(c) Petra van Cronenburg |
Ich bin in einer Situation mit vielen Menschen, eng beieinander stehenden Menschen. Niemand trägt Masken und ich genieße das Miteinandersein und denke: Endlich ist die ganze Katastrophe vorbei! Einer der Menschen ist der Tierarzt, der Bilbo untersucht, und ich beuge mich auch über den Hund und stelle mit Erschrecken fest: Ich habe keine Maske dabei! Das macht mich völlig panisch, weil ich Angst habe, dass der Tierarzt die Impfung verweigert, wenn ich ihn gefährde. Ich renne los, auf der Suche nach meinen Masken, die ich in einem verschließbaren Plastikbeutel aufbewahre.
Lande wieder unter Menschen, suche panisch, zu lange will ich Bilbo nicht in der anderen Welt alleine lassen. Denn das weiß ich jetzt ganz klar: Ich bin in einem Paralleltraum gelandet! Irgendwo in meinem Gehirn muss der Traum mit Bilbo weiterlaufen, denke ich. Jemand gibt mir ein Plastikpäckchen - ob ich das gesucht hätte? Meine Masken! Aber es ist zu dick, zu hart. Verwirrt öffne ich es. Die anderen Menschen sind jetzt verschwunden, ich kann sie nicht fragen, wo meine Masken abgeblieben sind. Denn aus dem Päckchen hole ich etwas Seltsames.
Es ist eine uralte Steintafel, wie man sie in einem altägyptischen oder mesopotamischen Grab vermuten würde. Eine rätselhafte Antiquität mit hieroglyphenartigen und keilschriftförmigen Zeichen gleichermaßen und kleinen gemalten Bildern. Jemand flüstert mir zu, ich solle damit zu Sotheby's. Als ich genauer hinschaue, erkenne ich, dass die Ockerfarbe erstaunlich frisch aussieht. Und da sehe ich es: Die Tafel ist am unteren Rand signiert, mit Auflagenzahl. Ich stehe und staune und denke darüber nach, wie aus Masken ein archäologischer Fund werden könnte, der wiederum eigentlich Kunst ist. Oder wird die Kunst zur Antiquität und die Maske war nur ein böser Traum? Eines der kleinen Wesen auf der Steintafel zwinkert mir zu: Es ist Anubis, nein Bilbo, den ich in Traum 1 alleingelassen hatte!
Ich packe die Tafel ein, vielleicht könnte sie noch zum Wegweiser werden, denke ich. Renne los und springe in das, was ich für den Eingang in Traum 1 halte.
Plötzlich knallt etwas Schweres auf meine Schienbeine. Ich packe die Tafel fester, ich würde sie um nichts in der Welt verlieren wollen. Aber ich kann mich nicht mehr bewegen, liege jetzt flach, mit diesem schrecklichen Gewicht auf den Beinen.
Freundliche kleine Marsmännchen rennen um mich herum und lachen zwitschernd, halten sich die Bäuche. Dass es Marsmännchen sind, weiß ich, weil ich mich in einem riesigen Raumschiff befinde und weil sie aussehen, wie ich als Kind immer Marsmännchen gesehen habe. Eine Mischung zwischen den Adipose von Dr Who in Grün und den Außerirdischen in den Lustigen Taschenbüchern von Disney mit niedlichen Stielaugen.
Ich muss so verdattert und blöde ausgesehen haben, wie Homo sapiens nur aussehen kann, denn sie zwitscherten immer noch. Einer sprach mich durch eins dieser genialen Traumsimultandolmetschprogramme an, ich solle mich in der Startphase nicht zu sehr bewegen. Sie hätten irgendeinen künstlichen Gravitationsdingenssimulatornanoteilchenzeugsundkrempel um meine Beine schnallen müssen, weil wir zarten Menschlein sonst die Beschleunigung nicht aushalten würden. Das leuchtete mir ein. Es klang wie Wharp hoch Drei. Aber ich muss noch immer ziemlich blöde ausgesehen haben.
Also klärten mich die netten Aliens auf, dass wir auf einer herrlichen Abenteuerreise in einen dieser herrlich bunten Sternennebel seien, die ich mir im Internet so gerne angeschaut hätte. Klasse - ich surfe im Internet und gelange auf große Fahrt dorthin - so einfach ist das? Wieder dieses Zwitschern. Die Aliens erklären mir, dass ich sie schließlich extra bestellt hätte. Weil ich mich mit einfachen Träumen nicht begnügen würde. Weil ich unbedingt zwischen Parallelträumen hin- und herspringen wollte. Ob ich denn ernsthaft glauben würde, dass das ohne Wharp hoch Drei möglich wäre?
Inzwischen drückt die Nanozeugdingensklammer beträchtlich auf meine Schienbeine, fühlt sich aber angenehm warm an. Wir seien gleich da, meint der freundliche Alien, der genauso maiengrün ist wie die anderen, aber irgendwie übersetzt wird. Ich müsse nur das Ziel gut anvisieren, denn das Raumschiff würde mit meiner Gedankenkraft gesteuert.
Vorsichtig krame ich die Tafel heraus und wische sie mit dem Ärmel ab. Homo Sapiens ist wirklich deppert - als ob pseudoantike Tafeln im Weltall einstauben würden! Das Wesen zwischen den fremden Schriftzeichen zwinkert mir wieder zu. Ob das irgendwas ...
... wir rasen in einen farbigen Nebel, alles dreht sich in mir, nur die Beinklammer hält mich noch fest. Plötzlich sind die Aliens verschwunden, das Raumschiff hat sich aufgelöst, alles ist weg und ich bin völlig desorientiert. Es hält mich nur die warme schwere Klammer in der Realität. Ich stelle fest, dass ich Traum 1 verfehlt habe. Ich bin stattdessen aufgewacht. Aber der schlimm vermisste Bilbo ist wieder da. Er liegt mit seinem vollen Gewicht selig schnarchend quer über meinen Schienbeinen. Irgendwann muss er sich dort auf die Bettdecke geschmissen haben. Eigentlich hat er gelernt, dass man sich nicht auf Menschen schmeisst, weil Homo sapiens nicht nur ein bißchen blöde, sondern auch noch ein bißchen zu zart für solches Gewicht ist.
Aber er ist es: Er ist der künstlichen Gravitationsdingenssimulatornanoteilchenzeugsundkrempel, der Menschen in Träumen und im All stabil hält.
Ich wollte heute ein wenig über mein Essay nachdenken. Wird es dabei auch um Interspezies-Kommunikation gehen? In meinem Text tappt ein kleines Wesen namens Homo sapiens durch eine Landschaft und sucht den Ausgang aus einem (Alp)traum. Es hat Relikte hinterlassen und wähnt sich kunstvoll. Wenn ich doch nur diese Tafel mitgenommen hätte! Ich bin mir sicher, da stand alles drauf. Aber der Gravitationsdingenssimulatornanoteilchenzeugsundkrempel zwinkert mich an und will gefüttert werden. Ich habe das Gefühl, er wird mir heute noch einiges erzählen, vielleicht sogar in Wharp hoch Drei?
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