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27. Oktober 2018

Ein Buch entsteht und alle nölen!

Wenn ich eines in Social Media gelernt habe, dann sind es Clickbaits; hier in Frankreich übrigens Klickhuren genannt: diese aufreizenden Schlagzeilen, die jeder aus Neugier dringend anklicken muss. Meist kommt dahinter nur heiße Luft, weil es entsprechenden Medien nur um Traffic geht. Aber keine Angst, diese Schlagzeile ist echt und die Reaktionen, die ich mit dem Herumnölen zusammenfasse, bringen mich zwar zum Kopfschütteln, werfen aber ein Licht auf die Sache, über das ich mich nicht wirklich wundere.

Diesmal werde ich stur sein wie ein Ochse!

Irgendwas mit Natur?

Ich habe bereits erwähnt, dass es in meinem Kopf wieder herumbrummelt, weil womöglich ein längerer Text, vielleicht sogar ein Buch entstehen will. "Irgendwas mit Natur" zeigte sich da - und inzwischen formt es sich schon recht konkret mit Inhalten. Im Moment bin ich noch im Zustand des inneren Köchelns, der wachsenden Begeisterung und der Sichtung von Wegen, die sich abzeichnen. Nach jahrzehntelanger Erfahrung in der Buchbranche strecke ich auch schon mal kleine Fühler aus und stelle Fragen an Menschen in meinem Bekanntenkreis, die gute Bücher machen.

Die Überraschung ist groß: Insider raten mir ab. Deutsche Verlage hätten seit der Frankfurter Buchmesse noch weniger Mut als sonst.

Neugierig wollte ich wissen, was dahintersteckt. Meine Idee ist einfach und in meinen Augen doch auch raffiniert: Ich will etwas von Natur und meinen Waldläufen mit Bilbo erzählen, aber mit einem Sinn dahinter. Also nicht so ein niedliches Hundegeschichtchen, sondern ein erzählendes Sachbuch, das unterhaltsam knallharte Fakten transportiert, während ich natürlich auch Wahrnehmungen und Hundliches erzähle. In der angloamerikanischen Welt gibt es dafür ein eigenes Genre mit großer Tradition, das seit wenigen Jahren boomt wie nie zuvor: Nature Writing. Im Deutschen gibt es nicht einmal einen Begriff dafür.

Das Sperrgebiet

Unterbewusst geistert es wohl schon länger in meinem Kopf herum. Seit einigen Jahren knipse ich Fotos von immer der gleichen Stelle. Es ist ein Sperrgebiet, das man von außen leicht beobachten kann, wo aber der Zutritt nicht nur lebensgefährlich ist, sondern auch strengstens verboten. Die Idee zum Buch kam mir, als ich außerhalb an einem Hochsitz saß und wie mein Hund gebannt durch den Zaun blickte. Ich kann mich da wunderbar erholen. Den hohen Zaun mit den Warnschildern blende ich längst aus, meine Augen schweifen auf große knorzige Eichen und Weiden, ungewöhnlich gesunde Eschen und die Wildpfade im hohen Gras der Steppenlandschaft. Wenn es warm genug ist und ein Lüftchen weht, duftet es minzgetränkt von wilder Minze, über der trunken Schwärme von Schmetterlingen taumeln. Ein Hügel erhebt sich über dem entstehenden Wald, stets seltsam kahl, lediglich vergrast und mit ein paar verkrüppelten Koniferen bestanden. Auch die Steppe wirkt fremd.

Ich selbst sitze im Kulturland, unweit der Maisfelder in Monokultur, am aufgeräumten Waldsaum, der wegen des Sperrzauns regelmäßig gemäht wird wie ein Vorgarten. Ligusterhecken breiten sich aus, die Jäger haben hier einen Aufgang zu ihren Jagdstellen und den Futterplätzen. Es ist ein extrem junger Kulturwald, von dessen Holzeinschlag die Gemeinde lebt.

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich sitze im "Wohnzimmerwald" und schaue auf eine ungestörte Wildnis, die radikal von der Natur erobert wird. Dabei müsste es eigentlich andersherum bezeichnet werden! Denn jenes "Wohnzimmer" ist der eigentlich ach so wilde, freie Wald. Das Sperrgebiet hinterm Zaun dagegen ist verwundetes Land, einstige Industriebrache, womöglich belastetes Gebiet.

