Kranke Hirne:
Abbes Ohr
Beim KDD von Castor-Bauxit ging es wieder einmal zu wie in einer Fernsehserie. Die diensthabende Leiterin warf sich mit der Rechten eine zweifelhafte Tablette ein, popelte mit der Linken hektisch in der Nase und schaffte es, fast gleichzeitig ihrem Kollegen einen apfelgrünen Brief zuzuschieben. „Lies das!“
Mehmet hob entschuldigend die Hände und rief: „Geht nicht, fettige Finger!“ Dann hob er den Telefonhörer ab, horchte und brüllte: „Der schon wieder, den haben wir doch gestern erst zweimal in die Psychiatrie geschafft! Nee, macht ihr das, bei uns brennt der Laden, kennste ja.“
„Und wenn du jetzt nicht sofort mit deinen Dönerfingern die Arbeit anpackst, brennt gleich noch was anderes“, schnauzte die Chefin.
„Das war Pizza Mafia vom Schwaben gegenüber“, maulte Mehmet zurück und griff sich das Schreiben. „Aha, ein Bekennerbrief. Riecht nach Moschus?“ Zufrieden nickte die Chefin, auf diese Spürnase konnte sie sich verlassen.
„Abbes Ohr?!“
„Lies endlich, frag nicht so blöd!“
Verehrte Polizei, werte Pathologen,
Mein Arzt sagt, wenn ich immer alles schlucke, werden meine Magenbeschwerden nie besser. Also gestehe ich meine Verbrechen und den Wunsch, nach Möglichkeit weitere zu begehen, sofern mir das mein Magen erlaubt, der äußerst empfindlich auf Chilli reagiert. (Damit habe ich eine Spur gelegt, fangen Sie mich, wenn Sie können).
Meinen ersten Mord haben Sie nicht entdecken können, weil ich ein abbes Ohr an meine Pyranhas verfüttert habe und das andere meinem Nachbarn in den Koi-Teich warf. Das war einer, der nicht hat zuhören wollen, also der mit den abben Ohren, die die Fische gemampft haben. Mit dem Rest habe ich meine Schwiegermutter glücklich gemacht, indem ich ihn in die Musmaschine warf und einen feinen Edelbrand daraus herstellte, garantiert dreimal destilliert im Kupferkessel, so wie es die alte Schnapsdrossel liebt. Ich gestehe, dieses Lebenswasser ganz leicht mit Sternanis und Orangenschalen aufgepeppt zu haben, falls Sie das Rezept wollen, ich mache immer alle gern glücklich, glücklich mach ich alle.
Beim zweiten Mal war mir langweilig, weil mich eine Tussi zu lang hat warten lassen. Früher ging das ja noch, vier Wochen, dann acht Wochen, aber die hat 13 Monate gebraucht, um Nein zu sagen. Möglich, dass Sie noch Spuren an der alten Druckerpresse finden, die ich benutzt habe. Ich habe ganz schön kurbeln müssen, aber dann doch davon abgesehen, sie binden zu lassen. Also trocknet das flache Weibsstück an einem geheimen Ort. Meinen Sie, da wird noch wenigstens ein Ledereinband draus? Dann könnte meine Schwiegermutter ihre Flachmänner drin verstecken, weil ich doch immer alle gern glücklich mache, glücklich mach ich alle.
Gestern ist es wieder passiert. Ich hab den Lackaffen zuerst gefoltert, weil er mich ausgelacht hat. Ich wär eine Versagerin, sagt der (jetzt haben Sie noch eine Spur), und meinen Scheiss will eh keiner, sagt der. Muss ich mir einen solchen Jargon bieten lassen? Und dann sagt der noch, die Leute stehen auf Blut und Scheiss und Krankes und Brutales. Das hab ich mir nicht zweimal sagen lassen und ihn mit der Bronzefigur auf dem Schreibtisch kurz angetippt, bis ich ihn gefesselt hatte.
Der hat gewinselt, gewinselt hat der, als ich ihm Hänsel und Gretel vorgelesen habe und bei jedem Absatz einen Fingernagel rausgezogen und dann bei lebendigem Leib Hautstreifen ... aber das wollen Sie sicher nicht so genau wissen, außer dass ich Hänsel und Gretel zwanzig Mal lesen musste, bis ich mit dem fertig war. Weil ich doch immer alle gern glücklich mache, glücklich mach ich alle.
Und jetzt mach ich Sie glücklich: Fassen Sie mich, bevor ich die nächste umbringe. Wieder so eine Tussi, die nichts Englisches mag, sagt sie. Wie wär’s mit einem Steak, werde ich sagen, englisch vielleicht? Weil ich doch immer alle gern glücklich mache, glücklich mach ich alle und jetzt auch die Polizei.
Mehmet warf der Chefin den Brief zurück und lachte lauthals. Die sah ihn fragend, bohrend und zerknirscht an und popelte im anderen Nasenloch.
„Der Fall ist doch klar wie Kloßbrühe!“
„Du meinst, das ist diese Schriftstellerin mit den blutleeren Whodunnits, die wir gestern sturzvoll aufgegriffen haben, nachdem ihr eine Lektorin abgesagt hatte, das Zeug sei zu englisch?“
Dirt Diggin’ Dog
diese Story steht unter verdammten Urheberrecht bei meinem Alter Ego Petra van Cronenburg, Verstöße werden blutig verfolgt.
Übereinstimmungen mit echten oder falschen Leichen, realen Nasenpopeln und Figuren sind rein zufällig. In diesem Film wurde kein Tier gequält.
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30. April 2010
Blutige Pläne und ein Geständnis
Ich gestehe ein heimliches Laster: Mein bis vor einiger Zeit noch exzessiver Genuss von gedruckten wie verfilmten Krimis muss eine seltsame, bis dahin unbeachtete Hirnregion stimuliert haben. Im Scanner leuchtet sie inzwischen sonnenuntergangsorange bis blutrot, auf dem Bildschirm des Arztes blinkt ein Warnsignal: "Verarbeitungszentrum für absurde Literatur". Seither bin ich nicht mehr diesselbe. Im Satireland Polen mit seinen herrlichen Zynismen ist es schlimmer geworden. Und wenn es mir schlecht geht, bekomme ich regelrecht Attacken.
Der Arzt riet mir zur Ventiltherapie und schickte mich in die Klinik von Lübbe. Dort entstand das schweinchenrosa Machwerk "TrennKost", mit dem ich der Welt ein für allemal klarmachen durfte, wie man eine Beziehung erfolgreich an die Wand fährt, selbst wenn man noch gar keine hat. Und weil während des Schreibens einer meiner Lieblingshunde verstarb, war ich schlecht genug drauf, absurd und satirisch schreiben zu können. Aber leider war es in Reihe geplant und nicht ganz so frei, wie sich mein seltsames Hirnareal das gewünscht hätte.
Zum Glück gab es ein Undercover-Double meiner selbst, das sich heimlich unter falschem Namen in zwielichtigen Kaschemmen herumtrieb und Dinger ausheckte, über die der Kaschemmenwirt einmal sagte: "Ich weiß nicht, was es ist, aber wenn ich diese Texte lese, habe ich den Eindruck, mit meinen Synapsen passiert was Komisches." Der Wirt wusste, wovon er redete, hatte er doch selbst einen Brüller geschrieben. Ich konnte bei den Miniaturen selbst nicht lachen, das kann ich nie. Meine Idee war aus dem Nachrichtenjournalismus entstanden: Beiträge, die 1:30 Minuten nicht überschritten, wenn man sie denn sendete. Wir wollen ja alle hoch hinaus in dieser schnellllllebigen Welt.
Im wahren Leben jedoch musste ich seriös, gebildet und vertrauenserweckend erscheinen. Nie hätte man mir sonst Kulturgeschichte, Geschichte und andere Intelligenzausbrüche abgenommen - zumal ich eine Frau war. Und so erfuhr auch keiner der Lektoren, die mich als zu intelligentes Weib ablehnten, dass mein Alter Ego als Mann unterwegs war, mit Trash, absolutem Trash. Spätestens hier ahnt der aufmerksame Leser: das kann auf Dauer nicht gut gehen. Mein Animus lehnte sich auf. Mein Areal aus Absurdistan blubberte spontan und ungefragt in den ernsthaftesten Situationen hoch.
Ich habe alles versucht. Bin in eine Autorenselbsthilfegruppe und wusste nicht, mit welchem Namen ich mich vorstellen sollte. Jemand riet mir, mich mit James N. Frey zu befreien und endlich einen verdammt guten Roman zu schreiben. Ein anderer fragte, ob ich mir die Beine rasieren würde. Mir fiel dazu nur ein, dass ich Angst vor Schneidwerkzeugen hätte, weil ich dann immer abbe Beine, Arme und Finger vor mir sehe. Und einer beging den Fehler und sagte: Du, Krimis sind Trend!
Mein armer Agent hat dann erfahren müssen, wie das ist, wenn eine Autorin sich nicht gern mit Rasierklingen die Zehen abschnippelt, aber bei kuddelfressenden Kommissaren und Leichen auf dem Komposthaufen kein Pardon kennt. 160 Seiten lang hat er eine Serienidee ertragen müssen, die ihn offensichtlich genügend zum Schmunzeln anregte, dass er sie in diesem Rohstadium schon anbot. Tja, was soll ich sagen. Es kam, was kommen musste. Gut fanden sie das schon, die Lektorinnen, aber nicht verkäuflich. Wer will um Himmels willen bei einem Krimi lachen? Wer hat schon Spaß an skurrilen Gestalten in ländlich abartigen Gegenden? Der Barnaby, der darf das, aber das ist Fernsehen. Englisches Fernsehen. Wir sind Buch. Mehr Blut bitte, Madame!
