In Frankreich ist alles etwas anders. Künstler sind so etwas wie Ein-Personen-Unternehmen, es wird Wert gelegt auf Ausbildung und Fortbildung. Auch Autodidakten müssen hin und wieder nachweisen, was sie wirklich können, wie professionell sie sind - Schriftsteller etwa, wenn sie bei der Entsprechung der deutschen Künstlersozialkasse Mitglied werden wollen.
Trotz allem geraten natürlich auch hier mehr Künstler als Menschen in anderen Berufen in Armut, verlieren Brotjobs, sind auf Sozialhilfe angewiesen. Es müsste aber doch möglich sein, dachte man sich im Elsass, dass Künstler sich einerseits mit einer Lohnarbeit finanzieren können, aber andererseits genug Freiraum für ihre Kunst behielten. Zwei volle fordernde Berufe, so sieht man das hier, sind eigentlich zu viel, um beide zufriedenstellend ausführen zu können. Und der Staat habe mehr davon, wenn sich ein Künstler auch so weit entwickelt, dass er von seiner eigentlichen Berufung existieren kann.
Es entstand ein Experiment, begrenzt auf plastische Kunst. Dahinter stecken das Syndicat Potentiel und die Precaritas. Die Precaritas schreibt auf ihrer Website, dass es immer einen Kunstmarkt (und damit auch Künstler) gibt, der nicht nach den üblichen Marktmaßstäben finanziellen Profits funktioniert und funktionieren kann. Es stellt sich die Frage, ob eine Gesellschaft bereit ist, "Produkte" zu unterstützen, die außerhalb der Marktwirtschaft stehen. Und man stellt sich die Frage, ob und wie weit ein Wirtschaftssystem über Kunst bestimmen darf.
Was passiert, wenn man Kunst und Künstler in die Arbeitswelt bringt? Was passiert, wenn man Kunst außerhalb ihrer etablierten Verbreitungsformen präsentiert? Kann Kunst dann die Gesellschaft stärker beeinflussen? Und kann die Arbeitswelt den Künstler inspirieren, verändern?
Man erhofft sich durchaus Befruchtung beim allgemeinen Diskurs über das herrschende Wirtschaftssystem: Künstler könnten mit ihrer kreativen und intellektuellen Arbeit helfen, die richtigen Fragen zu stellen für ein Menschlicherwerden des Kapitalismus. Denn manche ihrer Probleme sind zunehmend auch die von normalen Arbeitnehmern: Ausbeutung in Billiglohnjobs; Arbeit, die keine Familie mehr ernährt; Forderung nach extremer Mobilität. Die Künstler sollen in ihrem Selbstbild gestärkt werden, die Werte ihrer Kunst, ihre Individualität wiederentdecken, anstatt zu glauben, "Ware" produzieren zu müssen.
Viel gäbe es noch über die Theorie zu sagen, hinter der nicht irgendwelche Laienvereine stecken. Das Projekt ist eng eingebunden in unterschiedliche Kunstorganisationen, Projekte des Sozialministeriums, die Wirtschaft und arbeitet mit ARTE und dem Museum für Moderne Kunst zusammen. Wie sieht es praktisch aus?
Die Künstler aus dem Bereich Plastik müssen sich in prekärer Lage befinden, also entweder Sozialhilfe empfangen oder Langzeitarbeitslose sein.
Bei ihren Bewerbungen müssen sie nachweisen, dass sie sich professionell und dauerhaft der Kunst widmen und Potential besteht.
Die ausgewählten Künstler schließen mit der Precaritas einen Vertrag über neun Monate ab. In dieser Zeit müssen sie 25 Stunden pro Woche Lohnarbeit verrichten, bezahlt mit dem französischen Mindestlohn. Die Arbeit soll nicht fremd sein, sondern zur ausgeübten Kunst passen und diese befruchten, um die Künstler erfolgreicher wieder einzugliedern. Die Künstler tragen ihre künstlerische Arbeit auch in die Unternehmen. Dafür berichten die Künstler der Precaritas über ihre Arbeitsbedingungen. Die Aktion finanziert sich u.a. durch Subventionen und Mäzenatentum.
Laissez-Faire ist nicht möglich. Jeder Künstler muss in einem eigenen Blog täglich über seine Arbeit, sein Umfeld, seine Fortschritte in der Kunst Rechenschaft ablegen, öffentlich. (Beispiel)
Es werden daneben Ausstellungen organisiert, Fortbildungskurse absolviert und künstlerischer Austausch gepflegt. Wöchentlich berichtet der Künstler mit Fotos und Text über die Fortschritte seiner künstlerischen Arbeit. Die Werke werden danach gemeinsam ausgestellt. Dadurch lernen die Künstler, diszipliert, strukturiert und professionell auch an ihre Kunst heranzugehen. Sie denken darüber nach, wie sie näher an ein Publikum herankommen können, welche kreativen Möglichkeiten es gibt, Kunst sichtbar zu machen.
Ein Experiment, das ernst nimmt, dass künstlerische Arbeit auch Arbeit ist, Künstler ein Beruf und kein Hobby. Ein Projekt, das fragt, ob sich eine Gesellschaft in Zukunft nur noch Profit und profitbringende Waren erlauben will, ob sie verlangt, dass sich Kunst dem Markt unterwirft. Oder ob sie akzeptiert, dass es Arbeit außerhalb von "Ware" geben muss. Eine Aktion, die erprobt, wo neben den etablierten Kunstorten (Galerien, Museen etc.) Kunst in die Gesellschaft getragen werden kann. Eine Idee zwischen öffentlicher Finanzierung und privatem Mäzenatentum.
Ein Experiment, das nicht fragt, ob Kunst oder Kultur notwendig für die Menschheit ist. Ein Projekt, das davon ausgeht, dass erst Kunst und Kultur die Entwicklung der Menschheit ermöglichten und zu den Uräußerungen aller lebendigen Gesellschaften gehören.
Zur Nachahmung empfohlen.
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30. November 2008
28. November 2008
Keiner spricht darüber
Es gibt seit einigen Monaten (?) ein Thema, von dem man nur in persönlicher Vertrautheit erfährt, von dem KollegInnen nur hinter vorgehaltener Hand unter dem Versprechen von Verschwiegenheit erzählen. Man spricht über so etwas nicht, schon gar nicht öffentlich. Denn den Schaden trägt wieder mal nur der, der den Mund aufmacht. Zu schnell gerät man außerdem in Verdacht, ja nur verbittert zu sein, weil man "es" nicht schafft.
Aber wenn alle schweigen, erfährt niemand von den Entwicklungen. Wenn sich alle isolieren, glauben die, die es vielleicht auch betrifft, sie seien womöglich selbst schuld. Wenn niemand davon erfährt, kann sich nichts ändern. Ich möchte deshalb darüber reden. Ich verwende absolut fiktionalisierte und unkenntlich gemachte Fälle. Und ich rede von mir, denn ich beobachte die Entwicklung schon länger mit kritischem Blick.
Worum geht es?
Um zwei scheinbar nicht zusammenhängende Miseren, über die immer mehr KollegInnen und inzwischen auch andere Macher aus der Branche klagen:
1. Das große Schweigen:
Als ich 1998 mein erstes Buch veröffentlichte, gab es so etwas wie Höflichkeitsformen des Geschäftsbetriebs - und das noch in Zeiten von Porto und Papier. Eingangsbestätigungen, Absagen. Hatte man einen Agenten, war die Rückmeldung im vernünftigen Zeitraum garantiert. Lektorate liefen im Teamwork ab, manchmal persönlich, manchmal telefonisch, aber in "heißen" Zeiten immer pünktlich. Das war einmal, auch mit Agentur.
Neu ist eine Form der Nichtkommunikation, die auch vor Agenturen nicht Halt macht. Die wissen immerhin inzwischen, welcher Verlag grundsätzlich nie absagt und welcher mindestens zwölf Monate zur Prüfung braucht. Aber die Verlage, die weder absagen noch zusagen, vermehren sich wie Bakterien in der Petrischale! Ich selbst beobachte es seit etwa Anfang des Jahres: Man wiegt bedenklich den Kopf, kann und will sich nicht entscheiden, muss prüfen, konferieren, nachdenken, prüfen, abwägen und kommt vor lauter Risikoangst und Konferenzen nie zu Potte. In schöner Regelmäßigkeit träufeln wenigstens Vertröstungen von einigen ein. Kommen die üblichen Ausreden dazu, über die wir AutorInnen längst Satiren schreiben: Vorbuchmessestress, Buchmessestress, Nachbuchmessestress, Schwangerschaften, Urlaube und Scheidungen. Nur die AutorInnen müssen pünktlich ihre Rechnungen bezahlen und selbst dann Nachtschichten schieben, wenn der Opa beerdigt wird.
Wie ich vermehrt von KollegInnen höre, macht die Nichtkommunikation auch nicht vor Zeiten Halt, in denen ein fertiges Manuskript lektoriert werden soll. KollegInnen hängen mit ihrer Zeitplanung und Arbeit völlig in der Luft, weil alles auf den letzten Drücker erledigt wird und der Autor, die Autorin das bitte am besten vorgestern erledigt. Fatal, denn die meisten AutorInnen haben einen bürgerlichen Beruf nebenher und nicht jeder Chef hat ewig Verständnis, wenn man spontan Urlaub nimmt, nur weil ein Verlag zu spät anruft. Nicht jeder freiberufliche Autor kann seine Kundenaufträge, von denen er sich ernährt, kurz mal wegwerfen für ein Manuskript, das Hobbyverdienste einbringt.
Über die Ursachen kann man nur spekulieren. Da die Misere hauptsächlich die goßen etablierten Verlage betrifft, darf man vermuten, dass das massive Outsourcing von LektorInnen in den letzten Jahren, die Unterbesetzung von Stellen, die zudem immer mehr Marketingaufgaben fordern - und die extreme Fluktuation ihren Tribut fordern. Den LektorInnen kann man die Misere kaum anlasten - sie scheinen ähnlich Opfer zu sein wie die AutorInnen. Wer soll sich denn noch wirklich um ein Buch oder gar einen Menschen kümmern, wenn er alle halbe Jahre auf einem anderen Posten oder gar in einem anderen Verlag sitzt?
Das ist nicht übertrieben. Ich hatte schon mit frisch beförderten Verlagsleuten zu tun, die ich extra persönlich kennenlernte, und die drei Monate später ganz woanders saßen, vier Monate später dann beim dritten Verlag. Ist man lange genug dabei, trifft man welche sogar irgendwann wieder. Einmal musste ich einen Buchvertrag zwei mal unterschreiben, weil in der Zeit, in der er per Post nach Frankreich unterwegs war, der Chef, der ihn unterschrieben hatte, gegangen war. Unternehmensbindung ist auch bei Verlagen ein Fremdwort geworden. Autorenbindung wird es zunehmend auch. Nicht wenige folgen ihren LektorInnen nach und einige sehr bekannte AutorInnen zahlen inzwischen ihren Privatlektor aus eigener Tasche, um nicht unter die Räder zu kommen.
2. Das Umkippen des Marktes
Hängt auch mit obigem Problem zusammen. Geht aber noch ein Stück weiter und hätte von Heidenreich und Ranicki eigentlich erkannt werden können, wenn die sich nicht nur um ihre Fernsehjobs gekümmert hätten. Sicher kann man es nicht pauschalisieren, aber es erreichen mich von immer mehr "gestandenen" AutorInnen (mit mehreren, regelmäßigen Veröffentlichungen, keine Anfänger!) Klagen, die alle in eine Richtung weisen: Projekte, die auch nur ein wenig den gewohnten Mainstream verlassen und das winzigste Risiko bieten, weil irgendetwas an ihnen anders, neu oder individuell ist, verkaufen sich nicht mehr. Die KollegInnen werden unendlich lang vertröstet. Selbst nach der diesjährigen Buchmesse, die bisher immer als Verkaufsmesse galt, geschieht nichts.
Oder es gibt abstruse Absagen via Agenturen, die jeder reellen Grundlage entbehren (und oft genug auch jeder Höflichkeitsform): In diesem Genre laufen die xxer Jahre absolut nicht (gleichzeitig sind vier Bestseller aus diesen Jahren erschienen, aus den USA) / Sie haben ein Stipendium dafür? Nett. Das ist DAS Stipendium? Na sehen Sie. Dann sind Sie ja gegen Risiko abgesichert, wir sind es nicht. / Von einer Frau erwarten wir anderes. / Das Thema ist zu ernst, schauen Sie, den Leuten geht's dreckig, die wollen nicht noch nachdenken.
Man könnte Satirebücher mit diesen Absagen füllen, leider sind sie nicht so erfunden, wie sie scheinen.
Wer freundliches Interesse erntet, muss sich zunehmend vorsehen. Denn der Pferdefuß kommt hinten nach. Solche KollegInnen fragt man, ob das Thema nicht "heruntergebrochen" werden könne, ob man nicht lieber Mittelalter wolle, ob es nicht überhaupt alles ein wenig seichter, unterhaltsamer, heiterer oder skandalöser ginge. Denn den LeserInnen, vornehmlich Frauen, gehe es in diesen Zeiten dreckig, die wollten abschalten, der Welt entfliehen und ein bißchen doof seien sie schließlich auch, PISA, Sie wissen. Der Zynismus, mit dem mittlerweile über Leserinnen in der Branche gesprochen wird, nimmt menschenverachtende Züge an.
Es gibt Manuskripte, die verkaufen sich momentan ganz schnell und ganz leicht. Alles, was in den großen Buchketten in Riesenstapeln aufzubauen ist, wird mit Handkuss genommen. Alles andere ist nicht einfach nur schwieriger an Verlage zu verkaufen - es ist teilweise gar nicht mehr zu verkaufen. Das hat sich geändert! Flexibilität, Risikofreude und innovative Kreativität verstecken sich mittlerweile in den mittleren und kleineren Verlagen - und die haben gegen die Konzentration im Buchhandel und mit der Massenware ähnlich übel zu kämpfen wie die AutorInnen. Allerdings haben sie einen großen Trumpf in der Hand: Sie bleiben unverwechselbar und sie nehmen ihr Publikum ernst. Sie schätzen es sogar - und das nicht nur als Melkkuh.
Ich stelle mit Schrecken fest, wie viel gute und hochbegabte AutorInnen derzeit Gefahr laufen, auf der Strecke zu bleiben. Weil sie durch die Wartezeiten ausgehungert wurden, weil der Kampf um die wenigen Programmplätze anspruchvollerer Verlage noch härter ist, oder weil sie durch die ständig fehlende Wertschätzung, ja Missachtung ihrer Arbeit, einfach nicht mehr an eine Zukunft glauben können. Kommt die Häme von anderen KollegInnen dazu: Liegt wohl an dir, eingebildeter Lackaffe. Könntest dich ja mal ein wenig anstrengen, die großen Massen zu befriedigen.
Aber wenn man nicht mehr schweigt, dann erfährt man, dass man eben nicht selbst schuld ist. Es liegt in den seltensten Fällen am Manuskript, wenn man längst öffentlich bewiesen hat, was man kann. Man ist nicht allein, man müsste auch nicht allein leiden. Aber wie kommt man aus der Misere heraus?
Ich schreibe so offen darüber, um KollegInnen zu ermuntern, die Selbstisolation zu durchbrechen. Und weil ich den Wahnsinn in diesem Jahr selbst massiv erlebe. Ich kann es mir leisten, Häme auf mich zu ziehen, weil ich einen Verlag habe, mit dem ich die Zauderer rechts überhole, so dass ich wieder lachen und an mich glauben kann. Ich arbeite an einem absolut innovativen und mutigen Projekt mit, während in den großen Verlagen eines von mir seit vielen Monaten beschwiegen wird, das wirklich ein ganz großes und sehr aktuelles Thema wäre. Inzwischen sind internationale Fernsehsender dran, Zeitungen. Aber das stört die Verlage nicht. Sie können ja immer noch absagen, wenn es im Fernsehen kam...
Ich weiß zu gut, wie es war, als ich durch das große Schweigen und Zaudern derart an mir zweifelte, dass ich alles hinwerfen wollte. Für immer. Ich glaubte das fast selbst: Vielleicht liegt es an mir? Vielleicht tauge ich wirklich nicht mehr? Vielleicht überholt mich die Zeit? Zum Glück hat mir mein Agent heftig widersprochen.
Gefährlich. Solche Phasen können AutorInnen zerstören.
Lösungen in Sicht?
Ich selbst habe keine Lösung für die Misere, außer der, dass ich mir im nächsten Jahr einen anderen Job suche, um unabhängig zu sein. Es wird unendlich hart werden mit der beruflichen Doppelbelastung, aber ich werde ruhiger schlafen können. Ich werde Nein sagen können ohne mit der Wimper zu zucken. Ich werde mir die Bücher leisten können, die ich selbst schreiben möchte, und nicht die, die andere "herunterbrechen" wollen.
Ich bin inzwischen um einiges abgebrühter und durch fast nichts mehr zu schocken. Vor allem aber pflege ich inzwischen einen gesunden Egoismus: Was will ICH? Wohin will ICH? Welche Projekte wollen aus MIR herauskommen? Ich frage mich immer stärker, wie ich eisern und unbeirrt meinen eigenen Weg verfolgen kann - und ich nehme immer stärker Maß an meinem Publikum, nicht an Verlagserwartungen. Ich muss nicht unbedingt verlegt werden. Aber ich muss unbedingt noch stärker meinen Weg gehen, muss kreativ arbeiten. Ich muss kein Publikum aus Scheinwelten von Unternehmensberatern bedienen, das angeblich völlig verblödet, wirklichkeitsfremd und drogensüchtig ist. Ich muss Bücher schreiben für Menschen, die lesen können und für die Lesen mehr ist als Betäubung.
Dazu kommt eine Altersentscheidung. Irgendwann habe ich das halbe Jahrhundert voll. Statistisch gesehen den größeren Teil meines Lebens. Ich muss es mir nicht mehr geben, eine austauschbare Nummer zu sein, gegen Inkompetenz von Leuten zu kämpfen, die ihren Job nicht einmal gern machen. Den Rest meines Lebens will ich mir Menschen gönnen, die meiner Arbeit gut tun, die mich respektieren und wertschätzen, die mich beflügeln, deren Kritik eine echte ist. Ich suche Arbeitsverhältnisse, in denen noch Begeisterung und vor allem Entwicklung möglich ist.
Und da kann ich die KollegInnen trösten: Es gibt sie noch. Es gibt noch "echte" Verlage. Es gibt noch Verlage, in denn sich die Mitarbeiter so wohlfühlen, dass sie nicht gleich nach der Probezeit kündigen. Es gibt noch Verlage, die wirklich wunderbare Projekte verwirklichen und wunderbare Leserschaft haben. Um so weniger hat man eigentlich heute die anderen nötig.
Und ein Zukunftsausblick:
Ich glaube, dass sich im Moment unsere Branche völlig neu ordnet, wir spüren davon einige Wehen. Ich persönlich glaube, dass sich der Buchmarkt in den nächsten Jahren extrem polarisieren wird. Es wird ein sehr breites Massensegment geben, das immer stärker "on Demand" arbeitet (hier ist gemeint: der Verlag wünscht sich von Hausautoren passend gestylte Bücher) und für den Kunden immer billigere Angebote schafft.
Der "andere" Markt, der jetzt schon existiert, wird höhere Qualitätsansprüche stellen, noch stärker Nischen und Spezialpublikum bedienen und völlig neue Vertriebsformen entwickeln (was viele dieser Verlage bereits erproben). Dazu gehört, dass der Buchhandel hier nur noch ein Verkäufer unter anderen sein wird.
Technisch und strukturell wird sich ähnlich wie in der Musikbranche - nur anders - sehr viel ändern. Das fängt damit an, dass Texte nicht gedruckt sein müssen, um ein Buch zu sein; das geht weiter über Werbeformen, die leichter von Autoren bewältigt werden als von großen Verlagspressestellen - und endet bei neuen Finanzierungsmodellen.
Ich glaube auch, dass der Autor der Zukunft, der nicht für die Massenproduktion arbeitet, zunehmend zur eierlegenden Wollmilchsau werden muss, die auch die Medien nicht scheut. Ich glaube, dass man in Deutschland viel zu eng denkt, wenn man nur herkömmliche Wege geht. In Straßburg läuft ein Projekt einer Künstlervereinigung, Finanzierungen über Sponsoring und sogar gezielte, passende Lohnarbeit zu erproben, so dass Künstler gar nicht mehr auf Verlage etc. warten müssen. Denn das Heer der meisten Schreibenden kann gar kein Stipendium beantragen. Anderswo in Europa ist man mutiger - davon könnte man sich einiges abschauen.
Haltet durch, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zeigt der Zeit eure Zähne.
Ich habe den Umbruch in Osteuropa erlebt, als man sagte, drei Generationen würden hoffnungslos verloren sein. Untergegangen sind dort zuerst die Geschäftsleute mit der größten Risikoangst, mit der größten Liebe zu alten Gewohnheiten und uralt Erprobtem. Krisenzeiten sind immer auch eine Chance.
Aber wenn alle schweigen, erfährt niemand von den Entwicklungen. Wenn sich alle isolieren, glauben die, die es vielleicht auch betrifft, sie seien womöglich selbst schuld. Wenn niemand davon erfährt, kann sich nichts ändern. Ich möchte deshalb darüber reden. Ich verwende absolut fiktionalisierte und unkenntlich gemachte Fälle. Und ich rede von mir, denn ich beobachte die Entwicklung schon länger mit kritischem Blick.
Worum geht es?
Um zwei scheinbar nicht zusammenhängende Miseren, über die immer mehr KollegInnen und inzwischen auch andere Macher aus der Branche klagen:
- das große Schweigen der Verlage
- das Umkippen eines Marktes
1. Das große Schweigen:
Als ich 1998 mein erstes Buch veröffentlichte, gab es so etwas wie Höflichkeitsformen des Geschäftsbetriebs - und das noch in Zeiten von Porto und Papier. Eingangsbestätigungen, Absagen. Hatte man einen Agenten, war die Rückmeldung im vernünftigen Zeitraum garantiert. Lektorate liefen im Teamwork ab, manchmal persönlich, manchmal telefonisch, aber in "heißen" Zeiten immer pünktlich. Das war einmal, auch mit Agentur.
Neu ist eine Form der Nichtkommunikation, die auch vor Agenturen nicht Halt macht. Die wissen immerhin inzwischen, welcher Verlag grundsätzlich nie absagt und welcher mindestens zwölf Monate zur Prüfung braucht. Aber die Verlage, die weder absagen noch zusagen, vermehren sich wie Bakterien in der Petrischale! Ich selbst beobachte es seit etwa Anfang des Jahres: Man wiegt bedenklich den Kopf, kann und will sich nicht entscheiden, muss prüfen, konferieren, nachdenken, prüfen, abwägen und kommt vor lauter Risikoangst und Konferenzen nie zu Potte. In schöner Regelmäßigkeit träufeln wenigstens Vertröstungen von einigen ein. Kommen die üblichen Ausreden dazu, über die wir AutorInnen längst Satiren schreiben: Vorbuchmessestress, Buchmessestress, Nachbuchmessestress, Schwangerschaften, Urlaube und Scheidungen. Nur die AutorInnen müssen pünktlich ihre Rechnungen bezahlen und selbst dann Nachtschichten schieben, wenn der Opa beerdigt wird.
Wie ich vermehrt von KollegInnen höre, macht die Nichtkommunikation auch nicht vor Zeiten Halt, in denen ein fertiges Manuskript lektoriert werden soll. KollegInnen hängen mit ihrer Zeitplanung und Arbeit völlig in der Luft, weil alles auf den letzten Drücker erledigt wird und der Autor, die Autorin das bitte am besten vorgestern erledigt. Fatal, denn die meisten AutorInnen haben einen bürgerlichen Beruf nebenher und nicht jeder Chef hat ewig Verständnis, wenn man spontan Urlaub nimmt, nur weil ein Verlag zu spät anruft. Nicht jeder freiberufliche Autor kann seine Kundenaufträge, von denen er sich ernährt, kurz mal wegwerfen für ein Manuskript, das Hobbyverdienste einbringt.
Über die Ursachen kann man nur spekulieren. Da die Misere hauptsächlich die goßen etablierten Verlage betrifft, darf man vermuten, dass das massive Outsourcing von LektorInnen in den letzten Jahren, die Unterbesetzung von Stellen, die zudem immer mehr Marketingaufgaben fordern - und die extreme Fluktuation ihren Tribut fordern. Den LektorInnen kann man die Misere kaum anlasten - sie scheinen ähnlich Opfer zu sein wie die AutorInnen. Wer soll sich denn noch wirklich um ein Buch oder gar einen Menschen kümmern, wenn er alle halbe Jahre auf einem anderen Posten oder gar in einem anderen Verlag sitzt?
Das ist nicht übertrieben. Ich hatte schon mit frisch beförderten Verlagsleuten zu tun, die ich extra persönlich kennenlernte, und die drei Monate später ganz woanders saßen, vier Monate später dann beim dritten Verlag. Ist man lange genug dabei, trifft man welche sogar irgendwann wieder. Einmal musste ich einen Buchvertrag zwei mal unterschreiben, weil in der Zeit, in der er per Post nach Frankreich unterwegs war, der Chef, der ihn unterschrieben hatte, gegangen war. Unternehmensbindung ist auch bei Verlagen ein Fremdwort geworden. Autorenbindung wird es zunehmend auch. Nicht wenige folgen ihren LektorInnen nach und einige sehr bekannte AutorInnen zahlen inzwischen ihren Privatlektor aus eigener Tasche, um nicht unter die Räder zu kommen.
