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20. August 2019

Typisch Frauenkram?

Seit ich nicht mehr bei Facebook bin, habe ich Zeit und Muße, mich in den unendlichen Weiten des Internets nach dem umzuschauen, was die Welt konstruktiv befruchtet oder / und was mich persönlich jenseits der Algorithmenenge interessieren könnte. So stieß ich zufällig auf einen Professor im Ruhestand, der sich "bibprofessor" nennt und seine Overalls tauscht und sie fleißig flickt - und zwar irre bunt. Weil meine Hosen auch immer öfter Löcher haben, folgte ich der kuriosen Spur und landete in einer höchst interessanten Welt, die mit Handarbeiten im herkömmlichen Sinn nur wenig zu tun hatte. Plötzlich wurde es sozial, politisch, umweltrelevant und manchmal sogar ein wenig revolutionär! (Die Links führen wie immer vertiefend in die Thematik oder zu Bildern.)

Endlich dazu stehen, dass man nicht wirklich akkurat und perfekt handarbeiten kann und Löcher sichtbar stopfen, die Szene findet sich unter Visible Mending - sichtbares Flicken - im Internet. Auf Instagram trifft sich die Community unter dem gleichnamigen Hashtag. Die Ursprünge sind weitaus älter - sie gehen u.a. auf das japanische Kintsugi, auf Sashiko und Boro zurück, diese alten Techniken werden inzwischen weltweit erlernt und auf moderne Weise adaptiert.

Frauenkram oder Instrument des Aufruhrs?

In meiner Generation waren Handarbeiten noch streng zweigeteilt. Mädchen durften erst spät in den 1970ern am "Werkunterricht" teilnehmen, dem typischen "Jungshandarbeiten" bis dahin. Wir wurden mit Perfektion für die ach so erstrebenswerte Heirat und Hausfrauentätigkeit traktiert, denn an Schulen wurde die Befreiung der 1960er lange ausgeklammert: Nähen, Stricken, Häkeln, Sticken und natürlich auch die entsprechenden Reparaturarbeiten wie Stopftechniken standen auf dem Stundenplan. Für mich eine doppelte Qual, denn neben der militaristischen Lehrerin war meine Mutter unerbittlich. Als gelernter Schneiderin machte es ihr niemand recht. Ich durfte zeitlebens nie an ihre Nähmaschine; die würde anders laufen, wenn jemand anderes daran gesessen sei, behauptete sie. Ich hasste Handarbeiten heiß und innig.

So kam es, dass sich meine Schränke mit lustlos liegengelassenen, unfertigen Handarbeiten füllten: die "weiblichen" Skills kotzen mich, gelinde gesagt, an. Ich spielte schon als kleines Kind den Robin Hood und nicht die Maryann. Lieber strickte meine Mutter ein Stück für eine Hausaufgabe selbst, schimpfend natürlich, als dass sie mich mit Unperfektem in die Schule ließ! So wurde aus mir ein Mädchen, das mit Hingabe hämmerte und feilte, mit der Bohrmaschine und später der Motorsense arbeitete. Da redete mir niemand dumm rein. Ich habe natürlich trotzdem leidlich häkeln gelernt und manchmal heimlich nette Bildchen gestickt. Als es dann angesagt war, während des normalen Schulunterrichts frech und provozierend zu stricken, lernte ich auch das.

Ein Lehrer nannte mich "die Tricoteuse von der Hinterbank", weil, wie er meinte, von mir ähnlich wie bei den Tricoteuses der Französischen Revolution scharfe und oft ironische Bemerkungen kämen. So erfuhr ich, dass Stricken politisch sein konnte. Wie politisch, erlebte ich später, als die Mitglieder einer neuen Partei plötzlich provozierend im Bundestag strickten. Das war auch die Zeit, als wir "Gegenuniversitäten" gründeten, in denen vor allem Männer in vermeintlich weiblichen Handarbeiten unterwiesen wurden.

Dabei waren Handarbeiten nie ausschließlich Sache von Frauen gewesen, wie Susanne Schnatmeyer in ihren kulturgeschichtlichen Untersuchungen herausgearbeitet hat. Hier in einem Überblick zu lesen - hier in aller Ausführlichkeit in ihrem Blog "Textile Geschichten". Die Zeitschrift Emma, die 2017 feststellte, wie politisch Stricken wieder ist, schreibt ebenfalls über die wechselvolle Geschichte dieser Handarbeitstechnik.