Ich musste daran denken, wie viel wir Menschen als Gattung mit diesem Stück Natur zu tun haben. Sind wir nicht selbst verwundet in diesen Zeiten, belastet, erschöpft? Könnte das hinterm Zaun ein Spiegel sein für unseren Zustand in einer immer verrückter erscheinenden Welt, die wir manchmal kaum noch fassen können? Das Gelände wurde nicht umsonst enteignet und abgesperrt: Es könnte nämlich zusammenbrechen. Es könnte sich einfach die Erde auftun aufgrund der alten Wunden und alles verschlingen.

Burnout

Das Stück Land gehört zum ehemaligen Erdölfördergebiet im Nordelsass. Messungen haben ergeben, dass die unterirdischen Galerien in dem von Sandlinsen durchsetzten Lehmboden angefangen haben zu arbeiten. Es besteht einerseits die Gefahr, dass sie einbrechen. Andererseits weiß niemand wirklich, was damals bei Aufgabe der Ölförderung in die Galerien gekippt wurde. Dort, wo einst die Raffinerie stand, hat man den Sondermüll in den alten Galerien entsorgt, das haben die ganz Alten noch erzählt, die dort gearbeitet hatten und nun auch schon gestorben sind. Und hier?

Das Besondere an diesem Stück Land ist, dass es keine moderne Industriebrache wie unten im Dorf oder auf dem ehemaligen Raffineriegelände ist. Ich laufe mit dem Hund ein Stückchen im Wald hoch und stehe vor einem Wegweiser: nur 200 Meter bis zum Bohrturm. Der ist eine Replik auf geschichtsträchtigem Boden: Da stand der erste Bohrturm der Welt. Lange vor den Amerikanern hat man hier 1813 zum ersten Mal auf 42 Meter Tiefe gebohrt. Zu der Zeit haben sich Amerikaner noch gefragt, was die Natives mit diesem seltsam schmierigen schwarzen Zeug anfingen, haben es mit Lumpen aus der Erde getunkt, als Mittel gegen Insektenstiche und Medizin.

Ich habe ein Faible fürs Spurenlesen in uralten Industriebrachen. Dieser Laster vermaß einmal die geophysikalischen Spuren der Erde, um Naturasphalt und Erdöl aufzuspüren.

Ökoaufstand

Wenn ich meinem Hund Bilbo nachgebe, bin ich ziemlich schnell in einem Wald, der einmal nationale Geschichte schrieb in Frankreich. Dort gab es nämlich einen der ersten "Ökoaufstände" gegen den Kohleabbau, wütende Bauern schäumten vor Wut gegen eine profitorientierte Adelsfamilie, die nicht aus der Region stammte, aber intrigant nach Geld gierte. Damals hat es Flugblätter gegeben und Eingaben beim französischen König, Blockaden der Landbevölkerung im Wald. Von der Belastung ihres Wassers hatten sie es und schimpften beim König, dass das Abholzen des Waldes ihr gesamtes Mikroklima verändere. Ich habe die Texte der Flugblätter noch. Es hieß noch anders, aber die haben tatsächlich erkannt, was Mikroklima ist und wie es sich auf Mensch und Vieh auswirkt! Das war noch vor der französischen Revolution! 250 Jahre vor dem Hambacher Forst, vor den Protesten gegen RWE.

Und da hat es mich dann endgültig gepackt.

Nein, ich möchte nicht mein nie geschriebenes Buch über die Erdölgeschichte nachholen. Aber ich habe so viele Kisten Material davon übrig, in denen ich Spannendes finde zur verwundeten Landschaft, zu einer Welt, die einmal nicht mehr lebenswert schien. Vor Jahrhunderten vergiftet, baumlos geworden, immer wieder von Erdöl überschwemmt - heute Teil des Regionalparks und absolutes Naturidyll, die Spuren nur noch für Wissende lesbar. Ein Untergang, der zur Hoffnung wurde. Und ich sitze draußen vor diesem Zaun und erlebe, wie der Wald, der wild sein sollte oder zumindest gesund, an der Maismonokultur und anderen Problemen krank wird.

"Gesunde" Herbstfarben in einem Wald, der nicht unter Dürre leidet.

