Die Sache mit den Bienen erwischte mich hinterrücks. Ich finde Imkerarbeit, sofern sie nicht in Massentierhaltung abgleitet, faszinierend, vor allem seit ich das wunderbare Buch von Helen Jukes gelesen hatte: "Das Herz einer Honigbiene hat fünf Öffnungen: Über das Jahr, in dem ich Imkerin wurde." In der Maison Rurale staune ich über die wundervollen alten Bienenkörbe und wie praktisch sie unterm Dach der Scheune aufgehängt wurden. Aus historischen Texten weiß ich, dass man in uralten Zeiten aber auch den Bienenkorb direkt neben dem Hauseingang anbrachte. Fast wie eine Art gegenseitiger Freundschaft wird das Verhältnis zwischen Mensch und Biene beschrieben. Wenn die Menschen ihre Bienen gut pflegten und umsorgten, sollten die im Gegenzug vor Blitzeinschlag und Feuer schützen, dem Haushalt Glück bringen. "Volksmagisches Denken" nennt man das in der Forschung. Es bezieht sich auf eine Zeit, in der die Grenzen zwischen Menschlichem und nichtmenschlichem Leben noch beweglich und durchlässig waren.
Mit Insekten leben oder gegen sie?
Doch ich bin auch ein Kind meiner Zeit, aufgewachsen mit Angst vor allem, was stechen könnte. Von Bienen kam Honig, aber sie waren wehrhaft, keine Streicheltierchen. Von Wespenstichen schwillt meine Hand wie ein Miniaturelefant, von Hornissenstichen kann ich eine Allergie bekommen. Ich habe alles versucht am Gartentisch: Wespenfallen, in denen eher die Schmeissfliegen aus den Ziegenställen landeten; Wespenvertreibe-Zeug aus Duftkerzen und Räucherungen, hilfloses Wedeln. Das moderne Zubehör schien mir ähnlich wirksam zu sein wie Volksmagie, nämlich gar nicht. Und ich wurde natürlich fleißig gestochen, dank des depperten Wedelns!
Es hat lange gebraucht, bis ich endlich mit den Stechinsekten lebte statt gegen sie. Heute fliegen zig Wespenarten in der Nähe meines Tischs vorbei. Aber sie halten nur Ausschau nach den kleinen Wasserstellen, die ich für sie in der Nähe platziert habe. Kleine Untersetzer mit Steinen drin, die sich beim Blumengießen automatisch füllen. Gallische Feldwespen haben zwischen Fensterladen und Klofenster ein perfektes kleines rundes Nest gebaut und ich laufe seither viel zu oft aufs Klo, nur um sie bei ihrer mütterlichen Fürsorge zu beobachten. Bekannte schütteln den Kopf, weil ich das "eklige Ding" noch nicht mit Gift besprüht und entfernt habe. Denen erzähle ich dann, wie nützlich diese Wespen sind und sage: "Ich muss mal aufs Klo, ein Video drehen". Auf Instagram finden es alle geil, aber wehe, man hat die Natur vor der eigenen Wohnung!
Wespen haben bei Hitze nicht nur fürchterlich viel Durst, sie bringen Wassertröpfchen auch in ihre Nester ein, die sie dann mit den Flügeln befächeln - die perfekte Klimaanlage für ihre Brut! Deshalb brauchen sie Trinkstellen - und wenn es keine gibt, landen sie eben in der Limonade. Sind die Wespen daran schuld, wenn wir eigensüchtig trinken und nichts übrig lassen? Ich bin ruhiger geworden und wedle nicht mehr hektisch hilflos herum, sage allenfalls "geh weg!" Und als wüssten sie, dass ich die Schälchen befülle, lassen sie mich in Ruhe. Wir bleiben auf Abstand. Und der war im Frühling plötzlich nicht mehr da: Blattschneiderbienen machten sich an der Haustür breit.