Aber machen wir uns nichts vor: Männerdomäne war Stricken, als es lukrativ und ehrenvoll war. Die wenigen Männer, die heute in Aktionen die Nadeln z.B. zum Kampf gegen das Patriarchat in die Hand nehmen, wie die Hombres Tejedores mit Anzug und Krawatte aus Santiago de Chile, sind keine gesellschaftliche Mehrheit. Und Frauen hielt man mit dem Klischee der sittsam, brav und fleißig handarbeitenden Dame vor allem im 19. Jahrhundert lange dumm und still. Aber wie sich so manche Dame damals mit selbst verdientem Nadelgeld ein wenig befreite, wie noch ein Jahrhundert früher Frauen sich fürs politische Agieren sogar bezahlen ließen, so ist auch heute längst nicht mehr alles rosige heile DIY-Welt. Ein rosa Strickteil hat den Muff sogar aus der Wollfarbe genommen: der Pussy Hat, der ab November 2016 im PUSSYHAT PROJECT™ Frauen weltweit zusammenbrachte. Selbst im Schweizer Bundeshaus wurde mitgestrickt.

Und was hat jetzt bitte dilettantisches Stopfen mit Politik zu tun?

Zuerst einmal fängt die Sache dort zu gären an, wo Handarbeit allein im stillen Kämmerlein langweilig wird. (Abgesehen davon, dass die meisten Leute heute wegwerfen statt reparieren oder selbst machen.) Vor der politischen Aktion steht ein soziales Miteinander, man trifft sich im realen Leben. Noch kann man keine Avatare zu Demos auf die Straße schicken und darum lässt sich das Bilden von politischen Interessensgruppen durchaus mit der Bildung von Handarbeitszirkeln vergleichen und annähern.

Auch wenn ich etwas lernen will, ist "Abschauen" bei den Könnerinnen in der Realität immer hilfreicher als Youtube-Tutorials oder Online-Webinare. Man kann unterbrechen, sich die Rückseite zeigen lassen oder einfach mal fragen, wo man die tolle Wolle in der Region bekommt, kann sich vielleicht sogar bei Unsicherheit die Hand führen lassen. Man kann beim Machen miteinander schwätzen und Kaffee oder Härteres trinken. So bilden sich Handarbeitzirkel, die natürlich  nicht zwingend zu politischen Keimzellen werden müssen. Die meisten sind harmlos und nett. Trotzdem - oder auch gerade deshalb - wirken sie gesellschaftlich als Kitt, sie schaffen soziale Bindungen und die wiederum Rückhalt.

Einige Handarbeitskreise arbeiten sozial. In meiner Region gibt es z.B. einen Strickzirkel, wo Frauen für Obdachlose warme Kleidungstücke stricken. Es gibt Handarbeitsgruppen für sehr arme Menschen, denen Teilhabe an gesellschaftlichem Miteinander sonst kaum noch möglich ist. Sie spüren hier wieder ihre Würde. Egal wie - ein Handarbeitszirkel ist gelebtes soziales Miteinander und nicht das narzisstische Hinklatschen von "I made this!", in dem irgendwann jede noch so ambitionierte Facebookgruppe versumpft und so manches Instagram-Acount dazu. So jemand würde im realen Leben ganz schnell geschnitten. Die Frauen und Männer, die sich hier zusammenfinden, legen ihr soziales oder politisches Engagement keinesfalls mit den Nadeln weg.

Was passiert beim Tauschen?

So entstand in den Bereichen DIY und Handarbeiten schnell eine Tauschkultur, die inzwischen immer öfter auch politisch eindeutig positioniert ist. Je nach Gruppe kämpft man gegen Verschwendung oder gleich gegen den Kapitalismus, engagiert sich für die Umwelt, für Zero Waste oder Degrowth und vor allem gegen Fast Fashion. So gibt es bereits Menschen, die keine eigenen Kleidung mehr besitzen möchten.

Damit es nicht ausufert, bleibe ich beim Beispiel mit den Flicken. Menschen tauschen handgearbeitete Flicken so wie es Swaps (Online-Tauschzirkel) fürs Art Journaling gibt, online und im echten Leben. Online geht das über Hashtags bei Instagram wie z.B. #mendandmakefriends oder #patchswap oder in Facebookgruppen. Voraussetzung für die Flicken ist dabei:
  • Sie müssen selbst gemacht sein,
  • sie werden verschenkt und dürfen nicht verkauft werden,
  • es wird immer getauscht,
  • man verschickt die Flicken per Snailmail,
  • es liegt ein meist liebevoll gestalteter, handgeschriebener Brief bei,
  • die Tauschpartnerinnen leben auf der ganzen Welt.
Mich erinnert das an meine Zeit, als ich gerade genügend Englisch für Briefe konnte (Internet gab es noch nicht). Wir waren wild darauf, uns mit Brieffreundschaften aus aller Welt auszutauschen, es gab damals eigens Vermittlungsstellen für so etwas. Ich liebte den Gang zum Briefkasten: Stets war ein anderes Stück Welt darin, aus den USA und England, aus Frankreich und der Türkei, aus Irland und Südkorea. Wir schickten uns Fotos und erzählten uns von unserer Kultur, unserem Leben, schenkten uns zum Geburtstag klitzekleine Kleinigkeiten, die typisch waren für unser Land. Ich liebte es, weil es mir zeigte, dass Menschen noch so verschieden sein können - es bewegen sie die gleichen Gefühle, Ängste, Sehnsüchte und Hoffnungen.