Wider die Entfremdung

Nicht, das das viele Menschen wahrnehmen würden. Bilbo und ich begegnen allenfalls Waldarbeitern, mal einem Jäger oder Bauern. Es ist wunderschön einsam auf all diesen Wegen, was der Natur zugute kommt. Aber die Menschen, die sich seltener in die Wälder bewegen, entfremden sich. Vom Mikroklima lesen sie Theoretisches in den großen Zeitungen und glauben nicht mehr, dass auch ihr eigenes Dorf gemeint sein könnte. Sonst würden sie nicht ihre Gärten mit Planen abdichten und zu Tode schottern. Es sind die gleichen Menschen, die bei Instagram sonntags Bilder vom bunten Herbstlaub posten, sich freuen, dass es schon so früh so bunt wurde, dass es so schön heiß blieb und zum Glück nie nass. Dürreschäden? Trockenheitsfarben? Da kichern sie ungläubig.

Idylle schauen sich die meisten inzwischen von der Straße aus an oder vom Wanderparkplatz. Und doch ist die Sehnsucht der Menschen nach Natur und nach dem Wald ungebrochen.
Ich habe also durchaus ein Programm. Möchte unseren Verletzungen nachspüren und unseren Sehnsüchten, möchte die Entfremdung der Menschen überwinden und ihnen Zusammenhänge unterhaltsam erzählen. Mir geht es darum vor allem ums Staunen, um die Faszination. Ums Fühlen, wo wir als klitzekleines Teilchen der Natur vielleicht stehen könnten, lebensfroh werden könnten. Das kann man mit Fakten und Wissenschaft, ganz ohne Esoterik.

Lernen von den Großen

Natürlich interessiere ich mich für die großen Vorbilder und lerne für mein Leben gern. Das Sujet ist ja in Teilen neu für mich. Also habe ich mir die Besten der Besten zusammengesucht und preisgekrönte Bücher bestellt. Ich habe mich wenig gewundert: Sie sind allesamt englischsprachig. Ein paar davon wurden oder werden übersetzt, aber eigentlich auch eher nur deshalb, weil man an einer Pulitzernominierung oder einem internationalem Bestseller so leicht nicht vorbeikommt (oder sich den Mitnahmeprofit ausrechnet). Noch weniger davon landen als Spitzentitel im Programm von Mainstream-Verlagen. Ich jedenfalls bin hin und weg, verschlinge die Bücher (ich werde sie später einmal vorstellen). Und verliebe mich in die "Schreibe" des Nature Writing.

Nature Writing

Da stehen poetische Naturbeschreibungen gleichberechtigt neben dem subjektiven und sehr persönlichen Spaziergang (auch mit Hund) und knallharten wissenschaftlichen Fakten z.B. aus der Biologie oder Ökologie. Das ist genau mein Schreiben. Erzählendes Sachbuch ist so sehr meins ... bei "Das Buch der Rose" wie bei "Faszination Nijinsky" oder "Elsass. Wo der Zander am Liebsten im Riesling schwimmt." Da schließen sich Kreise.

Natürlich habe ich recherchiert, was Nature Writing für ein Standing bei uns hat. Und war dann schon leicht entsetzt. Das deutsche Feuilleton rümpft die Nase, nölt herum oder macht sich gepflegt lustig. Ein einigermaßen vernünftiger Artikel ist aus dem Amerikanischen übersetzt. Sonst nur Arroganz zu finden. Wie solche Bücher in Deutschland aufgenommen werden, nenne ich bei mir den "Peter-Wohlleben-Effekt". Der Mann weiß viel und erzählt absichtlich so, dass ihn eben auch naturferne, einfach gebildete Stadtmenschen und Kinder verstehen. Und dafür erntet er dann Häme, allerdings eben auch Erfolg. Irgendwie tut man sich in deutschsprachigen Ländern schwer, wenn jemand zu sachlichen Themen Gefühle anspricht, es einfach hält. Ich reite übrigens bewusst auf einem "deutschen Effekt" herum, weil es sich um eine fehlende kulturelle Tradition handelt, weil da aber auch geschichtlich gewachsen gewisse Vorbehalte da sind. In Frankreich ist das auch anders, jemand wie Wohleben würde hier in Schulen und zu Waldführungen eingeladen werden (inzwischen ist er dort auch bekannt).

