Gestern gab's große Abenteuer im Wald! Zwei Stunden lang schleifte mich Bilbo regelrecht durch den Bergwald. |
All die vielen gedrückten Daumen von euch, die guten Wünsche und das Mitfühlen haben mindestens dazu verholfen, dass ich vor Angst nicht ganz ausgerastet bin in dieser furchtbaren Woche der Unsicherheit. Und wer weiß, vielleicht haben sie auch eine "Wunderheilung" initiiert? Insgesamt knapp 500 Euro später, nach weiterem Ultraschall und einem großen Blutbild ist klar: Bilbos Milz hat Normalformat, weder ein Tumor noch Metastasen sind irgendwo zu sehen. Er hat leicht erhöhte Zahlen bei den roten Blutkörperchen, was mit der Milzschwellung zusammenhängen dürfte. Alle anderen Blutwerte sind komplett normal - bestens! Und so gab es heute statt einer sehr schweren OP die Routineimpfung, die für den Wartegenervten so schlimm war, dass er sie an der Ausgangstür entgegennahm. Keine zehn Pferde mehr bekamen ihn nochmal auf den Untersuchungstisch!
Mit unserem erfahrenen und herrlich ruhig und beruhigend wirkenden Tierarzt ließ sich die Sache völlig anders an. Er hat mir nämlich erst mal aufmerksam zugehört, als ich von Symptomen und Wehwehchen vorher angesichts von zwei schlimmen Flohattacken, die letzte vor vier Wochen, erzählte. Bilbo war wie krank, entwickelte außerdem Symptome einer Flohspeichelallergie. Die Flöhe hatten sich im heißen Sommer extrem vermehrt. Und eine ständig verflohte Katze, deren Besitzer nichts tun, sitzt nachts gern auf Bilbos Sitzplätzen draußen, wirkt also ähnlich wie ein Igel ... Beim Arzt vorher bin ich die Story gar nicht erst losgeworden, obwohl ich dreimal ansetzte - da wedelte er schon mit seinen Geräten.
Unser Tierarzt schaute sich in Ruhe das Röntgenbild an und wollte dann selbst noch einmal ein Ultraschall machen. Und Wunder oh Wunder - Bilbo wurde nicht in Schlaf gelegt wie das letzte Mal! "Der steht doch grad so schön", meinte der Arzt und rollte das Ultraschallgerät zu Bilbo hin. Während ich den Hund vorne knutschte, ließ er sich völlig ruhig das Gel an den Bauch schmieren und untersuchen. Ich erkannte meinen Hund, einen granteligen Patienten, nicht wieder - fast schien er es zu genießen.
Und dann die Überraschung: Die Milz war auf Normalgröße. Nichts zu sehen. Keine andersartige Struktur, kein gar nichts. Mir war schon aufgefallen, dass der Lymphknoten nur noch halb so groß war - ich hatte ihn aber auch zur Drainage massiert. Die Milz war das letzte Mal schon vergrößert gewesen. Aber wie ich so heraushörte, hat sich der letzte Arzt schlicht in seiner Einschätzung geirrt.
Der Arzt hat die gleiche Vermutung, die mir schon als Verdacht gekommen war, weswegen ich eine zweite Meinung wollte. Die hat nämlich mit den Flöhen zu tun und einer allergischen Reaktion bei der zweiten Attacke. Er erklärte mir, dass Flöhe oft Bakterien und Krankheiten über ihren Speichel ins Blut übertragen. Eine solche übertragene Infektion und die Allergie haben dann Bilbos Immunsystem alarmiert und belastet - und damit könne auch die Milz einmal anschwellen. Das gehe dann zurück, wenn das Immunsystem erfolgreich geschafft hat und sich wieder erholt. Darum ist es gut, wenn Ärzte zuhören können.
Ein kleines Bémol gibt es allerdings, wie wir in Frankreich sagen: Der Knubbel im Ohr ist wirklich ein kleiner Tumor. Aber ob der gut- oder bösartig ist, weiß man erst nach einer OP und Analyse. Und die ist erst mal nicht nötig, weil Hunde immer irgendwo mal Knubbel bekommen, wenn sie älter werden. Ich soll nur beobachten, ob er wächst und wiederkommen, falls das der Fall sein sollte. Und in Sachen Milz ist nichts ganz ausgeschlossen, ich soll einfach darauf achten, ob er irgendwelche außergewöhnlichen Symptome zeigt und dann kann man das langfristig beobachten. Aber kein Grund zur Sorge.