2. Das Umkippen des Marktes
Hängt auch mit obigem Problem zusammen. Geht aber noch ein Stück weiter und hätte von Heidenreich und Ranicki eigentlich erkannt werden können, wenn die sich nicht nur um ihre Fernsehjobs gekümmert hätten. Sicher kann man es nicht pauschalisieren, aber es erreichen mich von immer mehr "gestandenen" AutorInnen (mit mehreren, regelmäßigen Veröffentlichungen, keine Anfänger!) Klagen, die alle in eine Richtung weisen: Projekte, die auch nur ein wenig den gewohnten Mainstream verlassen und das winzigste Risiko bieten, weil irgendetwas an ihnen anders, neu oder individuell ist, verkaufen sich nicht mehr. Die KollegInnen werden unendlich lang vertröstet. Selbst nach der diesjährigen Buchmesse, die bisher immer als Verkaufsmesse galt, geschieht nichts.
Oder es gibt abstruse Absagen via Agenturen, die jeder reellen Grundlage entbehren (und oft genug auch jeder Höflichkeitsform): In diesem Genre laufen die xxer Jahre absolut nicht (gleichzeitig sind vier Bestseller aus diesen Jahren erschienen, aus den USA) / Sie haben ein Stipendium dafür? Nett. Das ist DAS Stipendium? Na sehen Sie. Dann sind Sie ja gegen Risiko abgesichert, wir sind es nicht. / Von einer Frau erwarten wir anderes. / Das Thema ist zu ernst, schauen Sie, den Leuten geht's dreckig, die wollen nicht noch nachdenken.
Man könnte Satirebücher mit diesen Absagen füllen, leider sind sie nicht so erfunden, wie sie scheinen.
Wer freundliches Interesse erntet, muss sich zunehmend vorsehen. Denn der Pferdefuß kommt hinten nach. Solche KollegInnen fragt man, ob das Thema nicht "heruntergebrochen" werden könne, ob man nicht lieber Mittelalter wolle, ob es nicht überhaupt alles ein wenig seichter, unterhaltsamer, heiterer oder skandalöser ginge. Denn den LeserInnen, vornehmlich Frauen, gehe es in diesen Zeiten dreckig, die wollten abschalten, der Welt entfliehen und ein bißchen doof seien sie schließlich auch, PISA, Sie wissen. Der Zynismus, mit dem mittlerweile über Leserinnen in der Branche gesprochen wird, nimmt menschenverachtende Züge an.
Es gibt Manuskripte, die verkaufen sich momentan ganz schnell und ganz leicht. Alles, was in den großen Buchketten in Riesenstapeln aufzubauen ist, wird mit Handkuss genommen. Alles andere ist nicht einfach nur schwieriger an Verlage zu verkaufen - es ist teilweise gar nicht mehr zu verkaufen. Das hat sich geändert! Flexibilität, Risikofreude und innovative Kreativität verstecken sich mittlerweile in den mittleren und kleineren Verlagen - und die haben gegen die Konzentration im Buchhandel und mit der Massenware ähnlich übel zu kämpfen wie die AutorInnen. Allerdings haben sie einen großen Trumpf in der Hand: Sie bleiben unverwechselbar und sie nehmen ihr Publikum ernst. Sie schätzen es sogar - und das nicht nur als Melkkuh.
Ich stelle mit Schrecken fest, wie viel gute und hochbegabte AutorInnen derzeit Gefahr laufen, auf der Strecke zu bleiben. Weil sie durch die Wartezeiten ausgehungert wurden, weil der Kampf um die wenigen Programmplätze anspruchvollerer Verlage noch härter ist, oder weil sie durch die ständig fehlende Wertschätzung, ja Missachtung ihrer Arbeit, einfach nicht mehr an eine Zukunft glauben können. Kommt die Häme von anderen KollegInnen dazu: Liegt wohl an dir, eingebildeter Lackaffe. Könntest dich ja mal ein wenig anstrengen, die großen Massen zu befriedigen.
Aber wenn man nicht mehr schweigt, dann erfährt man, dass man eben nicht selbst schuld ist. Es liegt in den seltensten Fällen am Manuskript, wenn man längst öffentlich bewiesen hat, was man kann. Man ist nicht allein, man müsste auch nicht allein leiden. Aber wie kommt man aus der Misere heraus?
Ich schreibe so offen darüber, um KollegInnen zu ermuntern, die Selbstisolation zu durchbrechen. Und weil ich den Wahnsinn in diesem Jahr selbst massiv erlebe. Ich kann es mir leisten, Häme auf mich zu ziehen, weil ich einen Verlag habe, mit dem ich die Zauderer rechts überhole, so dass ich wieder lachen und an mich glauben kann. Ich arbeite an einem absolut innovativen und mutigen Projekt mit, während in den großen Verlagen eines von mir seit vielen Monaten beschwiegen wird, das wirklich ein ganz großes und sehr aktuelles Thema wäre. Inzwischen sind internationale Fernsehsender dran, Zeitungen. Aber das stört die Verlage nicht. Sie können ja immer noch absagen, wenn es im Fernsehen kam...
Ich weiß zu gut, wie es war, als ich durch das große Schweigen und Zaudern derart an mir zweifelte, dass ich alles hinwerfen wollte. Für immer. Ich glaubte das fast selbst: Vielleicht liegt es an mir? Vielleicht tauge ich wirklich nicht mehr? Vielleicht überholt mich die Zeit? Zum Glück hat mir mein Agent heftig widersprochen.
Gefährlich. Solche Phasen können AutorInnen zerstören.
Lösungen in Sicht?
Ich selbst habe keine Lösung für die Misere, außer der, dass ich mir im nächsten Jahr einen anderen Job suche, um unabhängig zu sein. Es wird unendlich hart werden mit der beruflichen Doppelbelastung, aber ich werde ruhiger schlafen können. Ich werde Nein sagen können ohne mit der Wimper zu zucken. Ich werde mir die Bücher leisten können, die ich selbst schreiben möchte, und nicht die, die andere "herunterbrechen" wollen.
Ich bin inzwischen um einiges abgebrühter und durch fast nichts mehr zu schocken. Vor allem aber pflege ich inzwischen einen gesunden Egoismus: Was will ICH? Wohin will ICH? Welche Projekte wollen aus MIR herauskommen? Ich frage mich immer stärker, wie ich eisern und unbeirrt meinen eigenen Weg verfolgen kann - und ich nehme immer stärker Maß an meinem Publikum, nicht an Verlagserwartungen. Ich muss nicht unbedingt verlegt werden. Aber ich muss unbedingt noch stärker meinen Weg gehen, muss kreativ arbeiten. Ich muss kein Publikum aus Scheinwelten von Unternehmensberatern bedienen, das angeblich völlig verblödet, wirklichkeitsfremd und drogensüchtig ist. Ich muss Bücher schreiben für Menschen, die lesen können und für die Lesen mehr ist als Betäubung.
Dazu kommt eine Altersentscheidung. Irgendwann habe ich das halbe Jahrhundert voll. Statistisch gesehen den größeren Teil meines Lebens. Ich muss es mir nicht mehr geben, eine austauschbare Nummer zu sein, gegen Inkompetenz von Leuten zu kämpfen, die ihren Job nicht einmal gern machen. Den Rest meines Lebens will ich mir Menschen gönnen, die meiner Arbeit gut tun, die mich respektieren und wertschätzen, die mich beflügeln, deren Kritik eine echte ist. Ich suche Arbeitsverhältnisse, in denen noch Begeisterung und vor allem Entwicklung möglich ist.
Und da kann ich die KollegInnen trösten: Es gibt sie noch. Es gibt noch "echte" Verlage. Es gibt noch Verlage, in denn sich die Mitarbeiter so wohlfühlen, dass sie nicht gleich nach der Probezeit kündigen. Es gibt noch Verlage, die wirklich wunderbare Projekte verwirklichen und wunderbare Leserschaft haben. Um so weniger hat man eigentlich heute die anderen nötig.
Und ein Zukunftsausblick:
Ich glaube, dass sich im Moment unsere Branche völlig neu ordnet, wir spüren davon einige Wehen. Ich persönlich glaube, dass sich der Buchmarkt in den nächsten Jahren extrem polarisieren wird. Es wird ein sehr breites Massensegment geben, das immer stärker "on Demand" arbeitet (hier ist gemeint: der Verlag wünscht sich von Hausautoren passend gestylte Bücher) und für den Kunden immer billigere Angebote schafft.
Der "andere" Markt, der jetzt schon existiert, wird höhere Qualitätsansprüche stellen, noch stärker Nischen und Spezialpublikum bedienen und völlig neue Vertriebsformen entwickeln (was viele dieser Verlage bereits erproben). Dazu gehört, dass der Buchhandel hier nur noch ein Verkäufer unter anderen sein wird.
Technisch und strukturell wird sich ähnlich wie in der Musikbranche - nur anders - sehr viel ändern. Das fängt damit an, dass Texte nicht gedruckt sein müssen, um ein Buch zu sein; das geht weiter über Werbeformen, die leichter von Autoren bewältigt werden als von großen Verlagspressestellen - und endet bei neuen Finanzierungsmodellen.
Ich glaube auch, dass der Autor der Zukunft, der nicht für die Massenproduktion arbeitet, zunehmend zur eierlegenden Wollmilchsau werden muss, die auch die Medien nicht scheut. Ich glaube, dass man in Deutschland viel zu eng denkt, wenn man nur herkömmliche Wege geht. In Straßburg läuft ein Projekt einer Künstlervereinigung, Finanzierungen über Sponsoring und sogar gezielte, passende Lohnarbeit zu erproben, so dass Künstler gar nicht mehr auf Verlage etc. warten müssen. Denn das Heer der meisten Schreibenden kann gar kein Stipendium beantragen. Anderswo in Europa ist man mutiger - davon könnte man sich einiges abschauen.
Haltet durch, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zeigt der Zeit eure Zähne.
Ich habe den Umbruch in Osteuropa erlebt, als man sagte, drei Generationen würden hoffnungslos verloren sein. Untergegangen sind dort zuerst die Geschäftsleute mit der größten Risikoangst, mit der größten Liebe zu alten Gewohnheiten und uralt Erprobtem. Krisenzeiten sind immer auch eine Chance.
Keine Seligkeit ohne Bücher
"Es gibt keine Seligkeit ohne Bücher", hat Arno Schmidt einmal gesagt. Da werden einige lauthals lachen. Ich kenne Leute, die finden ihre Seligkeit, wenn sie jeden Tag ein Schnäppchen machen können. Die erzählen mir dann von ihrem Glück mit zehn Tafeln verbilligter Schokolade, obwohl sie Schokolade zutiefst verabscheuen, aber ohne diesen Kauf hätten sie doch kein Geld gespart. Glück eben.
Nun, es muss auch andere Verrückte geben. Ich investiere auch mein letztes Geld in Bücher. Ohne Lesestoff werde ich grantig. Ich werfe keine Gläser an die Wand, wohl aber schon mal ein schlechtes Buch. Man kann mir alles Mögliche nehmen, aber mein Hund und ein gutes Buch - das reicht für die berühmte Insel.
Heute schwebe ich über dem Boden. Seit ein paar Tagen kommen Bücher für meine Recherchen aus allen möglichen Antiquariaten Europas. Für Leute, die an Äußerlichkeiten hängen, echte Fehlkäufe. Unscheinbares, manchmal fleckiges Zeug mit angegilbtem Papier. Für mich das höchste Glück. Ich habe in London eine Biografie von "Dingens" aufgestöbert, die sein Schulfreund 1937 veröffentlicht hat, das Original. Ein unschätzbarer Wert, weil es die öffentliche Geschichtsschreibung in einigem drastisch umkippt und mich mit Anekdoten versorgt, nach denen ich mir nur die Finger lecken kann.
Heute dann ein großformatiges Päckchen. Aus irgendeinem Antiquariat an der Loire. Ein alter Ausstellungskatalog, der weltweit sonst nirgends mehr zu finden war. Als ich ihn aufschlage, bekomme ich Gänsehaut und Tränen in die Augen. Ich blicke direkt in die Dingenswelt - und sie ist noch faszinierender, noch aufregender, als ich mir das in meinen kühnsten Träumen vorstellen konnte. Längst lebt Dingens für mich, ich befinde mich im Dialog mit meiner Figur. Aber jetzt blickt mich auch eine längst vergessene Zeit an, die mir den Atem nimmt, weil sie so modern ist.
Ich platze fast, möchte endlich loslegen. Aber bevor ich fähig bin, die erste Szene zu schreiben, muss ich aus all diesen Schätzen erfahren, wie das damals abgelaufen sein könnte. Geschichten-Archäologie...
Dann die genaue Rekonstruktion, ein Plan - und schließlich kommt der Tag, wo ich von all dem Gelernten abschalte und meine Version (er)finde.
Nun, es muss auch andere Verrückte geben. Ich investiere auch mein letztes Geld in Bücher. Ohne Lesestoff werde ich grantig. Ich werfe keine Gläser an die Wand, wohl aber schon mal ein schlechtes Buch. Man kann mir alles Mögliche nehmen, aber mein Hund und ein gutes Buch - das reicht für die berühmte Insel.
Heute schwebe ich über dem Boden. Seit ein paar Tagen kommen Bücher für meine Recherchen aus allen möglichen Antiquariaten Europas. Für Leute, die an Äußerlichkeiten hängen, echte Fehlkäufe. Unscheinbares, manchmal fleckiges Zeug mit angegilbtem Papier. Für mich das höchste Glück. Ich habe in London eine Biografie von "Dingens" aufgestöbert, die sein Schulfreund 1937 veröffentlicht hat, das Original. Ein unschätzbarer Wert, weil es die öffentliche Geschichtsschreibung in einigem drastisch umkippt und mich mit Anekdoten versorgt, nach denen ich mir nur die Finger lecken kann.
Heute dann ein großformatiges Päckchen. Aus irgendeinem Antiquariat an der Loire. Ein alter Ausstellungskatalog, der weltweit sonst nirgends mehr zu finden war. Als ich ihn aufschlage, bekomme ich Gänsehaut und Tränen in die Augen. Ich blicke direkt in die Dingenswelt - und sie ist noch faszinierender, noch aufregender, als ich mir das in meinen kühnsten Träumen vorstellen konnte. Längst lebt Dingens für mich, ich befinde mich im Dialog mit meiner Figur. Aber jetzt blickt mich auch eine längst vergessene Zeit an, die mir den Atem nimmt, weil sie so modern ist.
Ich platze fast, möchte endlich loslegen. Aber bevor ich fähig bin, die erste Szene zu schreiben, muss ich aus all diesen Schätzen erfahren, wie das damals abgelaufen sein könnte. Geschichten-Archäologie...
Dann die genaue Rekonstruktion, ein Plan - und schließlich kommt der Tag, wo ich von all dem Gelernten abschalte und meine Version (er)finde.
Rosen zu Weihnachten
Die Zeitschrift "Mein schöner Garten" empfiehlt das Buch der Rose für den weihnachtlichen Gabentisch:
"Petra van Cronenburg, die selbst Historische Rosen in ihrem Garten sammelt, hat eine Kulturgeschichte der „Königin der Blumen“ geschrieben und verspricht, dass der Leser nach der Lektüre seine Rosen im Garten als Pflanzen betrachtet, die voller Geschichte und Geschichten stecken."
Petra van Cronenburg: Das Buch der Rose, Parthas Verlag Berlin (s. auch Link rechts)
"Petra van Cronenburg, die selbst Historische Rosen in ihrem Garten sammelt, hat eine Kulturgeschichte der „Königin der Blumen“ geschrieben und verspricht, dass der Leser nach der Lektüre seine Rosen im Garten als Pflanzen betrachtet, die voller Geschichte und Geschichten stecken."
Petra van Cronenburg: Das Buch der Rose, Parthas Verlag Berlin (s. auch Link rechts)
27. November 2008
Sprache zwischen allen Stühlen
"Die Heimat ist eine Sprache" sagt Thomas Roeder im "Zwischenleben"-Blog und denkt über sein Verhältnis zur Sprache und zum Schreiben nach. Spannend, das will ich auch, dachte ich - und beneide ihn fast ein wenig um seine Eindeutigkeiten. Wenn man mich fragen würde, was meine Heimat ist, würde ich wahrscheinlich "mein Kopf" sagen. Weil ich nach drei "gelebten" Ländern zwischen allen Stühlen sitze, nirgends mehr richtig daheim bin und deshalb überall.
Mich packt zeitweise eine unendliche Sehnsucht nach Polen. Und in Polen kann es vorkommen, dass ich sofort nach Frankreich möchte. Nach meinem Geburtsland Deutschland habe ich kaum Sehnsucht. Vielleicht, weil ich nur die Grenze vor der Haustür überschreiten muss und in Sachen Gefühlsumgang eher südliche oder slawische Varianten bevorzuge? Ich spreche täglich drei Sprachen quer, so wie es die Elsässer auch tun: Wir wechseln munter hin und her, manchmal in einem einzigen Satz. Obiger Beitrag hat mich veranlasst, darüber nachzudenken, ob und wie sehr ich über meine Muttersprache Deutsch eigentlich wahrnehme, empfinde und denke.
Nicht einfach zu beantworten. Laut Erwachsenenberichten habe ich mich lange vor der Schulzeit intensiv mit den kanadischen Nachbarskindern unterhalten, die nachweislich nur kanadisches Englisch sprachen. Mit meiner anderen Nachbarsfreundin äffte ich lauthals die Sprache der Franzosen in der Stadt nach, was so ähnlich geklungen haben muss wie "türütütüh" und meiner Mutter die Schamesröte ins Gesicht getrieben hat, weil sie zwei "Ausländerkinder" im Schlepptau hatte. Ich fand alte Leute spannend, entdeckte mit einer uralten Gouvernante (nein, nicht meine), die im 19. Jahrhundert geboren war, die bunte Welt zu Zeiten der Titanic und sog begierig Erzählungen von Menschen ein, die drei Kriege erlebt hatten und mindestens so viele Länder.
Meine Mythen und Märchen kamen zwar auch von den Gebrüdern Grimm, aber meine Kinderbücher waren ausnahmlos russische oder tschechische in Übersetzung. Ich bin groß geworden mit Väterchen Frost und Mischka dem Bären, und nenne meinen Hund mit Kosenamen Bobik, weil alle wunderbaren Hündchen dieser Welt eben Bobik heißen (russisch etwa wie das deutsche "Fiffi", streng übersetzt "Böhnchen") . Hat mir das irgendwie geschadet? Fehlt mir dadurch irgendein Zugang zu den eigenen Wurzeln?
Zum Glück nicht. Die wahren Märchen und Mythen sind ohnehin universell. Und meine Vorfahren waren wie so viele in Europa, bevor der Wahnsinn der Weltkriege Kulturvielfalt zerstörte. Bunter Mischmasch, manchmal wechselten sogar die Nationen ihre Nation, in der sie lebten. Und wenn sie wo nicht mehr leben konnten, nahmen sie Wurzeln und Koffer in die Hand, lernten neue Sprachen, überlieferten alte, die der Rest der Verwandtschaft schon nicht mehr verstand. Emigrantenmenschen. Wanderer zwischen den Welten. Irgendwann zu bunt, um sich in einer einzigen Farbe heimisch zu fühlen. Immer zu bunt, um bei einer einzigen Farbe nicht aufzufallen. Und immer dieser Koffer im Kopf, diese Sehnsucht, man könne etwas verpasst oder verlassen haben, was anderen Menschen eine Sicherheit gibt. Aber es gibt kein Zurück.
Es gibt auch sprachlich kein Zurück in die einfarbige vermeintliche Sicherheit. Wirklich ausdrücken kann ich mich schriftstellerisch nur in meiner Muttersprache Deutsch, weil ich über 40 Jahre gebraucht habe, sie einigermaßen beherrschen zu lernen. Beherrschen im Sinne von: Ich bin die Sprachgestalterin. Ich habe vier Jahre lang Artikel auf Polnisch und Englisch verfasst, erstere leider sogar für die Regenbogenpresse. Das entsprach meinem damaligen Sprachniveau. Und trotzdem fühlte ich mich wie amputiert, denn das war nicht die Art von Texten, die ich auf dem Herzen hatte. Und ich war nicht unabhängig, ich arbeitete mit Korrektorin.
Trotzdem brauche ich heute die Fremdsprachen, damit mein Deutsch sich "komplett" anfühlt und mir entspricht. Ein Teil meiner selbst lebt in diesen Sprachen, ich träume sie. Als ich innerhalb von drei Monaten fließend Polnisch lernte, hielten das alle für ein Wunder. Ich meinte, ich hätte nur meine Oma nachgemacht. Nie hat sie Polnisch gesprochen, aber ihr Deutsch war so verquer, dass die Eltern davor warnten, das "Rückwärtsgespreche" nachzumachen. Ich habe ihren Satzbau dann im Polnischen nachgemacht und mir ist die Grammatik zugeflogen. Diese Sprache ist wie kaum eine andere für mich Klang und Poesie. Ich spüre jeden einzelnen Buchstaben, jede Klangfarbe. Die Musik dieser Sprache wurde so intensiv, dass ich Lyrik schrieb. Gedichte, die ich auf Deutsch nicht wagen würde und die ich nicht übersetzen kann. Wollte ich spontan Gefühle ausdrücken, ist Polnisch die Sprache, die meinem Inneren am nächsten kommt. Meine Rhythmik, mein Klang hat sich seither auch im Deutschen verändert.
Der Kampf mit dem Französischen dagegen war intensiv und lang. Ich kann es heute nach bald zwanzig Jahren zwar fließend sprechen, sogar übersetzen - aber nur fehlerhaft schreiben, in einer sehr "englisch-deutschen" Struktur. Seine kreisenden, indirekten Bewegungen sind nicht die meinen, weil ich mein Herz auf der Zunge trage. Die sprachlichen Abgrenzungen gegen andere Schichten, Gruppen, Altersstufen sind mir vom Gemüt her fremd. Und trotzdem brauche ich seine Eleganz, seine Vielschichtigkeit der Wahrnehmungen und reflektierten Emotionen. Wenn der polnische Rausch verklungen ist, philosophiert das Französische, bevor es ins Deutsche erkaltet, wo ich meißeln und schaben kann...
Und das ist mittlerweile auch notwendig. Am Endprodukt erkennt es niemand, aber ich ringe mir mein Deutsch manchmal mit viel Schweiß ab. Übersetze mich mühsam selbst. Vermisse Ausdrucksmöglichkeiten, weil die Welt meiner Wahrnehmungen und Ausdrücke um so viel größer geworden ist. Wenn ich einen deutschen Text schreibe, habe ich Wörterbücher neben mir liegen. Manchmal muss ich schmunzeln, wenn ich meine dahingeschmierten Entwürfe für ein neues Projekt lese. Ich bin dann plötzlich enthousiasmée über das zycie meiner Figuren. Beharre darauf, dass nur wedrowac (mir fehlen hier gewisse Akzente und Buchstaben) eine Bewegung wiedergibt und sonst nichts. Wie übertrage ich das, was ich selbst wahrnehme und fühle?
Ich spreche übrigens auch so. Außer den Binnenfranzosen und Touristen sprechen hier alle so. Wir reden wildes "Europlais" und egal, welche Sprache gerade dran ist, man versteht sich und antwortet in der bequemsten. In Rastatt auf dem Markt ist es mir passiert, dass ich spontan einer Frau mit einer Auskunft geholfen habe. Es war so normal. Erst, als sie mich fragte, aus welcher Stadt in Polen ich käme, bemerkte ich, dass ich nicht Deutsch gesprochen hatte. Manchmal schauen mich meine Gesprächspartner auch ratlos an. Das Zeichen, aufzupassen und schleunigst die Sprache zu wechseln. Nicht in die, die am besten ausdrückt, was ich sagen will, sondern in die, die mein Gegenüber versteht.
Sicher hat sich mein Deutsch gehörig verändert. Ob es dadurch verständlicher wird, kann ich selbst nicht beurteilen. Wie jedem Emigranten fehlt mir moderne gesprochene Sprache, fehlen mir Jugendsprachen und Modewörter. Neue Wörter muss ich wie in der Schule lernen. Meine Sprache verschriftlicht. Ich schnitze manchmal sehr lange an einem Ausdruck, bis er hoffentlich wirklich das ausdrückt, was ich empfinde. Aber ich werde von Menschen gelesen, die mit diesem Ausdruck wieder ganz eigene und andere Wahrnehmungen und Empfindungen verbinden. Ich bin in meinem Kopf beheimatet und andere in dem ihren. Wir sprechen miteinander über Kopfgrenzen hinweg. Vielleicht aber macht gerade das achtsam, wenn man auch in der eigenen Muttersprache Ausländer ist?
Mich packt zeitweise eine unendliche Sehnsucht nach Polen. Und in Polen kann es vorkommen, dass ich sofort nach Frankreich möchte. Nach meinem Geburtsland Deutschland habe ich kaum Sehnsucht. Vielleicht, weil ich nur die Grenze vor der Haustür überschreiten muss und in Sachen Gefühlsumgang eher südliche oder slawische Varianten bevorzuge? Ich spreche täglich drei Sprachen quer, so wie es die Elsässer auch tun: Wir wechseln munter hin und her, manchmal in einem einzigen Satz. Obiger Beitrag hat mich veranlasst, darüber nachzudenken, ob und wie sehr ich über meine Muttersprache Deutsch eigentlich wahrnehme, empfinde und denke.