Die Bienen ziehen ein
Dort hängt ein altes Bastelexperiment, ein sogenannter Flaschengarten aus Plastikflaschen, den ich im Upcyclingrausch ausprobiert hatte. Leider funktioniert die Sache nicht wie überall gepriesen. Die Erde sackt ab, bildet oben Hohlräume, oft durchsetzt von Wurzeln oder auch mal Algen. Man kann keine nachfüllen, ohne die Röhre zu zerlegen - nur werden die Plastikflaschen vom UV-Licht spröde. Sie erhitzen außerdem stark, im Sommer muss man mehrfach Wasser nachfüllen. Kurzum: All die schönen Pflanzen sterben ab. Stattdessen machte sich Scharfer Mauerpfeffer darin breit - der wächst notfalls in ein wenig Sand zwischen Steinen. Ich brachte es nicht übers Herz, den Flaschengarten wegzuwerfen, weil die Blüten des Mauerpfeffers eine einzigartige Wildbienenweide sind.
Was dann passierte, bemerkte ich zunächst nur an meinen "Eichenbabys". Es hatte mich so traurig gemacht, als wegen der Dürre eine etwa 180 Jahre alte Eiche krank geworden war, gefällt wurde. Ein paar von den massenhaft verstreuten Eicheln steckte ich in Blumentöpfe ... und sie keimten! Aber irgendein Monster schien sich mit Wonne auf die maigrünen zarten Blättchen zu stürzen. Solche riesigen Schnittspuren konnten doch unmöglich von einem Käfer stammen? Ich schüttelte, beäugte Blattunterseiten, beobachtete nachts ... kein Schädling wollte sich zeigen. Und dann erwischte ich sie und staunte: Eine kleine Biene sägte sich zielstrebig eine große runde Scheibe aus einem Blatt. Wohin damit? Das konnte sie doch unmöglich tragen? Sie machte es, wie wenn ich zu große Papierbögen transportiere: Geschickt wickelte sie das Blattstück zu einer Rolle, packte sie mit den Füßen unter sich und flog davon. Zum Flaschengarten.
Dort beobachtete ich, wie sie in einem Pflanzloch verschwand, mitsamt ihrer Blattbeute. Und mit ihr kamen andere Kolleginnen mit Eichenblattröllchen. Ich fand dann heraus, dass die wunderschönen Tiere mit ihren rotbraunen pelzigen Unterleibern Bunte Blattschneiderbienen sind, lat. Megachile versicolor (Fotos und Beschreibung hier und hier). Sie sind übrigens kein bißchen aggressiv und lassen sich gut beobachten (meine Makroaufnahmen oben auf Instagram). Faszinierende Mitbewohnerinnen!
Unter all den Insekten ist aber auch ein Gefühl aus meiner Kindheit wieder da, das man der Erziehung wegen und weil man ja gefälligst erwachsen tun soll, gern zu oft verdrängt: Ich fühle Verwandtschaft. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll: Ich fühle mich diesen Wespen und Bienen auf eine verzauberte Weise sehr nah, verbunden. Da ist keine menschliche Hybris, denn wir haben eine Gemeinsamkeit, von der ich lerne. Ich lerne von den kleinen Wesen.
Papierkünstlerinnen
Die Wespen gehören zu den sogenannten Papierwespen. Ich habe ein Atelier für Papierkunst. Wenn ich Paper Clay (eine Mischung aus speziellem Pappmachée und Pariser Gips) herstelle und forme, bin ich die hinterletzte Dilettantin gegen diese Künstlerinnen! Mit ihren feinen Mundwerkzeugen kratzen sie unermüdlich Holzstaub aus einer Pergola oder Totholz, in der schlimmsten Hitze. Noch ist es mir nicht gelungen, zu beobachten, wie sie das transportieren - um dann mit dem eigenen Speichel Waben und ganze Kugelkathedralen aus hauchfeinstem Holzpapier zu bauen. Der letzte Sturm hat mir ein leeres Wespennest vor die Füße geweht und andächtig experimentiere ich mit der Außenhaut im Atelier. Ich habe sie auf uraltes Buchpapier transferiert und staune: Wunderschön geäderte Brauntöne lassen ganz leicht die Buchstaben durchscheinen. So hauchdünn und doch stabil sind diese Bauwerke. Ich bin tatsächlich der Meinung, dass Wespen im Vergleich zum dörflichen Garagenmaurer die besseren Baumeisterinnen sind!
