Das Glück liegt in einer Pfütze
Mein Hund Bilbo ist absolut wasserscheu. Bei Regen verdrückt er lieber seine Bedürfnisse. Er taucht zwar lustig mit der Nase nach Blättern im Wassernapf .. aber sich die Pfoten feucht machen? Nada! Als ich ihn dann zum ersten Mal nach Schütteregen mit einem Handtuch trockenrubbeln wollte, flippte er voll aus. Panik, Übersprungshandlungen. Das und anderes körperliches Verhalten in "nassen" Situationen zeigte mir: Der Welpe war in frühem Alter von den Vorbesitzern ganz offensichtlich bestraft worden, wenn er nasse oder schmutzige Pfoten hatte! So zeigte mir sein Verhalten auch, dass er dann nicht mehr zu seinen Menschen ins Haus hatte dürfen. Körper vergessen nichts, Körper erzählen ...
Die Sache mit der Handtuchpanik haben wir dann recht einfach beheben können. Ich habe mich einfach neben das nasse Kerlchen gesetzt und mich selbst abgetrocknet. Später ihn an einem Ende des Handtuchs herumkauen und spielen lassen. Irgendwann sind wir gemeinsam unters Handtuch geschlüpft. Dann habe ich mal mich abgetrocknet, mal ihn berührt. Inzwischen findet er das Handtuch lustig - und es kommt ja nur zum Einsatz, wenn er völlig durchgeweicht sein sollte. Mit dem Erwachsenenpelz, der sich langsam bildet, wird das kaum mehr ein Problem sein.
Aber das arme Kerlchen scheute so schrecklich vor Pfützen in Wald und Wiesen, soff nicht mal bei Durst daraus. Einmal, da muss er völlig ausgedörrt gewesen sein, leckte er ängstlich nur den feuchten Schlammrand. Gestern nun überall Pfützen, meterlang ... und herrlichster Sonnenschein: Ich wollte raus!
Es war verrückt. Ich bin selbst in die Riesenpfütze gestiegen, habe Bilbo ermuntert, zu mir zu kommen. Den zerriss es fast. Er wäre ja zu gern zu mir gekommen, aber er zitterte vor Angst am Pfützenrand!
Das ging dann eine Weile ganz ruhig zu ... die Alphawölfin stand bis zu den Knöcheln im Wasser, streichelte das Kleinchen und machte lustige Spritzespiele mit dem Finger, später mit der ganzen Menschenpfote. Lies ein Blatt vorbeisegeln. Bilbo war gebannt, schaute fasziniert zu, wagte sich mit der Nase rein, um das Blatt zu schnappen. Großes Lob.
Und die Möchtegernwölfin spielte weiter, wurde ausgelassener, tappte nach den Hundepfötchen und nach dem Wasser und für die erste nasse Pfotenspitze gab's wieder Freudenjubel und Einladungen, doch mit in den Schmodder zu kommen. Und dann ist es passiert: In dem kleinen Kerlchen kämpften die Neugier und die Lust gegen die Angst. Er soff ein bißchen. Menschin schimpfte nicht? Er tappste mit dem Pfötchen ins Wasser. Huch, die Menschin freute sich lauthals? Plötzlich war Bilbo hinter mir in der Pfütze, freudig erstaunt, überrascht, kurz wieder erschrocken vor dem eigenen Mut ... aber die Menschin lobte und freute sich ... also hinter ihr her. Und noch einmal die Pfütze entlang in die andere Richtung. Streicheln statt Strafe. Knuddeln und Wasserhüpfen.
Und dann ist es passiert: Ein Welpe ist vor Glück explodiert! Selten habe ich so etwas gesehen. Bilbo raste wie ein verrückter im Kreis, durchs Wasser, sprang und hüpfte wie ein Ball in alle Richtungen und war endlich bis zum Bauch voller Schmodder. Und die Menschin hüpfte vor Freude mit und war genauso glücklich und die beiden verknäulten sich im Spiel und dann war die Menschin endlich auch bis zum Bauch voll mit Schmodder. Ich habe schon lange nicht mehr ein so glückliches Wesen erlebt, das seine Freude derart spontan und offen heraustanzt. Und das steckt verdammt gut an!
Auf dem Heimweg habe ich mich dann gefragt, wann ich eigentlich das letzte Mal unter Zweibeinern spontan einen Indianertanz getanzt habe und meine Freude über etwas herausgelassen. Warum macht man das so selten? Wer bestraft uns denn dafür?
Wenn ich das so lese, denke ich: In meinem nächsten Leben will ich Hund sein - aber nur bei Dir!
AntwortenLöschenOjojoj! :-)
AntwortenLöschenIch habe aber auch eine rauchschwarze Seite! Als ich das arme Kerlchen vor Panik zitternd an der Pfütze sah, hab ich mir ausgemalt, die Misttypen, die einem winzigen Welpen sowas angetan haben, von allen Mitarbeitern des Tierheims einen Tag lang mit Schlamm bewerfen zu lassen. Und zwar in ihren besten Ausgehklamotten ... und das Splattervideo anschließend beim Gemeindefest vorgeführt!
Tolles Posting, chapeau, liebe Kollegin.
AntwortenLöschenUnd das sage ich als jemand, der mit Hunden eigentlich nicht kann.
Petra, das ist so ansteckend, dass ich mich am liebsten gleich -ohne Hund-in die nächste Pfütze werfen würde! :-)
AntwortenLöschenJetzt bin ich aber platt. Solches Lob von Andreas Eschbach ... ich werde ganz rot. Danke euch allen. :-)
AntwortenLöschenMich hat bei FB heute jemand gefragt, wieso ich eigentlich nicht solche Bücher schreiben würde? Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung - ich hatte beim Tippen nur den Gedanken im Kopf: Oje, jetzt langweile ich die Leute schon wieder mit "Hunde-Content"!
Wirklich ein wunderbarer Beitrag. Ich bin kein Hundemensch, wirklich nicht, aber ich hatte auch schon mit traumatisierten Tieren (Katzen) zu tun, die nur mit viel Geduld und Liebe ihre Ängste verloren haben.
AntwortenLöschenWas Du Deinem Bilbo da schenkst, ist einfach nur toll. Bloss nicht aufhören :)
Ich hätte mir mal erlaubt diesen wunderschönen Blog-Post zu rebloggen. :) http://sabineosman.de/reblog-wunderschoener-hundecontent-bei-petra/
AntwortenLöschenHerzlichen Dank!
AntwortenLöschenIch kann übrigens vermelden, dass Bilbo inzwischen ganz herzhaft kein Schlammloch mehr auslässt und mit einem irren Spaß durch Pfützen saut! :-)
Saut! Ach, wie lang hab ich das nicht gehört :-)
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