Nicht einfach zu beantworten. Laut Erwachsenenberichten habe ich mich lange vor der Schulzeit intensiv mit den kanadischen Nachbarskindern unterhalten, die nachweislich nur kanadisches Englisch sprachen. Mit meiner anderen Nachbarsfreundin äffte ich lauthals die Sprache der Franzosen in der Stadt nach, was so ähnlich geklungen haben muss wie "türütütüh" und meiner Mutter die Schamesröte ins Gesicht getrieben hat, weil sie zwei "Ausländerkinder" im Schlepptau hatte. Ich fand alte Leute spannend, entdeckte mit einer uralten Gouvernante (nein, nicht meine), die im 19. Jahrhundert geboren war, die bunte Welt zu Zeiten der Titanic und sog begierig Erzählungen von Menschen ein, die drei Kriege erlebt hatten und mindestens so viele Länder.
Meine Mythen und Märchen kamen zwar auch von den Gebrüdern Grimm, aber meine Kinderbücher waren ausnahmlos russische oder tschechische in Übersetzung. Ich bin groß geworden mit Väterchen Frost und Mischka dem Bären, und nenne meinen Hund mit Kosenamen Bobik, weil alle wunderbaren Hündchen dieser Welt eben Bobik heißen (russisch etwa wie das deutsche "Fiffi", streng übersetzt "Böhnchen") . Hat mir das irgendwie geschadet? Fehlt mir dadurch irgendein Zugang zu den eigenen Wurzeln?
Zum Glück nicht. Die wahren Märchen und Mythen sind ohnehin universell. Und meine Vorfahren waren wie so viele in Europa, bevor der Wahnsinn der Weltkriege Kulturvielfalt zerstörte. Bunter Mischmasch, manchmal wechselten sogar die Nationen ihre Nation, in der sie lebten. Und wenn sie wo nicht mehr leben konnten, nahmen sie Wurzeln und Koffer in die Hand, lernten neue Sprachen, überlieferten alte, die der Rest der Verwandtschaft schon nicht mehr verstand. Emigrantenmenschen. Wanderer zwischen den Welten. Irgendwann zu bunt, um sich in einer einzigen Farbe heimisch zu fühlen. Immer zu bunt, um bei einer einzigen Farbe nicht aufzufallen. Und immer dieser Koffer im Kopf, diese Sehnsucht, man könne etwas verpasst oder verlassen haben, was anderen Menschen eine Sicherheit gibt. Aber es gibt kein Zurück.
Es gibt auch sprachlich kein Zurück in die einfarbige vermeintliche Sicherheit. Wirklich ausdrücken kann ich mich schriftstellerisch nur in meiner Muttersprache Deutsch, weil ich über 40 Jahre gebraucht habe, sie einigermaßen beherrschen zu lernen. Beherrschen im Sinne von: Ich bin die Sprachgestalterin. Ich habe vier Jahre lang Artikel auf Polnisch und Englisch verfasst, erstere leider sogar für die Regenbogenpresse. Das entsprach meinem damaligen Sprachniveau. Und trotzdem fühlte ich mich wie amputiert, denn das war nicht die Art von Texten, die ich auf dem Herzen hatte. Und ich war nicht unabhängig, ich arbeitete mit Korrektorin.
Trotzdem brauche ich heute die Fremdsprachen, damit mein Deutsch sich "komplett" anfühlt und mir entspricht. Ein Teil meiner selbst lebt in diesen Sprachen, ich träume sie. Als ich innerhalb von drei Monaten fließend Polnisch lernte, hielten das alle für ein Wunder. Ich meinte, ich hätte nur meine Oma nachgemacht. Nie hat sie Polnisch gesprochen, aber ihr Deutsch war so verquer, dass die Eltern davor warnten, das "Rückwärtsgespreche" nachzumachen. Ich habe ihren Satzbau dann im Polnischen nachgemacht und mir ist die Grammatik zugeflogen. Diese Sprache ist wie kaum eine andere für mich Klang und Poesie. Ich spüre jeden einzelnen Buchstaben, jede Klangfarbe. Die Musik dieser Sprache wurde so intensiv, dass ich Lyrik schrieb. Gedichte, die ich auf Deutsch nicht wagen würde und die ich nicht übersetzen kann. Wollte ich spontan Gefühle ausdrücken, ist Polnisch die Sprache, die meinem Inneren am nächsten kommt. Meine Rhythmik, mein Klang hat sich seither auch im Deutschen verändert.
Der Kampf mit dem Französischen dagegen war intensiv und lang. Ich kann es heute nach bald zwanzig Jahren zwar fließend sprechen, sogar übersetzen - aber nur fehlerhaft schreiben, in einer sehr "englisch-deutschen" Struktur. Seine kreisenden, indirekten Bewegungen sind nicht die meinen, weil ich mein Herz auf der Zunge trage. Die sprachlichen Abgrenzungen gegen andere Schichten, Gruppen, Altersstufen sind mir vom Gemüt her fremd. Und trotzdem brauche ich seine Eleganz, seine Vielschichtigkeit der Wahrnehmungen und reflektierten Emotionen. Wenn der polnische Rausch verklungen ist, philosophiert das Französische, bevor es ins Deutsche erkaltet, wo ich meißeln und schaben kann...
Und das ist mittlerweile auch notwendig. Am Endprodukt erkennt es niemand, aber ich ringe mir mein Deutsch manchmal mit viel Schweiß ab. Übersetze mich mühsam selbst. Vermisse Ausdrucksmöglichkeiten, weil die Welt meiner Wahrnehmungen und Ausdrücke um so viel größer geworden ist. Wenn ich einen deutschen Text schreibe, habe ich Wörterbücher neben mir liegen. Manchmal muss ich schmunzeln, wenn ich meine dahingeschmierten Entwürfe für ein neues Projekt lese. Ich bin dann plötzlich enthousiasmée über das zycie meiner Figuren. Beharre darauf, dass nur wedrowac (mir fehlen hier gewisse Akzente und Buchstaben) eine Bewegung wiedergibt und sonst nichts. Wie übertrage ich das, was ich selbst wahrnehme und fühle?
Ich spreche übrigens auch so. Außer den Binnenfranzosen und Touristen sprechen hier alle so. Wir reden wildes "Europlais" und egal, welche Sprache gerade dran ist, man versteht sich und antwortet in der bequemsten. In Rastatt auf dem Markt ist es mir passiert, dass ich spontan einer Frau mit einer Auskunft geholfen habe. Es war so normal. Erst, als sie mich fragte, aus welcher Stadt in Polen ich käme, bemerkte ich, dass ich nicht Deutsch gesprochen hatte. Manchmal schauen mich meine Gesprächspartner auch ratlos an. Das Zeichen, aufzupassen und schleunigst die Sprache zu wechseln. Nicht in die, die am besten ausdrückt, was ich sagen will, sondern in die, die mein Gegenüber versteht.
Sicher hat sich mein Deutsch gehörig verändert. Ob es dadurch verständlicher wird, kann ich selbst nicht beurteilen. Wie jedem Emigranten fehlt mir moderne gesprochene Sprache, fehlen mir Jugendsprachen und Modewörter. Neue Wörter muss ich wie in der Schule lernen. Meine Sprache verschriftlicht. Ich schnitze manchmal sehr lange an einem Ausdruck, bis er hoffentlich wirklich das ausdrückt, was ich empfinde. Aber ich werde von Menschen gelesen, die mit diesem Ausdruck wieder ganz eigene und andere Wahrnehmungen und Empfindungen verbinden. Ich bin in meinem Kopf beheimatet und andere in dem ihren. Wir sprechen miteinander über Kopfgrenzen hinweg. Vielleicht aber macht gerade das achtsam, wenn man auch in der eigenen Muttersprache Ausländer ist?
Oliver Korittke liest Jochen Schmidt
Es gibt erstaunlich viele Leute, die Hörbücher ablehnen, bevor sie je eins gehört haben. Ihre Argumente sind nachzuvollziehen. Die einen sind es gewohnt, visuell einen Text vor sich zu haben und mit der Hand umblättern zu können. Die anderen - und das ist weit gewichtiger - tun sich schwer, ihrer Fantasie ein anderes Medium zuzumuten. Denn da ist plötzlich eine Stimme, die man selbst sich vielleicht völlig anders vorstellen mag? Es soll sogar Menschen geben, die lehnen Hörbücher kategorisch ab, weil sie Angst haben, gedruckte Bücher würden dadurch untergehen.
Aber mit den Hörbüchern ist es wie mit Verfilmungen. Sie sind ein eigenständiges Medium, eine eigenständige Kunstform. Ergänzung, nicht Verdrängung. Sie gehorchen eigenen Gesetzen und sind eine Herausforderung, ein Werk in eine andere Kunstform zu "übersetzen". In meiner Schulzeit besaß ich eine vom Lesen völlig zerfledderte Ausgabe von Thomas Manns "Tod in Venedig". Aber ich habe auch den gleichnamigen Film von Luchino Visconti bestimmt zehn Mal gesehen! Er war völlig anders, aber ein Kunstwerk, das sich neben dem Buch nicht zu schämen brauchte. Er war in sich gelungen, weil der Regisseur sich auf die Gegebenheiten des Mediums Film konzentriert hatte und nicht einfach kopieren wollte.
So ein Hörbuch ist mir unlängst in die Hände gefallen: Oliver Korittke liest Jochen Schmidts "Meine wichtigsten Körperfunktionen". Das Original ist bei C.H. Beck 2007 erschienen, das Hörbuch bei "der Diwan".
Ich muss zugeben, ich liebe Oliver Korittke als Schauspieler und bin da vielleicht ein wenig voreingenommen. Als ich für eine Zeitung "Die Musterknaben" kritisieren musste, schrieb ich: "Den Mann wird man sich merken müssen." Denn er kann mehr als das Kumpelimage, das ihm so anhängt, er hat alles drauf vom supercoolen Typen am Abgrund bis hin zum ernsthaften Unangepassten oder braven Finanzbeamten. Oliver Korittke ist auf den ersten Blick unscheinbar wie der Mann von nebenan und entwickelt seine Wirkung langsam. Man liebt sogar seine weniger sympathischen Typen und empfindet jede noch so schräge Rolle als lebensecht und nah.
Seine Rollen vor Augen gibt es keinen besseren Sprecher für Jochen Schmidts "Meine wichtigsten Körperfunktionen" als Oliver Korittke. Denn die Ichfigur ist neurotisch und banal, ein perfekter Selbstverhinderer und vielschichtiger Selbstbeobachter, ein Mensch, der sich in seiner Unfähigkeit zu leben mit einem derart trockenen Humor entlarvt, dass man ihn einfach ins Herz schließen muss. Oliver Korittke macht die Gratwanderung zwischen hypochondrischer Verzweiflung und humorvoller Eigendistanz des Protagonisten hörbar. Und wenn er scheinbar banal erzählt, wie "Der lange Weg zur Tür" für den Schriftsteller schier unüberwindlich wird, packt einen die Sequenz doppelt. Ich habe schallend gelacht über den anderen. Dann habe ich mich ertappt gefühlt mit meinen eigenen Ausreden und Selbstvermeidungs-Maßnahmen. Und befreit über mich selbst gleich mitgelacht.
Man muss nicht Schriftsteller sein, um das leidvolle Leben der Ichfigur mit ihrem vergnüglichen Sezieren am eigenen Leib genießen zu können. Themen wie "Meine Einsamkeit", "Meine Unattraktivität" oder "Mein Immunsystem" gehen jeden an. Dieser gebärneidische, vergessliche, inkompetente, hilfsbereite, unordentliche und empfindsame Typ, der wirkt wie der Mann von nebenan, ist die Verkörperung unserer eigenen versteckten Neurosen. Er spricht aus, was wir nur heimlich denken, und lebt vor, was wir uns selbst nie zugeben. Durch Oliver Korittke tritt er aus skurriler Originalität weit heraus und wird zum Vertrauten, der uns den Spiegel vorhält. Schön, wenn man auch solche Abgründe lieben kann!
Ich wollte jedenfalls "nur mal reinhören", bin dann die ganzen 186 Minuten der drei CD's an einem Stück drangeblieben und finde: Mir persönlich gefällt das Hörbuch besser als der gedruckte Text! Ideal für schlechte Zeiten, in denen einen die Probleme des Protagonisten überwältigen wollen: Ängstlichkeit, Geiz, schlechtes Gewissen oder der eigene Geburtstag.
Hörtipp "Das besondere Geschenk":
Oliver Korittke liest Jochen Schmidt – Meine wichtigsten Körperfunktionen
Ungekürzte Lesung der Originalausgabe des C.H.-Beck-Verlags
Hörbuchverlag Der Diwan
Spielzeit ca. 190 min, 3 CDs in Multibox
ISBN & EAN: 978-3-941009-02-8
EUR 19,95 (D) / EUR 20,20 (A) / CHF 37,90 (CH)
Aber mit den Hörbüchern ist es wie mit Verfilmungen. Sie sind ein eigenständiges Medium, eine eigenständige Kunstform. Ergänzung, nicht Verdrängung. Sie gehorchen eigenen Gesetzen und sind eine Herausforderung, ein Werk in eine andere Kunstform zu "übersetzen". In meiner Schulzeit besaß ich eine vom Lesen völlig zerfledderte Ausgabe von Thomas Manns "Tod in Venedig". Aber ich habe auch den gleichnamigen Film von Luchino Visconti bestimmt zehn Mal gesehen! Er war völlig anders, aber ein Kunstwerk, das sich neben dem Buch nicht zu schämen brauchte. Er war in sich gelungen, weil der Regisseur sich auf die Gegebenheiten des Mediums Film konzentriert hatte und nicht einfach kopieren wollte.
So ein Hörbuch ist mir unlängst in die Hände gefallen: Oliver Korittke liest Jochen Schmidts "Meine wichtigsten Körperfunktionen". Das Original ist bei C.H. Beck 2007 erschienen, das Hörbuch bei "der Diwan".
Ich muss zugeben, ich liebe Oliver Korittke als Schauspieler und bin da vielleicht ein wenig voreingenommen. Als ich für eine Zeitung "Die Musterknaben" kritisieren musste, schrieb ich: "Den Mann wird man sich merken müssen." Denn er kann mehr als das Kumpelimage, das ihm so anhängt, er hat alles drauf vom supercoolen Typen am Abgrund bis hin zum ernsthaften Unangepassten oder braven Finanzbeamten. Oliver Korittke ist auf den ersten Blick unscheinbar wie der Mann von nebenan und entwickelt seine Wirkung langsam. Man liebt sogar seine weniger sympathischen Typen und empfindet jede noch so schräge Rolle als lebensecht und nah.
Seine Rollen vor Augen gibt es keinen besseren Sprecher für Jochen Schmidts "Meine wichtigsten Körperfunktionen" als Oliver Korittke. Denn die Ichfigur ist neurotisch und banal, ein perfekter Selbstverhinderer und vielschichtiger Selbstbeobachter, ein Mensch, der sich in seiner Unfähigkeit zu leben mit einem derart trockenen Humor entlarvt, dass man ihn einfach ins Herz schließen muss. Oliver Korittke macht die Gratwanderung zwischen hypochondrischer Verzweiflung und humorvoller Eigendistanz des Protagonisten hörbar. Und wenn er scheinbar banal erzählt, wie "Der lange Weg zur Tür" für den Schriftsteller schier unüberwindlich wird, packt einen die Sequenz doppelt. Ich habe schallend gelacht über den anderen. Dann habe ich mich ertappt gefühlt mit meinen eigenen Ausreden und Selbstvermeidungs-Maßnahmen. Und befreit über mich selbst gleich mitgelacht.
Man muss nicht Schriftsteller sein, um das leidvolle Leben der Ichfigur mit ihrem vergnüglichen Sezieren am eigenen Leib genießen zu können. Themen wie "Meine Einsamkeit", "Meine Unattraktivität" oder "Mein Immunsystem" gehen jeden an. Dieser gebärneidische, vergessliche, inkompetente, hilfsbereite, unordentliche und empfindsame Typ, der wirkt wie der Mann von nebenan, ist die Verkörperung unserer eigenen versteckten Neurosen. Er spricht aus, was wir nur heimlich denken, und lebt vor, was wir uns selbst nie zugeben. Durch Oliver Korittke tritt er aus skurriler Originalität weit heraus und wird zum Vertrauten, der uns den Spiegel vorhält. Schön, wenn man auch solche Abgründe lieben kann!
Ich wollte jedenfalls "nur mal reinhören", bin dann die ganzen 186 Minuten der drei CD's an einem Stück drangeblieben und finde: Mir persönlich gefällt das Hörbuch besser als der gedruckte Text! Ideal für schlechte Zeiten, in denen einen die Probleme des Protagonisten überwältigen wollen: Ängstlichkeit, Geiz, schlechtes Gewissen oder der eigene Geburtstag.
Hörtipp "Das besondere Geschenk":
Oliver Korittke liest Jochen Schmidt – Meine wichtigsten Körperfunktionen
Ungekürzte Lesung der Originalausgabe des C.H.-Beck-Verlags
Hörbuchverlag Der Diwan
Spielzeit ca. 190 min, 3 CDs in Multibox
ISBN & EAN: 978-3-941009-02-8
EUR 19,95 (D) / EUR 20,20 (A) / CHF 37,90 (CH)
25. November 2008
Das besondere Geschenk
Weihnachten nähert sich mit Riesentritten und besondere Menschen suchen natürlich besondere Geschenke. Man will sie schließlich nicht wie Weihnachtsmänner zu Schokoladenosterhasen umtauschen lassen.
Madame hat derzeit eine Menge um die Ohren. Musik, Hörbücher... Und weil ich selbst weder Weihnachten noch Ostern feiere, garantiere ich: Meine Geschenktipps sind etwas fürs ganze Jahr, haltbar, allzeit frisch und nie außer Mode.
Demnächst hier unter dem Label "Das besondere Geschenk":
Harfenmusik wie von der grünen Insel
Grüne Musik mit bunten Dichtern
und
Oliver Korittke liest Jochen Schmidt
...
Wer etwas verpasst hat, klickt im Labelverzeichnis einfach auf "Das besondere Geschenk".
Und damit das Warten nicht allzu lang wird, wollen wir ausnahmsweise mal nicht Künstler reich machen, sondern eine Firma, bei der ich mir manchmal meine "Notizhefte" für ganz besondere Bücher kaufe. Notizheft ist natürlich elend untertrieben, denn die Preziosen von Paperblanks (Wholesale Info = Länder) sind nicht nur im guten alten Buchbinderhandwerk hergestellt, sondern sehen auch aus wie antike oder moderne Schätze. Mein Tipp an Autoren: Wer es wagt, in so ein "Buch" hineinzuschreiben, der gibt sich wahrhaft Mühe mit seinem Manuskript. Der Einband vom Verlag kann dann eigentlich nur noch schlechter werden...
Madame hat derzeit eine Menge um die Ohren. Musik, Hörbücher... Und weil ich selbst weder Weihnachten noch Ostern feiere, garantiere ich: Meine Geschenktipps sind etwas fürs ganze Jahr, haltbar, allzeit frisch und nie außer Mode.
Demnächst hier unter dem Label "Das besondere Geschenk":
Harfenmusik wie von der grünen Insel
Grüne Musik mit bunten Dichtern
und
Oliver Korittke liest Jochen Schmidt
...
Wer etwas verpasst hat, klickt im Labelverzeichnis einfach auf "Das besondere Geschenk".
Und damit das Warten nicht allzu lang wird, wollen wir ausnahmsweise mal nicht Künstler reich machen, sondern eine Firma, bei der ich mir manchmal meine "Notizhefte" für ganz besondere Bücher kaufe. Notizheft ist natürlich elend untertrieben, denn die Preziosen von Paperblanks (Wholesale Info = Länder) sind nicht nur im guten alten Buchbinderhandwerk hergestellt, sondern sehen auch aus wie antike oder moderne Schätze. Mein Tipp an Autoren: Wer es wagt, in so ein "Buch" hineinzuschreiben, der gibt sich wahrhaft Mühe mit seinem Manuskript. Der Einband vom Verlag kann dann eigentlich nur noch schlechter werden...
24. November 2008
Ein Buch, ein Kosmos
Ich bin jemand, der mit Lust und Leidenschaft lernt - ja, ich war als Kind sogar traurig, wenn die Schule aus war. Obwohl auch ich Lehrer hatte, die ihren Beruf verfehlt hatten, hat es nie jemand geschafft, meine Neugier auf fremde Welten zu zerstören. Dafür sorgten die Lehrer, die in Kollegen- und Elternkreisen als "wunderlich" und "durchgeknallt" galten. Der Journalismus als Neugierberuf war wie für mich geschaffen. "Du musst über alles schreiben können, ob über Hot Dogs oder künstliche Intelligenz. Und wenn du etwas nicht verstehst, denk dran, deine Leser verstehen es auch nicht - lerne es für sie." Das waren die Worte eines meiner Ausbilder.
Vielleicht liebe ich es deshalb so, nicht nur über meine eigenen Hobbies Bücher zu schreiben, sondern mich selbst mit mir völlig fremden Welten zu konfrontieren. So ein Buch wird dann zum Kosmos, unendlich scheinend, faszinierend, anziehend - aber die Weite macht auch Angst. Angst, sich zu verlieren, Angst, der Größe des Themas nicht gewachsen zu sein. Das ist normal, wenn man fremde Welten erforschen will.
Wenn ich - wie jetzt - unbekanntes Terrain betrete, wende ich eine Technik an, mit der ich als Kind den Sternenhimmel genossen habe. Ich fand es ziemlich blöd, sofort nach bekannten Sternbildern zu suchen, alles zu verorten. Diejenigen, die das taten, haben aufgehört, über die Grenzen zu schauen. Ich ging lieber wild spazieren mit den Augen, ließ mich aufsaugen, erfühlte die Dichte der Milchstraße und die Leere der Schwärze dazwischen. Irgendwann war ich selbst winzig klein, aber ein anderer winziger Punkt am Himmel nahm meinen Blick gefangen. Von dort aus erkundete ich dann das Oben.
Beim Schreiben benutze ich diese Technik, um in einem schier unermesslichen Thema die Bereiche herauszufinden, die ich bearbeiten möchte, die mir wichtig erscheinen. Und gleichzeitig eine Form, eine Stimme für das zu finden, was ich erzählen will. Ich schalte zuerst möglichst alles Denken, jede Analyse aus. Ich bin sozusagen als Wissenshamster unterwegs, stopfe meine Backen (Festplatte, Schreibtisch) wahllos voll mit Dingen, die zum Thema passen, oder wo etwas im Hinterkopf klingelt. Dem Klingeln gehe ich bewusst nicht nach - zu viel Analyse, die den Fluss hemmen würde.
Trotzdem - das darf man wahrscheinlich nur Bewusstseinsforschern erzählen und nicht Psychiatern - habe ich so eine Art Markiermännchen im Kopf. Während ich sammle, ohne nachzudenken, rennt der kleine Wicht herum und markiert mit Rotstift Dateien, von denen er glaubt, ich würde sie einmal besonders brauchen. Praktisch, denn ich habe ein fotografisches Gedächtnis, das auch dreidimensional und virtuell funktioniert. Noch zehn Jahre später finde ich die betreffende Datei, das betreffende Papier im scheinbaren Chaos mit einem einzigen Griff. Aber wehe, es würde jemand aufräumen...
Während des Sammelns überflute ich mich absichtlich. Wäre ich Hamster, würden mir die Backen platzen. Ich lese im Affenzahn komplizierte Texte in mehreren Sprachen quer, springe in mehreren geöffneten Tabs zwischen Verlinkungen herum (die ich als Punkte auf einer inneren Landkarte jederzeit einordnen kann, denn auch Frauen können perfekt Karten lesen), recherchiere mich müde, sammle sammle sammle. Manchmal habe ich abends Angst, dass mir der Kopf platzt. Oder ich denke, dieser Arbeitsstil rächt sich einmal im Alter, wo sich er Kopf vielleicht einmal verabschiedet, um endlich ausruhen zu können (zum Glück sagt die Wissenschaft das Gegenteil).
Wozu das? Ordentlich theoretisch gesagt, ist es eine Technik, sämtliche inneren "Ordnungkräfte" und "Zensoren" auszuschalten, die man als Schriftsteller so hat. Jeder Mensch hat sie, sie können auch überlebenswichtig sein, aber wenn einem ständig eine innere Stimme dazwischen blökt: "Interessiert das deinen Verlag?" / "Denkst du an ein Zielpublikum?", dann sollte man ihr schleunigst aufs Maul hauen. Bei meiner Chaostechnik dagegen erfühlt man ein Thema - und seine eigene innere, kreative Stimme. Nicht die Erwartungen von außen. Den berühmten Musenkuss gibt man sich nämlich selbst.
Solches Arbeiten führt einen manchmal in Zustände, die Nicht-Schreibende kaum verstehen. Gestern las ich wieder in einem Erlebnisbericht, schlief darüber ein, war plötzlich jener Mensch und schrieb einfach weiter... Wenn ich dann aufwache, muss ich mich erst schütteln, um unterscheiden zu können, was ich gelesen und was geträumt habe. Beides wirkt so real. Und das wiederum ist für mich das Zeichen, dass ich beginne, "in" einer Figur zu sein. Sie fängt an zu leben, mit mir zu sprechen. Ich kann sie fragen, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Ich bin mitten in diesem Traum aufgewacht und hatte die Worte jenes Autors im Kopf - meinen Titel! Nach dem Frühstück habe ich dann in diesem Buch nach den Worten gesucht, sie so genau nicht gefunden. Ich hatte sie "nur" geträumt, aber sie sind die Quintessenz dessen, was der Schreiber aussagen wollte, was er lebte. Ein idealer Arbeitstitel! Der winzig kleine Stern, von dem aus ich mich weiterhangle.
