Projekt Blau: eine faszinierende Frau
Es gibt doch nichts Schöneres auf der Welt, als endlich mal wieder ein Buchprojekt zu machen, das ich mir selbst mit Herzblut ausgedacht habe, das mich fasziniert und von dem ich finde: das muss die Welt lesen! Keine Angst, ich spreche diesmal nicht von mir, so selbstverliebt bin ich dann doch nicht. Alles fing mit einem zufälligen Trüffelfund an, einer Jagd in den Antiquariaten und einiger Recherche rund um den Globus. Die Edition Tetebrec hat damit für die Zukunft eine neue Reihe - faszinierende Frauen. Und ein erstes Projekt, das bereits etwa 400 Normseiten hat, und das ich "Projekt Blau" nenne, um nicht zu viel zu verraten.
Die "pinke Reihe" - Protest gegen Barbie auf dem Ponyhof
Die Reihe, die im Laufe der Zeit entstehen soll, heißt in meinem Kopf noch "die pinke Reihe", weil sie aus Auflehnung gegen das Barbiekonzept der Frau und all die modernen rosa Verlagsbücher entsteht, in denen es vor unbedarften Prinzessinnen nur so wimmelt. Mir erscheint das wie ein Rückschritt, denn in meiner Studentenzeit boomte nicht nur die feministische Bewegung, wir lasen auch reihenweise gescheite und aufregende Bücher in Reihen wie z.B. "neue frau" bei rororo (1977 am Start). Heute findet man unter diesem Titel eine Buntpapiersammlung, pardon Zeitschrift, mit Kochrezepten und Yellowpress-Geschwätz.
Und das ist in meinen Augen so symptomatisch für unsere Zeit: Wir haben scheinbar die Frau zur Protagonistin in der Literatur befreit, aber sie ist zum Abziehbild oft extrem konservativer Rollenklischees verkommen. Die toughe Chicklit-Heldin hat hippe Trendberufe, schmeißt Haushalt, Kinder und Beruf mit Links und sucht doch auch nur wie das verlorene Mädel von einst nach dem Märchenprinzen. Parallel dazu verdingen sich Autorinnen überproportional oft in unteren Honorarbereichen, schaffen Kilometer und Tonnen massenkompatibler Unterhaltungsbücher, während die Herren der Schöpfung nach wie vor die literarischen Buchpreise, Stipendien und Kritikerposten im Feuilleton dominieren. Wir Frauen wollten in den 1970ern und 80ern die Welt verbessern, in vielen Teilen haben wir das auch geschafft. Aber die Buchwelt ist heute so "rosa" wie nie!
Ich bin ein Mensch, der sich bei Büchern wenig um Geschlechter schert. Ich hatte noch nie Probleme damit, mich mit männlichen Haupftfiguren zu identifizieren und manche weiblichen doof zu finden. Ich finde Menschen spannend. Und deshalb kann ich auch gut über Männer schreiben - wenn sie guten Stoff hergeben. Mich regen Bücher von Männern und über Männer nicht auf. Drastisch gesagt: Mich regen diese rosa Weibsbilder auf, die auf dem Ponyhof dem nächsten Zweibeiner entgegenschmachten und ihr Hirn im Spitzenhöschen verlieren. Denn da draußen gibt es so viele hochspannende, erschreckend aktuelle, absolut faszinierenden Frauengestalten, die wir unter all unseren Hypes und Trends vergessen haben. Die will ich sichtbar machen. Denen will ich einen Platz für ihre wunderbaren Texte geben und Gehör verschaffen. Nichts gegen Ponyhöfe - auch die haben ihre Berechtigung. Nur mir persönlich reichen sie nicht.
Meine "pinken", frech magentafarbenen Frauen sind leider alle schon länger tot. Aber genau deshalb können sie etwas, was den lebenden Autorinnen in diesem Ausmaß oft nicht gelingen mag: Sie spiegeln unsere Zeit, unsere Gesellschaft, uns selbst. Wie weit haben wir uns von dieser Welt entfernt? Wie sehr sind wir ihr noch verhaftet? Sind wir wirklich so modern, wie wir glauben? Könnten wir an dieser Spiegelung wachsen, von ihr lernen?
