Schriftsteller sind zum Schreiben da und zu sonst nichts. So war das mal in alten Zeiten: Schriftsteller waren keine Schausteller. Vielleicht gefällt mir deshalb der Begriff Autorin besser für mich selbst - da bin ich Urheberin, eine schöpferisch Tätige - nicht unbedingt nur mit Schrift. Vor allem aber bin ich damit nicht im einsamen Kämmerchen eingesperrt. In anderen Ländern, etwa in Frankreich, haben auch die Schriftsteller ein vielseitigeres Selbstbild und das hat Vorteile: Sie verdienen nicht nur mit dem Schreiben Geld, sondern mit der
"Gesamtunternehmung" Schriftsteller. Und die schadet auch dem Abverkauf der Bücher nicht gerade...
Kürzlich diskutierte ich mit jemandem über das Konzept von
"öffentlichen Büchern", also Büchern, die bereits vor der Veröffentlichung ein Leben mit dem Publikum entwickeln - etwa so, wie ich das hier mit der Rubrik "
Ich bastle ein Buch" mache. Da hieß es, es gäbe zwei Typen von Autoren:
die Nurschreiber und die Schreibunternehmer, völlig unterschiedliche Persönlichkeiten. Nurschreiber haben es heute im Profigeschäft schon schwer. Ihre Haltung zur Veränderung des eigenen Berufsbildes ist in etwa die, als würde ich als Journalistin dem guten alten Klebesatz im Redaktionskeller hinterherheulen und mich weigern, plötzlich auch Layouter-Aufgaben zu übernehmen, weil das dank Computertechnik eben möglich ist.
Noch gibt es Nischen, sich schreibend zu verstecken, nie an die Öffentlichkeit zu gehen, keine Lesungen zu veranstalten, sich außerhalb der Tastatur abstinent zu zeigen. Aber ein Blumentopf ist damit kaum noch zu gewinnen, wenn man nicht einfach nur als Auftragsschreiber im Marathon malocht. Die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht. Und natürlich muss man nicht bei der Buchmesse am Twittagessen vor der Würstchenbude teilnehmen oder sich spontan per Social Media mit Verlagsleuten verabreden. Aber könnte man dort nicht vielleicht doch interessanten Menschen über den Weg laufen? Und was ist, wenn man eines Tages der einzige Autor ist, dessen Gesicht und Stimme keiner kennt?
Wie viel Performance einer braucht und mag, liegt sicher an der Persönlichkeit. Aber es hat noch nie geschadet, darin professionell zu sein und sich fortzubilden. Rabenblut schreibt in ihrem Blog über
Lesungen, die nicht zum Gähnen langweilig sind und dem Publikum einen rundum guten Abend schenken. Und sie schreibt davon, dass allein
mit dem Instrument Stimme gezaubert werden kann. Lesenswert auch für Lesungsmuffel, denn es stimmt einfach: Ein Gast, der für eine Lesung Geld bezahlt, hat mehr verdient als nuschelnde Typen, die auf ihrem Lesestuhl fast selbst einschlafen. Man mag über
Eventkultur denken, was man will:
Das Publikum wird anspruchsvoller. Ein Autor muss sich für Auftritte schlicht auch gegen die Konkurrenz durchsetzen, je unbekannter, desto stärker. Und mal ganz ehrlich: Das sehr viel höhere Honorar fürs Event bringt uns doch auch mehr aufs Butterbrot als ein popeliges Mindesthonorar für reines Vorlesen.
Ich kann aus eigener Erfahrung
Sprechunterricht sehr empfehlen - übrigens auch für diejenigen, die glauben, es zu können. Es ist ein Unterschied an Kraft und Stimmvolumen, ob ich den Kleinen am Bettrand vorlese oder einen Saal mit sechzig Leuten füllen muss - und das über eine Stunde lang, womöglich unter nervöser Anspannung. Ich hatte großes Glück, dass ich während des Studiums für meinen ursprünglich gedachten Beruf nicht nur
Sprechausbildung machen, sondern auch
Rhetorikunterricht belegen musste. Bei letzterem wurde das freie Reden geübt, mit harscher Kritik der zuschauenden Kollegen. Heute macht man das mit der Videokamera. Was dabei herauskommt, ist von unschätzbarem Wert, wenn man nicht die geborene Rampensau ist und vor Publikum Rede und Antwort stehen soll oder einen Vortrag zum Sachbuch hält. Ebenfalls nützlich ist übrigens auch Singen - wegen der
Atemtechniken.