Einen guten Artikel habe ich gefunden, der einfühlsam zeigt, was Nature Writing ist und was dahintersteckt: "Schläft ein Lied in allen Dingen" in der ZEIT. Den hat aber ausgerechnet ein Autor geschrieben, der sich selbst immer häufiger in englischer Sprache ausdrückt und in diesem Kulturkreis auch ernst genommen wird. Auch über ihn lachen viele in Deutschland: Dr. Andreas Weber. Bekannt wurde er mit seinem Buch "Alles fühlt" (Leseprobe pdf). Er ist Philosoph und Biologe und schreibt sogenannte erzählende Sachbücher, sehr poetisch und literarisch außerdem. Und schon damit können und mögen so viele nichts anfangen. Dabei ist gerade dieses Buch die Initialzündung gewesen zu meinem Denken, meiner Idee ...

Derart vorgewarnt habe ich dann ein paar Verlagsleute in meinem Bekanntenkreis interviewt, was sie über Nature Writing denken. Sie hatten durch die Bank zwei Vorschläge für mich:
- Schreibe unbedingt auf Englisch.
- Werde am besten ein Mann.
Und ja, deutschsprachigen Verlagen fehle es an Mut für Ungewöhnliches wie selten zuvor. Aber das hatten wir ja schon. Öfter.

Da stehe ich nun mit meiner Idee und bin mir noch unschlüssig, wie ich sie tatsächlich umsetzen werde. Das Notizbuch jedenfalls füllt sich, vorläufig in der Muttersprache.

22. Oktober 2018

Endlich erscheint er wieder!

Gnadenlose Werbung in eigener Sache: Nach ewig langer Pause erscheint mein Newsletter endlich wieder. Gegen 16 Uhr wird er abgeschickt - man kann ihn also vorher noch abonnieren, um ihn ja nicht zu verpassen.

Das Blog von der Bildadresse gibt es nicht mehr. Aber den Newsletter ;-)

HIER ist das Formular fürs Abo und da kann man sich auch im Archiv Appetit holen. Wir lesen uns! :-)

17. Oktober 2018

Hummeln brummeln in meinem Kopf

Wenn ich wenig blogge, bin ich meist schwer beschäftigt. Ich muss dann auf meinen inneren Akku aufpassen und schön alles der Reihe nach erledigen. Jetzt stehle ich mir die Zeit vor dem Abendessen und Sekttrinken, weil in meinem Kopf einfach zu viele Hummeln brummeln. Ich sprühe gerade vor Ideen und Zeugs und Arbeit. Und einige von euch sind schuld daran, so inspirationsmäßig gesehen. Aber der Reihe nach!

"Orange 45 Voodoo", Mixed media (Acrylfarben / Collage) im Künstlerrahmen, von Petra van Cronenburg

Zuerst mal freue ich mich wie Bolle über den Weg, den das Bild oben nehmen wird. Ich habe bereits darüber gebloggt, wie es aus einer Wut heraus entstand, als Voodoo-Ritual sozusagen. Und heute habe ich es - professionell verpackt - per Post nach Straßburg geschickt. Dort wird es nämlich mit anderen Kunstwerken zusammen ausgestellt und kommt dann in eine Kunstauktion.

Wer Lust und Zeit hat: Die Kunstwerke sind zu sehen in der Galerie Aedan, 1 a rue des aveugles, Strasbourg, und zwar vom 25.-28.10.18. Die Galerie hat sich zu einem "hippen" Treffpunkt in der Altstadt von Strasbourg gemausert, denn sie ist verbunden mit dem Aedan Place drei Hausnummern weiter, einer Art kulinarischen Erlebnislandschaft mit Brasserie, Pizzeria, Bar und Künstlercafé - früher war das alles eine alte Malzfabrik. Versteigert wird am Sonntag, den 28.10.18 von 17:30 Uhr bis 20 Uhr. Was dahintersteckt, ist von den USA abgeschaut und zumindest in der französischen Provinz recht neu, aber die Europahauptstadt ist da eine quirlige Ausnahme. Es handelt sich nämlich um eine Art Crowdfunding für einen guten Zweck: Alle KünstlerInnen spenden 30% ihres Erlöses für die Makers for Change, die sich in Strasbourg um Flüchtlingsarbeit kümmern. Die Auswahl der zugelassenen Werke besorgte übrigens eine Jury der Galerie ... deshalb bin ich so hin und weg, dass ich mit dabei sein kann!

Aber jetzt endlich zu den Hummeln ...