Das Projekt Blau
Am Anfang steht ein mitreissender Roman einer völlig vergessenen Autorin. Die Protagonistin ist edel und unglücklich verheiratet, bewegt sich in adligen Kreisen und jettet mit den damaligen Fortbewegungsmöglichkeiten um die Welt. Innerlich vereinsamt in der High Society von New York gelandet, geht sie mindestens brieflich fremd und zeigt ihr wahres Frausein einem Mann gegenüber, der unerreichbar am anderen Ende der Welt verschollen scheint. Er ist Abenteurer, Forscher, Weltenbummler - lebt genau das, was die gut behütete Protagonistin gerne leben würde, wäre sie denn frei. So bleiben ihr ein entlarvender Humor und die Feder als Seziermesser, um die Gesellschaft um sich herum zu entlarven und nebenbei auch recht klug zu politisieren. Letzteres ist fast unauswechlich, denn die Welt scheint zum Pulverfass geworden zu sein. Unerwartete Konflikte putschen sich in eine Waffengewalt hinein, die das gesamte System bedroht.
Ein Roman, mitreißend, rasant und auch sehr gefühlvoll geschrieben, überraschend modern und lesbar, erfreulich klug, humorvoll und sensibel in seiner Beobachtung. Sofort nach Erscheinen wurde er in mehrere Sprachen übersetzt und ein Weltbestseller.
Aber der Clou kommt erst noch. Die Autorin ist nämlich ebenfalls höchst unglücklich verheiratet, zwei Mal sogar. Sie geht in höchsten Adels- und Politikerkreisen ein und aus, hat Beziehungen zum kaiserlichen Hof. Sie reist um die Welt. Und viele der Figuren in ihrem Roman erscheinen so lebendig, dass sie echt sein könnten. Das hat auch ihre Umwelt damals begriffen. Die Autorin war eine der ersten in der Geschichte, die von der damals aufkommenden Boulevardpresse wahrhaft verhackstückt wurde. Man warf ihr vor, sich an respektablen Berühmtheiten vergangen zu haben. Man warf ihr vor, in ihrem Roman mehr Tatsachen als Erfindung eingebaut zu haben. Hat sie das?
Den Roman der Autorin kann man beim Projekt Gutenberg und anderswo kostenlos nachlesen. Die Leistung in meiner Neuausgabe besteht darin, dass ich ihn nicht einfach nur vervielfältige und gar allein stehen lasse. Ich habe ihre Tagebücher gefunden und stelle zum Roman genau die Passagen, die der Geschichte des Romans vom Handlungsort her entsprechen. Plötzlich bekommt die fiktive Geschichte Verknüpfungen in eine Realität hinein. In die Realität eines brutalen politischen Machtkampfes und einer zerbröckelnden Gesellschaftswelt, in die Vorwehen eines Untergangs hinein, die erschreckend an moderne Konflikte der jetzigen Zeit erinnern. Werden wir die Weltlage so klug mit Abstand betrachten können? Oder blind in die Zukunft wanken wie jene dem Kapitalismus verfallene Adelswelt jener Zeit, die betrunken auf dem Vulkan tanzt?
Und da oszilliert noch etwas: Selbst die Tagebücher sind brillant geschrieben. Inwieweit inszeniert sich eine Schriftstellerin bis ins private Schreiben hinein - und wie stark entlarvt sie ihr Selbst in der Fiktion? Wo und wie lebt diese Frau ihre wahre Wunschrolle aus, wo scheitert sie an Konventionen?
Beide Texte habe ich behutsam an heutige Schreibweisen angeglichen und vor allem mit Kommentaren und Übersetzungen versehen. Der Roman ist flüssig zu lesen. Aber das polyglotte Deutsch der Oberschicht von damals, wie sie es in den Tagebüchern benutzt, ist heute nicht mehr für alle verständlich. Hier hat sich in Sachen Bildung von breiten Schichten leider wenig getan.
Aus der Gegenüberstellung von Fiktion und Realität mögen sich die Leserinnen und Leser eigene Bilder und Vorstellungen erschaffen. Das liest sich dann stellenweise, als hätet jene Autorin neben ihrem Roman gebloggt oder bei Facebook aus ihrem Leben erzählt. Aber bleibt da nicht ein Hunger? Den will ich mit einem Essay stillen. Einem Essay über jene faszinierende, völlig vergessene Schriftstellerin und ihre Zeit, auch mit geschichtlichen Erklärungen, was damals wirklich geschah. Politisch wie im privaten Leben. Und vielleicht kann ich das ein oder andere Foto aus jener Zeit, aus jener exotischen Gegend beschaffen.