Unity in Diversity wurde später ein Motto unseres Denkens. Was zunächst einfach nur Spaß machte, bildete uns, veränderte uns. Und es ist heute nicht nur Motto der EU, sondern auch Grundlage der Arbeit der UN, geht vielschichtig und integrativ in die Tiefe, wie dieser Text zeigt. So war übrigens ursprünglich auch "Multikulti" gedacht, ein Begriff, der heute derart von der rechten Szene falsch interpretierend annektiert ist, dass man ihn besser nicht mehr verwendet.

Wenn ich also heute auf Augenhöhe einen bunt gestalteten Flicken mit irgendeiner fremden Frau (oder einem Mann) irgendwo auf der Welt teile und diese mir ihren schickt, passiert einiges, mit dem wir uns selbst aus der schnelllebigen eigenen kleinen Welt herausholen:
  • Wir fertigen etwas, das Zeit und Mühe kostet.
  • Wir geben unsere Gedanken und Energie in die Gestaltung.
  • Wir schenken ein Stück von uns selbst, zeigen uns oder unsere Welt.
  • Wir können wertschätzen, was andere kreieren.
  • Wir berühren Stoffe und Muster, die wir vielleicht noch nie zuvor gesehen haben.
  • Wir nehmen uns aus dem Geldkreislauf und Geben wird seliger als Nehmen.
  • Wir treten in eine "langsame" Beziehung außerhalb von Social Media, lernen uns vielleicht näher kennen, es entstehen manchmal längerfristige Bekanntschaften.
  • Das "Slow" auf allen Ebenen wird zurück in Social Media getragen. Und wir zeigen immer zuerst die Werke der Partnerin, nicht die eigenen.
Genau deshalb ist die Szene längst im echten Leben und sehr politisch unterwegs. Second Hand zum Kaufen war gestern, könnte man frech sagen. Längst gibt es außerdem Klamottentauschbörsen nicht nur für arme Menschen. Vor allem junge Leute haben die Idee salonfähig gemacht, dass ich Kleidung nicht mehr dauerhaft selbst besitzen muss. Damit sie lange tauschbar bleibt, muss sie allerdings auch von besserer Qualität sein als das Fast Fashion meist bietet. Der Guardian und viele andere Zeitungen geben inzwischen Lifestyle-Tipps zum richtigen Tauschen und Reparieren. Überall auf der Welt werden Tauschmärkte mit Repair-Cafés verbunden, zeigen die Erfahrenen den Neulingen, wie man einfache, schöne Stiche macht, wie man sichtbar und schnell oder langsam und kunstvoll Stoffe und Gewirktes stopft.

Es verändert die Menschen

Infiziert vom Tausch- und Repariervirus sind alle "Biotope" menschlichen Lebens. In abgelegenen Dörfern gibt es Tauschtreffen für Babykleidung. Emmaus verkauft (für einen geringen Obolus) nicht nur Second Hand für einen guten Zweck, sondern veranstaltet inzwischen eigene Modeschauen mit Upcycling und Repariertem, soziale Arbeit wird nicht nur hier gefördert. Live-Swaps gibt es aber genauso in hippen oder schicken Milieus in New York oder Paris.

Keine Ressourcen mehr verschwenden ist das eine - wie bei den Brieffreundschaften verschiebt sich dabei langsam der eigene Fokus: Es geht darum, möglichst ethisch und umweltbewusst einzukaufen, auf Nachhaltigkeit zu achten. Es geht darum, sich aus dem überhitzten Konsumkarussell herauszunehmen. Sei es gezwungenermaßen aus Armut, weil die Schere zwischen Arm und Reich immer schlimmer aufklafft; sei es, dass man seinen Geldfluss bewusst und sinnvoll lenken will: die Kritik an der heutigen Form des Kapitalismus ist unüberhörbar. Was mir dabei besonders gefällt: Das Konzept ist offen für alle. Man tauscht, egal, wieviel Geld man hat. Arme werden nicht mehr isoliert in Veranstaltungen gelenkt, das hilft auch, Würde zu bewahren.