Wie ich kürzlich so mit meinem Hund Bilbo an einem Hochsitz flätzte und wir beide die Sommerhitze im Oktober genossen, bewarf mich die Eiche dahinter und es war ein Genuss, diese Musik vom Ploppen der Eicheln und vom zarten Klicken der Bucheckern zu hören, während ein leiser Windhauch die ersten Blätter durch die Luft wirbelte. Manche blieben in einem Zaun hängen wie Herbstbilder, andere spielten Torpedo im Quirlflug.

Keine Ahnung, ob mir nur eine Eichel auf die richtige Stelle vom Hirn fiel oder ob es der neugierig nach Wild schnüffelnde Hund an meiner Seite war, der ja ganz offiziell den Job eines Inspirational Managers ausübt. Vielleicht waren es auch nur die Farben, dieser Buntrausch vor Himmelsblau. Da war jedenfalls plötzlich dieses Heureka.

Ich wollte ja eigentlich keine Bücher mehr schreiben. Aber plötzlich wusste ich, was ich schreiben will oder schreiben muss. Völlig verquer, weil ich solche Bücher nicht kenne, obwohl die Idee so nah ist an einem Künstlerbuchprojekt, an dem ich nebenher arbeite. Plötzlich hatte ich diesen Missing Link zwischen Kunst und Literatur. Und einen Weg, der es erlauben würde, mit diesem Wahnsinn der Welt irgendwie fertig zu werden, der es mir z.B. unmöglich macht, meinen Krimi fertig zu schreiben. Die Realität kann inzwischen alles schneller und absurder als meine Fantasie.

Was ich mir ausgedacht habe (nein, eigentlich schrieb ich es gleich auf, von Hand in einem schönen Notizbuch), ist vielleicht nicht nur für mich ein Weg, ein wenig Erdung in wilden Zeiten zu finden. Und es hat verdammt viel mit Natur zu tun und kann vielleicht diese Entfremdung überwinden, die manche inzwischen in Sachen Natur haben. Ich will nicht zuviel verraten, denn zu junge und feine Pflänzchen sterben oft ab, wenn sie gleich von vielen Leuten betatscht werden. Darum bitte ich noch um Geduld.

Natürlich habe ich nachgeschaut, ob es so etwas schon gibt. Und fiel aus allen Wolken, weil das "Genre" boomt wie blöd: im angloamerikanischen Raum, in Frankreich auch. Es gibt weder ein deutsches Wort dafür noch einen deutschsprachigen Eintrag in der Wikipedia, aber immerhin ein paar Feuilletonartikel über das englische Phänomen. Ansonsten viel deutsche Häme, leider typisch und nicht Mut machend. Einer, der den besten deutschsprachigen Artikel zum Thema geschrieben hat und mich mit seinem Buch sehr berührt hat, ein deutscher Autor, schreibt zunehmend nur noch auf Englisch. Da weiß man ihn und seine Arbeit zu schätzen. Ich bin noch sehr zwiegespalten, ob ich auch frech die Sprache wechsle oder gleich nur auf Selfpublishing setze. Aber zuerst einmal habe ich, aus Forschungszwecken natürlich, wunderbare Bücher von den ganz großen Könnern des Genres bestellt. Wen wundert es - sie kommen alle aus England und den USA.

Seitdem habe ich Hummeln im Kopf. Mir fallen nämlich so viele Dinge ein. Vor allem aber fallen mir viele Dinge auf, Kreise nämlich. Es schließen sich so viele Kreise damit. Zu meinem Schmuck und zu meiner bildenden Kunst, zu den Künstlerbüchern und meinen Inspirationen aus den Vogesen. Zur Landschaft, zum Gehen und den vielen Hundeausflügen, selbst zu meinem Nebenjob. Und zu meiner Kindheit schließen sich die Kreise, als ich Wissenschaftlerin für Marienkäfer werden wollte und die Mikrowelten unter einem losen Mauerstein beobachtete. Es fühlt sich gut an, als sei die Zeit reif.

Inzwischen habe ich außerdem den gehörigen Abstand zur Buchbranche - Schubladen und Trends interessieren mich kein bißchen mehr, obwohl es international ja einer ist. Inzwischen weiß ich ja, wie man so etwas produziert. Und die Hummeln brummeln noch mehr ... aber das ist nur Schnapsidee ... mir schwebt das Internet als Vorstufe vor. Warum soll man immer erst fertige Bücher am Stück lesen? Da schwirrt es ... eine Art Club, in dem man Vorabinhalte bekommt, oder Geschichten drumherum. Mal sehen. Alles noch unausgegoren. Und vielleicht wird es so schlecht, dass ich abbreche. Wer weiß?