Die sammelwütige Wissenshamsterin sitzt inzwischen auf riesigen Sternenhaufen. Jeder davon ist ein eigener Kosmos und alle zusammen sollen einmal in eine "Buch"welt einmünden. Ich lasse mich absichtlich überwältigen, überfluten, und versuche erst gar nicht zu ordnen. Und dann geschieht das zweite Wunder: Ich erkenne Strukturen im Chaos, Verbindungen, Formen. Manches hat eine wilde Farbigkeit, anderes bleibt blass und tönt kaum (s. Synästhesie). In diesem Moment kann ich "übersetzen".
Es ist die eigentliche "Geburt" von zukünftigem Text, obwohl ich noch kein einziges Wort geschrieben habe. Ich finde aus dieser Struktur heraus eine Gesamtstruktur dessen, was ich erzählen will. Die Linien und Farben übersetzen sich in entsprechende sprachliche Formen. Jetzt weiß ich, wie mein Projekt "klingen" muss, welche ihm eigenen (und nicht von mir oder anderen aufgezwungenen) Ordnungen es haben wird. Ich bekomme ein Gefühl für die Sprache, den Klang meiner Figuren, ihre inneren Farben. Theoretiker nennen das Erzählton, aber für mich ist es mehr: eine Erzählaufmerksamkeit, die mich auch beeinflussen wird in meiner Auswahl. Im Trennen von Wichtigem und Unwichtigem. Ich könnte, wenn ich bildende Künstlerin wäre, in diesem Stadium mein zukünftiges Buch als Komposition von Farben, Linien und Formen malen.
Es ist ein berauschendes Gefühl, wenn auf diese Art eine völlig neue, fremde Erlebenswelt ins Leben tritt und festgehalten werden will. Es ist aber auch extrem anstrengend. Ich brauche in dieser Phase große Ruhe, ziehe mich zurück. Schon ein Amtsbrief, der Antwort verlangt, stört dann ungemein. Andererseits liebe ich es, abends nach solchen Tagen unter Menschen zu gehen, sie zu beobachten. Es ist erholsam für mich, völlig banale Gesten und Dinge zu sehen. Auch das ist eine Welt: Dass man eigentlich auch dasitzen könnte, vor sich hinstarren, mit jemandem am Tisch über das Wetter reden, eine Gabel heben. Es erinnert mich daran, dass der Hamster nach getaner Arbeit sein Rad verlassen muss und genüsslich leben. Denn auf Dauer hält man diese Phase des Arbeitens nicht durch.
Diesmal gönne ich mir noch einen Zwischenschritt. Ich muss nämlich tatsächlich ein feines Gespür für Rhythmik und Klang entwickeln, für Klangfarben und Lautstärken. Es hat etwas von einer musikalischen Komposition. Denn wie ich schon andeutete, wird dieses Projekt ein völlig anderes Medium nutzen. Text, den man als Buchstaben gedruckt vor sich sehen kann, funktioniert völlig anders als Text, der keine Buchstaben mehr hat... Die Herausforderung an die Sinne meiner zukünftigen "Leser" ist auch eine Herausforderung an die Erzählstimme. Noch so ein neuer Kosmos...
Vielleicht liebe ich es deshalb so, nicht nur über meine eigenen Hobbies Bücher zu schreiben, sondern mich selbst mit mir völlig fremden Welten zu konfrontieren. So ein Buch wird dann zum Kosmos, unendlich scheinend, faszinierend, anziehend - aber die Weite macht auch Angst. Angst, sich zu verlieren, Angst, der Größe des Themas nicht gewachsen zu sein. Das ist normal, wenn man fremde Welten erforschen will.
Wenn ich - wie jetzt - unbekanntes Terrain betrete, wende ich eine Technik an, mit der ich als Kind den Sternenhimmel genossen habe. Ich fand es ziemlich blöd, sofort nach bekannten Sternbildern zu suchen, alles zu verorten. Diejenigen, die das taten, haben aufgehört, über die Grenzen zu schauen. Ich ging lieber wild spazieren mit den Augen, ließ mich aufsaugen, erfühlte die Dichte der Milchstraße und die Leere der Schwärze dazwischen. Irgendwann war ich selbst winzig klein, aber ein anderer winziger Punkt am Himmel nahm meinen Blick gefangen. Von dort aus erkundete ich dann das Oben.
Beim Schreiben benutze ich diese Technik, um in einem schier unermesslichen Thema die Bereiche herauszufinden, die ich bearbeiten möchte, die mir wichtig erscheinen. Und gleichzeitig eine Form, eine Stimme für das zu finden, was ich erzählen will. Ich schalte zuerst möglichst alles Denken, jede Analyse aus. Ich bin sozusagen als Wissenshamster unterwegs, stopfe meine Backen (Festplatte, Schreibtisch) wahllos voll mit Dingen, die zum Thema passen, oder wo etwas im Hinterkopf klingelt. Dem Klingeln gehe ich bewusst nicht nach - zu viel Analyse, die den Fluss hemmen würde.
Trotzdem - das darf man wahrscheinlich nur Bewusstseinsforschern erzählen und nicht Psychiatern - habe ich so eine Art Markiermännchen im Kopf. Während ich sammle, ohne nachzudenken, rennt der kleine Wicht herum und markiert mit Rotstift Dateien, von denen er glaubt, ich würde sie einmal besonders brauchen. Praktisch, denn ich habe ein fotografisches Gedächtnis, das auch dreidimensional und virtuell funktioniert. Noch zehn Jahre später finde ich die betreffende Datei, das betreffende Papier im scheinbaren Chaos mit einem einzigen Griff. Aber wehe, es würde jemand aufräumen...
Während des Sammelns überflute ich mich absichtlich. Wäre ich Hamster, würden mir die Backen platzen. Ich lese im Affenzahn komplizierte Texte in mehreren Sprachen quer, springe in mehreren geöffneten Tabs zwischen Verlinkungen herum (die ich als Punkte auf einer inneren Landkarte jederzeit einordnen kann, denn auch Frauen können perfekt Karten lesen), recherchiere mich müde, sammle sammle sammle. Manchmal habe ich abends Angst, dass mir der Kopf platzt. Oder ich denke, dieser Arbeitsstil rächt sich einmal im Alter, wo sich er Kopf vielleicht einmal verabschiedet, um endlich ausruhen zu können (zum Glück sagt die Wissenschaft das Gegenteil).
Wozu das? Ordentlich theoretisch gesagt, ist es eine Technik, sämtliche inneren "Ordnungkräfte" und "Zensoren" auszuschalten, die man als Schriftsteller so hat. Jeder Mensch hat sie, sie können auch überlebenswichtig sein, aber wenn einem ständig eine innere Stimme dazwischen blökt: "Interessiert das deinen Verlag?" / "Denkst du an ein Zielpublikum?", dann sollte man ihr schleunigst aufs Maul hauen. Bei meiner Chaostechnik dagegen erfühlt man ein Thema - und seine eigene innere, kreative Stimme. Nicht die Erwartungen von außen. Den berühmten Musenkuss gibt man sich nämlich selbst.
Solches Arbeiten führt einen manchmal in Zustände, die Nicht-Schreibende kaum verstehen. Gestern las ich wieder in einem Erlebnisbericht, schlief darüber ein, war plötzlich jener Mensch und schrieb einfach weiter... Wenn ich dann aufwache, muss ich mich erst schütteln, um unterscheiden zu können, was ich gelesen und was geträumt habe. Beides wirkt so real. Und das wiederum ist für mich das Zeichen, dass ich beginne, "in" einer Figur zu sein. Sie fängt an zu leben, mit mir zu sprechen. Ich kann sie fragen, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Ich bin mitten in diesem Traum aufgewacht und hatte die Worte jenes Autors im Kopf - meinen Titel! Nach dem Frühstück habe ich dann in diesem Buch nach den Worten gesucht, sie so genau nicht gefunden. Ich hatte sie "nur" geträumt, aber sie sind die Quintessenz dessen, was der Schreiber aussagen wollte, was er lebte. Ein idealer Arbeitstitel! Der winzig kleine Stern, von dem aus ich mich weiterhangle.
Die sammelwütige Wissenshamsterin sitzt inzwischen auf riesigen Sternenhaufen. Jeder davon ist ein eigener Kosmos und alle zusammen sollen einmal in eine "Buch"welt einmünden. Ich lasse mich absichtlich überwältigen, überfluten, und versuche erst gar nicht zu ordnen. Und dann geschieht das zweite Wunder: Ich erkenne Strukturen im Chaos, Verbindungen, Formen. Manches hat eine wilde Farbigkeit, anderes bleibt blass und tönt kaum (s. Synästhesie). In diesem Moment kann ich "übersetzen".
Es ist die eigentliche "Geburt" von zukünftigem Text, obwohl ich noch kein einziges Wort geschrieben habe. Ich finde aus dieser Struktur heraus eine Gesamtstruktur dessen, was ich erzählen will. Die Linien und Farben übersetzen sich in entsprechende sprachliche Formen. Jetzt weiß ich, wie mein Projekt "klingen" muss, welche ihm eigenen (und nicht von mir oder anderen aufgezwungenen) Ordnungen es haben wird. Ich bekomme ein Gefühl für die Sprache, den Klang meiner Figuren, ihre inneren Farben. Theoretiker nennen das Erzählton, aber für mich ist es mehr: eine Erzählaufmerksamkeit, die mich auch beeinflussen wird in meiner Auswahl. Im Trennen von Wichtigem und Unwichtigem. Ich könnte, wenn ich bildende Künstlerin wäre, in diesem Stadium mein zukünftiges Buch als Komposition von Farben, Linien und Formen malen.
Es ist ein berauschendes Gefühl, wenn auf diese Art eine völlig neue, fremde Erlebenswelt ins Leben tritt und festgehalten werden will. Es ist aber auch extrem anstrengend. Ich brauche in dieser Phase große Ruhe, ziehe mich zurück. Schon ein Amtsbrief, der Antwort verlangt, stört dann ungemein. Andererseits liebe ich es, abends nach solchen Tagen unter Menschen zu gehen, sie zu beobachten. Es ist erholsam für mich, völlig banale Gesten und Dinge zu sehen. Auch das ist eine Welt: Dass man eigentlich auch dasitzen könnte, vor sich hinstarren, mit jemandem am Tisch über das Wetter reden, eine Gabel heben. Es erinnert mich daran, dass der Hamster nach getaner Arbeit sein Rad verlassen muss und genüsslich leben. Denn auf Dauer hält man diese Phase des Arbeitens nicht durch.
Diesmal gönne ich mir noch einen Zwischenschritt. Ich muss nämlich tatsächlich ein feines Gespür für Rhythmik und Klang entwickeln, für Klangfarben und Lautstärken. Es hat etwas von einer musikalischen Komposition. Denn wie ich schon andeutete, wird dieses Projekt ein völlig anderes Medium nutzen. Text, den man als Buchstaben gedruckt vor sich sehen kann, funktioniert völlig anders als Text, der keine Buchstaben mehr hat... Die Herausforderung an die Sinne meiner zukünftigen "Leser" ist auch eine Herausforderung an die Erzählstimme. Noch so ein neuer Kosmos...
23. November 2008
Qualitätsattacke
Eben bei Ursula entdeckt: Die schönste Qualitätsattacke, der beste Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen, die geschickteste Werbung für Originale und eine Freude für Fans wie mich:
Fernsehen ganz unten
Es kommt ja ab und zu mal vor, dass sich KollegInnen vom Fernsehen oder von Zeitungen in meiner Kolumne an Ideen bedienen (meinen scharfen Augen entgeht nichts, auch nicht der Name der Firmen...). Ich freue mich dann immer, dass ich zuerst da war. Übrigens, falls es noch niemand mitgekriegt hat: Ich bin auch Journalistin, falls Ihr mehr braucht als Abgekupfertes, gell?
Alles schön fürs Selbstbewusstsein.
Aber dann gibt es die Momente, wo man nur noch schreien möchte: "Herr, schmeiß Hirn ran!"
Ein Fernsehsender, den ich dezent verschweigen möchte, recherchiert bei mir über "Trivialliteratur am Beispiel von Homo Faber."
Liebe Leute, Homo Faber ist von Max Frisch und man darf ruhig Literatur dazu sagen. Einfach nur Literatur. Oder ist euch das zu trivial?
Man merkt schon schlimm, dass Marcel Reich-Ranicki und Elke Heidenreich nicht mehr da sind. Da spiele ich mal schnell Denis Scheck und lege den Redaktör, dem nichts zu schwör, aufs Altpapierband... und tschüssss!
Alles schön fürs Selbstbewusstsein.
Aber dann gibt es die Momente, wo man nur noch schreien möchte: "Herr, schmeiß Hirn ran!"
Ein Fernsehsender, den ich dezent verschweigen möchte, recherchiert bei mir über "Trivialliteratur am Beispiel von Homo Faber."
Liebe Leute, Homo Faber ist von Max Frisch und man darf ruhig Literatur dazu sagen. Einfach nur Literatur. Oder ist euch das zu trivial?
Man merkt schon schlimm, dass Marcel Reich-Ranicki und Elke Heidenreich nicht mehr da sind. Da spiele ich mal schnell Denis Scheck und lege den Redaktör, dem nichts zu schwör, aufs Altpapierband... und tschüssss!
22. November 2008
Kaufrausch im Antiquariat
Manchmal findet man Recherchematerial nicht einmal in Bibliotheken. Manchmal muss man Recherchematerial aber einfach auch besitzen - um sich darin Notizen machen zu dürfen, um die Bücher zu genießen. Als eine, die Flohmärkte und Auktionen sowieso liebt, entdeckte ich dann recht früh das weltweite Suchen per Internet. Seltene alte Bücher suchen? Mich packt dann das Detektivfieber!
Vor vielen Jahren, als es noch keine Online-Antiquariate gab und ein großer Internetbuchhändler in den USA erst ganz frisch am Netz war, suchte ich ein sehr seltenes Buch für mein Erstlingswerk, das in Bibliotheken nicht zu haben war. Jener Internethändler bot damals einen Suchservice an. Ich erinnere mich noch, wie aufgeregt ich war, als nach drei Tagen eine Mail eintraf. Ja, sie hätten das Buch weltweit zwei Mal ausfindig gemacht. Ich wählte dann den niedrigeren Preis - bei einem Händler in Indien! Das Porto für das alte englische Buch von Indien via USA nach Frankreich war teurer als das Buch. Aber die Spürnase jubelte, als das Päckchen nach nur etwa sechs Wochen wirklich ankam. Es gibt hin und wieder Leute, die es mir gern für das Zehnfache abkaufen würden, aber solche Schätze gebe ich nicht mehr her.
Ein anderes Mal habe ich einen Museumsarchivar infiziert. Er wollte ein mehrbändiges Originalwerk eines berühmten Menschen aus dem Ort kaufen, erste Hälfte 19. Jhdt. Aber die 20.000 E, die der Händler in Paris verlangte, hatte das Museum nicht. Zuerst fand ich ihm den französischen Text kostenlos - als Scan in der Library of Congress in den USA. Denn jener Franzose hatte auch dort Furore gemacht. Und dann gab ich dem Archivar meine Adressen für Internet-Antiquariate. Das Museum ist heute stolzer Besitzer des Werkes und hat für alle Bände 280 E bezahlt.
Für "das Buch der Rose" suchte ich spaßhalber jenes legendäre Werk über die Sprache der Blumen. Schon aus Privatinteresse war ich diesem Buch aus dem frühen 19. Jahrhundert seit etwa fünf Jahren vergeblich nachgejagt. Und dann war es schier unbezahlbar für mich, die billigste Ausgabe war ab 300 E zu haben. Mein Jagdeifer ließ mich nicht ruhen. Ein halbes Jahr später fand ich eine Ausgabe für verrückte 16 E in einem winzigen bretonischen Antiquariat - online. Scheck hingeschickt, drei Tage später war das Buch mit einer netten Postkarte da.
Ich war gerade mal wieder "unterwegs". Weil ich es mit überaus seltenen vergriffenen Büchern zu tun habe und darüber hinaus einem Fan-Markt, der den Bestand zusätzlich dezimiert. Nicht billig, was ich brauchte. Aber so leicht macht man es sich ja nicht. Also wurden vier Fenster zu unterschiedlichen Plattformen gleichzeitig geöffnet und Preise verglichen. Schnell konzentrierte sich das Ganze auf nur zwei Handelsplattformen, die Preise sanken und die Perlen fanden sich. Tja, und jetzt bin ich ganz schön gespannt, ob da wirklich bald Päckchen kommen aus England, Belgien und Deutschland. Aufregend. Ich kann vor allem kaum glauben, dass ich das Original eines Exilrussen von 1937 ergattert habe, das nie nachgedruckt wurde.
Antiquariat-Plattformen im Internet:
ZVAB
Zentrales Verzeichnis antiquarischer Bücher in Deutschland, fragt mittlerweile auch ausländische Händler vor allem im englischsprachigen Raum ab. Schwerpunkt: deutschsprachige Bücher.
Livre rare books
Die Zentrale aller französchsprachigen Bouquinisten in F, B, CH, CAN. Durch das französische Schecksystem kann man hier auch bei winzigen Händlern ohne Internet einkaufen, also sozusagen am Bouquinistenstand an der Seine. Ansonsten zahlt man per Karte. Französische und englische Version.
Abebooks
Weltweite Buchsuche. Durch Plattformen im eigenen Land einfaches zentrales Zahlsystem (man zahlt an Abebooks, nicht an jeden Händler einzeln) und Mehrsprachigkeit. Spezialität: Lehrreiche Artikel über das Behandeln von und Handeln mit alten Büchern, Suche nach Erstausgaben und signierten Büchern.
Alibris
Weltweite Buch-, Film- und Musiksuche, Handel für Europa via England, leider nur auf Englisch.
Es gibt noch mehr Antiquariate im Internet (vor allem für Ramschware und Second-Hand-Handel). Ich habe hier nur die aufgelistet, bei denen man wirklich rare, seltene und vor allem sehr alte Bücher kaufen kann. Bei wirklichen Schätzen und Raritäten empfehle ich, die nationale Suche zu vergessen und die großen internationalen Plattformen zu Rate zu ziehen.
Vor vielen Jahren, als es noch keine Online-Antiquariate gab und ein großer Internetbuchhändler in den USA erst ganz frisch am Netz war, suchte ich ein sehr seltenes Buch für mein Erstlingswerk, das in Bibliotheken nicht zu haben war. Jener Internethändler bot damals einen Suchservice an. Ich erinnere mich noch, wie aufgeregt ich war, als nach drei Tagen eine Mail eintraf. Ja, sie hätten das Buch weltweit zwei Mal ausfindig gemacht. Ich wählte dann den niedrigeren Preis - bei einem Händler in Indien! Das Porto für das alte englische Buch von Indien via USA nach Frankreich war teurer als das Buch. Aber die Spürnase jubelte, als das Päckchen nach nur etwa sechs Wochen wirklich ankam. Es gibt hin und wieder Leute, die es mir gern für das Zehnfache abkaufen würden, aber solche Schätze gebe ich nicht mehr her.
Ein anderes Mal habe ich einen Museumsarchivar infiziert. Er wollte ein mehrbändiges Originalwerk eines berühmten Menschen aus dem Ort kaufen, erste Hälfte 19. Jhdt. Aber die 20.000 E, die der Händler in Paris verlangte, hatte das Museum nicht. Zuerst fand ich ihm den französischen Text kostenlos - als Scan in der Library of Congress in den USA. Denn jener Franzose hatte auch dort Furore gemacht. Und dann gab ich dem Archivar meine Adressen für Internet-Antiquariate. Das Museum ist heute stolzer Besitzer des Werkes und hat für alle Bände 280 E bezahlt.
Für "das Buch der Rose" suchte ich spaßhalber jenes legendäre Werk über die Sprache der Blumen. Schon aus Privatinteresse war ich diesem Buch aus dem frühen 19. Jahrhundert seit etwa fünf Jahren vergeblich nachgejagt. Und dann war es schier unbezahlbar für mich, die billigste Ausgabe war ab 300 E zu haben. Mein Jagdeifer ließ mich nicht ruhen. Ein halbes Jahr später fand ich eine Ausgabe für verrückte 16 E in einem winzigen bretonischen Antiquariat - online. Scheck hingeschickt, drei Tage später war das Buch mit einer netten Postkarte da.
Ich war gerade mal wieder "unterwegs". Weil ich es mit überaus seltenen vergriffenen Büchern zu tun habe und darüber hinaus einem Fan-Markt, der den Bestand zusätzlich dezimiert. Nicht billig, was ich brauchte. Aber so leicht macht man es sich ja nicht. Also wurden vier Fenster zu unterschiedlichen Plattformen gleichzeitig geöffnet und Preise verglichen. Schnell konzentrierte sich das Ganze auf nur zwei Handelsplattformen, die Preise sanken und die Perlen fanden sich. Tja, und jetzt bin ich ganz schön gespannt, ob da wirklich bald Päckchen kommen aus England, Belgien und Deutschland. Aufregend. Ich kann vor allem kaum glauben, dass ich das Original eines Exilrussen von 1937 ergattert habe, das nie nachgedruckt wurde.
Antiquariat-Plattformen im Internet:
ZVAB
Zentrales Verzeichnis antiquarischer Bücher in Deutschland, fragt mittlerweile auch ausländische Händler vor allem im englischsprachigen Raum ab. Schwerpunkt: deutschsprachige Bücher.
Livre rare books
Die Zentrale aller französchsprachigen Bouquinisten in F, B, CH, CAN. Durch das französische Schecksystem kann man hier auch bei winzigen Händlern ohne Internet einkaufen, also sozusagen am Bouquinistenstand an der Seine. Ansonsten zahlt man per Karte. Französische und englische Version.
Abebooks
Weltweite Buchsuche. Durch Plattformen im eigenen Land einfaches zentrales Zahlsystem (man zahlt an Abebooks, nicht an jeden Händler einzeln) und Mehrsprachigkeit. Spezialität: Lehrreiche Artikel über das Behandeln von und Handeln mit alten Büchern, Suche nach Erstausgaben und signierten Büchern.
Alibris
Weltweite Buch-, Film- und Musiksuche, Handel für Europa via England, leider nur auf Englisch.
Es gibt noch mehr Antiquariate im Internet (vor allem für Ramschware und Second-Hand-Handel). Ich habe hier nur die aufgelistet, bei denen man wirklich rare, seltene und vor allem sehr alte Bücher kaufen kann. Bei wirklichen Schätzen und Raritäten empfehle ich, die nationale Suche zu vergessen und die großen internationalen Plattformen zu Rate zu ziehen.
Kuren für Künstler
Das Leben als Schriftsteller kann manchmal so einfach und herrlich sein. Im Moment ist es so schön, dass ich es gar nicht fassen kann.
Ich habe mit Menschen zu tun, die mich und meine Arbeit wertschätzen. Die mir zutrauen, noch viel mehr zu können. Die wissen, dass ich meine Grenzen überschreite, wenn man mich neugierig macht, mich motiviert. Kein Leiden - Kunst wird zur einzigartigen Orgie, ich bade in meinem Thema, experimentiere frech - ohne dass mich jemand im Voraus stoppt und sagt: "Aber Vorsicht, unser Publikum ist ein bißchen doof und faul obendrein!" Wir trauen unserem Publikum zu, dass es das Bestmögliche will.
Ich bin im Künstlerschlaraffenland. Muss nicht mehr Monate auf Antworten warten (üblich, wenn man Verlage sucht). Bekomme Rückmeldungen. Es wird zugehört, hingelesen. Da ist Feedback für meine Arbeit, Ermunterung. Das wirkt wie eine Kreativspritze. Arbeit fühlt sich nicht mehr wie Arbeit an. Arbeit ist ein Rausch, eine Erholung; ist wie ein herrlicher Waldlauf, bei dem man zwar schuftet und schwitzt, aber hinterher voll mit Endorphinen das Leben genießt. Wo man sich zusammensetzt, über ein Thema herumspinnt, träumt, wagt, Grenzen bricht ... und gar nicht merkt, dass man all das und unter anderen Umständen vorher so nie geschafft hätte.
Schreiben und Schöpfen kann so einfach sein. Und ich lerne wieder einmal, dass das Leiden in dieser Branche zwar ganz nett sein kann, um noch trotziger zu werden - aber es ist eigentlich überflüssig wie ein Kropf. Es verhindert Entwicklung. Ich weiß jetzt noch mehr, was ich will. Ich will meine wertvolle Lebenszeit nicht vergeuden mit kleingeistigen Bedenkenträgern, risikoscheuen Zauderern oder Menschen, die keine Wertschätzung mehr empfinden können. Da sind genug andere ... und die beflügeln!
Das Leben ist schön. Ich genieße jetzt mit meinem Hund den knallblauen Himmel und die endlich wieder abgetauten Wiesen. Dann setze ich mich unter meinen frischgepflückten Rosenstrauß und bestelle bei einem winzigen Bouquinisten ein seltenes Buch, das mir zu meinem Thema entgegensprang. Denn in solch wunderbaren Momenten fällt sogar das Recherchematerial aus dem (virtuellen) Himmel. Und ich weiß jetzt schon, ich werde wie ein Kind vor Weihnachten auf das Päckchen warten! Und noch leidenschaftlicher arbeiten...