Ist es nicht außerdem unerhört, das Smartphone aus den Händen zu legen, um etwas heutzutage scheinbar völlig "Unsinniges" zu fertigen und darauf auch noch Mühe und Zeit zu verwenden? Sich womöglich in regionalen Communities zu treffen, so ganz und echt im Kohlenstoffleben, um sich dann global auszutauschen? Was macht es mit mir, wenn ich eine Jeans nicht mehr wegwerfe, sondern neu haltbar mache, sie aufwerte, wertvoll mache? Die Narben und Verletzungen unserer Kleidung erzählen Geschichten, von uns, von anderen Menschen. Wie gehe ich mit der Arbeit derer um, die einmal diese Jeans zu wahrscheinlich nicht schönen Konditionen fertigten? Ihrer Hände Arbeit ist die Grundlage, die "Leinwand" für die Flickenkunst! Wie verändere ich mich bei dieser Arbeit selbst?

Man kann das natürlich alles lediglich als nettes Hobby machen, sich ein wenig den Kick holen, bis man gelangweilt das nächste Hobby sucht. Man kann es sogar zur Selbstdarstellung missbrauchen, auch wenn es eigentlich so gedacht ist, dass wir unsere Partnerinnen und ihre Arbeit zeigen. Es geht aber irgendwann um mehr!

Die politische Seite beim Stopfen und Handarbeiten

Ich möchte hier stellvertretend ein paar Aktionen, Vereinigungen oder Methoden nennen, um zu inspirieren. Denn schon morgen können wir selbst damit anfangen! Repair-Cafés, Veranstaltungen für den Umweltschutz oder Unterricht in der Makerszene sind inzwischen vor allem in den Städten etabliert und lassen sich leicht übers Internet finden. Etwas weniger bekannt:

Kintsugi, Sashiko und Boro sind japanische Techniken des Stopfens, Flickens und Reparierens, die zunächst unpolitisch sind. Am bekanntesten ist wohl das Kintsugi, bei dem zerbrochenes Geschirr mit einer Kittmasse geklebt wird, in die echtes Gold, Silber oder Platin eingestreut werden. Den Makel hervorheben; das, was für andere Müll ist, mit Edelstem ehren - dieses Prinzip haben die Visible Menders übernommen. Und so heißt es dann kämpferisch: 
Nähen ist ein radikaler Akt. Es bedeutet: Ich habe Zeit mit etwas Unnötigem verschwendet. Es bedeutet: Ich wertschätze die Dinge. Ich pflege sie. Ich kümmere mich darum.
Auf diese Weise kam auch Boro, das Reparieren durch aufgesetzte Flicken und Stoffstücke, zu neuen Ehren, genauso wie Sashiko, eine Technik mit Vorstichen. Anders als in rein dekorativen Quilts dient diese Art des Stickens wieder der Verstärkung von morschem Gewebe, dem Versiegeln von löchrigem Stoff. Kurse und Treffen werden weltweit veranstaltet - und wer nicht die Chance hat, lernt es einfach via Youtube.

Subversive Cross Stitch ist das älteste politische Beispiel, das ich finden konnte und das 2003 auf eine recht verbreitete Weise begann: als Selbsttherapie nach Mobbingerlebnissen. Julie Jackson, die sich spontan mit Kreuzstich selbst helfen wollte, stickte als Anfängerin das berühmte Wort f**k - und steckte so viele Frauen an, dass ihre späteren Bücher in mehreren Sprachen erschienen. Sie ermuntert Mädchen und Frauen, aus dem braven rosa Klischee auszubrechen und wurde damit zur Unternehmerin.

Badass HERstory machte zur gleichen Zeit Furore wie der Pussy Hat. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet ein erschreckend misogyner und rassistischer Mann Frauen zum subversiven und hochpolitischen Handarbeiten brachte. Shannon Downey stickte ein Banner für den Women's March und das Bild ihrer roten Wut ging um die Welt. Kreuzstich wurde nicht nur für sie plötzlich zur feministischen Kampftechnik, zum Ausdruck für soziale Gerechtigkeit und den Kampf gegen die Politik unter Trump.
Heute arbeitet sie mit anderen Frauen an einem partizipativen Kunstwerk, der HERstory, bei der man immer noch mitmachen kann. Ihre Gedanken über Veränderung, Change und Transition, gelten nicht nur für die Lebensbedingungen von Frauen - sie können ein Konzept für unsere Zeit sein.