Ich denke mal, heute Abend wird ein junger Arzt nicht unbedingt einen schönen Abend haben, sondern einiges lernen müssen vom erfahrenen. Wir dagegen werden einen fantastischen Abend haben. Im Kühlschrank steht eine Flasche Sekt, die ich heute ernsthaft auf eine schöne "letzte gemeinsame Zeit" trinken wollte. Heute trinke ich sie (natürlich nicht die ganze Flasche alleine) auf den Hund mit der "Wunderheilung", den pumperlgesunden Bilbo mit dem Knubbel im Ohr und dem hübschen, wenn auch teuren Blutbild. Der darf mit anstoßen - mit einem riesigen Knochen nämlich, den ich mit einer Karotte und einem Wienerle fülle, seiner Lieblingsbelohnung. Und dazu gibt's Heilung noch und nöcher - nämlich einen Dr-Who-Abend!
Würde es jetzt nicht dauernieseln, wäre ich mit Bilbo wieder im Wald. Aber der hinter mir zufrieden schnarchende Hund signalisiert, dass wir uns durchaus mal Ruhe gönnen dürfen. Die zwei Stunden Tour im Bergwald gestern waren nämlich schon hoch aufregend!
Ich wollte ein letztes Mal vor dem schlimmen Tag mit ihm etwas laufen, ihn nicht überstrapazieren. Nur ein kleiner Gang. Und er würde entscheiden dürfen, wohin es ging, an jeder Wegkreuzung. So wurde aus dem kleinen Gang eine stundenlange Wanderung mit einem völlig fitten und lustigen Hund.
Ungefähr vier- fünfmal bin ich von Hornissen verfolgt und umkreist worden. Ich habe selten so viele Hornissen im Wald gesehen, wo frisch Holz gemacht wurde. Ich vermute, dabei wurden Nester beschädigt - oder sie zogen gerade um. Normalerweise hatte ich keine Angst vor Hornissen, aber eine absolut aggressive hat mich einmal einen halben Kilometer verfolgt und dann drei Mal oben in die Mitte des Kopfes gestochen. Ich kam noch rechtzeitig zur Ärztin für die Allergie-Notfallspritze. Es ist ungewöhnlich, Hornissen greifen normalerweise wirklich nicht an (und sie haben auch weniger Gift als eine Wespe), wenn man sie nicht massiv am Nest bedroht. Diese seltsame Aggressivität damals, erklärte mir die Ärztin, würde in Maisgegenden oft beobachtet. Man vermutet spezielle Nebenwirkungen von Pestiziden. Nicht lustig.
Als ich dann die Hornissen hinter mir hatte, brachte mich Bilbo in einen wunderschönen, etwa 200 Jahre alten Eichenwald, in dem man noch erträumen kann, wie Wald früher einmal ausgesehen haben mag. Leider sterben dort durch das zweite Jahr Dürre schon so alte Eichen ab. Aber wir haben es genossen, diese unendliche Ruhe, die solch alte Bäume ausstrahlen. Wenn sie erzählen könnten aus ihrem Leben! Von einem Stumpf einer ca. 250 Jahre alten, gefällten Eiche hatte ich im vergangenen Jahr Eicheln gesammelt und in Töpfen kleine Bäumchen gezogen. Es sind Kinder eines uralten Wesens ...
Träumend und in gemütlichstem Schlendertempo schlappten wir einen Waldweg entlang. Ich suchte nach schönen Steinen, während Bilbo jede Wildmarkierung genoss.
Plötzlich ein bedrohlich wirkendes, grollendes Geräusch in der Ferne. Ein Erdbeben? Das Geräusch kam schnell näher, die Erde vibrierte tatsächlich leicht. Eine neue Waldmaschine? Auf unserem Weg kommen normalerweise kleine Traktoren durch, Platz ist da genug. Denn beide Seiten waren von hohem Stachelgebüsch blockiert. Aber mir stellten sich die Haare im Nacken. Ich spürte, was da im Karacho von hinten auf uns zukam, würde größer sein als der Weg breit war.