Madame zog das Ding zurück, bevor es womöglich noch einen interessieren konnte. Weil es wieder im Hirn blubberte. Die Lektorinnen hatten allesamt recht, das war alles noch nicht krank und abartig genug. Jetzt war die Zeit fürs ganz große Verbrechen gekommen. In einem Alter, in dem Frauen auch noch der Damenbart sprießt, ließ sie den Kaschemmentyp vollends von der Leine. Seit gestern zeigt der Kerl den Weibern wieder, wo's langgeht. Seit gestern ermitteln wieder unfähige, gestörte oder sonstwie depperte Kommissarinnen und überführen sich manchmal selbst.
Und dann ist es passiert. Großmeister Hitchcock, von mir lebenslänglich hoch verehrt, derzeit überall in Retrospektive, hat es klingeln lassen. Und dieser üble Hund und Möchtegernschreiber, garantiert nicht verkäuflich mit verlagsseitigem Prüfsiegel, hat die Idee, seine dunkle Seite nun öffentlich auszuleben. Noch vertieft sich der Hund in die modernen technischen Möglichkeiten, 1:30er nicht verfilmen zu müssen oder doch (wer meldet sich freiwillig als Darsteller?). Und das könnte üble Folgen haben: Bei Anruf Mord.
Die gesittete Dame in mir bedankt sich bei dem, der von Anfang an an das mordende Schwein geglaubt hat, mit einem Knicks: beim Kaschemmenwirt. Lang hat's gedauert, bis der Werwolf sich entpuppte, neun Jahre lang. Manche Männer kommen eben langsam, aber heftig...
Damit ist meine Weltbild-Glosse besonders süffisant geworden, ich bin sicher, man bekommt mich dort auch für einen Euro!
Kauft lieber "Das Buch der Rose" und "Elsass", da hab ich selbst etwas davon und die jeweiligen Verlage pflegen sowohl Autoren wie Bücher!
Der Arzt riet mir zur Ventiltherapie und schickte mich in die Klinik von Lübbe. Dort entstand das schweinchenrosa Machwerk "TrennKost", mit dem ich der Welt ein für allemal klarmachen durfte, wie man eine Beziehung erfolgreich an die Wand fährt, selbst wenn man noch gar keine hat. Und weil während des Schreibens einer meiner Lieblingshunde verstarb, war ich schlecht genug drauf, absurd und satirisch schreiben zu können. Aber leider war es in Reihe geplant und nicht ganz so frei, wie sich mein seltsames Hirnareal das gewünscht hätte.
Zum Glück gab es ein Undercover-Double meiner selbst, das sich heimlich unter falschem Namen in zwielichtigen Kaschemmen herumtrieb und Dinger ausheckte, über die der Kaschemmenwirt einmal sagte: "Ich weiß nicht, was es ist, aber wenn ich diese Texte lese, habe ich den Eindruck, mit meinen Synapsen passiert was Komisches." Der Wirt wusste, wovon er redete, hatte er doch selbst einen Brüller geschrieben. Ich konnte bei den Miniaturen selbst nicht lachen, das kann ich nie. Meine Idee war aus dem Nachrichtenjournalismus entstanden: Beiträge, die 1:30 Minuten nicht überschritten, wenn man sie denn sendete. Wir wollen ja alle hoch hinaus in dieser schnellllllebigen Welt.
Im wahren Leben jedoch musste ich seriös, gebildet und vertrauenserweckend erscheinen. Nie hätte man mir sonst Kulturgeschichte, Geschichte und andere Intelligenzausbrüche abgenommen - zumal ich eine Frau war. Und so erfuhr auch keiner der Lektoren, die mich als zu intelligentes Weib ablehnten, dass mein Alter Ego als Mann unterwegs war, mit Trash, absolutem Trash. Spätestens hier ahnt der aufmerksame Leser: das kann auf Dauer nicht gut gehen. Mein Animus lehnte sich auf. Mein Areal aus Absurdistan blubberte spontan und ungefragt in den ernsthaftesten Situationen hoch.
Ich habe alles versucht. Bin in eine Autorenselbsthilfegruppe und wusste nicht, mit welchem Namen ich mich vorstellen sollte. Jemand riet mir, mich mit James N. Frey zu befreien und endlich einen verdammt guten Roman zu schreiben. Ein anderer fragte, ob ich mir die Beine rasieren würde. Mir fiel dazu nur ein, dass ich Angst vor Schneidwerkzeugen hätte, weil ich dann immer abbe Beine, Arme und Finger vor mir sehe. Und einer beging den Fehler und sagte: Du, Krimis sind Trend!
Mein armer Agent hat dann erfahren müssen, wie das ist, wenn eine Autorin sich nicht gern mit Rasierklingen die Zehen abschnippelt, aber bei kuddelfressenden Kommissaren und Leichen auf dem Komposthaufen kein Pardon kennt. 160 Seiten lang hat er eine Serienidee ertragen müssen, die ihn offensichtlich genügend zum Schmunzeln anregte, dass er sie in diesem Rohstadium schon anbot. Tja, was soll ich sagen. Es kam, was kommen musste. Gut fanden sie das schon, die Lektorinnen, aber nicht verkäuflich. Wer will um Himmels willen bei einem Krimi lachen? Wer hat schon Spaß an skurrilen Gestalten in ländlich abartigen Gegenden? Der Barnaby, der darf das, aber das ist Fernsehen. Englisches Fernsehen. Wir sind Buch. Mehr Blut bitte, Madame!
Madame zog das Ding zurück, bevor es womöglich noch einen interessieren konnte. Weil es wieder im Hirn blubberte. Die Lektorinnen hatten allesamt recht, das war alles noch nicht krank und abartig genug. Jetzt war die Zeit fürs ganz große Verbrechen gekommen. In einem Alter, in dem Frauen auch noch der Damenbart sprießt, ließ sie den Kaschemmentyp vollends von der Leine. Seit gestern zeigt der Kerl den Weibern wieder, wo's langgeht. Seit gestern ermitteln wieder unfähige, gestörte oder sonstwie depperte Kommissarinnen und überführen sich manchmal selbst.
Und dann ist es passiert. Großmeister Hitchcock, von mir lebenslänglich hoch verehrt, derzeit überall in Retrospektive, hat es klingeln lassen. Und dieser üble Hund und Möchtegernschreiber, garantiert nicht verkäuflich mit verlagsseitigem Prüfsiegel, hat die Idee, seine dunkle Seite nun öffentlich auszuleben. Noch vertieft sich der Hund in die modernen technischen Möglichkeiten, 1:30er nicht verfilmen zu müssen oder doch (wer meldet sich freiwillig als Darsteller?). Und das könnte üble Folgen haben: Bei Anruf Mord.
Die gesittete Dame in mir bedankt sich bei dem, der von Anfang an an das mordende Schwein geglaubt hat, mit einem Knicks: beim Kaschemmenwirt. Lang hat's gedauert, bis der Werwolf sich entpuppte, neun Jahre lang. Manche Männer kommen eben langsam, aber heftig...
update:
Ein Link zu "Trennkost" bei Lübbe ist unmöglich. Zuest wunderte ich mich nur, dass es in der Suchmaschine des Verlags nicht auftaucht. Dann recherchierte ich und fand das Buch plötzlich überall zum Ramschpreis. Von einer Verramschung bin ich nie informiert worden (ad Verwünschungen), obwohl das Usus ist. Mir war nur durch Medienberichte bekannt, dass der Verlag zu seinem alten Heftchennamen "bastei-lübbe" zurückkehrt und das Verlagsprogramm passend dazu umstellen will.Damit ist meine Weltbild-Glosse besonders süffisant geworden, ich bin sicher, man bekommt mich dort auch für einen Euro!
Kauft lieber "Das Buch der Rose" und "Elsass", da hab ich selbst etwas davon und die jeweiligen Verlage pflegen sowohl Autoren wie Bücher!
29. April 2010
Ich verwünsche...
Dieser Beitrag ist für Zuschauer unter 12 Jahren ebenso wenig geeignet wie für herzkranke Zuschauer über 80 und Autorenkollegen mit Gefährdung in Sachen Depression oder Nervenzusammenbruch.
Heute ist so ein Tag.
Eigentlich habe ich seit Wochen meine Nerven im Griff, auch die Magenbeschwerden ausgeheilt, habe brav geschluckt, viel zu viel geschluckt, und bin immer freundlich geblieben. Ich hatte mich auch heute morgen noch im Griff. Heute mittag kam der Brief einer französischen Behörde, die sich für besonders verschränkte Intelligenz auszeichnet, in dem sinngemäß stand:
"Sie haben eine Abrechnung aus Berlin vorgelegt. Bitte füllen Sie Sonderformular KRKX0815 007 aus, weil Sie Ihrer Arbeit in der Schweiz nachgehen. Wir werden überprüfen, ob die Schweiz anteilig für Sozialkosten aufkommen muss, weil Sie außerhalb der EU..."
Ich ahne jetzt langsam, wie die Sache mit den Schweizer CDs zustande kommt. Berlin, die neue Alpenprovinz!
Das war der eine Tropfen zuviel. Und deshalb will ich heute ganz allgemein und stellvertretend für alle, die ich in der Vergangenheit vergessen habe und die in der Zukunft noch nachfolgen werden, folgendes tun: Ich verwünsche! Die Reihenfolge ist zufällig...
Ich verwünsche persönliche Assistentinnen, bei denen Rechnungen grundsätzlich angeblich nicht ankommen, damit der Chef länger mit Fremdgeldern arbeiten kann. Ich verwünsche Menschen, die glauben, Selbstständige könnten auch ein halbes Jahr nach Zahltermin noch etwas mit Honoraren anfangen. Ich verwünsche Menschen, bei denen jede blödsinnige Nachricht durchkommt, aber relevante Anrufe, Mails und Schneckenpost in einem geheimnisvollen Schwarzen Loch verschwinden. Ich verwünsche "Firmenabwickler", denen alles sch...egal ist. Ich verwünsche Menschen, die Projekte blockieren, indem sie in Schweigestellung gehen. Ich verwünsche Behörden, die einen für jede ordentliche Deklaration mit Dummfug bestrafen. Ich verwünsche Menschen, die extrem wichtige geschäftliche Fragen auf dem Handy kurz anhören und dann stumm wegdrücken. Ich verwünsche Firmenangestellte, die nach elenden Versäumnissen ihrerseits auch noch pampig werden. Ich verwünsche Menschen, die einen zum Anwalt zwingen, obwohl ein Gespräch billiger wäre.