Craft for Change geht den Weg, Handarbeiten gegen Spenden zu tauschen. Diese Spenden werden allerdings nicht irgendwem geschenkt, sie werden wohlüberlegt politisch eingesetzt.

Craftivists, Craftivistinnen, nennen sich die stickenden Aktivistinnen übrigens, von craft = Handarbeit und activist = Aktivistin.  Zu ihnen gehört auch Hanna Hill, die sich stickend mit den Themen Gender, Sexualität, psychische Krankheit und Rassismus beschäftigt. Sie hat zum Craftivism auch eine Linkliste. Craftivism funktioniert auch andersherum: Eine der größten Strickcommunities weltweit hat inzwischen Werbung für einen gewissen Präsidenten verbannt.

2016 kann als das Jahr gelten, als Sichtbares Flicken und Craftivism so richtig berühmt wurden. Langsam, nur allzu langsam schwappt das auch in deutschsprachige Bereiche. Aber auch deutsche Artikel stützen sich eher auf die englischsprachigen Beispiele. Der DLF berichtete über Anti-Trump-Kunst durch Handarbeiten, das Innenansicht-Magazin bemängelte 2017 ein Fehlen von Beispielen in Deutschland. Die Zeitschrift Emma stellte im vergangenen Jahr die Tiroler Künstlerin Katharina Cibulka vor, die Baustellen-Planen gegen den Backlash bestickt, im Großformat. Etwas trocken, aber aufschlussreich ist der längere Artikel über sogenannte Konflikttextilien in der politischen Arbeit. Aber auch der wurde aus dem Englischen übersetzt. Und die Zeitschrift, die einmal drei politische Stickerinnen interviewt hat, das Intro Magazin, existiert nicht mehr.

Ob die europäische Szene so brav ist, weil kein Mr Orange droht? Dabei wäre der Kampf gegen weibliche Klischees längst wieder angesagt, zumal auch die Rechtsradikalen mit einem unmöglichen Frauenbild werben, das einer 1950er-Hölle entsprungen scheint, die gentechnisch mit übelster Historie gekreuzt wurde. Betätigungen hätten wir genug. Immerhin eine nennenswerte Gruppe habe ich noch gefunden:

Das Radikale Nähkränzchen in Innsbruck beschäftigt sich mit Gewalt gegen Frauen und mit Mädchenkultur.

Angesprochen wurde bereits eine Form des Miteinander, über die ich gern extra mal einen Beitrag schreiben möchte. Partizipative Kunst oder auch Crowdsourcing in der Kunst. Das sind Werke, die den Urheberbegriff aufweichen, weil sehr viele Menschen daran beteiligt sind als Schöpferinnen und Schöpfer. Viele dieser Kunstaktionen oder Ausstellungen sind aus der Tauschszene entstanden.
Hier möchte ich das Projekt #mendtheworldtablecloth der norwegerischen Textilkünstlerin Eline Medbøe nennen, das sie auf Instagram laufen hat. Leider ist mir nicht gelungen, herauszufinden, was daraus genau werden wird.

Übrigens freue ich mich bei solch aufwändigen, rechercheintensiven Artikeln jederzeit über eine kleine Spende in die Kaffeekasse - das Formular gibt's rechts im Menu unter "Wer liebt, gibt!" Einfach auf den Paypal-Button klicken, ab 2 Euro seid ihr dabei.
Und Medien: Wenn ihr einen Artikel braucht, bestellt ihn ordentlich bei mir, ich bin nämlich Journalistin. Was ich gar nicht abkann, ist Abschreiben und Ideenklau. Das ahnde ich, wie es Journalistinnen so machen. Muss man leider heutzutage explizit sagen, weil's zu oft vorkommt.

Update 1.6.2020: Ein Interview mit Annie Taylor von PEG (Profanity Embroidery Group auf WomensArt.

Ein paar Fotos von eigenen Stücken gibt's auf Instagram:

Jeans Nr 1 (meine Lieblingshose)
Jeans Nr 2
Pullover - meine neueste Errungenschaft. Es war ein recht teurer Lieblingspulli aus einer wunderbar weichen Wolle gewesen, den die Motten zerfressen haben. Ich bekam es nie übers Herz, ihn wegzuwerfen, aber leider waren die Löcher zu groß, um sie unsichtbar kunstzustopfen. Jetzt bin ich richtig glücklich, dass ich ihn so verziert habe, ein paar Motten werde ich noch dazusticken!

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