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15. August 2019

Von Flöhen lernen

Während das ganze Land im eigentlich uralt heidnischen Feiertag schwelgt, sitze ich fleißig am CMS-System eines Kunden im Arbeitsländle. Kontrastprogramm zum ländlichen Markt, aber ich bin heilfroh, dass es so gekommen ist. Ich habe mir nämlich sagen lassen, dort hätte es heftig geschüttet bei 14 Grad. Meinem Schmuck hätte das nichts ausgemacht - außer an Lederteilen, die mögen Wasser auch nicht. Aber meine Kunst hinter Glas wäre aufgequollen. Und das hat mir mal wieder die Augen geöffnet!

So ein Inspirational Manager weiß ganz genau, was wichtig ist im Moment, und wenn es Sch... ist. ;-)


Ich habe festgestellt, dass ich immer noch in die alte Falle von Verhaltensmustern falle, die mir als Kind antrainiert wurde: die Erwartungen anderer zu erfüllen und eine Sache möglichst gut zu machen. Sei es, weil ich mich irgendwie verpflichtet fühle oder der Esel eine Karotte vor der Nase sieht. Damit ist nun Schluss, auch eine alte Eselin lernt dazu. Und so habe ich beschlossen, dass ich schlicht nicht der Typ bin für Märkte unter freiem Himmel oder in Hallen. Als Besucherin sehr, als Ausstellerin oder Händlerin: definitiv nein.

Durch die Doppelbelastung zwischen Brotjob und Atelier (und leben will man ja auch noch), die Hitze obendrein, habe ich mich an den Rand der Erschöpfung gearbeitet. Beigetragen hat auch eine Flohattacke auf Bilbo mit all ihren Folgen; täglich alles absaugen, wo er liegt, bis das Mittel endlich wirkt - und danach auch noch. Das nimmt Zeit. Ich würde mich am liebsten heute neben ihn hinlegen und schlafen, einfach nur schlafen, viel schlafen ...

Es ist mir jetzt herzlich wurscht, ob ich "sichtbar" bin, indem ich irgendwo Prospekte verteile und Zeug zeige, ich habe ja Kundschaft. Und meine ganze Arbeit und das Feedback zeigen mir, dass ich in die Kunstveranstaltungen gehöre, nicht neben Salami und Knöpfe. Mehr fokussieren, deutlicher den eigenen Weg gehen. Das gilt auch für Wettbewerbe.

Als Noname in der Branche muss man mal bei welchen mitgemacht haben, es gehört ins Portfolio. Und als Quereinsteigerin machen sie sich gut, weil man ja kein Fachstudium in Kunst oder in der Modebranche vorweisen kann. Aber es läuft ganz genauso (wenn nicht sogar extremer) wie bei Literaturwettbewerben. Es gibt extrem wenige, die wirklich großes Renommé bringen. Dass ich bei Preciosa Ornela in den Nominierungen gezeigt wurde und hoch nach oben rutschte, ist z.B. mehr wert als ein erster Preis bei XY, weil es weltweit der Marktführer ist.

Also muss man sparsam und gezielt schauen. Und es gibt jede Menge Ausschreibungen, die nur denjenigen nutzen, die die Ausschreibung machen: Sie bekommen Vorleistung, greifen gute Ideen ab und lenken sämtliche Werbung auf sich selbst. Da gibt es auch sehr schwarze Schafe, die sich vorher alle Designrechte sichern - diesbezüglich bin ich zum Glück schon als Buchautorin mit allen Wassern gewaschen, um sie zu vermeiden. Man muss schon sehr genau hinschauen bei diesen Wettbewerben, was einem wirklich selbst nutzt und was nur anderen.

Irgendwie fühlen sich solche Selbsterkenntnisse befreiend an, wenn es auch leider manchmal lange dauert. Diese Frage: Was will ich eigentlich? Wenn ich die gut beantworten kann, fällt mir auch ein, wie ich dahin komme. Und dann muss ich auch die Ohren öfter mal stur auf Durchzug schalten, wenn wieder mal irgendwer den ultimativen Ratschlag haben will, wie man dahin kommen könnte. Entscheidungen sind einsam zu treffen. Ohne Verblendung.

Eben wieder bei Instagram erlebt: Eine Seite (unterstes Influencerlevel) lobt mich für meine Paper Art Schmetterlinge und verspricht "we feature you!". Das kostet Geld, natürlich. Warum sagen die Typen heutzutage nicht offen: Wollen Sie eine bezahlte Anzeige bei uns schalten? Dann würde nämlich jeder vernünftig denkende Mensch sagen: Wenn ich Anzeigen schalte, suche ich mir nach Zielpublikum und Effekt aus, bei wem ich das mache und lasse mich nicht anbetteln! Die ganze Seite solcher Influencer besteht aus bezahlten Anzeigen, selbst steuern sie nichts bei außer einer Kontonummer. Viel wichtiger war mir, dass eine ganz wunderbare Künstlerin den Beitrag völlig still einfach nur likte. Sie ist eine absolute Paper Art Könnerin, die ich sehr bewundere. Und dann weiß ich einfach nur: Ich bin auf dem richtigen Weg. Nicht, dass ich auf Likes viel geben würde, aber sie macht das extrem sparsam. Dann ist es für mich glaubhaft.

Langer Rede kurzer Sinn: Es ist wichtig, sich immer wieder mal wie der Inspirational Manager ins flauschige Schnarchparadies zurückzuziehen, einfach mal nichts zu tun und sich beim Hinlegen öfter um sich selbst zu drehen. Auf sich selbst zu schauen: Was will ich, was ist mir wichtig? Welchen Weg mag ich dahin gehen und welchen nicht? Wenn Bilbo einer Wildschweinfährte folgt, lässt er sich von keiner Karotte der Welt ablenken.

So pappt nun ein Achtung-Schild vor meinem geistigen Auge: Kunst! Nur nicht von Flöhen ablenken lassen! Und für den Winter will ich mal in Angriff nehmen, mich in die komplizierten Gegebenheiten eines eigenen Shops einzulesen. Ich hab das bisher wegen des Risikos gescheut, aber ich will auch hier unabhängiger werden. Maßanfertigungen werden eh schon direkt bei mir bestellt, per Mailkontakt. Aber ich bemerke auch, wie schwer sich manchmal Menschen tun ohne Fotos und Vorstellhilfen, wie etwas ausehen könnte.

Es steht dann ohnehin eine Großbaustelle auf der Website an. Sie ist schon wieder veraltet und hat Macken. Zumindest eine Zentralseite muss mehrsprachig werden. Das Design steht schon im Kopf. Und da wäre ich dann bei einem anderen Projekt: Ich will wieder englisch schreiben.

Zufällig fielen mir vorgestern uralte Briefe in die Hände. Sie kamen von der amerikanischen Verwandtschaft, ich war etwa fünfzehn. Und wurde gelobhudelt, wie fließend ich englisch schreiben würde. Nun lobhudeln die Amerikaner gern, aber eine Cousine hat damals meine Briefe als Unterrichtsmaterial benutzt für Gleichaltrige - im Fach Englisch. Weil ihre SchülerInnen allesamt schlechter seien. Mir fiel dann wieder ein, wie ich in Warschau für eine amerikanische Zeitung gearbeitet hatte. Die lobhudelten nicht einfach, die druckten das Zeug ab. So fragte ich mich, wieso ich das alles habe brachliegen lassen außer dem Sprechen und dem bißchen Schreiben im Internet.

Ich werde dann, wenn die Zeit reif ist (äh, ich Zeit zum Installieren habe), ein zweites Blog aufmachen, auf Englisch. Soll's ruhig fehlerhaft sein, aber so komme ich wieder in Übung.

Die Pause ist zuende, es geht wieder ans Content Management System. Ich suche ja immer nach einer passenden Berufsbezeichnung, was ich da mache, mein Kunde hat das nun ganz nett so benannt: Das "Petra-Rundum-Sorglos-Paket". Eine Spezialität von mir.

Ach ja, falls jemand fragt, ob jetzt nicht die Sommerpause bei Facebook zuende wäre: Ich gehe da nicht mehr zurück. Ich bin weder süchtig noch sehe ich irgendeinen Sinn darin. Irgendwann blogge ich mal einen Abschlussbericht, der zeigen soll: Die Leute, die einem wichtig sind und denen man wichtig ist, verliert man nicht aus den Augen. Und bei allen anderen war's oft nur der Schein von Kommunikation. Man kann ja auch unmöglich Hunderten nahestehen. Es tut gut, weniger Kontakte zu intensivieren, aus der Oberflächlichkeit herauszukommen. An die Arbeit, allons-y!

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