderen Hang auf eine andere Wiese begeben und jetzt flog der erste von der Jungstorchengruppe auf, in Richtung der kleinen Gruppe. Einer nach dem anderen hob langsam ab, streckte die Füße nach hinten - sie flogen recht knapp und direkt über unseren Köpfen. Ich konnte das Flappflapp ihrer Flügel hören, den Luftwiderstand. Manche von ihnen blickten mir direkt in die Augen.
Danach grasten sie alle gemeinsam am Waldrand. Bilbo, der völlig ruhig gesessen hatte, schaute mich an, wir waren uns einig, drehten stracks um nach Hause. Nach so viel Staunen war wildes Spielen angesagt. Und ein prächtiges Abendessen.
Ich genieße deine Bilbo-Beiträge ja immer, aber das hier klingt nach einem ganz besonders schönen Erlebnis. So viele Störche!
AntwortenLöschenEs war wirklich absolut magisch. Mich hat es regelrecht hingesetzt auf der Wiese, stumm und staunend.
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