Ich habe mit Menschen zu tun, die mich und meine Arbeit wertschätzen. Die mir zutrauen, noch viel mehr zu können. Die wissen, dass ich meine Grenzen überschreite, wenn man mich neugierig macht, mich motiviert. Kein Leiden - Kunst wird zur einzigartigen Orgie, ich bade in meinem Thema, experimentiere frech - ohne dass mich jemand im Voraus stoppt und sagt: "Aber Vorsicht, unser Publikum ist ein bißchen doof und faul obendrein!" Wir trauen unserem Publikum zu, dass es das Bestmögliche will.
Ich bin im Künstlerschlaraffenland. Muss nicht mehr Monate auf Antworten warten (üblich, wenn man Verlage sucht). Bekomme Rückmeldungen. Es wird zugehört, hingelesen. Da ist Feedback für meine Arbeit, Ermunterung. Das wirkt wie eine Kreativspritze. Arbeit fühlt sich nicht mehr wie Arbeit an. Arbeit ist ein Rausch, eine Erholung; ist wie ein herrlicher Waldlauf, bei dem man zwar schuftet und schwitzt, aber hinterher voll mit Endorphinen das Leben genießt. Wo man sich zusammensetzt, über ein Thema herumspinnt, träumt, wagt, Grenzen bricht ... und gar nicht merkt, dass man all das und unter anderen Umständen vorher so nie geschafft hätte.
Schreiben und Schöpfen kann so einfach sein. Und ich lerne wieder einmal, dass das Leiden in dieser Branche zwar ganz nett sein kann, um noch trotziger zu werden - aber es ist eigentlich überflüssig wie ein Kropf. Es verhindert Entwicklung. Ich weiß jetzt noch mehr, was ich will. Ich will meine wertvolle Lebenszeit nicht vergeuden mit kleingeistigen Bedenkenträgern, risikoscheuen Zauderern oder Menschen, die keine Wertschätzung mehr empfinden können. Da sind genug andere ... und die beflügeln!
Das Leben ist schön. Ich genieße jetzt mit meinem Hund den knallblauen Himmel und die endlich wieder abgetauten Wiesen. Dann setze ich mich unter meinen frischgepflückten Rosenstrauß und bestelle bei einem winzigen Bouquinisten ein seltenes Buch, das mir zu meinem Thema entgegensprang. Denn in solch wunderbaren Momenten fällt sogar das Recherchematerial aus dem (virtuellen) Himmel. Und ich weiß jetzt schon, ich werde wie ein Kind vor Weihnachten auf das Päckchen warten! Und noch leidenschaftlicher arbeiten...
21. November 2008
20. November 2008
Kreise schließen sich
Eigentlich ist es noch ein russisches Wintermärchen (Vorsicht, länglich).
Wer hier länger mitliest, wird wissen, dass ich einen Traum habe. Ich glaube unverbesserlich und idealistisch daran, dass auch heute noch etwas anderes möglich sein muss als "durchhörbare" Bücher, wie das Thomas Roeder so schön nennt. Er meint damit Bücher, die ihre Leser nicht mehr anstrengen, leicht konsumierbar - und übrigens für die Autoren auch leicht an Verlage zu verkaufen.
Ich träume (nicht nur als Autorin) von Büchern, die Horizonte aufreißen, Ungewöhnliches wagen, neue Denkwelten bieten, und durchaus auch einmal ihre Leser (heraus)fordern. Ich träume von Büchern, die nicht in die Betulichkeit einer Tante Erna oder ins Verlagsschema F gepresst werden. Bücher, die kein eindeutiges Geschlecht haben, bei denen das Geschlecht der Autorin genauso wenig eine Rolle spielt wie das von Hauptfiguren und Lesern (und für manche Verlage muss man leider hinzufügen: die Nationalität auch nicht). Ich träume von Büchern, bei denen Sprache und Form die gleiche Rolle spielt wie der Inhalt, weil Sprache nicht immer nur der kleinste gemeinsame PISA-Nenner sein darf, sondern eine Kunst ist, eine Kunst wie Musik, Malerei, Tanz, Bildhauerei...
Mit meinen Büchern über das Elsass und Rosen habe ich mich langsam vorgetastet, geschnuppert.
Ich träume auch einen ganz privaten Traum. Weil ich selbst als Synästhesistin meine Texte hör-seh-fühle, so wie ich z.B. eine Symphonie von Mahler oder ein Bild von Kandinsky wahrnehme, sind mir Texte allein fast zu eindimensional. Als ich für die BBC an der DVD zu Francis Poulenc mitarbeitete, bekam ich eine Ahnung davon, dass unterschiedliche Medien und moderne Techniken vielleicht eines Tages auch die Ausdrucksformen von Text erweitern könnten. Wäre es eines Tages möglich, einen "anderen" Text zu schaffen?
Ich habe mir dann erst einmal fast die Nase blutig geschlagen, weil "Durchhörbarkeit" und 0815-Strickmuster fröhliche Urständ feiern. Selbst Freunde verstanden mich nicht mehr: "Warum passt du dich nicht endlich an?" Wie passt sich eine an, die mit sechs Jahren eine Blumenwiese malte, auf der mit ungelenken Großbuchstaben steht: Es ist verboten zu verbieten...
Wenn man einen Traum nicht nur fest genug träumt, sondern auch hart genug dafür arbeitet, passiert es manchmal, dass sich die Linien, die ins Nichts zu führen scheinen, zu Kreisen biegen. Manchmal fangen diese Kreise an, sich zu überschneiden - und dann gelangt so ein Traum in die Realität.
Ich weiß nicht, wann sich die erste Linie bog. Als ich im Sommer an einem Zauberort eine Verlegerin kennenlernte, ahnten wir beide nichts. Als es mir kürzlich gelang, nach über einem Jahr vergeblicher Versuche Karten für die Dostojewski-Nacht in Baden-Baden zu ergattern, freute ich mich wie ein Schneekönig, aber träumte nur heftigst. Ich schrieb ja nur heimlich. Aber plötzlich bogten sich Kreise...
Da war der georgische Maler, den ich am gleichen Zauberort kennenlernte, dem ich mit meinem letzten Geld ein Bild abkaufte. "Ludzie" (poln. "Leute") nenne ich es für mich, weil der Wortklang tanzt und sich aufbäumt und rund ist. Männer, Frauen, Zwischenwesen, sie versammeln sich, drapieren sich, überall Beine - sie tanzen. Das gesichtslose Wesen mit seinem gewaltigen Rot hat keine Macht; es schwelt eine kleine orangene Revolution da unten, die nicht gewalttätig ist, sondern schön, erotisch: Kunst. Ich habe das Bild an einem Tag gekauft, an dem ich selbst aufgeben wollte. An dem ich beinah zerbrochen wäre am Massenmarkt, der so hochrot durchknallt: Du musst dies, du musst das! Das Bild sagt mir: Trotzdem.
Ich traf die Verlegerin wieder. Sie erzählte mir von einem Thema, das ich "Dingens" nennen will, denn solche Sachen sind ja immer strengstens geheim bis zur Verlagsvorschau. Ihr Traum. Ich stolperte hinein; Dingens biss mich nicht, Dingens verschlang mich. Ich las ihr aus meinem heimlichen Schreiben vor. Und plötzlich rundete sich so viel mehr. Hatte ich nicht vor zwei Jahren, weil ich die musikalischen Klänge in Baden-Baden ständig auf der Straße höre, beschlossen, mein verstaubtes Russisch wieder aufzufrischen? Hatte ich nicht nur nach einem zwingenden Anlass gesucht? Das Wörterbuch liegt wieder auf meinem Tisch... Und ich entdeckte: Dingens war schon mal in Baden-Baden.
Kurzum: Wir werfen zwei Träume zusammen und produzieren. Wenn alles klappt, soll Dingens im Herbst 2009 erscheinen. Die Zeit, die Riesenverlage inzwischen brauchen, um sich überhaupt entscheiden zu können, nutzen wir fürs Texten und Herstellen. Es wird für mich eine ganz besondere Herausforderung, denn, nur so viel kann ich verraten - dieser Text wird nicht als Buchstabenansammlung sichtbar werden und sich mit einer anderen Kunst verbinden. Und Dingens hat sehr sehr viel mit Russland zu tun, auch wenn es nicht um das Land geht.
Um mein Glück zu begreifen, habe ich auf Zbginiew Preisners Musik zu Kieslowskis Film "Das doppelte Leben der Veronika" getanzt und lauthals gesungen. Als ich den Film im Original sah, habe ich gelernt, dass der Zu-Fall im Polnischen eine Art magnetische Laufrichtung hat. Parallel läuft er neben einem her, begegnet einem nie. Aber wenn man sich ihm nur ein klein wenig entgegen neigt, verschiebt sich die eine Linie der Parallele, fällt er auf einen zu.
Ich staunte nicht schlecht. Als ich Dingens, für das es keine einheitliche Schreibweise gibt, in kyrillischen Buchstaben las, wusste ich plötzlich die polnische Schreibweise. Und erinnerte mich an das heftige Dingensfieber in Warschau, das auch mich mitgerissen hatte. Das war also Dingens! Als ich als kleines Kind ein goldenes Geschenkband in die Haare band und so tat, als könne ich tanzen und Klavier spielen, stand Dingens eigentlich schon neben mir. Ich lernte mit sieben oder acht kyrillische Buchstaben, um "Geheimzettelchen" mit meiner Mutter auszutauschen.
Dingens war schon so lang da. Jetzt will er raus. Und er darf raus.
Denn es gibt trotz all des billigen Einheitsbreis noch Verleger mit Mut, Risikofreude, Liebe zum eigenen Metier und zur Kunst. Dingensfieber. Unheilbar. Ich Stschastliwtschik!
Wer hier länger mitliest, wird wissen, dass ich einen Traum habe. Ich glaube unverbesserlich und idealistisch daran, dass auch heute noch etwas anderes möglich sein muss als "durchhörbare" Bücher, wie das Thomas Roeder so schön nennt. Er meint damit Bücher, die ihre Leser nicht mehr anstrengen, leicht konsumierbar - und übrigens für die Autoren auch leicht an Verlage zu verkaufen.
Ich träume (nicht nur als Autorin) von Büchern, die Horizonte aufreißen, Ungewöhnliches wagen, neue Denkwelten bieten, und durchaus auch einmal ihre Leser (heraus)fordern. Ich träume von Büchern, die nicht in die Betulichkeit einer Tante Erna oder ins Verlagsschema F gepresst werden. Bücher, die kein eindeutiges Geschlecht haben, bei denen das Geschlecht der Autorin genauso wenig eine Rolle spielt wie das von Hauptfiguren und Lesern (und für manche Verlage muss man leider hinzufügen: die Nationalität auch nicht). Ich träume von Büchern, bei denen Sprache und Form die gleiche Rolle spielt wie der Inhalt, weil Sprache nicht immer nur der kleinste gemeinsame PISA-Nenner sein darf, sondern eine Kunst ist, eine Kunst wie Musik, Malerei, Tanz, Bildhauerei...
Mit meinen Büchern über das Elsass und Rosen habe ich mich langsam vorgetastet, geschnuppert.
Ich träume auch einen ganz privaten Traum. Weil ich selbst als Synästhesistin meine Texte hör-seh-fühle, so wie ich z.B. eine Symphonie von Mahler oder ein Bild von Kandinsky wahrnehme, sind mir Texte allein fast zu eindimensional. Als ich für die BBC an der DVD zu Francis Poulenc mitarbeitete, bekam ich eine Ahnung davon, dass unterschiedliche Medien und moderne Techniken vielleicht eines Tages auch die Ausdrucksformen von Text erweitern könnten. Wäre es eines Tages möglich, einen "anderen" Text zu schaffen?
Ich habe mir dann erst einmal fast die Nase blutig geschlagen, weil "Durchhörbarkeit" und 0815-Strickmuster fröhliche Urständ feiern. Selbst Freunde verstanden mich nicht mehr: "Warum passt du dich nicht endlich an?" Wie passt sich eine an, die mit sechs Jahren eine Blumenwiese malte, auf der mit ungelenken Großbuchstaben steht: Es ist verboten zu verbieten...
Wenn man einen Traum nicht nur fest genug träumt, sondern auch hart genug dafür arbeitet, passiert es manchmal, dass sich die Linien, die ins Nichts zu führen scheinen, zu Kreisen biegen. Manchmal fangen diese Kreise an, sich zu überschneiden - und dann gelangt so ein Traum in die Realität.
Ich weiß nicht, wann sich die erste Linie bog. Als ich im Sommer an einem Zauberort eine Verlegerin kennenlernte, ahnten wir beide nichts. Als es mir kürzlich gelang, nach über einem Jahr vergeblicher Versuche Karten für die Dostojewski-Nacht in Baden-Baden zu ergattern, freute ich mich wie ein Schneekönig, aber träumte nur heftigst. Ich schrieb ja nur heimlich. Aber plötzlich bogten sich Kreise...
Da war der georgische Maler, den ich am gleichen Zauberort kennenlernte, dem ich mit meinem letzten Geld ein Bild abkaufte. "Ludzie" (poln. "Leute") nenne ich es für mich, weil der Wortklang tanzt und sich aufbäumt und rund ist. Männer, Frauen, Zwischenwesen, sie versammeln sich, drapieren sich, überall Beine - sie tanzen. Das gesichtslose Wesen mit seinem gewaltigen Rot hat keine Macht; es schwelt eine kleine orangene Revolution da unten, die nicht gewalttätig ist, sondern schön, erotisch: Kunst. Ich habe das Bild an einem Tag gekauft, an dem ich selbst aufgeben wollte. An dem ich beinah zerbrochen wäre am Massenmarkt, der so hochrot durchknallt: Du musst dies, du musst das! Das Bild sagt mir: Trotzdem.
Ich traf die Verlegerin wieder. Sie erzählte mir von einem Thema, das ich "Dingens" nennen will, denn solche Sachen sind ja immer strengstens geheim bis zur Verlagsvorschau. Ihr Traum. Ich stolperte hinein; Dingens biss mich nicht, Dingens verschlang mich. Ich las ihr aus meinem heimlichen Schreiben vor. Und plötzlich rundete sich so viel mehr. Hatte ich nicht vor zwei Jahren, weil ich die musikalischen Klänge in Baden-Baden ständig auf der Straße höre, beschlossen, mein verstaubtes Russisch wieder aufzufrischen? Hatte ich nicht nur nach einem zwingenden Anlass gesucht? Das Wörterbuch liegt wieder auf meinem Tisch... Und ich entdeckte: Dingens war schon mal in Baden-Baden.
Kurzum: Wir werfen zwei Träume zusammen und produzieren. Wenn alles klappt, soll Dingens im Herbst 2009 erscheinen. Die Zeit, die Riesenverlage inzwischen brauchen, um sich überhaupt entscheiden zu können, nutzen wir fürs Texten und Herstellen. Es wird für mich eine ganz besondere Herausforderung, denn, nur so viel kann ich verraten - dieser Text wird nicht als Buchstabenansammlung sichtbar werden und sich mit einer anderen Kunst verbinden. Und Dingens hat sehr sehr viel mit Russland zu tun, auch wenn es nicht um das Land geht.
Um mein Glück zu begreifen, habe ich auf Zbginiew Preisners Musik zu Kieslowskis Film "Das doppelte Leben der Veronika" getanzt und lauthals gesungen. Als ich den Film im Original sah, habe ich gelernt, dass der Zu-Fall im Polnischen eine Art magnetische Laufrichtung hat. Parallel läuft er neben einem her, begegnet einem nie. Aber wenn man sich ihm nur ein klein wenig entgegen neigt, verschiebt sich die eine Linie der Parallele, fällt er auf einen zu.
Ich staunte nicht schlecht. Als ich Dingens, für das es keine einheitliche Schreibweise gibt, in kyrillischen Buchstaben las, wusste ich plötzlich die polnische Schreibweise. Und erinnerte mich an das heftige Dingensfieber in Warschau, das auch mich mitgerissen hatte. Das war also Dingens! Als ich als kleines Kind ein goldenes Geschenkband in die Haare band und so tat, als könne ich tanzen und Klavier spielen, stand Dingens eigentlich schon neben mir. Ich lernte mit sieben oder acht kyrillische Buchstaben, um "Geheimzettelchen" mit meiner Mutter auszutauschen.
Dingens war schon so lang da. Jetzt will er raus. Und er darf raus.
Denn es gibt trotz all des billigen Einheitsbreis noch Verleger mit Mut, Risikofreude, Liebe zum eigenen Metier und zur Kunst. Dingensfieber. Unheilbar. Ich Stschastliwtschik!
19. November 2008
Ich bin dann mal weg
Ich stelle heute und morgen meinen Internetanschluss um. Dabei könnte ich ab und zu ins Off geraten. Kundschaft, Freundschaft und wer sonst noch schafft, erreicht mich dann in dringenden Fällen mit den üblichen altmodischen Kommunikationsmedien. Und wenn mein Betriebsprogramm brav ist, gibt's morgen schon eine Überraschung...
18. November 2008
Reisen im Kopf
Tracker erzählen manchmal richtig Geschichten: Da hat sich nachts um halb vier jemand im schwedischen Bahnhof Linköping in meine Kolumne begeben...
Faszinierend, wo und wie man so gelesen wird. Ich sehe jemanden in eisiger dunkler Nacht, der Zug will nicht kommen ... oder ließ sich jemand im warmen Wartesaal von meinem russischen Märchen in den Schlaf begleiten? Vielleicht hat der Bahnhofswärter sich einfach nur vertippt, wollte, als seine Frau schon schlief, "Frau mit verdammt guter Figur" finden und landete bei meiner Anleitung für verdammt gute Romanfiguren?
Ich liebe es, mir Geschichten auszudenken, wohin ein Text so reisen kann - und was er womöglich anrichtet.
Faszinierend, wo und wie man so gelesen wird. Ich sehe jemanden in eisiger dunkler Nacht, der Zug will nicht kommen ... oder ließ sich jemand im warmen Wartesaal von meinem russischen Märchen in den Schlaf begleiten? Vielleicht hat der Bahnhofswärter sich einfach nur vertippt, wollte, als seine Frau schon schlief, "Frau mit verdammt guter Figur" finden und landete bei meiner Anleitung für verdammt gute Romanfiguren?
Ich liebe es, mir Geschichten auszudenken, wohin ein Text so reisen kann - und was er womöglich anrichtet.
Kennedy und weiße Rosen
Ich bin gerade zufällig darauf gestoßen, dass sich dieser Tage die Ermordung Kennedy's jährt. Das erinnert mich an ein Kuriosum aus meiner Arbeit. Für "Das Buch der Rose" haben wir auch nach aussagekräftigen Fotos gesucht, die zu den Kapiteln passen. In einem davon geht es um die Bedeutung von Rosen im Themenkreis um Tod und Jenseitsvorstellungen.
Ein Foto zeigte ganz besonders deutlich, wie stark Menschen Rosen für ihre Rituale um das Sterben benutzen. Es wurde am 22.11.1963 aufgenommen, in Dallas, Texas. Das Foto zeigt das Innere von John F. Kennedy's Wagen, mit Blick auf den Platz, auf dem er kurz zuvor noch gesessen hatte, bevor die tödlichen Schüsse fielen. Man sieht nichts als ein ganz normales Auto, das auch bereits gesäubert ist. Aber auf dem Sitzplatz liegt ein Bukett weißer Rosen.
Nichts Schlimmes, sollte man meinen. Ein Dokument in zweifacher Hinsicht: Zeitdokument und Dokument des Umgangs mit uralten Symbolen. Aber die Veröffentlichung des Fotos, das von einem amerikanischen Fotografen gemacht wurde, ist in den USA noch heute untersagt. Es darf nur in Europa gedruckt werden. Angenommen (rein hypothetisch), mein Buch würde in den USA erscheinen: Man würde es "bereinigen" - es hätte ein Foto weniger.
Dieser Umgang mit dem öffentlichen Sterben mutet altertümlich an, wenn man bedenkt, dass wir am Irakkrieg wie in einem Videospiel teilnehmen konnten und stolz jeder Treffer vom Militär live bejubelt wurde. Aber auch da hat man den wahren Tod weggesäubert, hat die Bilder geschönt. Alles war clean. Nur nicht ans wahre Grauen denken...
Als Kind hörte ich einmal eine grauenhafte Geschichte, erzählt von meiner Familie aus Ohio. Es war damals üblich, dass man die Toten bei der Aufbahrung in Leihkleider steckte - weil kaum jemand die wertvollen Roben und Anzüge bezahlen konnte. Es waren Kleider wie für eine Hochzeit. Man gab sie nicht mit ins Grab, sondern wieder in den Verleih. Und nachher kamen die jungen Leute, holten sich die Kleider für eben jenen Zweck. Die Leihroben für die Toten wurden plötzlich verboten, als die ersten Bräute nach ihrer Hochzeit verstarben. Sie hatten sich am Leichengift infiziert.
Beerdigen und Heiraten - beides sind Teile des Lebens. Beide einschneidenden Erlebnisse werden von Rosen begleitet und beide Male sogar von weißen. Aber wenn man versucht, das eine mit dem anderen wegzuschönen, geht es schief. Auch Rosen haben Dornen.
Das Foto ist zu finden in Petra van Cronenburg: Das Buch der Rose, Parthas Verlag 2008
Ein Foto zeigte ganz besonders deutlich, wie stark Menschen Rosen für ihre Rituale um das Sterben benutzen. Es wurde am 22.11.1963 aufgenommen, in Dallas, Texas. Das Foto zeigt das Innere von John F. Kennedy's Wagen, mit Blick auf den Platz, auf dem er kurz zuvor noch gesessen hatte, bevor die tödlichen Schüsse fielen. Man sieht nichts als ein ganz normales Auto, das auch bereits gesäubert ist. Aber auf dem Sitzplatz liegt ein Bukett weißer Rosen.
Nichts Schlimmes, sollte man meinen. Ein Dokument in zweifacher Hinsicht: Zeitdokument und Dokument des Umgangs mit uralten Symbolen. Aber die Veröffentlichung des Fotos, das von einem amerikanischen Fotografen gemacht wurde, ist in den USA noch heute untersagt. Es darf nur in Europa gedruckt werden. Angenommen (rein hypothetisch), mein Buch würde in den USA erscheinen: Man würde es "bereinigen" - es hätte ein Foto weniger.
Dieser Umgang mit dem öffentlichen Sterben mutet altertümlich an, wenn man bedenkt, dass wir am Irakkrieg wie in einem Videospiel teilnehmen konnten und stolz jeder Treffer vom Militär live bejubelt wurde. Aber auch da hat man den wahren Tod weggesäubert, hat die Bilder geschönt. Alles war clean. Nur nicht ans wahre Grauen denken...
Als Kind hörte ich einmal eine grauenhafte Geschichte, erzählt von meiner Familie aus Ohio. Es war damals üblich, dass man die Toten bei der Aufbahrung in Leihkleider steckte - weil kaum jemand die wertvollen Roben und Anzüge bezahlen konnte. Es waren Kleider wie für eine Hochzeit. Man gab sie nicht mit ins Grab, sondern wieder in den Verleih. Und nachher kamen die jungen Leute, holten sich die Kleider für eben jenen Zweck. Die Leihroben für die Toten wurden plötzlich verboten, als die ersten Bräute nach ihrer Hochzeit verstarben. Sie hatten sich am Leichengift infiziert.
Beerdigen und Heiraten - beides sind Teile des Lebens. Beide einschneidenden Erlebnisse werden von Rosen begleitet und beide Male sogar von weißen. Aber wenn man versucht, das eine mit dem anderen wegzuschönen, geht es schief. Auch Rosen haben Dornen.
Das Foto ist zu finden in Petra van Cronenburg: Das Buch der Rose, Parthas Verlag 2008
17. November 2008
"cronenburg" im reader lesen
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Ich gestehe: Ich mache das alles zum ersten Mal und habe von Tuten und Blasen keine Ahnung. Sollte also irgendetwas nicht funktionieren oder zu wünschen übrig lassen, würde ich mich über einen Hinweis, vielleicht mit idiotensicherer Anleitung, freuen.
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Ich gestehe: Ich mache das alles zum ersten Mal und habe von Tuten und Blasen keine Ahnung. Sollte also irgendetwas nicht funktionieren oder zu wünschen übrig lassen, würde ich mich über einen Hinweis, vielleicht mit idiotensicherer Anleitung, freuen.
Ordentlich Plotten: Serviettentechnik
Wir alle wissen, wie wichtig das Plotten für das Schriftstellern ist. Jeder Plotter von Hewlett Packard kann es von Geburt an, nur wir Menschlein mühen uns lebenslänglich. Wie aber sollen wir es tun? Kollege A schwört auf Diagramme in Rosa, die er auf Rauhfasertapete kalligrafiert. Kollegin B ist eine ganz Ordentliche: Sie trägt ihre Plots auf Millimeterpapier ein, mit Architektentinte und zehnfarbigen Unterstreichungen, wobei besonders die unterpunkteten Worte die Geschichte vorantreiben.