Solche Kurse sind gar nicht zwingend teuer. Für manche Studiengänge werden sie an den Universitäten kostenlos angeboten. Man muss sie auch nicht beim großen Star frei buchen, sondern kann sich einen jungen Schauspieler suchen - viele geben nebenbei solche Kurse, um das eigene magere Gehalt aufzubessern. Inzwischen findet man auch an immer mehr Theatern Kurse für Laien zu erstaunlich niedrigen Preisen. Auch das will ich nicht missen - die Kurse am Stadttheater von Baden-Baden, durch die ich ein völlig neues Körperbewusstsein bekam und inzwischen weiß, wie sehr die Stimme Körper ist - und letztlich auch der Ausdruck. Ich fange mein Publikum nicht mit einem gedrechselten Satz ein. Ich muss mein Publikum schon damit einfangen, wie ich auf die Bühne laufe. Das muss keine Show sein, aber ich übertrage meine Gefühle, die ich für meinen Körper und meine Stimme habe, auf die Zuschauer. Und wenn ich mich schlecht fühle oder unsicher bin - warum sollen die mich dann lieben?
Performance in diesen "herkömmlichen" Bereichen hat Vorteile: Man kann sich mit Events das Schreiben etwas querfinanzieren, man bekommt als Profi mehr Engagements als ein Nuschler (falls man keinen Promifaktor hat), der Bekanntheitsgrad wächst und damit der Abverkauf der Bücher. Und manchmal ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. Mir passiert, als ich dank der Theaterkurse todesmutig ein freies Bühnenprogramm schrieb und spielte - plötzlich wollten alle das Buch zum Stück kaufen, das es gar nicht gab... So entstand die Idee, eines Tages das Buch zum Abend zu schreiben. Dabei sollte man jedoch authentisch bleiben und klein anfangen, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Manchmal reicht schon ein ungewöhnlicher Ort, etwa die Lesung bei Floristen mit dem Mord im Blumenladen - oder das Servieren einer Leckerei, die im Buch vorkommt. Dazu Deko, Ambiente - warum nicht
ein Buch auch sinnlich erfahrbar machen?
Ganz neu ist eine Art von Performance, an die Leute mit saftigen Garantiehonoraren natürlich nicht denken müssen. Noch ist sie erst im Entstehen, noch können sich manche Kollegen gar nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Es geht darum, es sich leisten zu können, auch die Bücher völlig unabhängig schreiben zu können, die vielleicht nicht im Mainstream mitschwimmen. Vor allem Musiker in den USA machen es vor, dass Kunst direkt finanzierbar sein kann.
Crowdfunding ist das Stichwort - wir hatten es kürzlich im Blog von Systemen wie
flattr oder
kachingle.
Nun gibt es nach dem Vorbild des amerikanischen Netzwerks
kickstarter auch einen deutschen Versuch in der Betaphase:
startnext. Hir geht es nicht um ein reines Spendensytem wie bei anderen Plattformen, denn die Künstler müssen ihren Sponsoren auch etwas bieten fürs Geld. Tino Kreßner, einer der beiden Gründer der Plattform,
erzählt bei carta.info mehr über das Konzept, Künstlern zur Vorfinanzierung von Projekten zu verhelfen. Schaut man sich bei startnext
den ersten Buchautor an, so lässt sich erahnen, welche Möglichkeiten in Zukunft bei Büchern auszutesten sind. Auch wenn das alles noch im Experimentierstadium ist - den Mutigen gehört die Welt! Und für die Nörgler, die lieber im einsamen Schreibkämmerchen am Bleistift kauen, ist Buch & Performance ohnehin nicht geschaffen.