Ach ja - ein Roman wird es definitiv nicht werden. Sondern ein literarischer Sachtext: erzählt, wie ich hier erzähle, mit Wissenseinsprengseln und hoffentlich einer angemessen schönen Sprache. Um Schönheit wird es nämlich gehen. Und um Natur.

Wie praktisch - jetzt habe ich mich an die Apéritifzeit herangeschrieben - darauf muss ich nämlich jetzt einen Sekt trinken. Und die Hummeln noch ein wenig brummeln lassen!

3. Oktober 2018

Es gibt mich noch, lachend

Nicht, dass mein Blog noch verwaist: Es gibt mich noch! Ich habe nur im vergangenen Monat doppelt arbeiten müssen, weil ich an einem Perlenwettbewerb teilgenommen habe. Der ist in der Branche fürs Renommée ganz nützlich. Gewonnen habe ich nicht, aber es immerhin mit dem ersten Versuch in die Nominierungen bei Preciosa-Ornela geschafft. Die gehören zu den führenden Glasperlenherstellern weltweit (ich benutze selbst Perlen dieser Marke), ihre Rocailles finden sich oft in den edlen Perlenstickereien der großen Modeschöpfer. So kann ich jetzt ganz stolz auf die Leistung sein. Und sonst?


Da ist, wie gesagt, mein Doppeljob: Ein Nebenjob zum Geldverdienen und mein Atelier Tetebrec. Und die Welt drumherum, auf diesem immer seltsamer anmutenden Planeten.

Es ist nicht sehr schön, welche Entwicklungen ich dabei beobachten muss. Und darum mache ich mir eher kurz Luft bei Facebook oder Twitter und mag mir nicht auch noch im Blog die Laune verhageln. Gleichzeitig aber wird mein Lachen immer schriller. Die irresten Geschichten, für die man früher ein ganzes Team von Gagschreibern brauchte, passieren inzwischen täglich. Die Berufssparte PolitikerIn versucht sich immer häufiger an Realsatire. Weil ich also recht schlecht mit der Realität zurechtkomme (wie erklärt man eigentlich einem unter Paranoia leidenden Menschen, dass das alles echt ist, was er sich einbildet?), möchte ich von einem Traum erzählen.

Ich will ja keine Bücher mehr schreiben. Unter anderem deshalb: Ich bin nicht mehr fantasievoll genug, mir solche Klopper auszudenken, wie sie täglich passieren. Aber offenbar gärt da noch etwas im Unterbewusstsein. Jedenfalls bin ich kürzlich vor dem Fernseher eingeschlafen. Es lief eine Dokuserie über "Die Science-Fiction-Propheten", in der nachgegangen wird, was Science-Fiction-Autoren vorhergesehen haben und wie Fiktion manchmal zu Realität wird. Meinem Hirn im Schlafmodus muss das irgendwie gefallen haben, es hat sich festgebissen an der Möglichkeit, dass Realität eigentlich wurscht sein könnte, wenn man sie erfindet. Im Zeitalter von Fakenews und Lügenbolden in hohen Ämtern wird das ja schon zur Realität.

Während also diese Dokus liefen, warf mich mein Gehirn in mein brachliegendes Krimimanuskript. Würde ich das fertig schreiben, käme es wahrscheinlich ins Regal "cozy crime" / "netter Gartenkrimi" oder, ganz übel, "Regiokrimi". Wahrscheinlich würde man mich zwingen, die Regio auszuregionalisieren, denn die ist ja nur erfunden. Wenn das ZDF im Unterbewusstsein mitschreibt, ist das natürlich völlig anders!

Meine Ermittlerin, die schlaue Gärtnerin mit diversen Spleens, war plötzlich ein Cyborg, hatte eine erstaunliche künstliche Allzweckhand und einen Chip im Kopf, dessen Funktionsweisen ich noch nicht genau erkunden konnte. Ihr zur Seite stand nicht mehr das von mir erfundene Personal, sondern ein Weltenwechslerhund - so eine Art Tardis auf vier Beinen. Noch im Traum fiel mir ein, dass ich genau damit angefangen hatte, Bücher schreiben zu wollen. Es gibt da ein unsägliches Jugendmanuskript, in dem eine nette Hexe mit Weltenwechslerhund gegen den finster-fiesen Troll namens Brombo von Brombonien kämpft, der die Welt bedroht. Ich denke, jede Autorin hat so ein unsägliches Dingens in der Schublade - und da gehören solche Dinger auch hin. Früher hat man sie bei entsprechenden Fanzines eingeschickt.