Mir wird dabei mulmig. Ich kann nämlich nicht plotten. Jedenfalls nicht so. Und wenn so, dann geht es schief. Unordentlich bin ich auch und die Tapete in meinem Arbeitszimmer ist irlandwindregennebeltürkiswildfarbig - zugegeben, mit einem Hauch Plotrosa. So konnte das nicht weitergehen, wenn aus mir je etwas werden sollte. Ich belegte einen Drehbuchkurs bei einem Freund, der seine Drehbücher beim Frühstück macht, und wurde initiiert. Da es sich nicht um Geheimwissen handelt und gar nicht teuer war (eine Ladung Croissants und Milchkaffee), möchte ich mein Wissen teilen. Auf dass alle unordentlichen Autoren dieser Welt endlich frühstücken, pardon, plotten lernen!
Man nehme:
Und los geht's, das fröhliche, ordentliche Plotten:
Bevor wir aufstehen, erinnern wir uns noch einmal traumartig an unsere Idee und an die Fragmente, die wir über die Personen und unsere Geschichte schon kennen. Wir spielen Traumdoktor: Lassen Sie Ihre Figuren wie in einem Film vor dem inneren Auge agieren. Können Sie eine Figur nicht erkennen? Dann belegen Sie zuerst das Seminar "Figuren im Schlaf entwickeln". Können Sie endlich sehen? Gut. Dann stehen Sie auf und vergessen alles.
Im Idealfall hat ein Partner oder eine Partnerin bereits ein üppiges Frühstück bereitet. Denn wir lernen aus der Kulturgeschichte: Berühmte Künstler wurden meist von einem aufopferungsvollen Partner gepäppelt und gewindelt, der das kommende Genie schon früh erfühlte und sich anbetungsvoll in dessen Dienste stellte. Sollte Ihr/e Partner/in in diesem Punkt zu wünschen übrig lassen, belegen Sie bitte das Seminar "Die Vielehe im Dienste der Kunst". Setzen Sie sich nun an den Frühstückstisch und schicken Sie Ihre/n Partner/in in die Wüste.
Sie brauchen jetzt absolute, innere Ruhe. Machen Sie sich von allen störenden Gedanken frei. Vergessen Sie Ihr Geschreibsel, wahrscheinlich war es wirklich so schlecht, wie Sie denken. Schauen Sie sich die Pracht auf dem Küchentisch an. Erzählt nicht jeder Klecks Marmelade von der Süße des Lebens? Ist es nicht erstaunlich, wie harmonisch sich im Kaffee Bitternis und ein Hauch fruchtiger Amazonas mischen? Streichen Sie Butter auf ... spüren Sie ihr nach. So geschmiert könnte es doch immer laufen, nicht wahr?
Sie verspüren noch ablenkende Gedanken? Solche hartnäckigen Kreativitätsverhinderer können nur innere Aggressionen sein, unterdrückte Leiden. Dagegen hilft einzig und allein Action. Das Zeug muss raus, bevor es schlecht wird. Sie könnten ihrem Lektor eine ballern? Pellen Sie das Ei nicht, köpfen Sie es! Mit Hingabe, Lust, auf einen radikalen Schlag. Sie warten vergeblich auf eine Antwort aus Verlagen? Pellen Sie das Ei. Intonieren Sie bei jedem Schlag einen anderen Verlagsnamen. Ihnen fehlt die zündende Idee und Sie drehen sich im Kreise? Rühren Sie Ihren Kaffee besonders intensiv, mit dezentem Glöckchenklingeln des Löffels am Porzellan.
Derart befreit gehen wir nun an die Bauchübung.
Sie haben sicher schon oft gelesen, dass künftige Genies gern mit dem Bauch denken. Sie haben sich sicher schon gefragt, wie Sie Ihren Dünndarm zum Plotten bringen und Figuren im Dickdarm kneten? Es ist ganz einfach: Bauchdenken beginnt bereits im Mund. Kauen Sie intensiv, speicheln Sie Ihren Nahrungsbrei gut ein ... und vor allem: Schmecken Sie hin! Ein guter Schriftsteller verleibt sich nicht einfach ein; er genießt, er prüft die unterschiedlichen Geschmäcker des Lebens, er weiß um seine fünf Geschmackszonen. Dann heißt es Schlucken - und schon übernimmt Ihr Bauch den Rest. So einfach ist das mit dem Bauchdenken.
Sie fragen sich, wozu Sie die Gabel brauchen? Hahaaa! Greifen Sie dem Seminar nicht vor!
Laden Sie Ihre Figuren an den Kaffeetisch. Bei der folgenden Übung dürfen Sie aber nicht mitschreiben (deshalb kein Papier), denn nur was in Ihrem Hirn bleibt (s. Zutaten), bewährt sich später für die Geschichte. Bieten Sie Ihren Figuren etwas von Ihrem Frühstück an, sprechen Sie laut und deutlich und nennen Sie die Namen der Beteiligten (jetzt wissen Sie, warum man diese Übung besser allein macht). Schauen Sie den Figuren beim Frühstücken zu.
Erst jetzt darf Ihr analytischer Verstand aktiv werden (s. Zutaten: Hirn). Fragen Sie sich, warum der Wüstling Ihren Espresso zu stark findet und einen Kräutertee wünscht. Sind Sie sich sicher, dass Sie diese Figur stimmig entworfen haben? Sie wissen es nicht? Fragen Sie ihn! Warum tritt die holde Blonde ständig den süßen Prinzen unterm Tisch gegen das Schienbein, die sollen sich doch am Ende kriegen? Und es ist doch wirklich nicht zu fassen, derweil haut sich die starke Protagonistin die Wampe voll, als leide sie an Bulimie!
Jetzt ist es an der Zeit, den Schriftsteller herauszuhängen. Machen Sie sich an die Arbeit. Sie sind der Schöpfer, die Allmacht, der große Marionettenspieler. Packen Sie die spitze Gabel mit der Faust, die Zinken sollten auf der Seite mit dem kleinen Finger herausschauen, damit sie effektiver zuschlagen können. Schauen Sie sich den Figurenzirkus noch ein paar Sekunden lang an, dann lassen Sie einen Schrei. Drohen Sie mit der Gabel in Richtung auf die Frühstücksgäste.
Schreien Sie aus vollem Herzen: "Wollt Ihr verdammt noch mal ruhig sein! Wenn Ihr verdammt gute Figuren in einem verdammt guten Roman werden wollt, setzt euch gefälligst ordentlich hin, benehmt euch verdammt gut und hört verdammt noch mal auf mich!" Murmeln Sie leise: "Ich bin endlich frey, frey, frey!" Und werfen Sie dabei drei Prisen Salz hinter die linke Schulter.
Diesen Zinnober wiederholen Sie, bis alles gegessen und getrunken ist.
Erschöpft wischen Sie sich den Mund ab, schicken die Mischpoke weg und dudeln die Musik ihrer Wahl. Sie können auch eine CD mit Klosterstille einlegen, wenn das Ihre Schriftstellerseele besser balsamiert.
Nehmen Sie den Stift und die Serviette und kotzen Sie alles heraus, was Ihnen spontan zu diesem Frühstück einfällt. Ein Stichwörtlein für die Protagonistin, ein Sätzlein gegen den Kräutertee des Antagonisten. Verbinden Sie alle Wörter mit wilden Linien und schließen Sie Wichtiges in Sprechblasen ein. Das nennt man Mindmapping. Fertig ist Ihr erster Plot auf Papier! Sagen Sie jetzt nie wieder in der Öffentlichkeit, Sie würden nie plotten!
Wollen Sie besonders ordentlich sein? Kaufen Sie sich einen Wäschetrockenständer fürs Arbeitszimmer. Klammern Sie die Servietten in chronologischer Reihenfolge an die Leinen. Sind alle Leinen voll, haben Sie eine sogenannte Storyline. Sind Sie eher der Bildermensch, der auf seine Servietten Figuren an Galgen und Blümchen kritzelt? Dann nennt man das Ganze ein Storyboard. Sie können jetzt sogar bunte Wollfäden zwischen einzelne Servietten spannen, um Figurenbeziehungen, Ortsverschiebungen und den Mondstand zu markieren.
Sie sind jetzt auf dem steinigen Weg des Schriftstellerns wieder ein Stückchen weitergehinkt. Seien Sie stolz auf sich. Ein einziges Frühstück - und schon können Sie Bauchdenken mit Hirnbenutzung abstimmen, Figuren und Lektoren zurechtweisen und ordentlich plotten. Sie haben alles über Mindmapping, Storylines und Storyboards gelernt, was Sie wissen müssen. Sie haben ganz nebenbei gelernt, wie man ordentlich mit Serviette frühstückt. Was will man für den Anfang mehr?
(c) by Petra van Cronenburg, all rights reserved
Unter dem Titel "Der fröhliche Schreibratgeber" wird die Autorin künftig in loser Folge die geheimsten Tricks aus ihrem Schreiblabor verraten. Kostenlos, unverbindlich und ohne Gewehr. Für Schäden an Persönlichkeit und Haushaltsgegenständen wird nicht verhaftet.
Mir wird dabei mulmig. Ich kann nämlich nicht plotten. Jedenfalls nicht so. Und wenn so, dann geht es schief. Unordentlich bin ich auch und die Tapete in meinem Arbeitszimmer ist irlandwindregennebeltürkiswildfarbig - zugegeben, mit einem Hauch Plotrosa. So konnte das nicht weitergehen, wenn aus mir je etwas werden sollte. Ich belegte einen Drehbuchkurs bei einem Freund, der seine Drehbücher beim Frühstück macht, und wurde initiiert. Da es sich nicht um Geheimwissen handelt und gar nicht teuer war (eine Ladung Croissants und Milchkaffee), möchte ich mein Wissen teilen. Auf dass alle unordentlichen Autoren dieser Welt endlich frühstücken, pardon, plotten lernen!
Man nehme:
- Ein Bett
- Ein verdammt gutes Frühstück nach Geschmack (vorher ggfs. Geschmacksausbildung machen)
- Eine Serviette, möglichst ohne Muster und aus Papier
- Einen Stift
- Kein Papier
- Ein Hirn, möglichst im eigenen Kopf befindlich
- Einen Bauch, ebenfalls eigen
- Eine sehr spitze Gabel
- Musik zum Antörnen
Und los geht's, das fröhliche, ordentliche Plotten:
Bevor wir aufstehen, erinnern wir uns noch einmal traumartig an unsere Idee und an die Fragmente, die wir über die Personen und unsere Geschichte schon kennen. Wir spielen Traumdoktor: Lassen Sie Ihre Figuren wie in einem Film vor dem inneren Auge agieren. Können Sie eine Figur nicht erkennen? Dann belegen Sie zuerst das Seminar "Figuren im Schlaf entwickeln". Können Sie endlich sehen? Gut. Dann stehen Sie auf und vergessen alles.
Im Idealfall hat ein Partner oder eine Partnerin bereits ein üppiges Frühstück bereitet. Denn wir lernen aus der Kulturgeschichte: Berühmte Künstler wurden meist von einem aufopferungsvollen Partner gepäppelt und gewindelt, der das kommende Genie schon früh erfühlte und sich anbetungsvoll in dessen Dienste stellte. Sollte Ihr/e Partner/in in diesem Punkt zu wünschen übrig lassen, belegen Sie bitte das Seminar "Die Vielehe im Dienste der Kunst". Setzen Sie sich nun an den Frühstückstisch und schicken Sie Ihre/n Partner/in in die Wüste.
Sie brauchen jetzt absolute, innere Ruhe. Machen Sie sich von allen störenden Gedanken frei. Vergessen Sie Ihr Geschreibsel, wahrscheinlich war es wirklich so schlecht, wie Sie denken. Schauen Sie sich die Pracht auf dem Küchentisch an. Erzählt nicht jeder Klecks Marmelade von der Süße des Lebens? Ist es nicht erstaunlich, wie harmonisch sich im Kaffee Bitternis und ein Hauch fruchtiger Amazonas mischen? Streichen Sie Butter auf ... spüren Sie ihr nach. So geschmiert könnte es doch immer laufen, nicht wahr?
Sie verspüren noch ablenkende Gedanken? Solche hartnäckigen Kreativitätsverhinderer können nur innere Aggressionen sein, unterdrückte Leiden. Dagegen hilft einzig und allein Action. Das Zeug muss raus, bevor es schlecht wird. Sie könnten ihrem Lektor eine ballern? Pellen Sie das Ei nicht, köpfen Sie es! Mit Hingabe, Lust, auf einen radikalen Schlag. Sie warten vergeblich auf eine Antwort aus Verlagen? Pellen Sie das Ei. Intonieren Sie bei jedem Schlag einen anderen Verlagsnamen. Ihnen fehlt die zündende Idee und Sie drehen sich im Kreise? Rühren Sie Ihren Kaffee besonders intensiv, mit dezentem Glöckchenklingeln des Löffels am Porzellan.
Derart befreit gehen wir nun an die Bauchübung.
Sie haben sicher schon oft gelesen, dass künftige Genies gern mit dem Bauch denken. Sie haben sich sicher schon gefragt, wie Sie Ihren Dünndarm zum Plotten bringen und Figuren im Dickdarm kneten? Es ist ganz einfach: Bauchdenken beginnt bereits im Mund. Kauen Sie intensiv, speicheln Sie Ihren Nahrungsbrei gut ein ... und vor allem: Schmecken Sie hin! Ein guter Schriftsteller verleibt sich nicht einfach ein; er genießt, er prüft die unterschiedlichen Geschmäcker des Lebens, er weiß um seine fünf Geschmackszonen. Dann heißt es Schlucken - und schon übernimmt Ihr Bauch den Rest. So einfach ist das mit dem Bauchdenken.
Sie fragen sich, wozu Sie die Gabel brauchen? Hahaaa! Greifen Sie dem Seminar nicht vor!
Laden Sie Ihre Figuren an den Kaffeetisch. Bei der folgenden Übung dürfen Sie aber nicht mitschreiben (deshalb kein Papier), denn nur was in Ihrem Hirn bleibt (s. Zutaten), bewährt sich später für die Geschichte. Bieten Sie Ihren Figuren etwas von Ihrem Frühstück an, sprechen Sie laut und deutlich und nennen Sie die Namen der Beteiligten (jetzt wissen Sie, warum man diese Übung besser allein macht). Schauen Sie den Figuren beim Frühstücken zu.
Erst jetzt darf Ihr analytischer Verstand aktiv werden (s. Zutaten: Hirn). Fragen Sie sich, warum der Wüstling Ihren Espresso zu stark findet und einen Kräutertee wünscht. Sind Sie sich sicher, dass Sie diese Figur stimmig entworfen haben? Sie wissen es nicht? Fragen Sie ihn! Warum tritt die holde Blonde ständig den süßen Prinzen unterm Tisch gegen das Schienbein, die sollen sich doch am Ende kriegen? Und es ist doch wirklich nicht zu fassen, derweil haut sich die starke Protagonistin die Wampe voll, als leide sie an Bulimie!
Jetzt ist es an der Zeit, den Schriftsteller herauszuhängen. Machen Sie sich an die Arbeit. Sie sind der Schöpfer, die Allmacht, der große Marionettenspieler. Packen Sie die spitze Gabel mit der Faust, die Zinken sollten auf der Seite mit dem kleinen Finger herausschauen, damit sie effektiver zuschlagen können. Schauen Sie sich den Figurenzirkus noch ein paar Sekunden lang an, dann lassen Sie einen Schrei. Drohen Sie mit der Gabel in Richtung auf die Frühstücksgäste.
Schreien Sie aus vollem Herzen: "Wollt Ihr verdammt noch mal ruhig sein! Wenn Ihr verdammt gute Figuren in einem verdammt guten Roman werden wollt, setzt euch gefälligst ordentlich hin, benehmt euch verdammt gut und hört verdammt noch mal auf mich!" Murmeln Sie leise: "Ich bin endlich frey, frey, frey!" Und werfen Sie dabei drei Prisen Salz hinter die linke Schulter.
Diesen Zinnober wiederholen Sie, bis alles gegessen und getrunken ist.
Erschöpft wischen Sie sich den Mund ab, schicken die Mischpoke weg und dudeln die Musik ihrer Wahl. Sie können auch eine CD mit Klosterstille einlegen, wenn das Ihre Schriftstellerseele besser balsamiert.
Nehmen Sie den Stift und die Serviette und kotzen Sie alles heraus, was Ihnen spontan zu diesem Frühstück einfällt. Ein Stichwörtlein für die Protagonistin, ein Sätzlein gegen den Kräutertee des Antagonisten. Verbinden Sie alle Wörter mit wilden Linien und schließen Sie Wichtiges in Sprechblasen ein. Das nennt man Mindmapping. Fertig ist Ihr erster Plot auf Papier! Sagen Sie jetzt nie wieder in der Öffentlichkeit, Sie würden nie plotten!
Wollen Sie besonders ordentlich sein? Kaufen Sie sich einen Wäschetrockenständer fürs Arbeitszimmer. Klammern Sie die Servietten in chronologischer Reihenfolge an die Leinen. Sind alle Leinen voll, haben Sie eine sogenannte Storyline. Sind Sie eher der Bildermensch, der auf seine Servietten Figuren an Galgen und Blümchen kritzelt? Dann nennt man das Ganze ein Storyboard. Sie können jetzt sogar bunte Wollfäden zwischen einzelne Servietten spannen, um Figurenbeziehungen, Ortsverschiebungen und den Mondstand zu markieren.
Sie sind jetzt auf dem steinigen Weg des Schriftstellerns wieder ein Stückchen weitergehinkt. Seien Sie stolz auf sich. Ein einziges Frühstück - und schon können Sie Bauchdenken mit Hirnbenutzung abstimmen, Figuren und Lektoren zurechtweisen und ordentlich plotten. Sie haben alles über Mindmapping, Storylines und Storyboards gelernt, was Sie wissen müssen. Sie haben ganz nebenbei gelernt, wie man ordentlich mit Serviette frühstückt. Was will man für den Anfang mehr?
(c) by Petra van Cronenburg, all rights reserved
Unter dem Titel "Der fröhliche Schreibratgeber" wird die Autorin künftig in loser Folge die geheimsten Tricks aus ihrem Schreiblabor verraten. Kostenlos, unverbindlich und ohne Gewehr. Für Schäden an Persönlichkeit und Haushaltsgegenständen wird nicht verhaftet.
14. November 2008
Die schwarzen Engel
Ein russisches Weihnachtsmärchen für Autoren auf dem Wartebänklein
von Petra van Cronenburg (c)
Es waren einmal drei Autoren, Kolja, Wolja und Wanja, die schufteten gar hart in ihrem kargen Beruf und schrieben, bis ihnen das Blut in die Tasten lief. Sie schrieben so fleißig, dass sie schon mehrere Veröffentlichungen geschafft hatten und ihre Leser nach mehr fragten. In der großen Stadt saßen ihre Agenten und handelten die Verträge aus. Und dann und wann verließen die Drei ihr heimatliches Dorf und trugen ihre Bücher selbst zu Markte, lasen in Hallen und unter freiem Himmel vor, signierten und plauschten.
Kolja, Wolja und Wanja waren fleißige Vertreter ihrer Zunft, denn die gute Fee hatte ihnen versprochen, dass es mit viel Schweiß und Disziplin bald eine Belohnung gäbe. Noch ein, zwei Bücher in Folge und sie könnten sich vielleicht ein wenig mehr leisten als den Machorka zum Markttag und die sauren Gurken zum Neujahrsfest. Dann hätten sie sich nämlich so etwas wie einen Namen gemacht und dürften noch mehr Bücher schreiben.
Ihr Leben war nicht leicht. Die Babuschka von nebenan verspottete sie, weil sie keinen vernünftigen Beruf gefunden hatten. Die Kollegen aus der Stadt verspotteten sie, weil sie so seltsame Ideen zu Papier bringen wollten. Und ihre Frauen zeterten, weil sie vergaßen, ihren Kindern beim Wachsen zuzusehen, so hart arbeiteten sie Tag und Nacht.
Aber es hatte sich doch immer gelohnt. Nach drei, manchmal auch acht und im schlimmsten Fall nach zwölf Monaten war ein neuer Vertrag ins Haus geflattert. Kolja, Wolja und Wanja hatten dann einen besseren Wodka gekauft und mit ihren Freunden angestoßen, bei Unmengen von Hering in Sahne. Wieder hatten sie sich dann auf den Hosenboden gesetzt und sogar eine Arbeit als Tagelöhner beim Schweinebauern angenommen, weil sie das Vierteljahr finanzieren mussten, in dem sie die Exposés und Probetexte unbezahlt verfassten. Frohen Mutes schickten sie regelmäßig die Papiere an ihre Agenten in der großen Stadt und freuten sich auf zukünftige Markttage und einen besseren Wodka.
Da flog auf einmal Baba Jaga aus ihrem Finsterwald über die großen Verlagsstädte und streute riesige Fliegenpilze auf die Lektoren. Haps, hast du nicht gesehen, sagten die, und schluckten. Und fortan war nichts mehr wie es einmal war. Zuerst verzweifelte Koljas Agent. Es seien zu wenig Huren in Koljas Roman, zu wenig böse Fürsten und Zaren und zu wenig starke schöne Proletarierfrauen, sagte die Cheflektorin aus Konsumolsk. Und würde Kolja sich nicht bald bereit erklären, das von der Partei verordnete Mittelalter zu bearbeiten, dann drohe ihm die lebenslängliche Verbannung als Autor!
Als nächster bekam Woljas Agent die Schwermut. Kaum hatte sich ein Verlag interessiert, wurde der auch schon verkauft. Einmal hatte er einen Vertrag wieder zurückschicken müssen, weil der, der unterschrieben hatte, fristlos gekündigt worden war. Lektorinnen gingen reihenweise in Mutterschaftsurlaub ans Schwarze Meer, dann lähmte die Buchmesse das ganze Land und schließlich war von der Parteizentrale das Motto ausgegeben worden: "Hand in Hand für eine neue Welt ohne Risiko." Niemand antwortete dem Agent, niemand rief zurück, keiner reagierte auf Nachfrage. Wolja wartete vergeblich.
Da klagte auch Wanja sein Leid. Jetzt, wo das Waldsterben in Sibirien ernsthaft bedrohend war und allerorts diskutiert wurde, hatte er ein völlig neues Projekt darüber vorgelegt. Aber die Verlage waren der Meinung, dass sterbende Wälder die Menschen traurig machten und sich solche Bücher nicht verkauften, er möge doch lieber etwas über die Schönheit von Birkenrinde schreiben. Bestimmt fünf verschiedene Projekte hatte er vorgelegt, aber auch hier herrschte das große Schweigen im Walde.
Baba Jaga rieb sich vergnügt die Hände. Sie hatte es geschafft, dass die Verlage nichts mehr wagten und Lektoren nicht mehr lasen. Alle hörten fein auf die Parteizentrale und arbeiten brav nach Planwirtschaft. Die Waldfrau Baba Jaga liebte diese Stille, sie war stolz, dass sich das große Schweigen ausgedehnt hatte. Ein Jahr? Das war noch nichts! Noch ein halbes Jahr mehr, noch ein Schweigen hier, noch eine lastende Stille dort. Nicht einmal mehr Stipendiaten und Preisträger bekamen Antwort, wozu auch. Und bald würden sich die drei Schriftsteller wieder als Leibeigene beim Schweinebauern verdingen müssen und endlich herrschte vollkommene Ruhe im Land.
Kolja, Wolja und Wanja aber wurden wütend, sehr wütend. Sie kratzten ihre letzten Kopeken zusammen und kauften eine halbe Flasche Wodka. Ihnen grauste von den Aussichten, Schweinemist zu schaufeln, dafür waren sie nicht so talentiert auf die Erde gekommen. Talent, so befand Kolja, war eine Gabe, für die man Verantwortung trug. Und Wanja seufzte tief in sein Glas und fand, er würde Depressionen bekommen und irgendwann gelähmt in seinem Sessel sitzen, so wie die alte Jekaterina, der sie das Kind genommen hatten. Wenn er nicht bald irgendwo Geld eintreiben konnte, wenn er nicht bald schreiben dürfte, würde er traurig werden, würde erstarren.
Bei diesem Stichwort hatte Wolja eine Idee. Die drei steckten ihre Köpfe zusammen, tuschelten und tranken den Rest der Flasche aufs Gelingen. Am nächsten Tag wurden die Verlagsstädte heimgesucht von einer seltsamen Truppe. Schwarze Engel standen an Hausecken, hefteten sich als Schatten an Lektoren und erwarteten Verleger in den Tiefgaragen. Ging ein Lektor mit seiner Geliebten essen - der schwarze Engel stand schon schweigend hinter dem Tisch. Schob ein Lektor einen Stapel Manuskripte beiseite, stand ein schwarzer Engel auffällig im Vorzimmer. Vertröstete ein Lektor Agenten am Telefon, traf ihn der bohrende Blick eines schwarzen Engels.
Wir warten nicht mehr lang, sagte Wolja zu Kolja und Wanja. Die schwarzen Engel hören sich Ausreden wie Vorbuchmessestress, Buchmessestress und Nachbuchmessestress geduldig an. Sie schweigen. Aber sie folgen auf Schritt und Tritt. Und irgendwann sprechen sie die Leute in der Öffentlichkeit laut an, warum sie nicht herausrückten mit den Antworten! Stellt euch vor, wie sich das macht, wenn einer in Moskau im Frankfurter Hof vor Medienvertretern angeben will, und der schwarze Engel fragt, ob er seinen Autoren und Agenten schon geantwortet hat! Und warum eigentlich nicht.