Der Text der Printversionen, die ich beschafft habe, ist so weit überarbeitet und korrigiert, dass er erfasst werden kann. Es müssen nun die Übersetzungen und Kommentare eingefügt werden und dann geht es an das Essay. Ich komme gut voran. Nur muss ich mir einen besseren Reihentitel ausdenken als "die pinke Reihe" ...
Projekt Blau: drei Bücher in einem? |
Die Reihe, die im Laufe der Zeit entstehen soll, heißt in meinem Kopf noch "die pinke Reihe", weil sie aus Auflehnung gegen das Barbiekonzept der Frau und all die modernen rosa Verlagsbücher entsteht, in denen es vor unbedarften Prinzessinnen nur so wimmelt. Mir erscheint das wie ein Rückschritt, denn in meiner Studentenzeit boomte nicht nur die feministische Bewegung, wir lasen auch reihenweise gescheite und aufregende Bücher in Reihen wie z.B. "neue frau" bei rororo (1977 am Start). Heute findet man unter diesem Titel eine Buntpapiersammlung, pardon Zeitschrift, mit Kochrezepten und Yellowpress-Geschwätz.
Und das ist in meinen Augen so symptomatisch für unsere Zeit: Wir haben scheinbar die Frau zur Protagonistin in der Literatur befreit, aber sie ist zum Abziehbild oft extrem konservativer Rollenklischees verkommen. Die toughe Chicklit-Heldin hat hippe Trendberufe, schmeißt Haushalt, Kinder und Beruf mit Links und sucht doch auch nur wie das verlorene Mädel von einst nach dem Märchenprinzen. Parallel dazu verdingen sich Autorinnen überproportional oft in unteren Honorarbereichen, schaffen Kilometer und Tonnen massenkompatibler Unterhaltungsbücher, während die Herren der Schöpfung nach wie vor die literarischen Buchpreise, Stipendien und Kritikerposten im Feuilleton dominieren. Wir Frauen wollten in den 1970ern und 80ern die Welt verbessern, in vielen Teilen haben wir das auch geschafft. Aber die Buchwelt ist heute so "rosa" wie nie!
Ich bin ein Mensch, der sich bei Büchern wenig um Geschlechter schert. Ich hatte noch nie Probleme damit, mich mit männlichen Haupftfiguren zu identifizieren und manche weiblichen doof zu finden. Ich finde Menschen spannend. Und deshalb kann ich auch gut über Männer schreiben - wenn sie guten Stoff hergeben. Mich regen Bücher von Männern und über Männer nicht auf. Drastisch gesagt: Mich regen diese rosa Weibsbilder auf, die auf dem Ponyhof dem nächsten Zweibeiner entgegenschmachten und ihr Hirn im Spitzenhöschen verlieren. Denn da draußen gibt es so viele hochspannende, erschreckend aktuelle, absolut faszinierenden Frauengestalten, die wir unter all unseren Hypes und Trends vergessen haben. Die will ich sichtbar machen. Denen will ich einen Platz für ihre wunderbaren Texte geben und Gehör verschaffen. Nichts gegen Ponyhöfe - auch die haben ihre Berechtigung. Nur mir persönlich reichen sie nicht.
Meine "pinken", frech magentafarbenen Frauen sind leider alle schon länger tot. Aber genau deshalb können sie etwas, was den lebenden Autorinnen in diesem Ausmaß oft nicht gelingen mag: Sie spiegeln unsere Zeit, unsere Gesellschaft, uns selbst. Wie weit haben wir uns von dieser Welt entfernt? Wie sehr sind wir ihr noch verhaftet? Sind wir wirklich so modern, wie wir glauben? Könnten wir an dieser Spiegelung wachsen, von ihr lernen?
Das Projekt Blau
Am Anfang steht ein mitreissender Roman einer völlig vergessenen Autorin. Die Protagonistin ist edel und unglücklich verheiratet, bewegt sich in adligen Kreisen und jettet mit den damaligen Fortbewegungsmöglichkeiten um die Welt. Innerlich vereinsamt in der High Society von New York gelandet, geht sie mindestens brieflich fremd und zeigt ihr wahres Frausein einem Mann gegenüber, der unerreichbar am anderen Ende der Welt verschollen scheint. Er ist Abenteurer, Forscher, Weltenbummler - lebt genau das, was die gut behütete Protagonistin gerne leben würde, wäre sie denn frei. So bleiben ihr ein entlarvender Humor und die Feder als Seziermesser, um die Gesellschaft um sich herum zu entlarven und nebenbei auch recht klug zu politisieren. Letzteres ist fast unauswechlich, denn die Welt scheint zum Pulverfass geworden zu sein. Unerwartete Konflikte putschen sich in eine Waffengewalt hinein, die das gesamte System bedroht.
