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6. April 2020

Ich rede mit Käfern - Tag 21

Drei Wochen Ausgangssperrenisolation nebst den Katastrophennachrichten hier im Grand Est - und ich lebe noch. Ich rede inzwischen auch mit Ameisen und Käfern, renne aber noch nicht mit dem Kopf gegen vermeintliche Gummiwände. Ich esse zuviel zu gut. Und ja, man kann aus Dosen und TK-Gemüse und abenteuerlichem Discounterzeug recht lecker kochen, wenn man genug Pasta hat. Bin Meisterin in Dissoziation und Verdrängung. Genieße das Leben. Knuddle wahrcheinlich den Hund viel zu viel und habe ihm bereits angeboten, wenn es ihn nerve, einiges auf einen Plüsch-Schwarzwaldelch abzuladen. Empört meinte Bilbo, ein Plüschtier sei nun wirlich kein adäquater Ersatz für einen Edlen Beaglemix von Butterblum. Am Telefon versenden wir Küsse und Umarmungen, als gäbe es kein Morgen. Ins Badische schallt mein neuer Schlachtruf: Schniposa! Einmal wieder mit lieben Menschen Schnitzel, Pommes und Salat im Biergarten mampfen!


Die Welt wird manchmal unscharf in diesen Tagen ...


Humor ist die ganz große Rettung, vor allem die Fähigkeit, über mich selbst zu lachen. Wenn ich mal wieder einfach so in ein schwarzes Loch falle, weil das alles nicht wirklich auszuhalten ist, wenn man genauer darüber nachdenkt. Oder wenn ich in Rührungstränen ausbreche, weil vom Museum eine Mail von unseren Gänsen kommt, die eben dieses, also unser Kapitol, bewachen und laut schnattern werden, wenn der böse Coronax endlich aus den Sandalen gehauen ist. Wir träumen von Wildschwein am Grill und dichtbesetzten Bänken. Die Gänse gibt es übrigens wirklich und sie fehlen mir. Sie sind Bestandteil jeder meiner Museumsführungen gewesen.


Eine unserer Museumsgänse. Es sind ziemlich wehrhafte Tiere, gemeinsam haben sie den Hahn gemördert. Seitdem dürfen sie frei herumlaufen, was der neue Hahn sehr zu schätzen weiß. Und die BesucherInnen sowieso.

Inzwischen, dank der gestiegenen Temperaturen, überwiegt aber doch der Genuss. Wir hatten bis zum Schluss nachts Minusgrade und die Friererei zehrte an den Nerven.

Und dann schlug der Technikteufel in einer Weise zu, dass mir echt nur noch zum Kreischen und Fluchen zumute war: Ausgerechnet jetzt! Ausgerechnet in dieser Situation! Als unverbesserliche Optimistin möchte ich das mal so beschreiben: Dass sich eine meiner beiden Festplatten plötzlich verabschiedete, war hinnehmbar - es war zum Glück nicht die mit dem System. Der Computer lief also mit irgendeiner älteren Version von Windows 7, sah ein wenig aus wie anno dunnemals, tat aber. Dann verabschiedete sich die Maus, die sonst rot leuchtet und nun immer öfter verlosch. Ich lache sonst immer über Nerds, die zig noch funktionstüchtige Teile irgendwo gestapelt haben. Ich bin eine von denen, die Neues nur kauft, wenn das alte wirklich kaputt ist. Die Maus, die ich fand, war einfach nur tot.

Aber immerhin, die Maus - mit der ich mich hier mühsam und langwierig eingeloggt habe - sie tut ab und zu, dank Wackelkontakt. Und nur schräg auf dem Kopf. Man darf mir gar nicht zusehen: Ich kippe das Ding, bis es tut, und lege dann mit der linken Hand vorsichtig das Mauspad auf. Ich weiß nicht, wie man diese Gehirnfähigkeit nennt, dann alle Bewegungen perfekt falschherum ausführen zu können. Ich bin jedenfalls saftig damit begabt. Aber das ist natürlich kein Zustand. Morgen, wenn ich mich endlich wieder in ein Einkaufszentrum wagen werde, hoffe ich, eine Maus zu finden. Und bereite mich trotzdem auf den Komplettexitus des Computers vor, ziehe Backups, sammle Daten. Selbst ich merke, dass sich da wohl der Prozessor verabschiedet. Ausgerechnet in dieser Katastrophenzeit! Nur mal so als Vorwarnung, falls ich vom Netz kippe (Twitter mach ich per Smartphone).

Also musste eine Lösung her. Und die kam von außen. Ich bin dafür so dankbar. Zwei liebe Menschen haben mir eine Spende zum Durchhalten geschenkt, die ich als Notgroschen zurückgelegt hatte. Ich konnte ihnen noch nicht mal Danke sagen per Mail ... siehe Maus. Damit kann ich mir einen neuen Computer finanzieren - und den habe ich vorhin bestellt!