Wir wissen nicht, was aus Kolja, Wolja und Wanja geworden ist, denn in ihrem Russland gibt es kein Weihnachten. Wir wissen nur, dass die Autorin des Weihnachtsmärchens sich gerade mit Tschai besäuft und auf das Billigticket nach Petersburg wartet (Baden-Baden - Petersburg, 99 E). Dort laufen spannende Seminare: Dostojewskijs Tipptechnik am Roulettetisch und Russeninkasso leichtgemacht für Autoren.
von Petra van Cronenburg (c)
Es waren einmal drei Autoren, Kolja, Wolja und Wanja, die schufteten gar hart in ihrem kargen Beruf und schrieben, bis ihnen das Blut in die Tasten lief. Sie schrieben so fleißig, dass sie schon mehrere Veröffentlichungen geschafft hatten und ihre Leser nach mehr fragten. In der großen Stadt saßen ihre Agenten und handelten die Verträge aus. Und dann und wann verließen die Drei ihr heimatliches Dorf und trugen ihre Bücher selbst zu Markte, lasen in Hallen und unter freiem Himmel vor, signierten und plauschten.
Kolja, Wolja und Wanja waren fleißige Vertreter ihrer Zunft, denn die gute Fee hatte ihnen versprochen, dass es mit viel Schweiß und Disziplin bald eine Belohnung gäbe. Noch ein, zwei Bücher in Folge und sie könnten sich vielleicht ein wenig mehr leisten als den Machorka zum Markttag und die sauren Gurken zum Neujahrsfest. Dann hätten sie sich nämlich so etwas wie einen Namen gemacht und dürften noch mehr Bücher schreiben.
Ihr Leben war nicht leicht. Die Babuschka von nebenan verspottete sie, weil sie keinen vernünftigen Beruf gefunden hatten. Die Kollegen aus der Stadt verspotteten sie, weil sie so seltsame Ideen zu Papier bringen wollten. Und ihre Frauen zeterten, weil sie vergaßen, ihren Kindern beim Wachsen zuzusehen, so hart arbeiteten sie Tag und Nacht.
Aber es hatte sich doch immer gelohnt. Nach drei, manchmal auch acht und im schlimmsten Fall nach zwölf Monaten war ein neuer Vertrag ins Haus geflattert. Kolja, Wolja und Wanja hatten dann einen besseren Wodka gekauft und mit ihren Freunden angestoßen, bei Unmengen von Hering in Sahne. Wieder hatten sie sich dann auf den Hosenboden gesetzt und sogar eine Arbeit als Tagelöhner beim Schweinebauern angenommen, weil sie das Vierteljahr finanzieren mussten, in dem sie die Exposés und Probetexte unbezahlt verfassten. Frohen Mutes schickten sie regelmäßig die Papiere an ihre Agenten in der großen Stadt und freuten sich auf zukünftige Markttage und einen besseren Wodka.
Da flog auf einmal Baba Jaga aus ihrem Finsterwald über die großen Verlagsstädte und streute riesige Fliegenpilze auf die Lektoren. Haps, hast du nicht gesehen, sagten die, und schluckten. Und fortan war nichts mehr wie es einmal war. Zuerst verzweifelte Koljas Agent. Es seien zu wenig Huren in Koljas Roman, zu wenig böse Fürsten und Zaren und zu wenig starke schöne Proletarierfrauen, sagte die Cheflektorin aus Konsumolsk. Und würde Kolja sich nicht bald bereit erklären, das von der Partei verordnete Mittelalter zu bearbeiten, dann drohe ihm die lebenslängliche Verbannung als Autor!
Als nächster bekam Woljas Agent die Schwermut. Kaum hatte sich ein Verlag interessiert, wurde der auch schon verkauft. Einmal hatte er einen Vertrag wieder zurückschicken müssen, weil der, der unterschrieben hatte, fristlos gekündigt worden war. Lektorinnen gingen reihenweise in Mutterschaftsurlaub ans Schwarze Meer, dann lähmte die Buchmesse das ganze Land und schließlich war von der Parteizentrale das Motto ausgegeben worden: "Hand in Hand für eine neue Welt ohne Risiko." Niemand antwortete dem Agent, niemand rief zurück, keiner reagierte auf Nachfrage. Wolja wartete vergeblich.
Da klagte auch Wanja sein Leid. Jetzt, wo das Waldsterben in Sibirien ernsthaft bedrohend war und allerorts diskutiert wurde, hatte er ein völlig neues Projekt darüber vorgelegt. Aber die Verlage waren der Meinung, dass sterbende Wälder die Menschen traurig machten und sich solche Bücher nicht verkauften, er möge doch lieber etwas über die Schönheit von Birkenrinde schreiben. Bestimmt fünf verschiedene Projekte hatte er vorgelegt, aber auch hier herrschte das große Schweigen im Walde.
Baba Jaga rieb sich vergnügt die Hände. Sie hatte es geschafft, dass die Verlage nichts mehr wagten und Lektoren nicht mehr lasen. Alle hörten fein auf die Parteizentrale und arbeiten brav nach Planwirtschaft. Die Waldfrau Baba Jaga liebte diese Stille, sie war stolz, dass sich das große Schweigen ausgedehnt hatte. Ein Jahr? Das war noch nichts! Noch ein halbes Jahr mehr, noch ein Schweigen hier, noch eine lastende Stille dort. Nicht einmal mehr Stipendiaten und Preisträger bekamen Antwort, wozu auch. Und bald würden sich die drei Schriftsteller wieder als Leibeigene beim Schweinebauern verdingen müssen und endlich herrschte vollkommene Ruhe im Land.
Kolja, Wolja und Wanja aber wurden wütend, sehr wütend. Sie kratzten ihre letzten Kopeken zusammen und kauften eine halbe Flasche Wodka. Ihnen grauste von den Aussichten, Schweinemist zu schaufeln, dafür waren sie nicht so talentiert auf die Erde gekommen. Talent, so befand Kolja, war eine Gabe, für die man Verantwortung trug. Und Wanja seufzte tief in sein Glas und fand, er würde Depressionen bekommen und irgendwann gelähmt in seinem Sessel sitzen, so wie die alte Jekaterina, der sie das Kind genommen hatten. Wenn er nicht bald irgendwo Geld eintreiben konnte, wenn er nicht bald schreiben dürfte, würde er traurig werden, würde erstarren.
Bei diesem Stichwort hatte Wolja eine Idee. Die drei steckten ihre Köpfe zusammen, tuschelten und tranken den Rest der Flasche aufs Gelingen. Am nächsten Tag wurden die Verlagsstädte heimgesucht von einer seltsamen Truppe. Schwarze Engel standen an Hausecken, hefteten sich als Schatten an Lektoren und erwarteten Verleger in den Tiefgaragen. Ging ein Lektor mit seiner Geliebten essen - der schwarze Engel stand schon schweigend hinter dem Tisch. Schob ein Lektor einen Stapel Manuskripte beiseite, stand ein schwarzer Engel auffällig im Vorzimmer. Vertröstete ein Lektor Agenten am Telefon, traf ihn der bohrende Blick eines schwarzen Engels.
Wir warten nicht mehr lang, sagte Wolja zu Kolja und Wanja. Die schwarzen Engel hören sich Ausreden wie Vorbuchmessestress, Buchmessestress und Nachbuchmessestress geduldig an. Sie schweigen. Aber sie folgen auf Schritt und Tritt. Und irgendwann sprechen sie die Leute in der Öffentlichkeit laut an, warum sie nicht herausrückten mit den Antworten! Stellt euch vor, wie sich das macht, wenn einer in Moskau im Frankfurter Hof vor Medienvertretern angeben will, und der schwarze Engel fragt, ob er seinen Autoren und Agenten schon geantwortet hat! Und warum eigentlich nicht.
Wir wissen nicht, was aus Kolja, Wolja und Wanja geworden ist, denn in ihrem Russland gibt es kein Weihnachten. Wir wissen nur, dass die Autorin des Weihnachtsmärchens sich gerade mit Tschai besäuft und auf das Billigticket nach Petersburg wartet (Baden-Baden - Petersburg, 99 E). Dort laufen spannende Seminare: Dostojewskijs Tipptechnik am Roulettetisch und Russeninkasso leichtgemacht für Autoren.
Der Ausweis als Bildungsgut
Als ich gestern kritisierte, dass man für gewisse hehre Schriftstellerunterstützungen gefälligst den richtigen Pass vorlegen sollte und nur daheim anfragen, kam mir das zunächst ziemlich frech vor, obwohl es stimmt.
Bis mich ein lachender Kollege darauf aufmerksam machte, dass ich nicht die einzige bin, die mit dem Pass schludert. Der berühmte niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom hätte auch mal besser auf seinen Pass aufpassen sollen. Da wagt der Mann doch tatsächlich ganz dreist, in der Berliner Staatsbibliothek den Lesesaal betreten zu wollen! Man stelle sich das vor, ein mehrfacher Preisträger in der Hauptstadt im Lesesaal! Der Mann ist u.a. Ehrendoktor der freien Universität Berlin, hat den Verdienstorden der BRD und ist Mitglied in der Akademie der Künste in Berlin.
Eben. Das geht nicht. Könnte ja jeder kommen. Hat der Mann daheim keine Bibliothek? Kommt der doch einfach mit dem Führerschein. Bildet sich ein, ein Führerschein sei Amtspapier genug - so wie in vielen europäischen Ländern üblich - um Bücher lesen zu dürfen! Bücherlesen dank Führerschein, wo doch jeder ordentliche Deutsche den Ausweis dazu nimmt. Absurd ist das doch, oder? Wo kämen wir da hin, wenn jeder dahergelaufene Leser mit jedem dahergeflatterten Amtspapier sich an Bücher heranmachen würde?
Anarchie machte sich breit im Land. Man stelle sich vor, Philip Roth begehrte plötzlich mit seiner Stromrechnung Einlass. Oder Elfriede Jelinek zückte den Mitgliedsausweis einer Patchwork-Näherinnen-Vereinigung. Meine Herren, meine Damen, Bücher sind schützenswertes Gut. Da muss alles seine Ordnung haben. Passkontrolle, meine Damen und Herren, Passkontrolle...
Fällt mir ein, es war in Polen, Anfang der Neunziger, als sich das Land langsam öffnete, aber Europa noch weit entfernt schien. Extreme Kontrollen, selbst die Hundegesundheitszeugnisse mehrsprachig vorgeschrieben, Visakontrollen, Stempel, Amtsschimmel. Ich war mit einem Kamerateam in der Warschauer Innenstadt, wir wollten den herrlich ruhigen Verkehr nutzen, um die Prachtstraße zu filmen, an der das berühmteste Luxushotel liegt. Als hätte irgendein Gott des Films gezaubert, war die Straße völlig autofrei. Plötzlich kam von allen Seiten Polizei gerannt und umringte uns. "Paszport, Paszport!" rief man uns zu. So ein Pech, in der Morgenstunde hatte der Filmgott noch geschlafen, wir hatten ihn alle vergessen. Kein Paszport.
Wir müssten unverzüglich die Straße räumen, sagten sie mit Blicken, die nach Kerker aussahen. Aber wir drehten doch einen Film und jede Stunde koste... Nix da, Paszport und weg hier. Der polnische Kameramann versuchte es mit der Eindruck-Schaffen-Masche: "Telewizja niemiecka (deutsches Fernsehen)!" - Aber die Jungs in Uniform waren nicht auf den Kopf gefallen, auf der Kamera klebte kein Schild. "Nix ARD, nix ZDF" sagte einer zu mir und grinste triumphierend. Ich erzählte ihm von Privatfernsehen, was nicht mal sehr gelogen war. "Aaaaah, RTL!", freute sich sein Kollege, strahlte übers ganze Gesicht und fügte dann bedauernd hinzu, ohne Paszport dürften wir uns keine Minute länger hier aufhalten, auch nicht RTL.
Der Kameramann flüsterte uns zu, wir sollten irgendein offiziell aussehendes Papier mit vielen Stempeln suchen. Mir kam die Erleuchtung. In den dunkelsten Fächern meiner Brieftasche lag ein deutscher Bibliotheksausweis, den ich vergessen hatte abzugeben. Jedes Quartal abgestempelt. Ich zeigte ihn vor und schwitzte die Angst meines Lebens.
Wir durften drehen. Wurden aber freundlich gebeten, die Straße trotzdem in fünfzehn Minuten zu verlassen, denn dann kämen die Herren Clinton und Jelzin zum Essen im Hotel hinter uns. Unser Kameramann hat sich dann auch noch vorn unter die Staatskarosse von Roman Herzog gelegt und die deutschen Fähnchen vor der Fassade des polnischen Bristol gefilmt. Zwei Bodyguards standen feixend daneben.
Alles mit deutschem Bibliotheksausweis.
Bis mich ein lachender Kollege darauf aufmerksam machte, dass ich nicht die einzige bin, die mit dem Pass schludert. Der berühmte niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom hätte auch mal besser auf seinen Pass aufpassen sollen. Da wagt der Mann doch tatsächlich ganz dreist, in der Berliner Staatsbibliothek den Lesesaal betreten zu wollen! Man stelle sich das vor, ein mehrfacher Preisträger in der Hauptstadt im Lesesaal! Der Mann ist u.a. Ehrendoktor der freien Universität Berlin, hat den Verdienstorden der BRD und ist Mitglied in der Akademie der Künste in Berlin.
Eben. Das geht nicht. Könnte ja jeder kommen. Hat der Mann daheim keine Bibliothek? Kommt der doch einfach mit dem Führerschein. Bildet sich ein, ein Führerschein sei Amtspapier genug - so wie in vielen europäischen Ländern üblich - um Bücher lesen zu dürfen! Bücherlesen dank Führerschein, wo doch jeder ordentliche Deutsche den Ausweis dazu nimmt. Absurd ist das doch, oder? Wo kämen wir da hin, wenn jeder dahergelaufene Leser mit jedem dahergeflatterten Amtspapier sich an Bücher heranmachen würde?
Anarchie machte sich breit im Land. Man stelle sich vor, Philip Roth begehrte plötzlich mit seiner Stromrechnung Einlass. Oder Elfriede Jelinek zückte den Mitgliedsausweis einer Patchwork-Näherinnen-Vereinigung. Meine Herren, meine Damen, Bücher sind schützenswertes Gut. Da muss alles seine Ordnung haben. Passkontrolle, meine Damen und Herren, Passkontrolle...
Fällt mir ein, es war in Polen, Anfang der Neunziger, als sich das Land langsam öffnete, aber Europa noch weit entfernt schien. Extreme Kontrollen, selbst die Hundegesundheitszeugnisse mehrsprachig vorgeschrieben, Visakontrollen, Stempel, Amtsschimmel. Ich war mit einem Kamerateam in der Warschauer Innenstadt, wir wollten den herrlich ruhigen Verkehr nutzen, um die Prachtstraße zu filmen, an der das berühmteste Luxushotel liegt. Als hätte irgendein Gott des Films gezaubert, war die Straße völlig autofrei. Plötzlich kam von allen Seiten Polizei gerannt und umringte uns. "Paszport, Paszport!" rief man uns zu. So ein Pech, in der Morgenstunde hatte der Filmgott noch geschlafen, wir hatten ihn alle vergessen. Kein Paszport.
Wir müssten unverzüglich die Straße räumen, sagten sie mit Blicken, die nach Kerker aussahen. Aber wir drehten doch einen Film und jede Stunde koste... Nix da, Paszport und weg hier. Der polnische Kameramann versuchte es mit der Eindruck-Schaffen-Masche: "Telewizja niemiecka (deutsches Fernsehen)!" - Aber die Jungs in Uniform waren nicht auf den Kopf gefallen, auf der Kamera klebte kein Schild. "Nix ARD, nix ZDF" sagte einer zu mir und grinste triumphierend. Ich erzählte ihm von Privatfernsehen, was nicht mal sehr gelogen war. "Aaaaah, RTL!", freute sich sein Kollege, strahlte übers ganze Gesicht und fügte dann bedauernd hinzu, ohne Paszport dürften wir uns keine Minute länger hier aufhalten, auch nicht RTL.
Der Kameramann flüsterte uns zu, wir sollten irgendein offiziell aussehendes Papier mit vielen Stempeln suchen. Mir kam die Erleuchtung. In den dunkelsten Fächern meiner Brieftasche lag ein deutscher Bibliotheksausweis, den ich vergessen hatte abzugeben. Jedes Quartal abgestempelt. Ich zeigte ihn vor und schwitzte die Angst meines Lebens.
Wir durften drehen. Wurden aber freundlich gebeten, die Straße trotzdem in fünfzehn Minuten zu verlassen, denn dann kämen die Herren Clinton und Jelzin zum Essen im Hotel hinter uns. Unser Kameramann hat sich dann auch noch vorn unter die Staatskarosse von Roman Herzog gelegt und die deutschen Fähnchen vor der Fassade des polnischen Bristol gefilmt. Zwei Bodyguards standen feixend daneben.
Alles mit deutschem Bibliotheksausweis.
13. November 2008
Die unerfindliche Leichtigkeit des Geldes
Eine Freundin, die als Selbstständige schon bittere Zeiten bis kurz vor dem Konkurs durchgemacht hat, hat mir mal ihr finanzielles Überlebensgeheimnis verraten. Es klingt einfach nur irre. Sie ist der Meinung, wenn man (auch in der Not) gibt, kommt irgendwann, wenn man es am nötigsten braucht, etwas von jemandem, der es genauso hält!
Nun habe ich als hauptberuflich Schreibende ohne "vernünftigen" Beruf auch öfter mal Krisen. Allein die Diskrepanz zwischen festbleibenden Honoraren ohne Tarifverträge, Lohnerhöhungen, dafür aber mit saftigen Energiepreiserhöhungen, bringt auch mich inzwischen zum Zittern. Also habe ich das ausprobiert. Teilen, wenn man selbst nichts hat? Geht das? Bei mir war es damals die Kiste Lebensmittel aus dem Billigsupermarkt für die Restaurants du Coeur (vergleichbar mit der deutschen Tafel). Ich habe einfach doppelt eingekauft - das ging. Nach einem ärmlichen Weihnachten flatterte der nächste Vertrag ins Haus. Aberglaube? Zufall?
Kürzlich war wieder so ein Moment, wo ich nicht wusste, wie es weitergehen soll. Ich habe einem Maler, der mir aufschwatzen wollte, dass er dringend Nulldiät machen musste (der Mann hatte schlicht nichts mehr zu beißen) ein Bild abgekauft - was mir richtig weh getan hat. Finanziell. Ach... und manchmal hat man Träume und Wünsche, die man sogar für die Arbeit brauchen könnte...
Der meine war der Dostojewski-Theaterabend in Baden-Baden, der teilweise im Casino stattfindet und bei dem es unterwegs Tee aus dem Samowar geben soll. Seit zwei Jahren gelingt es mir nicht, Karten zu bekommen. Aber es ist ein Traum und inzwischen wäre es sogar gut, diese Atmosphäre für ein Projekt zu schnuppern. Was soll ich sagen? Kurz entschlossen habe ich gestern eine der letzten Karten ergattert, obwohl solch ein Luxus eigentlich nicht drin wäre.
Es ist komisch. Letzte Woche flog mir unerwartet ein kleines Sümmchen zu. Heute öffne ich bebend die Jahresabrechnung für den Strom, ganz sicher, eine üble Nachzahlung zu bekommen, weil ich einen Monat wegen der kaputten Heizung elektrisch wärmen musste. Ich traute meinen Augen nicht. Das Sümmchen von letzter Woche und die Rückerstattung für zuviel bezahlten Strom macht genau den Kaufpreis für das Bild plus die Theaterkarte aus.
Sicher alles Zufall und Aberglaube. Aber Künstler waren schon immer abergläubisch. Und was wäre, wenn der Kreislauf des Teilens sich tatsächlich fortsetzte wie ein hartnäckiger Virus?
Ich hab jedenfalls gleich mal tüchtig Kisten fürs Emmaus gepackt, Bibliothek und Kleiderschrank entmistet...
Nun habe ich als hauptberuflich Schreibende ohne "vernünftigen" Beruf auch öfter mal Krisen. Allein die Diskrepanz zwischen festbleibenden Honoraren ohne Tarifverträge, Lohnerhöhungen, dafür aber mit saftigen Energiepreiserhöhungen, bringt auch mich inzwischen zum Zittern. Also habe ich das ausprobiert. Teilen, wenn man selbst nichts hat? Geht das? Bei mir war es damals die Kiste Lebensmittel aus dem Billigsupermarkt für die Restaurants du Coeur (vergleichbar mit der deutschen Tafel). Ich habe einfach doppelt eingekauft - das ging. Nach einem ärmlichen Weihnachten flatterte der nächste Vertrag ins Haus. Aberglaube? Zufall?
Kürzlich war wieder so ein Moment, wo ich nicht wusste, wie es weitergehen soll. Ich habe einem Maler, der mir aufschwatzen wollte, dass er dringend Nulldiät machen musste (der Mann hatte schlicht nichts mehr zu beißen) ein Bild abgekauft - was mir richtig weh getan hat. Finanziell. Ach... und manchmal hat man Träume und Wünsche, die man sogar für die Arbeit brauchen könnte...
Der meine war der Dostojewski-Theaterabend in Baden-Baden, der teilweise im Casino stattfindet und bei dem es unterwegs Tee aus dem Samowar geben soll. Seit zwei Jahren gelingt es mir nicht, Karten zu bekommen. Aber es ist ein Traum und inzwischen wäre es sogar gut, diese Atmosphäre für ein Projekt zu schnuppern. Was soll ich sagen? Kurz entschlossen habe ich gestern eine der letzten Karten ergattert, obwohl solch ein Luxus eigentlich nicht drin wäre.
Es ist komisch. Letzte Woche flog mir unerwartet ein kleines Sümmchen zu. Heute öffne ich bebend die Jahresabrechnung für den Strom, ganz sicher, eine üble Nachzahlung zu bekommen, weil ich einen Monat wegen der kaputten Heizung elektrisch wärmen musste. Ich traute meinen Augen nicht. Das Sümmchen von letzter Woche und die Rückerstattung für zuviel bezahlten Strom macht genau den Kaufpreis für das Bild plus die Theaterkarte aus.
Sicher alles Zufall und Aberglaube. Aber Künstler waren schon immer abergläubisch. Und was wäre, wenn der Kreislauf des Teilens sich tatsächlich fortsetzte wie ein hartnäckiger Virus?
Ich hab jedenfalls gleich mal tüchtig Kisten fürs Emmaus gepackt, Bibliothek und Kleiderschrank entmistet...
Safari im Stipendiendschungel
Manchmal haben Künstler komische Sachen vor, für die man sich Broterwerbs-Freiraum schaffen muss. Nicht immer braucht man diese Hilfen, denn für einen trendigen Unterhaltungsroman, der im Voraus verkauft wird, darbt man nicht allzu sehr. Schwieriger wird es bei Projekten, die entwicklungsintensiv und risikoreich sind.
Tja, ich hätte da ein Projekt, das außerdem noch verrückt ist. Denn ich bediene damit ein Medium, das theoretisch nicht das meine ist - und ich bediene es in einer Weise, die auch in diesem Medium recht neu wäre. Warum eigentlich nicht ein Stipendium suchen, dachte ich mir naiv und warf die Suchmaschine an. Ei, war das ein Urwald! Zuerst hat's eine Recherchemachete gebraucht, denn Buchautoren schreiben gefälligst, sofern sie förderungswürdig sein wollen, Bücher. Und Leute, die dieses andere Medium benutzen wollen, benutzen es doch bitte auf die traditionelle Weise. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder an die freie Kunst glauben würde! Crossover, igitt!
Immerhin, von der ein oder anderen Seite schien ein Pfad ins Ungewisse zu leuchten. Doch der Dschungel wurde immer unwirtlicher. Zahlen können wir nichts, aber wohnen Sie drei Monate im Klohäuschen, machen Sie sich in unserem Plattenbau breit, genießen Sie die Aussicht aus der Dachgaube unserer Künstlerkolonie. Dafür, dass wir Ihnen freies Wohnen anbieten, verwöhnen Sie unsere Kurgäste mit Lesungen und lehren in der Schule, wie man Bücher sortiert. Manchmal bekommt man auch Geld obendrein, Schreiblohn. Das ist schön. Aber wie macht man das, wenn man nicht schnell die eigene Wohnung kündigen kann, Miete und Nebenkosten also weiterlaufen und der Hund mit will? Und warum im Klohäuschen schreiben, wenn ich ein eigenes Arbeitszimmer habe? Ich will mir doch nur das Schreiben leisten können!
Das darf ich bei vielen nur, wenn ich ordentlich geboren bin und wohne. Sprich, der förderungswürdige Schriftsteller solcher Stipendien ist mindestens in jenem Bundesland geboren, wohnt aber besser noch bei Mama und schreibt, wenn's geht, auch noch Geschichten aus dem Ländle. Emigranten nimmt ja nicht einmal der VS als Mitglied, pfui, ein Schriftsteller ist schollentreu.
Hab ich dann endlich endlich mal den richtigen Pass, müsste ich mein Alter fälschen. Schriftsteller mit ungewöhnlichen und neuen Ideen sind jung. Sehr jung. Und fangen vor allem nicht an, erst nach mehreren Büchern komische Sachen machen zu wollen. Ein anderer fördert das Zweitbuch, herrlich, das sollte man beim ersten erfahren. Ein begehrtes Stipendium vergibt Gelder nur mit Verlagsvertrag. Wofür brauche ich ein Stipendium, wenn der Verlag bereits den Vorschuss auszahlt? Ebenfalls nett ist die Vergabe, für deren Beschluss man neun Monate warten muss - gut, Verlage sind auch unendlich langsam geworden, aber wie lange leben wir eigentlich?