Es ging dann alles ganz schnell. Während ich hinter uns ein riesiges Pferd in vollem Panikgalopp sah, dass auf dem Weg breit hin und her schlingerte und fürchterlich ausschlug, war ich ein paar Dutzend Meter mit dem Hund gesprintet, in einen Bachlauf gesprungen, der zum Glück ausgetrocknet war. Ich erinnere mich nur, dass ich Bilbo knapp am Halsband hatte und wir beide uns ganz tief duckten. Wenn sich ein Jagdhund und Pferdeliebhaber schon mal freiwillig duckt! In dem Moment raste das Pferd auch schon an uns vorbei, seine Augen rollten fürchterlich vor Angst.
Wieder aus dem Bachlauf gekrabbelt und durchgeschnauft, fragte ich mich, wazu manche Leute teure Abenteuerreisen buchen. Geht auch im heimischen Wald. Dann war ich so klar, dass ich mich erinnerte. Das Pferd war gesattelt gewesen und es rannte Richtung Dorf, also nach Hause. Denn dort gibt es einen Pferdezüchter. Ich machte mir nämlich Sorgen, dass irgendwo eine Reiterin verletzt im Wald liegen könne. Die Stelle, von der zum ersten Mal die Trappelgeräusche gekommen waren, lag mindestens sechs Kilometer entfernt. Der Bergwald ist meist menschenleer, es gibt dort zig Wege und Pfade, die sich kreuzen, so dass man nicht weiß, wo suchen. Und ich hatte kein Smartphone dabei, weil ich ja eigentlich nur kurz vor die Haustür gewollt hatte ...
Zum Glück gab es dann Dorfbewohner und Waldarbeiter am Ende des Wegs, die das Pferd auch gesehen hatten, wie es übers Feld galoppiert war. Richtung Pferdezüchter. Die versprachen, dort anzurufen, auch falls jemand verletzt wäre. Ich habe übrigens gestern von einer Reiterin erfahren, dass normalerweise Reiter in solchen Gegenden nie alleine ausreiten sollten und obendrein Sicherheitssysteme wie Sturzmelder etc. hätten.
Tja, wie man in der Pfalz so schön sagt: Mei Närwwe!!!
Mehr Aufregung brauche ich im Moment echt nicht. Bilbo ist sicher auch glücklich über etwas normalen Trott. Und darum machen wir jetzt etwas, was auch Freiberuflerinnen nicht einfach so machen: Wir legen uns beide heute nachmittag am hellichten Tag aufs Öhrchen - ich mit einem guten Buch. Ich muss erst mal runterkommen, um zu begreifen, dass dieser wunderbare, heißgeliebte Hund NICHT totkrank ist!!!
Ich danke euch allen ganz ganz herzlich für all die guten Wünsche und das Mitfühlen!
Wie schön! Damit meine ich selbstverständlich die guten Nachrichten in Bezug auf Bilbos Gesundheit und weder den Hornissenstich noch das wilde Pferdeabenteuer.
AntwortenLöschenOh wie schön. Dann einen dicken Genesungs-Schmatzer auf die Bilbo-Nase von Shira, die gerade vom Geriatrie-Check bei unserer wunderbaren Tierärztin kommt. Blut gezogen, Röntgenbilder (wg. Spondylose). Mit fast 15 ist noch alles soweit okay. Und Leckerlis gibt es immer von der Tierärztin, weshalb sie auch sehr gerne hingeht.
AntwortenLöschenDann euch beiden entspannte After-Doc-Grüße!
Elli & Shira
Oh ist das ein stolzes Alter! Wir freuen uns für euch und winken ganz herzlich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten: Ich sehr langsam mit Adrenalinkater, Bilbo berstend vor Energie!
LöschenDanke, liebe Maike!
AntwortenLöschenWir sind auf die Schrecken heute erst mal in Tiefschlaf verfallen und werden jetzt den Abend genießen und das Leben feiern! :-)
Was ich vergaß zu erzählen: Auch das Gewächs am Ohr ist weg, spurlos weg. War eine Warze, die perfekt auf Pflanzenheilkunde reagierte.
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