Allein dieser Entscheidungsprozess war nicht normal. Vor Corona wäre ich nach Deutschland rübergefahren und hätte mir ein (dort viel billigeres) Teil im Laden geholt. Aber die Grenze ist ja dicht und fröhliches Herumfahren auch nicht mehr. Ich habe dann eine Firma in Frankreich gefunden, die aus alten Teilen neue Computer zusammensetzt, "refurbished", wie man so schön sagt, billiger als der Laden in Deutschland. Aber sollte ich das Risiko eingehen, ob das Paket ankommt? Auch Lieferdienste wie Amazon brauchen ja schon viel länger als sonst, die Post liefert nur noch 3x die Woche aus. Dann kommt Ostern. Feiertage, die nochmal alles verzögern.

Bei Twitter Meinungen eingeholt, mit Nachbarn über die Straße gerufen - das fehlt einem so, dass man einfach solche Lappalien mit Freunden und Bekannten bequakeln kann, die ja außerdem meist selbst andere Sorgen haben. Und bei der Firma angerufen, die eine normale Lieferung versicherten. Also käme der neue Computer irgendwann nach Ostern. Und ich warte nicht auf den letzten Drücker.

Dieses Hin und Her, das mich in normalen Zeiten belustigen würde, ist für mich ein schönes Beispiel, wie kompliziert plötzlich die einfachsten Dinge geworden sind. Und mein Nachbar riet mir zum Glück zum sehr schnellen Kauf, denn nichts würde derzeit schlimmer gehamstert als Computer und Computerzubehör. Er meinte, die Leute richten sich darauf ein, dass das Confinement bis mindestens Monatsende verlängert werde und auch ein stufenweiser Ausstieg noch kein normales Arbeiten ermöglichen werde. Tatsächlich kann man online regelrecht beobachten, wie die Maschinen weggekauft werden. Ohne die Spenderinnen hätte ich nicht einfach zuschlagen können!

Unmus ist immer eine Chance, denke ich. Man muss nur erkennen, welche.

Wenn man alles neu macht, kann man planen. Nachdem ich Listen mit Prozessoren, RAM und Speicher, Anschlüssen und Zubehör verglichen hatte, bemerkte ich, dass ich dafür einigermaßen wissen musste, wofür ich das Ding brauchen würde. Würde nicht ein bequemerer Laptop reichen? Welche Aufgaben musste das Ding können? Unwillkürlich ertappte ich mich dabei, dass ich längst keine bessere Schreibmaschine mehr brauchte, um etwa neue Bücher zu schreiben. CMS und Lernmanagementsysteme, fette Datenmengen und Datenbanken - auch wenn ich ein Großprojekt gerade abgeschlossen hatte - in dem Metier will ich gern bleiben! Und ich denke, ich liege nicht ganz falsch, wenn ich darauf wette, dass hier Zukunft liegt. All das Homeschooling und Homeoffice mag ja per Skype & Co. ganz gut funktionieren. Aber was wäre alles möglich, wenn man dafür auf richtig intelligente Oberflächen zurückgreifen könnte! Was ich in den letzten Jahren gelernt habe, ist jetzt wertvoll.

Als ich dann auswählen musste, ob ich eine Webcam dazu möchte, fiel auch der letzte Groschen. Mit dem neuen Computer kann ich endlich allen modernen Schnickschnack machen, den andere derzeit haben: Videokonferenzen, Gruppenschaltungen. Oberflächen, wo man im Livevideo etwas zeigt und gleichzeitig können Leute Fragen stellen, man kann mit ihnen quasseln ... und und und.

Mögen viele jetzt schmunzeln: Mein altes Teil hier kann nicht mal Skype.

Damit ist die nächste Herausforderung entstanden: Online-Workshops. Was ich zunächst umständlich über Fotos und Messenger im Kopf hatte, geht jetzt richtig. Fast wie in Echt. Und dann eben nicht nur in Coronazeiten, sondern grundsätzlich! Ich erreiche damit Menschen, egal, wo sie leben - ich erreiche euch. Und dann können wir gemeinsam Art Journaling machen. Nebeneffekt: Ich muss mein Büro = Atelier im Einfallswinkel der Kamera endlich aufräumen.

Das wird mir Unabhängigkeit auch von Veranstaltungsorten geben. Und wenn ich schon dauernd im Elearning für andere denke, warum das nicht mal auf mich anwenden! Ich finde, so ergänzen sich meine Tätigkeiten perfekt.

Die freie Zeit, bis das Paket hoffentlich heil hier ankommen wird, werde ich maximal nutzen: Mit dem Genuss des Nichtstuns. Ich werde endlich arg spät Tomaten säen, faul in der Sonne räkeln und den Winter vergessen. Ich werde statt des Elchs den Hund knutschen. Und feine Pläne machen, im Kopf vordenken. Inzwischen werde ich den Workshop erst mal bei mir selbst belegen, um zu testen und Material zu haben, das ich nachher zeigen kann. Und ich könnte wetten, bis dann sind auch wieder Auftraggeber bereit mit neuen Projekten. Die Workshops im Museum finden auch irgendwann statt: Aufgeschoben ist nicht Aufgehoben!

PS: Das ist sicher mein langweiligster und übelst gelaberte Blogbeitrag. Aber es tut einfach mal gut, solchen Kleinkram loszuwerden, mit dem man sonst Bekannten die Ohren vollsülzt, die man zufällig zum Kaffee trifft.

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