Ich habe auch versucht, Waben aus Papier nachzuformen. Ein Kinderspiel, einen Streifen zum Sechseck zu biegen. Aber dann kommt der Boden, der Ei und Larve halten muss. Der ist nämlich nicht einfach nur ein Deckel, an dem sich alles, was der Brut schaden könnte, sammlen würde. Wieder wird es dreidimensional und plötzlich für uns Menschen reine Mathematik, vor allem, wenn es sich in wiederholter Reihung zu einer Kugel fortsetzen soll. Ich zeichne, rechne herum, zerbreche mir den Kopf. Die Wespen hinter meinem Klofenster können das einfach. Manchmal stelle ich mir eine Wespe als Makroaufnahme vor, so wie hier auf dem obersten Foto - und wie sie milde über das motorisch nicht sehr begabte Menschlein lächelt.
Am liebsten möchte ich mit ihnen zusammenarbeiten. So, wie das die Biologiestudentin Maria Menchetti mal gemacht hat, indem sie Wespen bunte Papiere anbot. Die haben dann wunderschöne regenbogenfarbige Nester gebaut! Eine faszinierende Vorstellung: Die Reste von Buchseiten oder farbigem Papier für Paper-Art-Schmuck den Wespen zu spendieren, die wiederum daraus tolle Kunstwerke basteln, die - wenn die Nester verlassen sind - ich wiederum zu Kunst umbauen könnte. Ein Papierkreislauf. Wenn ich denn die leeren Nester finden würde ...
Und dann staune ich die Blattschneiderbienen an, die so lustig ihre Hinterleiber nach oben knicken. Eine Eigenschaft, die sie für den Transport der großen Blattrollen brauchen. Ich brauche Wochen, um so ein Bienenbein zu studieren und aus Papier und Draht nachzubauen. Ich bestaune den Naturmörtel, mit dem sie ihre Nester verschließen. Plötzlich reicht es mir nicht mehr, das selbstgemahlene Ockerpigment für Beschichtungen zu binden. Getrocknete Pflanzenabfälle müssten gemahlen völlig neue Strukturen ergeben ... zumal auf Buchpapier. Mein Arbeiten verändert sich. Ich lerne nicht nur - die fliegenden Könnerinnen inspirieren mich.
Inzwischen fürchte ich mich eher vor Menschen, die Wespennester vernichten wollen (was übrigens außer in Ausnahmefällen verboten ist). Wie mögen die mit anderem Leben umgehen? Was fehlt Menschen, die sich darüber kaputtlachen, dass man mit Tieren oder Pflanzen reden kann?
Die Wespen arbeiten inzwischen auch auf andere Weise im Atelier mit. Ich habe Äste zum Trocknen aufgestellt, weil ich sie für meine Artjournals entrinden möchte. Wo meine Arbeit schon fortgeschritten ist, nagen die Wespen das weiche Holz aus zum Wabenbau. Sie hinterlassen Streifen, mäandernde Wellenmuster, die sich anders färben. Ein wenig wirkt das wie eine Schrift aus einer anderen Welt. So ein Träumestäbchen als Buchrücken, wenn es dann mit den Seiten Assoziationen bildet, wenn das miteinander kommuniziert ... dann lösen sich auch die Grenzen zwischen Natur und Kunst auf.
Tipps zum Umgang mit Wespen und Hornissen vom NABU
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