Dann endlich das gesuchte Medium. Wenn man da Hilfen will, muss man das ganz brav und ordentlich machen. Oder genau nach den Vorgaben der Stifter. Oder es ist eigentlich ein drittes Medium, für das man einen speziellen Berufsabschluss braucht. Da darf nicht jeder dahergelaufene Autor...
Nach langer Pirsch im Dschungel der Hilfen bin ich dann auf eine Künstlerin gestoßen, die etwas Ähnliches plant wie ich, nur umgekehrt. Die macht es schlau. Studiert am ZKM und hat ein Stipendium für einen Studiengang mit einem Namen beantragt, den ich mir nicht merken kann. Noch mal studieren, ist das die Lösung?
Kurzum, die Bewerbung für den Job als Kassiererin bei Aldi ist schneller gemacht. Und sollte man den Job bekommen, muss man "nur" tippen und rechnen können. Keiner fragt einen danach, warum man auf die Fünfzig zugeht, zigmal umgezogen ist, eine Aversion gegen Dachzimmer hegt, den Hund mit ins Bett nimmt und komische Ideen hat!
Derweil spucke ich mir zittrig dreimal hinter die Schulter, heule mit Rocco heute den Vollmond an und bettele bei allen Schreibgöttern der Welt (wie praktisch, dass jede Kultur einen hat) ... dass etwas ganz Bestimmtes gelingen möge.
Tja, ich hätte da ein Projekt, das außerdem noch verrückt ist. Denn ich bediene damit ein Medium, das theoretisch nicht das meine ist - und ich bediene es in einer Weise, die auch in diesem Medium recht neu wäre. Warum eigentlich nicht ein Stipendium suchen, dachte ich mir naiv und warf die Suchmaschine an. Ei, war das ein Urwald! Zuerst hat's eine Recherchemachete gebraucht, denn Buchautoren schreiben gefälligst, sofern sie förderungswürdig sein wollen, Bücher. Und Leute, die dieses andere Medium benutzen wollen, benutzen es doch bitte auf die traditionelle Weise. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder an die freie Kunst glauben würde! Crossover, igitt!
Immerhin, von der ein oder anderen Seite schien ein Pfad ins Ungewisse zu leuchten. Doch der Dschungel wurde immer unwirtlicher. Zahlen können wir nichts, aber wohnen Sie drei Monate im Klohäuschen, machen Sie sich in unserem Plattenbau breit, genießen Sie die Aussicht aus der Dachgaube unserer Künstlerkolonie. Dafür, dass wir Ihnen freies Wohnen anbieten, verwöhnen Sie unsere Kurgäste mit Lesungen und lehren in der Schule, wie man Bücher sortiert. Manchmal bekommt man auch Geld obendrein, Schreiblohn. Das ist schön. Aber wie macht man das, wenn man nicht schnell die eigene Wohnung kündigen kann, Miete und Nebenkosten also weiterlaufen und der Hund mit will? Und warum im Klohäuschen schreiben, wenn ich ein eigenes Arbeitszimmer habe? Ich will mir doch nur das Schreiben leisten können!
Das darf ich bei vielen nur, wenn ich ordentlich geboren bin und wohne. Sprich, der förderungswürdige Schriftsteller solcher Stipendien ist mindestens in jenem Bundesland geboren, wohnt aber besser noch bei Mama und schreibt, wenn's geht, auch noch Geschichten aus dem Ländle. Emigranten nimmt ja nicht einmal der VS als Mitglied, pfui, ein Schriftsteller ist schollentreu.
Hab ich dann endlich endlich mal den richtigen Pass, müsste ich mein Alter fälschen. Schriftsteller mit ungewöhnlichen und neuen Ideen sind jung. Sehr jung. Und fangen vor allem nicht an, erst nach mehreren Büchern komische Sachen machen zu wollen. Ein anderer fördert das Zweitbuch, herrlich, das sollte man beim ersten erfahren. Ein begehrtes Stipendium vergibt Gelder nur mit Verlagsvertrag. Wofür brauche ich ein Stipendium, wenn der Verlag bereits den Vorschuss auszahlt? Ebenfalls nett ist die Vergabe, für deren Beschluss man neun Monate warten muss - gut, Verlage sind auch unendlich langsam geworden, aber wie lange leben wir eigentlich?
Dann endlich das gesuchte Medium. Wenn man da Hilfen will, muss man das ganz brav und ordentlich machen. Oder genau nach den Vorgaben der Stifter. Oder es ist eigentlich ein drittes Medium, für das man einen speziellen Berufsabschluss braucht. Da darf nicht jeder dahergelaufene Autor...
Nach langer Pirsch im Dschungel der Hilfen bin ich dann auf eine Künstlerin gestoßen, die etwas Ähnliches plant wie ich, nur umgekehrt. Die macht es schlau. Studiert am ZKM und hat ein Stipendium für einen Studiengang mit einem Namen beantragt, den ich mir nicht merken kann. Noch mal studieren, ist das die Lösung?
Kurzum, die Bewerbung für den Job als Kassiererin bei Aldi ist schneller gemacht. Und sollte man den Job bekommen, muss man "nur" tippen und rechnen können. Keiner fragt einen danach, warum man auf die Fünfzig zugeht, zigmal umgezogen ist, eine Aversion gegen Dachzimmer hegt, den Hund mit ins Bett nimmt und komische Ideen hat!
Derweil spucke ich mir zittrig dreimal hinter die Schulter, heule mit Rocco heute den Vollmond an und bettele bei allen Schreibgöttern der Welt (wie praktisch, dass jede Kultur einen hat) ... dass etwas ganz Bestimmtes gelingen möge.
12. November 2008
Alpdrücken from Googlamerica
Ja, ich schreibe das noch mit "p" (wie erlaubt), denn es ist kein niedlicher kleiner Alb (=Elfe), der da drückt, sondern ein ausgewachsener Alpenbergkamm.
Google hat sein wildes Bucheinscannen jetzt legalisiert bekommen. Auffallend in dem Bericht: Es heißt immer und überall Amerika.
Außerhalb Amerikas wurde mal wieder keiner gefragt. Obwohl unter den bereits eingescannten Büchern der Google-Buchsuche jede Menge deutschsprachiger, französischer, italienischer etc. Bücher sind. Die hat man dann eben aus der amerikanischen Bibliothek. So einfach ist das mit dem urheberrechtlichen Imperialismus.
Wen man dabei überhaupt nicht fragt, klar, das sind die Urheber der Texte, die Autoren, ohne die es keine Google-Buchsuche, keine Verlage, keine Buchläden, keine Bücher gäbe. Wir, die wir all diesen Leuten das Geldverdienen ermöglichen, sind mal wieder die Deppen der Nation. Pardon, die Deppen weltweit, globale Idioten sozusagen! Wir brauchen jetzt nämlich - ganz legal (?) - nicht mehr gefragt zu werden, was andere mit unseren Werken machen und bezahlen muss uns eigentlich auch keiner. "Kalte Enteignung" nennt das der Börsenverein des deutschen Buchhandels, aber wer hört schon auf den, wenn der amerikanische Markt sich die Welt aufteilt?
Jeder Autor muss jetzt für jedes seiner Bücher auf Verdacht Widerspruch bei Google einlegen, falls er frei über sein eigenes Werk verfügen möchte. So weit sind wir nun. Und wissen wir, wem wir inzwischen überall widersprechen müssen?
Dazu passt eine Verlautbarung der VG Wort unlängst, die ihren Wahrnehmungsvertrag ändert, dass man schon einen Fachanwalt braucht, um den betreffenden Paragraphen zu verstehen. Oder wie deutet man das:
"[eingeräumt wird] das Recht, Beiträge, die in gedruckten Sammlungen oder Sammelwerken erschienen sind, sowie vergriffene Werke einzuspeichern und aufgrund eines Angebots an die Öffentlichkeit einzelnen oder mehreren Angehörigen der Öffentlichkeit durch digitale Übertragung zugänglich zu machen, sofern der Verleger dieser Sammlung oder dieses Sammelwerks die Nutzung selbst vornimmt oder seine Einwilligung hierzu gegeben hat. Diese Rechteeinräumung gilt nur für Beiträge, die zu einem Zeitpunkt erschienen sind, als diese Nutzungsart unbekannt war; für später erschienene Beiträge gilt sie nur, solange keine individuelle Rechteeinräumung erfolgt."
Verstehe ich das richtig: Ist ein Buch vergriffen oder verramscht, fallen plötzlich nicht mehr alle Rechte an den Autor zurück? Dann kann die VG Wort (!) nämlich, ohne mich zu fragen, mein Werk digital in die Welt streuen? Also auch Google schenken? Oder e-books daraus basteln? Ich wünsche mir, dass ich Juristerei-DAU mich wirklich irre! Wenn mir das einer erklären könnte, wäre ich dankbar.
Tatsache ist, dass wir ohnehin nicht mit Reichtum gesegneten Autoren bald entweder einen Anwalt oder einen Privatsekretär brauchen, um den Überblick zu behalten, wer alles ungefragt Geld mit unserem Eigentum verdienen kann, ohne dass wir je etwas davon erfahren oder daran verdienen. Denn wenn Google nun auf Dauer damit durchkommt, schafft es einen Präzedenzfall. Dann muss vorbeugend widersprochen werden, weil Autoren nicht mehr gefragt werden müssen.
Ich sehe schwarz. Weil nicht einmal mehr Kenner durchblicken. Und weil die Amerikaner das doofe alte Europa gar nicht mehr erst fragen.
Diese Kolumne habe ich einmal aus Protest gegründet. Weil ich als freie Journalistin mit Buy-out- und Knebelverträgen, die sich plötzlich wie eine Pest verbreiteten (früher verdienten freie Journalisten vor allem durch Mehrfachverwertung), ohnehin kaum noch den Wert meiner Arbeit bezahlt bekommen hätte, kam ich auf die Idee, in voller Freiheit meine Texte zu verschenken.
Ich verdiente mein Geld mit einem Produkt, bei dem das noch nicht so schlimm war und individuell vertraglich geregelt: mit Büchern.
Wann werde ich Romane und Sachbücher kostenlos im Netz verschenken müssen, bevor andere, Dritte sich daran bereichern, mit denen ich keinen Verlagsvertrag habe?
Ich könnte dann noch Hilfsgärtnerin werden. Auch wenn die Gärtnerei, die mich beschäftigt, an meiner Arbeit Geld verdient - sie müsste mich monatlich entlohnen. Und mein Unkrautjäten könnte nicht mal schnell im Internet verscheuert oder gar verschenkt werden. Ich hätte den Spaten selbst in der Hand - wer ein Loch in seinem Garten bräuchte, müsste mich fragen, entlohnen. Oder selbst graben.
Globale Idioten sind wir, wir Urheber, wir geistigen Schöpfer. Wir sind zu doof, einmal laut herauszuschreien, dass es ohne unsere Arbeit eine riesige Industrie nicht gäbe. Dass ohne unsere Arbeit sämtliche Lektoren, Verleger, Buchhändler, Buchproduzenten morgen arbeitslos wären und Google auf einen riesigen Werbekuchen verzichten müsste. Unser Schweigen, unser Malochen - das ist wahre Caritas.
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Artikel 27
Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst entwachsen
Google hat sein wildes Bucheinscannen jetzt legalisiert bekommen. Auffallend in dem Bericht: Es heißt immer und überall Amerika.
Außerhalb Amerikas wurde mal wieder keiner gefragt. Obwohl unter den bereits eingescannten Büchern der Google-Buchsuche jede Menge deutschsprachiger, französischer, italienischer etc. Bücher sind. Die hat man dann eben aus der amerikanischen Bibliothek. So einfach ist das mit dem urheberrechtlichen Imperialismus.
Wen man dabei überhaupt nicht fragt, klar, das sind die Urheber der Texte, die Autoren, ohne die es keine Google-Buchsuche, keine Verlage, keine Buchläden, keine Bücher gäbe. Wir, die wir all diesen Leuten das Geldverdienen ermöglichen, sind mal wieder die Deppen der Nation. Pardon, die Deppen weltweit, globale Idioten sozusagen! Wir brauchen jetzt nämlich - ganz legal (?) - nicht mehr gefragt zu werden, was andere mit unseren Werken machen und bezahlen muss uns eigentlich auch keiner. "Kalte Enteignung" nennt das der Börsenverein des deutschen Buchhandels, aber wer hört schon auf den, wenn der amerikanische Markt sich die Welt aufteilt?
Jeder Autor muss jetzt für jedes seiner Bücher auf Verdacht Widerspruch bei Google einlegen, falls er frei über sein eigenes Werk verfügen möchte. So weit sind wir nun. Und wissen wir, wem wir inzwischen überall widersprechen müssen?
Dazu passt eine Verlautbarung der VG Wort unlängst, die ihren Wahrnehmungsvertrag ändert, dass man schon einen Fachanwalt braucht, um den betreffenden Paragraphen zu verstehen. Oder wie deutet man das:
"[eingeräumt wird] das Recht, Beiträge, die in gedruckten Sammlungen oder Sammelwerken erschienen sind, sowie vergriffene Werke einzuspeichern und aufgrund eines Angebots an die Öffentlichkeit einzelnen oder mehreren Angehörigen der Öffentlichkeit durch digitale Übertragung zugänglich zu machen, sofern der Verleger dieser Sammlung oder dieses Sammelwerks die Nutzung selbst vornimmt oder seine Einwilligung hierzu gegeben hat. Diese Rechteeinräumung gilt nur für Beiträge, die zu einem Zeitpunkt erschienen sind, als diese Nutzungsart unbekannt war; für später erschienene Beiträge gilt sie nur, solange keine individuelle Rechteeinräumung erfolgt."
Verstehe ich das richtig: Ist ein Buch vergriffen oder verramscht, fallen plötzlich nicht mehr alle Rechte an den Autor zurück? Dann kann die VG Wort (!) nämlich, ohne mich zu fragen, mein Werk digital in die Welt streuen? Also auch Google schenken? Oder e-books daraus basteln? Ich wünsche mir, dass ich Juristerei-DAU mich wirklich irre! Wenn mir das einer erklären könnte, wäre ich dankbar.
Tatsache ist, dass wir ohnehin nicht mit Reichtum gesegneten Autoren bald entweder einen Anwalt oder einen Privatsekretär brauchen, um den Überblick zu behalten, wer alles ungefragt Geld mit unserem Eigentum verdienen kann, ohne dass wir je etwas davon erfahren oder daran verdienen. Denn wenn Google nun auf Dauer damit durchkommt, schafft es einen Präzedenzfall. Dann muss vorbeugend widersprochen werden, weil Autoren nicht mehr gefragt werden müssen.
Ich sehe schwarz. Weil nicht einmal mehr Kenner durchblicken. Und weil die Amerikaner das doofe alte Europa gar nicht mehr erst fragen.
Diese Kolumne habe ich einmal aus Protest gegründet. Weil ich als freie Journalistin mit Buy-out- und Knebelverträgen, die sich plötzlich wie eine Pest verbreiteten (früher verdienten freie Journalisten vor allem durch Mehrfachverwertung), ohnehin kaum noch den Wert meiner Arbeit bezahlt bekommen hätte, kam ich auf die Idee, in voller Freiheit meine Texte zu verschenken.
Ich verdiente mein Geld mit einem Produkt, bei dem das noch nicht so schlimm war und individuell vertraglich geregelt: mit Büchern.
Wann werde ich Romane und Sachbücher kostenlos im Netz verschenken müssen, bevor andere, Dritte sich daran bereichern, mit denen ich keinen Verlagsvertrag habe?
Ich könnte dann noch Hilfsgärtnerin werden. Auch wenn die Gärtnerei, die mich beschäftigt, an meiner Arbeit Geld verdient - sie müsste mich monatlich entlohnen. Und mein Unkrautjäten könnte nicht mal schnell im Internet verscheuert oder gar verschenkt werden. Ich hätte den Spaten selbst in der Hand - wer ein Loch in seinem Garten bräuchte, müsste mich fragen, entlohnen. Oder selbst graben.
Globale Idioten sind wir, wir Urheber, wir geistigen Schöpfer. Wir sind zu doof, einmal laut herauszuschreien, dass es ohne unsere Arbeit eine riesige Industrie nicht gäbe. Dass ohne unsere Arbeit sämtliche Lektoren, Verleger, Buchhändler, Buchproduzenten morgen arbeitslos wären und Google auf einen riesigen Werbekuchen verzichten müsste. Unser Schweigen, unser Malochen - das ist wahre Caritas.
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Artikel 27
Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst entwachsen
11. November 2008
Rausch, Entfesselung, Ekstase
Geordnete Persönlichkeiten, die den Krawattenknoten gleichsam als Verstandesverschluss direkt unter dem Kinn tragen, halten Künstler gern mal für verrückt. Auch wenn heutzutage in der Maltherapie kaum noch echte Kunst entsteht, wie etwa zu Zeiten Prinzhorns, auch wenn heute immer weniger Künstler in geschlossene Abteilungen weggesperrt werden - die paar, die irgendetwas "erwischte", sorgen dann schon fürs Image des durchgeknallten Kreativmonsters. Und dann sind wir ja auch noch selbst schuld, tragen seelische Innereien auf den virtuellen Marktplatz, die wir früher nicht einmal dem Herrn Freud auf dem Sofa gestanden hätten. (Notiz: Der wiederum hat einem gewissen Herrn Mahler die ausführliche Analyse verweigert, mit der Begründung, nachher könne der nicht mehr komponieren).
Eigentlich schön, dass man heute offen über alles reden kann und daraufhin nur noch von Tante Erna und den sieben Siebeng'scheiten schräg angeschaut wird. Die seltsam anderen Zustände der Kreativität, Häufungen von Linkshändigkeit oder Synästhesie - das alles ist längst ein Lutschbonbon für die Bewusstseinsforscher, denen ich schon früher gern zugerufen hätte: Ihr könntet das auch. Aber ihr habt's verschüttet. Manchmal muss man nur den engen Krawattenknoten lockern...
Es macht Spaß, anders zu ticken, wenn draußen der Novemberregen rieselt. Wenn ich mir z.B. schon drei Mal Tante Ernas Gestöhne über ihre Schlaflosigkeit angehört habe, wobei sie mir akribisch aufzählt, wie oft sie mit welchem Ergebnis nachts zur Toilette ginge, worauf ihr Onkel Ernst eine Vorlesung über Kürbiskerne und Frauen in den Wechseljahren hält, und beide mahnen, mein Nachteulengehabe würde sich im Alter böse rächen, und ich sollte vielleicht auch öfter mal zum Arzt, denn sie gingen regelmäßig auch ohne Schlafstörungen ... tja dann ist die Welt einfach wieder in Ordnung, wenn ich lese, wie glücklich Kollegen über Schlafstörungen sein können!
Da finde ich mich wieder, fühle mit. Obwohl ich derzeit wirklich hundemüde gegen fünf Uhr morgens ins Bett falle, auf der Stelle einschlafe, wild träume und um neun Uhr hellwach an die Lektüre dränge. Mich hat's auch grad. Ich lese drei Bücher quer und ein viertes über einen anderen dazu und trinke seit vorhin russischen Tee. Das ist insofern bedenklich, als ich leidenschaftliche Kaffeetrinkerin bin. Ich giere obendrein nach Musik und Film zum Thema und habe plötzlich einen ganz eigenartigen Faible für schräge Samtklamotten, die ich mir wie in Trance im Second Hand Laden kaufe. Abends vergesse ich, dass ich Cocteau nicht mehr anrufen kann, und morgens, dass die Madeleines nicht von Proust kommen. Aber das ist auch egal, weil ich mich sowieso nicht mehr erinnern kann, in welchem Jahrhundert ich lebe.
Ich bin ein Schwamm mit tausend Sinnen. Sauge Stoff, trinke Briefe, fresse Tagebücher, streichle Fotos, goutiere Schätze aus den tiefsten Tiefen des Recherchiversums. Die Zeit ist bordeauxrot und klingt tief, meine Freundin meint, ich sähe aus wie Oper, und dann fällt ihr ein, dass sie in ihrem Bücherschrank noch das ultimative Buch für mich hat, das ich in den Atempausen zwischen den anderen anlese. Ich arbeite fiebrig, ohne Temperatur zu haben, renne mit debilem, entrückten Lächeln zum Bäcker und gäbe etwas darum, wenn mein Hund mich bekochte.
Diesen Monat will ich unbedingt zum Dostojewski-Abend im Baden-Badener Casino. Ich habe ein wenig Angst, dass ich dort, wo "Der Spieler" entstand, plötzlich einem verstaubten Herrn gegenüber stehen könnte, der sich mit Fjodor vorstellt. Angst, dass ich Dostojewski die Zeitreise prompt abnehmen würde...
Es ist ein seltsames Schweben, ein Highsein, wenn einen ein Thema beißt, wenn der Stoff anfängt, sich selbstständig zu machen. Und dann ist es Zeit, zu ver-rücken, um all die Ideen nicht zu überhören. Diese Momente der Ekstase sind das Schöne an diesem Beruf - und man muss sich das Gefühl ein wenig konservieren für die brutalen Durststrecken. Für die Tage, wo auch eiserne Disziplin und Selbstmotivation kaum helfen wollen. An denen besuche ich dann Tante Erna. Wenn ich meine Wehwehchen habe, kann sie nämlich besser von ihren erzählen, bei einem Kuchen als Medizin.
Eigentlich schön, dass man heute offen über alles reden kann und daraufhin nur noch von Tante Erna und den sieben Siebeng'scheiten schräg angeschaut wird. Die seltsam anderen Zustände der Kreativität, Häufungen von Linkshändigkeit oder Synästhesie - das alles ist längst ein Lutschbonbon für die Bewusstseinsforscher, denen ich schon früher gern zugerufen hätte: Ihr könntet das auch. Aber ihr habt's verschüttet. Manchmal muss man nur den engen Krawattenknoten lockern...
Es macht Spaß, anders zu ticken, wenn draußen der Novemberregen rieselt. Wenn ich mir z.B. schon drei Mal Tante Ernas Gestöhne über ihre Schlaflosigkeit angehört habe, wobei sie mir akribisch aufzählt, wie oft sie mit welchem Ergebnis nachts zur Toilette ginge, worauf ihr Onkel Ernst eine Vorlesung über Kürbiskerne und Frauen in den Wechseljahren hält, und beide mahnen, mein Nachteulengehabe würde sich im Alter böse rächen, und ich sollte vielleicht auch öfter mal zum Arzt, denn sie gingen regelmäßig auch ohne Schlafstörungen ... tja dann ist die Welt einfach wieder in Ordnung, wenn ich lese, wie glücklich Kollegen über Schlafstörungen sein können!
Da finde ich mich wieder, fühle mit. Obwohl ich derzeit wirklich hundemüde gegen fünf Uhr morgens ins Bett falle, auf der Stelle einschlafe, wild träume und um neun Uhr hellwach an die Lektüre dränge. Mich hat's auch grad. Ich lese drei Bücher quer und ein viertes über einen anderen dazu und trinke seit vorhin russischen Tee. Das ist insofern bedenklich, als ich leidenschaftliche Kaffeetrinkerin bin. Ich giere obendrein nach Musik und Film zum Thema und habe plötzlich einen ganz eigenartigen Faible für schräge Samtklamotten, die ich mir wie in Trance im Second Hand Laden kaufe. Abends vergesse ich, dass ich Cocteau nicht mehr anrufen kann, und morgens, dass die Madeleines nicht von Proust kommen. Aber das ist auch egal, weil ich mich sowieso nicht mehr erinnern kann, in welchem Jahrhundert ich lebe.
Ich bin ein Schwamm mit tausend Sinnen. Sauge Stoff, trinke Briefe, fresse Tagebücher, streichle Fotos, goutiere Schätze aus den tiefsten Tiefen des Recherchiversums. Die Zeit ist bordeauxrot und klingt tief, meine Freundin meint, ich sähe aus wie Oper, und dann fällt ihr ein, dass sie in ihrem Bücherschrank noch das ultimative Buch für mich hat, das ich in den Atempausen zwischen den anderen anlese. Ich arbeite fiebrig, ohne Temperatur zu haben, renne mit debilem, entrückten Lächeln zum Bäcker und gäbe etwas darum, wenn mein Hund mich bekochte.
Diesen Monat will ich unbedingt zum Dostojewski-Abend im Baden-Badener Casino. Ich habe ein wenig Angst, dass ich dort, wo "Der Spieler" entstand, plötzlich einem verstaubten Herrn gegenüber stehen könnte, der sich mit Fjodor vorstellt. Angst, dass ich Dostojewski die Zeitreise prompt abnehmen würde...
Es ist ein seltsames Schweben, ein Highsein, wenn einen ein Thema beißt, wenn der Stoff anfängt, sich selbstständig zu machen. Und dann ist es Zeit, zu ver-rücken, um all die Ideen nicht zu überhören. Diese Momente der Ekstase sind das Schöne an diesem Beruf - und man muss sich das Gefühl ein wenig konservieren für die brutalen Durststrecken. Für die Tage, wo auch eiserne Disziplin und Selbstmotivation kaum helfen wollen. An denen besuche ich dann Tante Erna. Wenn ich meine Wehwehchen habe, kann sie nämlich besser von ihren erzählen, bei einem Kuchen als Medizin.