Ein Roman, mitreißend, rasant und auch sehr gefühlvoll geschrieben, überraschend modern und lesbar, erfreulich klug, humorvoll und sensibel in seiner Beobachtung. Sofort nach Erscheinen wurde er in mehrere Sprachen übersetzt und ein Weltbestseller.
Aber der Clou kommt erst noch. Die Autorin ist nämlich ebenfalls höchst unglücklich verheiratet, zwei Mal sogar. Sie geht in höchsten Adels- und Politikerkreisen ein und aus, hat Beziehungen zum kaiserlichen Hof. Sie reist um die Welt. Und viele der Figuren in ihrem Roman erscheinen so lebendig, dass sie echt sein könnten. Das hat auch ihre Umwelt damals begriffen. Die Autorin war eine der ersten in der Geschichte, die von der damals aufkommenden Boulevardpresse wahrhaft verhackstückt wurde. Man warf ihr vor, sich an respektablen Berühmtheiten vergangen zu haben. Man warf ihr vor, in ihrem Roman mehr Tatsachen als Erfindung eingebaut zu haben. Hat sie das?
Den Roman der Autorin kann man beim Projekt Gutenberg und anderswo kostenlos nachlesen. Die Leistung in meiner Neuausgabe besteht darin, dass ich ihn nicht einfach nur vervielfältige und gar allein stehen lasse. Ich habe ihre Tagebücher gefunden und stelle zum Roman genau die Passagen, die der Geschichte des Romans vom Handlungsort her entsprechen. Plötzlich bekommt die fiktive Geschichte Verknüpfungen in eine Realität hinein. In die Realität eines brutalen politischen Machtkampfes und einer zerbröckelnden Gesellschaftswelt, in die Vorwehen eines Untergangs hinein, die erschreckend an moderne Konflikte der jetzigen Zeit erinnern. Werden wir die Weltlage so klug mit Abstand betrachten können? Oder blind in die Zukunft wanken wie jene dem Kapitalismus verfallene Adelswelt jener Zeit, die betrunken auf dem Vulkan tanzt?
Und da oszilliert noch etwas: Selbst die Tagebücher sind brillant geschrieben. Inwieweit inszeniert sich eine Schriftstellerin bis ins private Schreiben hinein - und wie stark entlarvt sie ihr Selbst in der Fiktion? Wo und wie lebt diese Frau ihre wahre Wunschrolle aus, wo scheitert sie an Konventionen?
Beide Texte habe ich behutsam an heutige Schreibweisen angeglichen und vor allem mit Kommentaren und Übersetzungen versehen. Der Roman ist flüssig zu lesen. Aber das polyglotte Deutsch der Oberschicht von damals, wie sie es in den Tagebüchern benutzt, ist heute nicht mehr für alle verständlich. Hier hat sich in Sachen Bildung von breiten Schichten leider wenig getan.
Aus der Gegenüberstellung von Fiktion und Realität mögen sich die Leserinnen und Leser eigene Bilder und Vorstellungen erschaffen. Das liest sich dann stellenweise, als hätet jene Autorin neben ihrem Roman gebloggt oder bei Facebook aus ihrem Leben erzählt. Aber bleibt da nicht ein Hunger? Den will ich mit einem Essay stillen. Einem Essay über jene faszinierende, völlig vergessene Schriftstellerin und ihre Zeit, auch mit geschichtlichen Erklärungen, was damals wirklich geschah. Politisch wie im privaten Leben. Und vielleicht kann ich das ein oder andere Foto aus jener Zeit, aus jener exotischen Gegend beschaffen.
Der Text der Printversionen, die ich beschafft habe, ist so weit überarbeitet und korrigiert, dass er erfasst werden kann. Es müssen nun die Übersetzungen und Kommentare eingefügt werden und dann geht es an das Essay. Ich komme gut voran. Nur muss ich mir einen besseren Reihentitel ausdenken als "die pinke Reihe" ...
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