Wozu ich verwünsche? Dass all das, was sie in Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit oder planvoller Absicht tun, eines Tages auf sie zurückfällt.
So, jetzt geht es mir endlich besser. Wut und Aggression sind nun so mächtig fokussiert, dass ich daraus eine kreative Waffe machen kann. Ich bin zum Schlimmsten bereit: Ich schreibe ein Buch.
Danke fürs Zuschauen. Und falls wieder einmal einer meint, ich sei ein elendiger Jammerbeutel, Schriftstellern gehe es doch gold, wenn sie den ganzen Tag am Pool liegen - dem empfehle ich die Lektüre eines hammerharten Erlebnisses, das die Krimiautorin Inge Löhnig aushalten musste! Sie hat sich mutig, besonnen und tapfer behauptet - aber mir läuft es kalt über den Rücken, wenn ich mir vorstelle, dass das Erlebnis echt und kein Thriller-Plot war.
Heute ist so ein Tag.
Eigentlich habe ich seit Wochen meine Nerven im Griff, auch die Magenbeschwerden ausgeheilt, habe brav geschluckt, viel zu viel geschluckt, und bin immer freundlich geblieben. Ich hatte mich auch heute morgen noch im Griff. Heute mittag kam der Brief einer französischen Behörde, die sich für besonders verschränkte Intelligenz auszeichnet, in dem sinngemäß stand:
"Sie haben eine Abrechnung aus Berlin vorgelegt. Bitte füllen Sie Sonderformular KRKX0815 007 aus, weil Sie Ihrer Arbeit in der Schweiz nachgehen. Wir werden überprüfen, ob die Schweiz anteilig für Sozialkosten aufkommen muss, weil Sie außerhalb der EU..."
Ich ahne jetzt langsam, wie die Sache mit den Schweizer CDs zustande kommt. Berlin, die neue Alpenprovinz!
Das war der eine Tropfen zuviel. Und deshalb will ich heute ganz allgemein und stellvertretend für alle, die ich in der Vergangenheit vergessen habe und die in der Zukunft noch nachfolgen werden, folgendes tun: Ich verwünsche! Die Reihenfolge ist zufällig...
Ich verwünsche persönliche Assistentinnen, bei denen Rechnungen grundsätzlich angeblich nicht ankommen, damit der Chef länger mit Fremdgeldern arbeiten kann. Ich verwünsche Menschen, die glauben, Selbstständige könnten auch ein halbes Jahr nach Zahltermin noch etwas mit Honoraren anfangen. Ich verwünsche Menschen, bei denen jede blödsinnige Nachricht durchkommt, aber relevante Anrufe, Mails und Schneckenpost in einem geheimnisvollen Schwarzen Loch verschwinden. Ich verwünsche "Firmenabwickler", denen alles sch...egal ist. Ich verwünsche Menschen, die Projekte blockieren, indem sie in Schweigestellung gehen. Ich verwünsche Behörden, die einen für jede ordentliche Deklaration mit Dummfug bestrafen. Ich verwünsche Menschen, die extrem wichtige geschäftliche Fragen auf dem Handy kurz anhören und dann stumm wegdrücken. Ich verwünsche Firmenangestellte, die nach elenden Versäumnissen ihrerseits auch noch pampig werden. Ich verwünsche Menschen, die einen zum Anwalt zwingen, obwohl ein Gespräch billiger wäre.
Wozu ich verwünsche? Dass all das, was sie in Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit oder planvoller Absicht tun, eines Tages auf sie zurückfällt.
So, jetzt geht es mir endlich besser. Wut und Aggression sind nun so mächtig fokussiert, dass ich daraus eine kreative Waffe machen kann. Ich bin zum Schlimmsten bereit: Ich schreibe ein Buch.
Danke fürs Zuschauen. Und falls wieder einmal einer meint, ich sei ein elendiger Jammerbeutel, Schriftstellern gehe es doch gold, wenn sie den ganzen Tag am Pool liegen - dem empfehle ich die Lektüre eines hammerharten Erlebnisses, das die Krimiautorin Inge Löhnig aushalten musste! Sie hat sich mutig, besonnen und tapfer behauptet - aber mir läuft es kalt über den Rücken, wenn ich mir vorstelle, dass das Erlebnis echt und kein Thriller-Plot war.
28. April 2010
Aus der Übersetzerküche
Heute bin ich ganztags Literaturübersetzerin. Und hatte gleich an einer besonders netten Praline zu beißen, die schön veranschaulicht, was Übersetzungen vermitteln müssen.
Diesmal schrieb ein gewisser Raymond Roussel, selbstverständlich auf Französisch, der in den 1930ern eigens eine Lesemaschine entworfen hatte, damit man seinen irrsinnig verschachtelten und verqueren Wortspielen mit Klängen folgen konnte. Leider hat er keine Übersetzungsmaschien dazugeliefert.
Das ging dann ungefähr so:
Originalsatz:
Napoléon premier empereur...
Napoleon, der erste Kaiser...
Daraus macht Roussel eine Umschrift, die sich an den ausgesprochenen Klängen orientiert. Wer Französisch in Klang und Schrift kennt, weiß um Lernfreuden von Menschen aus exakten phonetischen Sprachen wie dem Deutschen: Das Zeug klingt völlig anders, als es geschrieben wird.
Bei Roussel wird aus obigem Fragment:
Nappe ollé ombre miettes hampe air heure
Das geht im Deutschen so nicht. Außer im Dialekt gleichen sich Klangbild und Schreibweise ziemlich. Was tut man als Übersetzer?
Zuerst analysiert man, was Roussel da macht. Er findet nämlich nicht nur eine reine Klangsprache, sondern bildet aus scheinbarem Unsinn wirklich existierende Wörter. Sein Unsinn hieße, 1:1 übersetzt: "Tischdecke, olé, Schatten, Krümel, Schaft, Luft, Stunde."
Würde man dieses Krümel von Napoleon so übersetzen, wäre aber die Luft raus! Denn Roussel versetzt obendrein Wortgrenzen, scheinbar fließend. Scheinbar, denn bei den "miettes", den Krümeln, stimmt die Sache mit dem Klang gar nicht mehr. Das kleine Krümel Napoleon hat etwas...
Also geht es nicht darum, die Wörter nur zu übertragen, es muss im Deutschen "nachgespielt" werden, was Roussel spielt, um ebenfalls scheinbaren Un-Sinn zu produzieren. Wie aber macht man das, wenn doch das Deutsche so geschrieben wird, wie es klingt?
Das Verschieben der Wortgrenzen brachte mich auf eine erste Lösung: Man kann durchaus ähnliche Klänge im Deutschen unterschiedlich schreiben. Napoleon, der erste Kaiser, wird im Entwurf zu:
Napo Leon därrär steh Kai sehr.
Dann fängt das Überlegen an. Mache ich aus dem "därrär" ein "derer"? Wie viel Klangspiel brauche ich? Und was mache ich mit dem Krümel? Ein "dürrer"? Dann hätte ich den Klangbruch und etwas, das man übersehen könnte. Wenn auch in der Breite. Der Text wird erst einmal weggelegt und später durchdacht.
Normalerweise erfindet man natürlich bei solchen Fragmenten nicht das Rad neu. Roussel liegt in älteren Übersetzungen vor. In der Regel besorgt dann der Verlag die jeweiligen Abdruckrechte. Dumm nur, dass mein Autor bei seinen Kleinzitaten nicht die genaue Quelle nennt - es geht also schneller, das selbst zu machen.
Für die aufwändigen Literaturfragmente darf ich ab nächster Woche auf einen ganz besonderen Luxus zurückgreifen. Ein Verlagspraktikant aus Paris wird für mich die schlimmsten Passagen in Bibliotheken zusammensuchen. Wobei ich ahne, dass einige Werke, allen voran die endlosen Briefsammlungen, nie übersetzt worden sind. Trotzdem hilft es sehr, wenn ich mich bei den bekannten Texten und der Lyrik nicht blamieren muss!
Weil so viele immer wieder auf Verlage schimpfen: Auch solche Verlage gibt es, die sich die Qualität ihrer Bücher einiges kosten lassen und auf Sorgfalt und Recherche Wert legen. Da macht das Arbeiten noch mal so viel Spaß, weil so viele Menschen daran arbeiten, ein rundum gutes Buch zu produzieren.
Lesetipp:
Der Freitag "Die unbesungenen Helden" - warum Übersetzer mehr Anerkennung verdienen
Diesmal schrieb ein gewisser Raymond Roussel, selbstverständlich auf Französisch, der in den 1930ern eigens eine Lesemaschine entworfen hatte, damit man seinen irrsinnig verschachtelten und verqueren Wortspielen mit Klängen folgen konnte. Leider hat er keine Übersetzungsmaschien dazugeliefert.
Das ging dann ungefähr so:
Originalsatz:
Napoléon premier empereur...
Napoleon, der erste Kaiser...
Daraus macht Roussel eine Umschrift, die sich an den ausgesprochenen Klängen orientiert. Wer Französisch in Klang und Schrift kennt, weiß um Lernfreuden von Menschen aus exakten phonetischen Sprachen wie dem Deutschen: Das Zeug klingt völlig anders, als es geschrieben wird.
Bei Roussel wird aus obigem Fragment:
Nappe ollé ombre miettes hampe air heure
Das geht im Deutschen so nicht. Außer im Dialekt gleichen sich Klangbild und Schreibweise ziemlich. Was tut man als Übersetzer?
Zuerst analysiert man, was Roussel da macht. Er findet nämlich nicht nur eine reine Klangsprache, sondern bildet aus scheinbarem Unsinn wirklich existierende Wörter. Sein Unsinn hieße, 1:1 übersetzt: "Tischdecke, olé, Schatten, Krümel, Schaft, Luft, Stunde."
Würde man dieses Krümel von Napoleon so übersetzen, wäre aber die Luft raus! Denn Roussel versetzt obendrein Wortgrenzen, scheinbar fließend. Scheinbar, denn bei den "miettes", den Krümeln, stimmt die Sache mit dem Klang gar nicht mehr. Das kleine Krümel Napoleon hat etwas...
Also geht es nicht darum, die Wörter nur zu übertragen, es muss im Deutschen "nachgespielt" werden, was Roussel spielt, um ebenfalls scheinbaren Un-Sinn zu produzieren. Wie aber macht man das, wenn doch das Deutsche so geschrieben wird, wie es klingt?
Das Verschieben der Wortgrenzen brachte mich auf eine erste Lösung: Man kann durchaus ähnliche Klänge im Deutschen unterschiedlich schreiben. Napoleon, der erste Kaiser, wird im Entwurf zu:
Napo Leon därrär steh Kai sehr.
Dann fängt das Überlegen an. Mache ich aus dem "därrär" ein "derer"? Wie viel Klangspiel brauche ich? Und was mache ich mit dem Krümel? Ein "dürrer"? Dann hätte ich den Klangbruch und etwas, das man übersehen könnte. Wenn auch in der Breite. Der Text wird erst einmal weggelegt und später durchdacht.
Normalerweise erfindet man natürlich bei solchen Fragmenten nicht das Rad neu. Roussel liegt in älteren Übersetzungen vor. In der Regel besorgt dann der Verlag die jeweiligen Abdruckrechte. Dumm nur, dass mein Autor bei seinen Kleinzitaten nicht die genaue Quelle nennt - es geht also schneller, das selbst zu machen.
Für die aufwändigen Literaturfragmente darf ich ab nächster Woche auf einen ganz besonderen Luxus zurückgreifen. Ein Verlagspraktikant aus Paris wird für mich die schlimmsten Passagen in Bibliotheken zusammensuchen. Wobei ich ahne, dass einige Werke, allen voran die endlosen Briefsammlungen, nie übersetzt worden sind. Trotzdem hilft es sehr, wenn ich mich bei den bekannten Texten und der Lyrik nicht blamieren muss!
Weil so viele immer wieder auf Verlage schimpfen: Auch solche Verlage gibt es, die sich die Qualität ihrer Bücher einiges kosten lassen und auf Sorgfalt und Recherche Wert legen. Da macht das Arbeiten noch mal so viel Spaß, weil so viele Menschen daran arbeiten, ein rundum gutes Buch zu produzieren.
Lesetipp:
Der Freitag "Die unbesungenen Helden" - warum Übersetzer mehr Anerkennung verdienen
Die hohe Kunst der Improvisation
Zu meiner Glosse "Schrottschreiber" hat Heinrich einen Kommentar geschrieben, der mich lange hat nachdenken lassen - weniger über den Umbruch im Buchmarkt, den wir gerade "in Echtzeit" erleben, sondern über die Ängste und Lähmungen der Beteiligten.
In seinem Kommentar schreibt er über das Beispiel der Tante-Emma-Läden. Da musste ich schmunzeln, weil ich mich selbst beim Altsein ertappte. Ich habe sie nämlich nicht nur erlebt, sondern als Zeitungsvolontärin zusammen mit einem Berufsfotografen eine ausführliche Reportagenserie erarbeiten dürfen: über die letzten Tante-Emma-Läden der Auflagen-Region. Das war Journalismus, wie man ihn sich träumt. Eine Woche Zeit für einen Laden, für die persönlichen Gespräche, die Hintergrundrecherche. Zeit für Menschenschicksale, Ängste und Hoffnungen, die in diesen Fällen immer existentiell waren. Was haben wir auf diesen Reisen gelernt!
Wenn ich in diesem Zusammenhang von "Alter" spreche (das für mich immer relativ ist), dann will ich damit sagen: Ich habe schon so viele Tode gesehen. Nicht lange nach Erscheinen der Artikelserie hatten die meisten Läden für immer zugemacht. Und so manche Inhaberin fand sich als Fachverkäuferin in einem Großmarkt wieder. Irgendwann kam der Tod der zeitungseigenen Berufsfotografen dazu. Laien klickten billiger und billiger und heute stammt so manches Foto auch schon aus kostenfreien Datenbanken. Dann erlebte ich den Tod dieser Art von Journalismus in Regionalzeitungen. Kaum eines der Blätter, für die ich damals arbeitete, bezahlt noch aufwändige Recherchen oder Artikel, die man nicht in einer halben Stunde herunterrotzt. Düstere Seher prophezeien heute sogar das Ende des Printjournalimus.
Dabei haben wir "Alten" (die auch keiner mehr einstellen würde, weil zu alt) bereits eine deftige Medienkrise überlebt. Manche Spitzenleute sind Weinhändler geworden, überraschend viele sogar; andere ließen sich als Pressesprecher gut bezahlen oder gingen in PR und Werbung. Ich bin eine von denen, die sich ans Hirn langt, wenn man lachhaftes Honorar und Buy-out-Verträge für einen Text anbietet, der woanders das Vielfache einbringt. Wir haben das alles überlebt. Und zumindest im Herzen sind die meisten dieser "Abtrünnigen" immer noch Journalisten, schreiben journalistisch.
Ich glaube, wir sind heutzutage und hier im Westen unendlich verwöhnt. Wir jammern auf höchstem Niveau, machen Schulden für Häuser und Autos, bauen uns medial ein Potpourri von Ängsten auf, das selbst der Alp in Horror fliehen würde. Mit Pantoffeln an den Füßen lassen wir die Welt an uns vorüberziehen, die uns ja ach so orientierungslos macht, ach so bitter feindlich geworden sei. Anstatt uns einfach mal hineinzustürzen, ins Leben.
Ich finde, es tut gut, in solchen Momenten der Eigenlähmung still zu sein und rückwärts zu schauen. Der Mensch ist nämlich ein äußerst robustes Geziefer, vielleicht nicht ganz so geschickt wie ein Virus, aber für seine unvollkommene Art recht überlebensfähig. Sehr sogar, wenn man bedenkt, dass er sich im Gegensatz zur Tierwelt Dummheit leisten kann. Als ich ein Kind war, traf ich alte Damen, die mich vollkommen in den Bann schlugen. Sie hatten eine unerschütterliche Kraft und Gelassenheit, die ich bewunderte. Erst später ging mir auf, dass diese Frauen - zumindest durch ihre Elterngeneration - drei große Kriege (inkl. 1870er) überlebt und über drei Perioden des Wahnsinns Menschlichkeit bewahrt hatten. Und da ging mir auf, was sie den anderen voraus hatten: Sie machten aus jeder Situation das Beste. In einer für mich schier unverständlichen Art haderten sie nie mit den Umständen - sie "wurschtelten" sich durch.
Als ich in einer Zeit, in der man in Deutschland die "Faxweiche" verbreitete, nach Polen ging, erlebte ich Improvisationskunst von einer neuen Seite. An widrigen Umständen schärfte man seinen Zynismus; Satire und absurde Literatur standen in voller Blüte, nur der Alltag schien einem überall feindlich gesinnt. Betonköpfe auf Behörden, die schon unter Stalin gedient hatten, waren nur das sichtbarste Problem. Die Relativität von Problemen ging mir dagegen an einem Kulturschock auf.
Wir lebten im Haus eines privilegierten Vermieters, der eine Telefonleitung hatte. Daran hing ein billiges, quietscherotes Plastiktelefon aus der Volksrepublik China, das nur bei schönem Wetter funktionierte. Und wenn wieder einmal irgendwelche Banden aus noch ärmeren und sehr verzweifelten Ländern die Kupferkabel gestohlen hatten, um sie in Wodka einzutauschen, ging das Telefon eben gar nicht. Man lebte damit, machte Witze, dass man wieder einem einen Vollrausch des Vergessens spendiert habe, man wusste, wie man Freunde und Geschäftspartner erreicht. Vor den Telefonzellen lernte man Leute kennen, die ähnlich absurde Telefonprobleme erlebt hatten.
Nein, der Kulturschock kam erst auf einer Urlaubsreise in den Westen. Plötzlich redete dort alles von "Faxweichen" und dem Wunder, neben Ton nun plötzlich privat auch Text empfangen zu können - und wer weiß, bald vielleicht auch Bilder! Plötzlich stockten die Gespräche, weil man nicht mehr vermitteln konnte, warum ein Leben mit gestörten Telefonen ganz witzig sein kann und vor allem erfinderisch macht. Vor allem letzteres... Zurück in Polen wurde ich nämlich stolze Benutzerin eines elend schweren Apparats mit langen, stachligen Antennen, den man entweder an der Steckdose oder im Zigarettenanzünder anschließen musste. Und höllisch bewachen obendrein.
Entwickelt worden war das Ding aus womöglich amerikanischen Autotelefonen der ganz Reichen. Die Idee dahinter war einfach: wenn Leitungen geklaut werden, versieht man sich mit Telefonen ohne Kabel. Und so erlebte ich in einem Land, über dessen "Fortschritt" der Westen damals die Nase rümpfte, nicht nur die erste flächendeckende Versorgung mit Handys (viele übersprangen gleich die Phase vom Festnetz), sondern konnte mir in den wie Pilze aus dem Boden sprießenden japanischen und amerikanischen Computerläden Geräte kaufen, die meine Freunde im Westen noch nie gesehen hatten.
Was das mit dem Buchmarkt zu tun hat? Mit dem Schreiben?
Wir jammern heute endlos, wenn uns einer mal wieder das Kabel geklaut hat (ich nehme mich da nicht aus). Wir sehen uns am Ende einer fatalen Schicksalskette, die sich gegen uns verschworen zu haben scheint. Manchmal hat man ein Brett vor dem Kopf.
Anstatt sich klar zu machen, dass Verlage oder Buchhandel in der jetzigen Form sehr neue Erfindungen sind. Das Erzählen von Geschichten, das Bedürfnis nach guten Geschichten ist jedoch noch älter und stärker als die alten Damen, die drei Kriege erlebt hatten. Es ist so alt wie unsere Sprache und wahrscheinlich eine der größten kulturellen Errungenschaften menschlicher Entwicklung. Erzählen schafft Identität, macht den Menschen zu einem Ich. Erzählen ist Kommunikation, ermöglicht sozialen Austausch. Erzählen hilft beim Überleben; Erzählen kann bewahren, aber auch hinterfragen und reflektieren. Kann es Menschen geben ohne Erzählen?
Deshalb wandelt sich das Erzählen durch die Zeiten in seinen Inhalten und Formen. Zur steinzeitlichen Performance am Lagerfeuer kamen später tonnenschwere Keilschrift-Bibliotheken, Erzählungen im verschnörkelten Gänsefederduktus, mit Bildern, aus Ton, aus Schrift oder nur aus Bildern. Und wenn wir uns heute über die Sensationsgier der Medien aufregen, entspringen auch diese eigentlich der urtümlichen Begierde des Menschen, Dinge zu benennen und weiterzutratschen, um dahinter Normalität zu definieren.
Irgendwann haben wir eine Art Begierde nach Sicherheit entwickelt und unser Erzählen mit zuarbeitenden und stützenden Strukturen umgeben. Wir haben unliebsame Arbeiten ausgelagert und anderen das Risiko übertragen. Mancher wird dann von dieser Sicherheitssucht erstickt. Manchen Autoren bleibt gar das Erzählen im Halse stecken, weil sie schon vor den ersten Gedankenbildern fremde Scheren im Kopf ansetzen. Aber ich bin mir sicher, dass es auch heute wieder irgendwo eine Art "Polen" gibt, wo die Leute die Köpfe schütteln und fragen: "Warum erzählen die nicht einfach, statt zu jammern?" Vielleicht überspringt man in jenem scheinbaren Chaos wieder ein Festnetz und baut lustige Höllenapparate, weil man bis zur Erfindung des Handys mit dem Erzählen nicht aufhören will?
In seinem Kommentar schreibt er über das Beispiel der Tante-Emma-Läden. Da musste ich schmunzeln, weil ich mich selbst beim Altsein ertappte. Ich habe sie nämlich nicht nur erlebt, sondern als Zeitungsvolontärin zusammen mit einem Berufsfotografen eine ausführliche Reportagenserie erarbeiten dürfen: über die letzten Tante-Emma-Läden der Auflagen-Region. Das war Journalismus, wie man ihn sich träumt. Eine Woche Zeit für einen Laden, für die persönlichen Gespräche, die Hintergrundrecherche. Zeit für Menschenschicksale, Ängste und Hoffnungen, die in diesen Fällen immer existentiell waren. Was haben wir auf diesen Reisen gelernt!
Wenn ich in diesem Zusammenhang von "Alter" spreche (das für mich immer relativ ist), dann will ich damit sagen: Ich habe schon so viele Tode gesehen. Nicht lange nach Erscheinen der Artikelserie hatten die meisten Läden für immer zugemacht. Und so manche Inhaberin fand sich als Fachverkäuferin in einem Großmarkt wieder. Irgendwann kam der Tod der zeitungseigenen Berufsfotografen dazu. Laien klickten billiger und billiger und heute stammt so manches Foto auch schon aus kostenfreien Datenbanken. Dann erlebte ich den Tod dieser Art von Journalismus in Regionalzeitungen. Kaum eines der Blätter, für die ich damals arbeitete, bezahlt noch aufwändige Recherchen oder Artikel, die man nicht in einer halben Stunde herunterrotzt. Düstere Seher prophezeien heute sogar das Ende des Printjournalimus.
Dabei haben wir "Alten" (die auch keiner mehr einstellen würde, weil zu alt) bereits eine deftige Medienkrise überlebt. Manche Spitzenleute sind Weinhändler geworden, überraschend viele sogar; andere ließen sich als Pressesprecher gut bezahlen oder gingen in PR und Werbung. Ich bin eine von denen, die sich ans Hirn langt, wenn man lachhaftes Honorar und Buy-out-Verträge für einen Text anbietet, der woanders das Vielfache einbringt. Wir haben das alles überlebt. Und zumindest im Herzen sind die meisten dieser "Abtrünnigen" immer noch Journalisten, schreiben journalistisch.
Ich glaube, wir sind heutzutage und hier im Westen unendlich verwöhnt. Wir jammern auf höchstem Niveau, machen Schulden für Häuser und Autos, bauen uns medial ein Potpourri von Ängsten auf, das selbst der Alp in Horror fliehen würde. Mit Pantoffeln an den Füßen lassen wir die Welt an uns vorüberziehen, die uns ja ach so orientierungslos macht, ach so bitter feindlich geworden sei. Anstatt uns einfach mal hineinzustürzen, ins Leben.
Ich finde, es tut gut, in solchen Momenten der Eigenlähmung still zu sein und rückwärts zu schauen. Der Mensch ist nämlich ein äußerst robustes Geziefer, vielleicht nicht ganz so geschickt wie ein Virus, aber für seine unvollkommene Art recht überlebensfähig. Sehr sogar, wenn man bedenkt, dass er sich im Gegensatz zur Tierwelt Dummheit leisten kann. Als ich ein Kind war, traf ich alte Damen, die mich vollkommen in den Bann schlugen. Sie hatten eine unerschütterliche Kraft und Gelassenheit, die ich bewunderte. Erst später ging mir auf, dass diese Frauen - zumindest durch ihre Elterngeneration - drei große Kriege (inkl. 1870er) überlebt und über drei Perioden des Wahnsinns Menschlichkeit bewahrt hatten. Und da ging mir auf, was sie den anderen voraus hatten: Sie machten aus jeder Situation das Beste. In einer für mich schier unverständlichen Art haderten sie nie mit den Umständen - sie "wurschtelten" sich durch.
Als ich in einer Zeit, in der man in Deutschland die "Faxweiche" verbreitete, nach Polen ging, erlebte ich Improvisationskunst von einer neuen Seite. An widrigen Umständen schärfte man seinen Zynismus; Satire und absurde Literatur standen in voller Blüte, nur der Alltag schien einem überall feindlich gesinnt. Betonköpfe auf Behörden, die schon unter Stalin gedient hatten, waren nur das sichtbarste Problem. Die Relativität von Problemen ging mir dagegen an einem Kulturschock auf.
Wir lebten im Haus eines privilegierten Vermieters, der eine Telefonleitung hatte. Daran hing ein billiges, quietscherotes Plastiktelefon aus der Volksrepublik China, das nur bei schönem Wetter funktionierte. Und wenn wieder einmal irgendwelche Banden aus noch ärmeren und sehr verzweifelten Ländern die Kupferkabel gestohlen hatten, um sie in Wodka einzutauschen, ging das Telefon eben gar nicht. Man lebte damit, machte Witze, dass man wieder einem einen Vollrausch des Vergessens spendiert habe, man wusste, wie man Freunde und Geschäftspartner erreicht. Vor den Telefonzellen lernte man Leute kennen, die ähnlich absurde Telefonprobleme erlebt hatten.
Nein, der Kulturschock kam erst auf einer Urlaubsreise in den Westen. Plötzlich redete dort alles von "Faxweichen" und dem Wunder, neben Ton nun plötzlich privat auch Text empfangen zu können - und wer weiß, bald vielleicht auch Bilder! Plötzlich stockten die Gespräche, weil man nicht mehr vermitteln konnte, warum ein Leben mit gestörten Telefonen ganz witzig sein kann und vor allem erfinderisch macht. Vor allem letzteres... Zurück in Polen wurde ich nämlich stolze Benutzerin eines elend schweren Apparats mit langen, stachligen Antennen, den man entweder an der Steckdose oder im Zigarettenanzünder anschließen musste. Und höllisch bewachen obendrein.
Entwickelt worden war das Ding aus womöglich amerikanischen Autotelefonen der ganz Reichen. Die Idee dahinter war einfach: wenn Leitungen geklaut werden, versieht man sich mit Telefonen ohne Kabel. Und so erlebte ich in einem Land, über dessen "Fortschritt" der Westen damals die Nase rümpfte, nicht nur die erste flächendeckende Versorgung mit Handys (viele übersprangen gleich die Phase vom Festnetz), sondern konnte mir in den wie Pilze aus dem Boden sprießenden japanischen und amerikanischen Computerläden Geräte kaufen, die meine Freunde im Westen noch nie gesehen hatten.
Was das mit dem Buchmarkt zu tun hat? Mit dem Schreiben?
Wir jammern heute endlos, wenn uns einer mal wieder das Kabel geklaut hat (ich nehme mich da nicht aus). Wir sehen uns am Ende einer fatalen Schicksalskette, die sich gegen uns verschworen zu haben scheint. Manchmal hat man ein Brett vor dem Kopf.
Anstatt sich klar zu machen, dass Verlage oder Buchhandel in der jetzigen Form sehr neue Erfindungen sind. Das Erzählen von Geschichten, das Bedürfnis nach guten Geschichten ist jedoch noch älter und stärker als die alten Damen, die drei Kriege erlebt hatten. Es ist so alt wie unsere Sprache und wahrscheinlich eine der größten kulturellen Errungenschaften menschlicher Entwicklung. Erzählen schafft Identität, macht den Menschen zu einem Ich. Erzählen ist Kommunikation, ermöglicht sozialen Austausch. Erzählen hilft beim Überleben; Erzählen kann bewahren, aber auch hinterfragen und reflektieren. Kann es Menschen geben ohne Erzählen?
Deshalb wandelt sich das Erzählen durch die Zeiten in seinen Inhalten und Formen. Zur steinzeitlichen Performance am Lagerfeuer kamen später tonnenschwere Keilschrift-Bibliotheken, Erzählungen im verschnörkelten Gänsefederduktus, mit Bildern, aus Ton, aus Schrift oder nur aus Bildern. Und wenn wir uns heute über die Sensationsgier der Medien aufregen, entspringen auch diese eigentlich der urtümlichen Begierde des Menschen, Dinge zu benennen und weiterzutratschen, um dahinter Normalität zu definieren.
Irgendwann haben wir eine Art Begierde nach Sicherheit entwickelt und unser Erzählen mit zuarbeitenden und stützenden Strukturen umgeben. Wir haben unliebsame Arbeiten ausgelagert und anderen das Risiko übertragen. Mancher wird dann von dieser Sicherheitssucht erstickt. Manchen Autoren bleibt gar das Erzählen im Halse stecken, weil sie schon vor den ersten Gedankenbildern fremde Scheren im Kopf ansetzen. Aber ich bin mir sicher, dass es auch heute wieder irgendwo eine Art "Polen" gibt, wo die Leute die Köpfe schütteln und fragen: "Warum erzählen die nicht einfach, statt zu jammern?" Vielleicht überspringt man in jenem scheinbaren Chaos wieder ein Festnetz und baut lustige Höllenapparate, weil man bis zur Erfindung des Handys mit dem Erzählen nicht aufhören will?
27. April 2010
Geheimnisse aus dem Nähkästchen
Es gibt nichts Schlimmeres, als eine fremde Webseite aufzurufen und von sich selbst angegrinst zu werden.
Kulturmanagement-Blogger Christian Henner-Fehr und Kulturcafé-Blogger Hagen Kohn haben eine neue Reihe gestartet, in der Blogger aus dem Kulturbereich über ihre Erfahrungen mit dem Bloggen berichten.
Den Anfang macht eine komische Autorin, die einigen hier bekannt vorkommen könnte. Sie schreibt über Katzen-Content, das Schämen und warnende Zuschriften wohlbesorgter Leser.
Kulturmanagement-Blogger Christian Henner-Fehr und Kulturcafé-Blogger Hagen Kohn haben eine neue Reihe gestartet, in der Blogger aus dem Kulturbereich über ihre Erfahrungen mit dem Bloggen berichten.
Den Anfang macht eine komische Autorin, die einigen hier bekannt vorkommen könnte. Sie schreibt über Katzen-Content, das Schämen und warnende Zuschriften wohlbesorgter Leser.
Schrottschreiber
Leserinnen und Leser wird es freuen: Weltbild wirft eine Million (in Worten!) Bücher für einen Euro auf den Markt. Man möge, der besseren Vorstellungskraft wegen, ein Regal in der eigenen Bibliothek durchzählen und hochrechnen, wie viele Regalmeter Bücher da mit vollen Händen verramscht werden! Eine Million Bücher, die auf gut Deutsch kein Schwein mehr braucht, vielleicht nie gebraucht hat.
Zugegeben, die Aktion ist wahrscheinlich billiger als Altpapierschreddern. Und die letztendliche Entsorgung der wertlosen Schmöker zahlen dann die Endkunden mit der Müllgebühr, falls sie nicht so schlau sind, sich des geschriebenen Mülls bei der nächsten karitativen Einrichtung zu entledigen. Aber welches Altersheim nimmt heutzutage noch freiwillig Papier, mit dem sich schon vorher niemand den Hintern abwischen wollte? Wer lässt sich noch freiwillig Bücher schenken, wenn Bücher schon im Handel verschenkt werden?
Geiz ist geil. Ganz besonders geil finde ich bei dieser Aktion, endlich diejenigen die Altware Buch entsorgen zu lassen, die dafür sorgen, dass es diese verdammte Ware überhaupt gibt: die Leserinnen und Leser. Diese Spezies ist überhaupt schuld an der Misere, dass die Stapel an den Kassen und auf den Büchertischen immer gigantischer in die Höhe wachsen. Gebt es ihnen, gebt es ihnen tüchtig. Damit sie fett und faul beim nächsten Mal die Kassenstapel noch höher wachsen lassen. Denn das kapiert auch noch der dümmste Alphabet: Früher hat man gewartet, bis ein Hardcover als preiswertes Taschenbuch erscheint. In Zukunft wartet man, dass ein Buch als Ein-Euro-Klopper verramscht wird.
Und nicht weinen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der prekariatsgefährdeten Schriftsteller-Front. Seht das mal so: Eure (meine?) Bücher hätten die sowieso weggeschmissen. Schrottschreibe für die Schredderpresse. Schweineteuer und umweltbedenklich. Denkt mal nur an die Sondermülldeponien mit DDR-Büchern bei Leipzig - was ist aus den Altlasten dort geworden? Ein Literaturinstitut. Alles wird gut.
Rechnet euch das doch mal ganz realistisch aus: Die Vorschüsse sinken eh. Bei so einem Markt und mit Krise und weil wir alle zusammenhalten müssen und so, gibt's irgendwann gar keine Vorschüsse mehr. Tantiemen gibt's auch nicht, weil die Bücher ja immer schneller verschreddert werden. Seien wir mal ehrlich: Da schafft Tante Erna bei BoD höhere Auflagen. Also Herzblut. Der echte wahre Schriftsteller schreibt wegen des Herzbluts und des Fließens und des Flows und so. Doch nicht für Geld! Aber woher denn, wer sind wir denn.
Hat nun der Schriftsteller sowieso kein Einkommen mehr, erreicht er stattdessen bei "Weltbild" die super gigantische elephantös-pyramidale Auflage seines Lebens. Endlich wird das arme Schwein gelesen! Davon haben wir doch immer geträumt, wenn wir die riesigen Altpapierstapel an der Buchhandelskasse neidisch betrachtet haben.
Jetzt kommt der große Coup: weil wir kein Geld haben, beantragen wir Sozialhilfe. Und weil wir mit unseren Büchern heutzutage eh nix mehr verdienen, rechnet uns die Sozialhilfe den Nebenjob nicht an. Wir können also lustig weiterschreiben bis in alle Ewigkeit und sind versorgt. Oder doch nicht so ganz. Deshalb - Achtung, jetzt kommt's - bemühen wir uns um einen Ein-Euro-Job (vielleicht demnächst bei Weltbild?)
Rechenaufgabe für die ganz Schlauen:
Ein Schriftsteller ohne Sozialhilfe verdient 3,5% vom Nettopreis eines Ein-Euro-Bestsellers (Taschenbuch) und will mit einem Kollegen, der als Ein-Euro-Jobber in einem Buchlager arbeitet, ein Brot kaufen. Wer von den beiden schreibt trotzdem weiter?
Zugegeben, die Aktion ist wahrscheinlich billiger als Altpapierschreddern. Und die letztendliche Entsorgung der wertlosen Schmöker zahlen dann die Endkunden mit der Müllgebühr, falls sie nicht so schlau sind, sich des geschriebenen Mülls bei der nächsten karitativen Einrichtung zu entledigen. Aber welches Altersheim nimmt heutzutage noch freiwillig Papier, mit dem sich schon vorher niemand den Hintern abwischen wollte? Wer lässt sich noch freiwillig Bücher schenken, wenn Bücher schon im Handel verschenkt werden?
Geiz ist geil. Ganz besonders geil finde ich bei dieser Aktion, endlich diejenigen die Altware Buch entsorgen zu lassen, die dafür sorgen, dass es diese verdammte Ware überhaupt gibt: die Leserinnen und Leser. Diese Spezies ist überhaupt schuld an der Misere, dass die Stapel an den Kassen und auf den Büchertischen immer gigantischer in die Höhe wachsen. Gebt es ihnen, gebt es ihnen tüchtig. Damit sie fett und faul beim nächsten Mal die Kassenstapel noch höher wachsen lassen. Denn das kapiert auch noch der dümmste Alphabet: Früher hat man gewartet, bis ein Hardcover als preiswertes Taschenbuch erscheint. In Zukunft wartet man, dass ein Buch als Ein-Euro-Klopper verramscht wird.
Und nicht weinen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der prekariatsgefährdeten Schriftsteller-Front. Seht das mal so: Eure (meine?) Bücher hätten die sowieso weggeschmissen. Schrottschreibe für die Schredderpresse. Schweineteuer und umweltbedenklich. Denkt mal nur an die Sondermülldeponien mit DDR-Büchern bei Leipzig - was ist aus den Altlasten dort geworden? Ein Literaturinstitut. Alles wird gut.
Rechnet euch das doch mal ganz realistisch aus: Die Vorschüsse sinken eh. Bei so einem Markt und mit Krise und weil wir alle zusammenhalten müssen und so, gibt's irgendwann gar keine Vorschüsse mehr. Tantiemen gibt's auch nicht, weil die Bücher ja immer schneller verschreddert werden. Seien wir mal ehrlich: Da schafft Tante Erna bei BoD höhere Auflagen. Also Herzblut. Der echte wahre Schriftsteller schreibt wegen des Herzbluts und des Fließens und des Flows und so. Doch nicht für Geld! Aber woher denn, wer sind wir denn.
Hat nun der Schriftsteller sowieso kein Einkommen mehr, erreicht er stattdessen bei "Weltbild" die super gigantische elephantös-pyramidale Auflage seines Lebens. Endlich wird das arme Schwein gelesen! Davon haben wir doch immer geträumt, wenn wir die riesigen Altpapierstapel an der Buchhandelskasse neidisch betrachtet haben.
Jetzt kommt der große Coup: weil wir kein Geld haben, beantragen wir Sozialhilfe. Und weil wir mit unseren Büchern heutzutage eh nix mehr verdienen, rechnet uns die Sozialhilfe den Nebenjob nicht an. Wir können also lustig weiterschreiben bis in alle Ewigkeit und sind versorgt. Oder doch nicht so ganz. Deshalb - Achtung, jetzt kommt's - bemühen wir uns um einen Ein-Euro-Job (vielleicht demnächst bei Weltbild?)
Rechenaufgabe für die ganz Schlauen:
Ein Schriftsteller ohne Sozialhilfe verdient 3,5% vom Nettopreis eines Ein-Euro-Bestsellers (Taschenbuch) und will mit einem Kollegen, der als Ein-Euro-Jobber in einem Buchlager arbeitet, ein Brot kaufen. Wer von den beiden schreibt trotzdem weiter?
26. April 2010
Webseite aktualisiert
Endlich eine Arbeit erledigt, die längst überfällig war: Die Webseite http://www.cronenburg.net ist auf den neuesten Stand gebracht - vor allem bei den Veröffentlichungen und den diversen "Brotjobs".
Auf der Suche nach einem gewissen Zauber
Märchenhafte Filme
In den letzten Tagen war ich froh, mir doch wieder einen kleinen Fernseher zugelegt zu haben (ich habe experimentell monatelang ohne Fernsehen gelebt). Ab und zu findet man noch Perlen. Und so haben mich zwei Filme besonders beeindruckt, zu denen leider wenig gutes Material auf Deutsch zu finden ist. Da war einmal der russische Film von Anna Melikian "Rusalka", "Die Meerjungfrau", der bei der Berlinale 2008 lief und beim Sundance Festival den Preis für die beste Regie bekam. Eine Adaption von Hans Christian Andersens gleichnamigem Märchen, die im heutigen Moskau spielt. Und gestern gab es - ebenfalls auf 3sat - den polnischen Film "Mistrz", "Der Meister" von Piotr Trzaskalski über einen versoffenen Messerwerfer, der allerlei gescheiterte Existenzen rettet und selbst mit der Liebe nicht zurecht kommt.
Beiden Filmen gemeinsam ist ein eigenartiger Zauber, den das typische Dreiakterkino à la Hollywood oft längst verloren hat. Beide Filme sind existentiell hochtragisch, streckenweise bitter-süß melancholisch - und kommen trotzdem mit einer heiteren und märchenhaften Leichtigkeit daher, dass sich jemand, der Geschichten erfindet, fragen muss: Wie machen die das? Und zu allem Überfluss schaffen es beide Filmemacher, eben kein Happy-End zu servieren, sondern einen Schluss, der einem auch noch am nächsten Tag im Gebein sitzt, weil man ihn erst deuten muss in seiner Uneindeutigkeit. Die eigentümliche Kraft der Filme kommt zudem aus diesem Denkprozess, bei dem man dann wiederum über die eigene Kulturprägung nachzudenken beginnt: Was ist eigentlich ein Happy End? Was gibt eigentlich die wirkliche Kraft? Rosa Zuckerwatte am Schluss oder eine tiefe Erkenntnis über das Leben?
Großes Erzählen
Nun lese ich ja auch für die Rezensionen dieses Blogs (und für mich) schwerpunktmäßig neuere osteuropäische Literatur. Derzeit steht ein tschechisches Buch aus dem Residenz-Verlag an, der öfter osteuropäische Literatur übersetzt: Markéta Pilátová - "Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein". In diesem wie in den anderen, die ich bereits rezensiert habe, begegnet mir eine erzählerische Parallele zu den oben genannten Filmen. Ganz stark ist das im Buch "Die Engelspuppe" des Russen Eduard Kotschergin und in den Büchern der Polin Olga Tokarczuk oder in "Neunprozentiger Haushaltsessig" von der Ukrainerin Tanja Maljartschuk zu spüren. Ein eigenartiger Zauber, den ich zunächst kaum beschreiben kann. Wirkliches ERZÄHLEN.
Als Schriftstellerin seziere ich die Innereien solcher Werke, weil ich wissen will, wie der Zauber gewoben wurde, warum diese Bücher so anders sind. Ich bin nämlich fest davon überzeugt, dass Autoren wie Tokarczuk und Kotschergin eine Literatur entwickeln, die bereits in der Zukunft angekommen ist - mit ihrer fragmentierten Reihung, der tiefen Respektlosigkeit vor der Einheit der Form, dem fast schon virtuellen Atemduktus, der anspruchsvolle Literatur im Prinzip längst handytauglich macht. Dazu kommt eine unbändige Freude am Erzählen, ein fast überschwappender Reichtum an außergewöhnlichen, skurrilen, oft sogar verqueren Charakteren - und ein unauffälliges Gleiten zwischen Realität und Fantasie, brutaler Wirklichkeit und Märchenzauber.
Literatur der Brüche
Anders gesagt: Solche Bücher würde ein deutscher Verlag keinem deutschsprachigen Autor abkaufen, weil sie so ziemlich jede Norm brechen, die ein junger Lektor verinnerlicht hat. Die Amerikaner sind da wieder ein Stückchen voraus und werden - der Buchmarkt ist manchmal pervers - dann wieder von den risikoscheuen Verlagen übersetzt und eingekauft. Dort gibt es junge Literaten, die bereits seit langen Jahren aus der jiddischen Erzählkultur schöpfen - und der osteuropäischen dazu. Amerikaner, die ähnlich erzählen. Spontan fallen mir Jonathan Safran Foer und Aleksandar Hemon ein (Interview mit Hemon / Rezension zu Hemon).
Keiner von diesen Autoren schert sich vordergründig um den reinen Dreiakter, der inzwischen so austauschbar gestrickt wird, dass man beim Film wie beim Buch genau die Zeit bis zur nächsten Pinkelpause abstoppen kann. Die meisten dieser Autorinnen und Autoren scheinen nie etwas von Cliffhangers gehört zu haben und machen Figuren zu "Helden", die jeder im Westen moderne Schreibratgeber in die nächste Mülltonne verdammen würde. Sie sind aber auch weit entfernt von einer Sprache, wie sie in Leipzig trainiert wird, weit entfernt von der in deutscher Hochliteratur allzu beliebten mikroskopischen Nabelschau. Sie schauen lieber in die Abgründe des Lebens und Überlebens und erfinden manchmal sogar eine Poesie des Schreckens, der gescheiterten Existenz in einer unübersichtlichen, heißgelaufenen Welt.
Noch bin ich dem Geheimnis dieses Zaubers nicht restlos auf die Spur gekommen. Aber ich kann jedem nur empfehlen, die Lese- und Schreibgewohnheiten öfter einmal aufzubrechen, sich auf "Anderes" einzulassen. Und vielleicht machen die Links in diesem Beitrag auf das ein oder andere Buch oder einen Film neugierig?
In den letzten Tagen war ich froh, mir doch wieder einen kleinen Fernseher zugelegt zu haben (ich habe experimentell monatelang ohne Fernsehen gelebt). Ab und zu findet man noch Perlen. Und so haben mich zwei Filme besonders beeindruckt, zu denen leider wenig gutes Material auf Deutsch zu finden ist. Da war einmal der russische Film von Anna Melikian "Rusalka", "Die Meerjungfrau", der bei der Berlinale 2008 lief und beim Sundance Festival den Preis für die beste Regie bekam. Eine Adaption von Hans Christian Andersens gleichnamigem Märchen, die im heutigen Moskau spielt. Und gestern gab es - ebenfalls auf 3sat - den polnischen Film "Mistrz", "Der Meister" von Piotr Trzaskalski über einen versoffenen Messerwerfer, der allerlei gescheiterte Existenzen rettet und selbst mit der Liebe nicht zurecht kommt.
Beiden Filmen gemeinsam ist ein eigenartiger Zauber, den das typische Dreiakterkino à la Hollywood oft längst verloren hat. Beide Filme sind existentiell hochtragisch, streckenweise bitter-süß melancholisch - und kommen trotzdem mit einer heiteren und märchenhaften Leichtigkeit daher, dass sich jemand, der Geschichten erfindet, fragen muss: Wie machen die das? Und zu allem Überfluss schaffen es beide Filmemacher, eben kein Happy-End zu servieren, sondern einen Schluss, der einem auch noch am nächsten Tag im Gebein sitzt, weil man ihn erst deuten muss in seiner Uneindeutigkeit. Die eigentümliche Kraft der Filme kommt zudem aus diesem Denkprozess, bei dem man dann wiederum über die eigene Kulturprägung nachzudenken beginnt: Was ist eigentlich ein Happy End? Was gibt eigentlich die wirkliche Kraft? Rosa Zuckerwatte am Schluss oder eine tiefe Erkenntnis über das Leben?
Großes Erzählen
Nun lese ich ja auch für die Rezensionen dieses Blogs (und für mich) schwerpunktmäßig neuere osteuropäische Literatur. Derzeit steht ein tschechisches Buch aus dem Residenz-Verlag an, der öfter osteuropäische Literatur übersetzt: Markéta Pilátová - "Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein". In diesem wie in den anderen, die ich bereits rezensiert habe, begegnet mir eine erzählerische Parallele zu den oben genannten Filmen. Ganz stark ist das im Buch "Die Engelspuppe" des Russen Eduard Kotschergin und in den Büchern der Polin Olga Tokarczuk oder in "Neunprozentiger Haushaltsessig" von der Ukrainerin Tanja Maljartschuk zu spüren. Ein eigenartiger Zauber, den ich zunächst kaum beschreiben kann. Wirkliches ERZÄHLEN.
Als Schriftstellerin seziere ich die Innereien solcher Werke, weil ich wissen will, wie der Zauber gewoben wurde, warum diese Bücher so anders sind. Ich bin nämlich fest davon überzeugt, dass Autoren wie Tokarczuk und Kotschergin eine Literatur entwickeln, die bereits in der Zukunft angekommen ist - mit ihrer fragmentierten Reihung, der tiefen Respektlosigkeit vor der Einheit der Form, dem fast schon virtuellen Atemduktus, der anspruchsvolle Literatur im Prinzip längst handytauglich macht. Dazu kommt eine unbändige Freude am Erzählen, ein fast überschwappender Reichtum an außergewöhnlichen, skurrilen, oft sogar verqueren Charakteren - und ein unauffälliges Gleiten zwischen Realität und Fantasie, brutaler Wirklichkeit und Märchenzauber.
Literatur der Brüche
Anders gesagt: Solche Bücher würde ein deutscher Verlag keinem deutschsprachigen Autor abkaufen, weil sie so ziemlich jede Norm brechen, die ein junger Lektor verinnerlicht hat. Die Amerikaner sind da wieder ein Stückchen voraus und werden - der Buchmarkt ist manchmal pervers - dann wieder von den risikoscheuen Verlagen übersetzt und eingekauft. Dort gibt es junge Literaten, die bereits seit langen Jahren aus der jiddischen Erzählkultur schöpfen - und der osteuropäischen dazu. Amerikaner, die ähnlich erzählen. Spontan fallen mir Jonathan Safran Foer und Aleksandar Hemon ein (Interview mit Hemon / Rezension zu Hemon).
Keiner von diesen Autoren schert sich vordergründig um den reinen Dreiakter, der inzwischen so austauschbar gestrickt wird, dass man beim Film wie beim Buch genau die Zeit bis zur nächsten Pinkelpause abstoppen kann. Die meisten dieser Autorinnen und Autoren scheinen nie etwas von Cliffhangers gehört zu haben und machen Figuren zu "Helden", die jeder im Westen moderne Schreibratgeber in die nächste Mülltonne verdammen würde. Sie sind aber auch weit entfernt von einer Sprache, wie sie in Leipzig trainiert wird, weit entfernt von der in deutscher Hochliteratur allzu beliebten mikroskopischen Nabelschau. Sie schauen lieber in die Abgründe des Lebens und Überlebens und erfinden manchmal sogar eine Poesie des Schreckens, der gescheiterten Existenz in einer unübersichtlichen, heißgelaufenen Welt.
Noch bin ich dem Geheimnis dieses Zaubers nicht restlos auf die Spur gekommen. Aber ich kann jedem nur empfehlen, die Lese- und Schreibgewohnheiten öfter einmal aufzubrechen, sich auf "Anderes" einzulassen. Und vielleicht machen die Links in diesem Beitrag auf das ein oder andere Buch oder einen Film neugierig?
Kunstgenuss, Buchgenuss
Vorsicht, dieser Artikel ist eine reine PR-Veranstaltung - nämlich für das Galand in Odelshofen bei Kehl. Dort steigt am Sonntag, dem 2. Mai, für kurzentschlossene Kunstliebhaber die traditionelle Veranstaltung "Kunst in unserem Garten", ein Titel, der untertrieben ist. Ulrike und Peter Schoelch stellen nämlich nicht nur ihren Garten für Kunst zur Verfügung, sondern den Hof, die kleine Galerie und den gesamten Tabakschopf dazu. Eine schöne Gelegenheit, den Veranstaltungsort zu beschnuppern, Künstlerinnen und Künstler aus Frankreich und Deutschland kennenzulernen und interessante Leute zu treffen. Kaufen kann man die Kunst natürlich auch. Warum ich davon schwärme? Ich gehe da auch öfter hin, als Besucherin...
Da wären in diesem Jahr außerdem noch Lesungen der besonderen Art. Der Schauspieler Siemen Rühaak liest Ende Juli Kriminelles mit Hochgenuss - zur fiktiven Leiche gibt's auch ein feines Menu. Im September ist Tilman Röhrig zum Thema Caravaggio angesagt, den ich leider nur in den gedruckten Ankündigungen finde, aber bis dahin ist ja noch Zeit.
Und jetzt machen wir das mit der hemmungslosen PR in einem völlig unauffälligen Schlenker:
Sonntag 16. Mai 2010, 11 Uhr
Kulinarische Lesung "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt"
mit Petra van Cronenburg - nebst Zander im Riesling
Platzreservierungen beim Veranstalter erbeten
Die Veranstaltung kostet pro Person 35 E Eintritt inklusive dreigängigem Menu und Getränken.
(Derweil röchelt die Autorin unter Fliederqualen und hofft, der allergische Husten lässt bis dahin noch Stimme übrig. Sonst gibt's als Ersatzprogramm Die Kameliendame...)
Da wären in diesem Jahr außerdem noch Lesungen der besonderen Art. Der Schauspieler Siemen Rühaak liest Ende Juli Kriminelles mit Hochgenuss - zur fiktiven Leiche gibt's auch ein feines Menu. Im September ist Tilman Röhrig zum Thema Caravaggio angesagt, den ich leider nur in den gedruckten Ankündigungen finde, aber bis dahin ist ja noch Zeit.
Und jetzt machen wir das mit der hemmungslosen PR in einem völlig unauffälligen Schlenker:
Sonntag 16. Mai 2010, 11 Uhr
Kulinarische Lesung "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt"
mit Petra van Cronenburg - nebst Zander im Riesling
Platzreservierungen beim Veranstalter erbeten
Die Veranstaltung kostet pro Person 35 E Eintritt inklusive dreigängigem Menu und Getränken.
(Derweil röchelt die Autorin unter Fliederqualen und hofft, der allergische Husten lässt bis dahin noch Stimme übrig. Sonst gibt's als Ersatzprogramm Die Kameliendame...)
25. April 2010
Sonnenenergie?
Was war denn das heute für eine kosmische Strahlung, die mich arbeiten ließ wie ein Berserker? Spuckt Eierfalladingens neuerdings inspirations- und konzentrationserweiternde Drogen? Kaum zu glauben, was ich neben genügend Privatleben, faulem Sonnengenuss und ausführlicher Hundewanderung alles geschafft habe!
Den Artikel übers Bloggen geschrieben und ratzfatz auf die Hälfte gekürzt (ich kann mich einfach nicht blogkurz fassen), mich ein wenig in Blogs herumgetrieben, ein Vorwort aus dem Französischen übersetzt, ein kleines Marketingkonzept für ein Buch entworfen - und ein vierseitiges Sachbuchexposé in die Tasten gehackt.
Letzteres muss ich mir selbst auf der Zunge zergehen lassen. Ich bin nämlich die jämmerlichste Exposéschreiberin vor dem Herrn. Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte ich dafür vierzehn Tage gebraucht. Diesmal notierte ich mir die ersten Einfälle irgendwann kurz vor dem Abendessen, entwickelte sie bei einem Telefonat sprudelnd weiter und brachte sie unbefangen zu Papier.
Was diesmal anders war? Ich gebe endlich zu, lausige Exposés zu schreiben. Und formuliere darum nicht mehr endlos herum. Ich erzähle einfach, was ich erzählen will. Und eigentlich war das Ganze ja bereits per Telefon vermittelt. Schwätzen kann ich besser...
Merke: Die schlimmste Feindin einer Autorin ist die Autorin selbst, wenn sie sich perfektionistisch im Weg steht und glaubt, für ein richtig gutes Exposé müsse sie vierzehn Tage brauchen. Aber ich wette, beim nächsten Mal habe ich dieses schlaue Geschwätz schon wieder vergessen!
PS: Irgendwann repariere ich auch den lausigen html-Code bei meinen Veröffentlichungen im Menu rechts - den habe ich eben zerschossen...
Den Artikel übers Bloggen geschrieben und ratzfatz auf die Hälfte gekürzt (ich kann mich einfach nicht blogkurz fassen), mich ein wenig in Blogs herumgetrieben, ein Vorwort aus dem Französischen übersetzt, ein kleines Marketingkonzept für ein Buch entworfen - und ein vierseitiges Sachbuchexposé in die Tasten gehackt.
Letzteres muss ich mir selbst auf der Zunge zergehen lassen. Ich bin nämlich die jämmerlichste Exposéschreiberin vor dem Herrn. Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte ich dafür vierzehn Tage gebraucht. Diesmal notierte ich mir die ersten Einfälle irgendwann kurz vor dem Abendessen, entwickelte sie bei einem Telefonat sprudelnd weiter und brachte sie unbefangen zu Papier.
Was diesmal anders war? Ich gebe endlich zu, lausige Exposés zu schreiben. Und formuliere darum nicht mehr endlos herum. Ich erzähle einfach, was ich erzählen will. Und eigentlich war das Ganze ja bereits per Telefon vermittelt. Schwätzen kann ich besser...
Merke: Die schlimmste Feindin einer Autorin ist die Autorin selbst, wenn sie sich perfektionistisch im Weg steht und glaubt, für ein richtig gutes Exposé müsse sie vierzehn Tage brauchen. Aber ich wette, beim nächsten Mal habe ich dieses schlaue Geschwätz schon wieder vergessen!
PS: Irgendwann repariere ich auch den lausigen html-Code bei meinen Veröffentlichungen im Menu rechts - den habe ich eben zerschossen...
24. April 2010
Phoenix aus der Asche
Eben habe ich bei Christa S. Lotz vom Gefühl gelesen, wenn ein Projekt vorerst nicht zustande kommt. Es hat mich richtig geschüttelt, denn dieses Gefühl kenne ich nur zu gut! Beim letzten Mal, als mir das passierte, ganz kürzlich nämlich, war ich regelrecht erschüttert von mir selbst, weil mir das ach so schöne Schreiben alleine eben nicht reicht - weil ich veröffentlichen will. Man wird dann sehr verletzlich. Da ist es fast wohltuend, wenn äußere Gründe wie Finanzen oder Programmveränderungen oder Ähnliches als Begründung dienen. Was Christa S. Lotz im Dialog mit dem Schreibteufelchen wiedergibt, geht allerdings an die Substanz, weil hier die Autorin herhalten soll. Wieder so ein Fall für den Hornhautmantel, den man stricken sollte, bevor man sich diesem perversen Beruf verschreibt.
Schlimm ist, dass man, solange man einigermaßen bei Vernunft ist, die Schuld sowieso zuerst bei sich selbst sucht. Die lieben KollegInnen, die dann irgendwo vollmundig erklären, wer gut genug sei oder das Handwerk beherrsche, komme auch an, sorgen zusätzlich für Schläge unter die Gürtellinie. War das Manuskript vielleicht doch das Letzte? Hat man sich verrannt?
Beim ersten Mal und ohne Erfahrung kann das durchaus sein. