Gefilztes Papier und Gewölle

Ich LIEBE es, neue Techniken in Sachen Paper Art zu lernen. Die Japaner sind heute noch weltweit führend, was traditionelle Techniken rund ums Papier betrifft. Da kann man sich auch schon mal festlesen ...

Handgeschöpftes rotes Kozo Papier kombiniert mit einem Eco Print von Blättern aus meiner neuen Kollektion Tribal Zen. Mehr Fotos hier. (C) by Petra van Cronenburg

Gesucht hatte ich nach einer Technik namens Joomchi - Papier wird dabei sozusagen gefilzt und ist nachher einem Filzstoff oder Leder ähnlicher als Papier. Das funktioniert nicht mit jedem Papier, es muss handgeschöpftes Papier aus den Fasern des Papiermaulbeerbaums (Broussonetia papyrifera) sein. Das wird auch heute noch wie vor Hunderten von Jahren von Hand in ganz Asien hergestellt, mit Zentren in Korea, Japan und Thailand. In Korea heißt es Hanji, in Japan Kozo (Tesuki Washi = handgefertigtes Papier). Ich verwende für meinen Schmuck z.B. solches Kozo-Papier. Es ist so stark, dass man es kaum reißen kann und fühlt sich im Schmuck fast wie feines Leder an.

Bei Joomchi passieren hauptsächlich zwei Dinge: Das Kozo-Papier wird gewässert und mit den Händen traktiert, geknetet und geschlagen. Oft stundenlang. Es verbindet sich dabei mit anderen Papierschichten ohne jeden Leim und ist nachher so beständig, dass man sogar Kleidung daraus schneidern kann.

Und dann wurde es abenteuerlich. Es gibt nämlich für diese Papiere auch traditionelle japanische Formen des Eco dyeing - so nennt man das Färben und Drucken mit Naturfarbstoffen. Einer dieser Farbstoffe für Papier ist in Japan der Saft von Kakifrüchten. Vor allem eine Technik sticht dabei heraus, die man schon früh für Buchcover verwendet hat: Das Papier sieht aus wie Leder, fühlt sich fast an wie Leder. Wie kann das funktionieren? Im Westen stellt man sogenannte "fabric paper", eine Mischform aus Stoff und Papier her, die zur Verbindung Polymere brauchen. Kann das ohne Polymere funktionieren und wie?

Also bin ich eingetaucht in die Biologie: Kakis sind je nach Sorte stark tanninhaltig, das ist ideal zum Färben und Beizen. Tannine (natürliche Gerbstoffe) machen nicht nur Naturfarben haltbarer, sie können sie auch beim Färben und Drucken verändern. So wurden z.B. die Blätter auf dem Foto oben fast blauschwarz - weil ich das Papier vorher mit pflanzlichem Tannin gebeizt hatte. Setzt man nun dem Kakisaft eine leichte Säure zu, beginnen sich seine Bestandteile in natürliche Polymere umzubauen! Natürliche Polymere sind Grundbausteine allen Lebens, Proteine zählen dazu oder Zellulose und Chitin. Unsere Haare sind aus Polymeren aufgebaut. Synthetisch hergestellte Polymere sind der Grundbestandteil von Kunststoffen. Und da haben wir das Geheimnis der lederartigen Buchrücken gelüftet: Das Papier ist sozusagen mit natürlichem Kunststoff regelrecht verschmolzen, den man durch alte Handwerkstechnik künstlich aus den Kakis aufgebaut hat!

Übrigens kann das auch beim Essen passieren - und das ist weniger gemütlich. Wenn man nämlich zu viele  Kakis mit Schale oder unreif verspeist, können sich im Magen durch die Magensäure Klumpen bilden, Polymerbollen, sogenannte "Phytobezoare". Bezoare kennen wir alle - so nennt man auch das Gewölle, das Raubvögel hochwürgen, oder das, was Katzen hervorwürgen. Ein Bezoar ist ein unverdaulicher Klumpen, der sich im Magen bildet, ein Phytobezoar ist pflanzlichen Ursprungs. Erstaunlicherweise soll der Genuss von Cola, rechtzeitig eingenommen, das Schlimmste verhindern helfen. Cola löst also Polymere auf ...

Dass ich dann mit den üblen Klumpen, die Darmverschluss bewirken können, unweigerlich wieder beim Schmuckmachen landete, hätte ich mir weniger erträumt. Tatsächlich galten diese Klumpen, die man sich in grauen Vorzeiten nicht erklären konnte, als magisch und als Heilmittel gegen alles mögliche. In der chinesischen Medizin nimmt man noch heute die Bezoare zu sich, die normalerweise töten können. Reich verziert, als wertvoller magischer Schmuck sind sie z.B. in der Schatzkammer der Wittelsbacher in der Münchner Residenz zu sehen, hier ein Foto. Dieses Foto zeigt sie geschliffen im Deutschen Apothekenmuseum Heidelberg.

So kann man durch Neugier auf abstruse Abwege geraten!

Aber keine Angst, ich werde nun nicht bei Nachbars Katzen das Gewürge sammeln, schleifen und vergolden. Ich kehre zurück zum Papier und möchte in der ruhigen Zeit zwischen den Jahren das Joomchi ausprobieren. Das würde nämlich bedeuten, dass ich völlig neue, naturnahere Formen schöpfen könnte, die mit herkömmlichem Papier nur schwer zu machen sind. Schon so lange versuche ich mich an Kokons und Samenhüllen - das wäre dann möglich. Es bleibt spannend im Atelier Tetebrec! Und hier unten noch ein kurzes Video, das die Technik des Joomchi ein wenig zeigt.

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