Meine Cyborg-Gärtnerin machte also irgendwie an einem Aquaponiksystem herum und überlegte, warum ihre Kundin nicht eines natürlichen Todes gestorben war. Sie lebt irgendwo weit in der Zukunft, die Menschheit hat den "Großen Rückfall" des 21. Jahrhunderts überlebt, ist mit Robotern und KI verschmolzen und alles ist eben Science Fiction. Nur die Polizei ist ein bißchen doof (in diese Typen wurde nie investiert, die laufen noch auf Normalhirn) und deshalb ermittelt also nun die Gärtnerin. Mit dem Weltenwechslerhund. Der hat den Vorteil, dass sie irre viel herumkommt beim Ermitteln und ihr die Verbrechen nicht ausgehen. Gibt ja so viele Sterne, auf denen was passieren könnte ...

Ich brauchte natürlich etwas Flair und Umgebung, geht ja nicht, dass man so eine wundervolle "Regio" aufgibt, nach der alle Lektorinnen lechzen. Notiz an mich: Es ist erschreckend, wie sehr mir die Buchbranche mit ihren Spinnereien im Unterbewusstsein steckt. Ich flog im Traum plötzlich durch eine immense, dreidimensionale 42 und hatte die Lösung: Inmitten dieser irre zukünftigen Welt würde die Protagonistin in einer Region leben, die völlig spießig, kleinbürgerlich, heimatdeppert und kleinteilig daherkommen müsste.

Ich kann nichts dafür und will niemanden beleidigen, aber im Traum sagte mir ein Sternenweiser, Bayern sei doch ein nettes Vorbild für so etwas, oder zumindest ein fiktives Möchtegernbayern, vielleicht mit einem genveränderten Bier, das alle glücklich macht und ruhigstellt. Ratzfatz baute mein Kopf die tollsten Abenteuer zusammen, die mir wahrscheinlich dieser wundervoll zum Einschlafen bringende Ton der Dokus suggerierte. Ich verwurstete sicherlich Arthur C. Clarke mit Jules Verne, Stephen Spielberg und Raumschiff Enterprise, bis der Doctor kam. Also THE doctor.

Und dann wachte ich auf und es fühlte sich irgendwie nett an und ich konnte die Bücher schon vor mir sehen. Aber der Weltenwechslerhund musste pinkeln und konnte plötzlich nicht mehr durch Türen diffundieren.

Das versetzte mir einen Schlag. Depperte Fiktion. Glupscht mich dieser Hund mit einem Blick an, der sagt: "Hehehe, ich kann doch die Welten wechseln, du hast nur noch nicht herausgefunden wie!" Und ich muss ihn wie der depperte Zweibeiner aus der Zeit des Großen Rückfalls vor die Tür bringen! Ich habe danach die laufende Doku abgeschaltet, geschlafen und bin morgens aufgewacht.

In einer neuen Fiktion hatte ein bayrischer Ministerpräsident der Sternenflotte aus Raumschiff Enterprise das Emblem geklaut und ein Gesicht einbauen lassen von einem Alien, der unter seltsamen Drogen zu stehen schien. Das Buch hieß "Söderchens Mondfahrt". (Links = Fotos)

Ich lachte mich krümelig und wusste wieder: Meine Fiktionen würden nie und nimmer mit dieser Realität da draußen mithalten können. Ich bin nicht absurd genug, meinen Plots fehlt vollkommen das Irresein unserer Zeit. So wird das nix ... es sei denn, ich bleibe bei dieser Vorlage von Bayern, die ich geträumt habe. Vielleicht hat der Söder das auch nur gemacht, weil ich geträumt habe, wie irre diese Science-Fiction-Regio sein müsste, und weil das ZDF gesagt hat, dass Science Fictions manchmal wahr würden und Autorinnen ...

Nein, an diesen Plot muss ich unbedingt noch einmal ran. Wenn das alles so schnell wahr wird, wie ich das erfinde ...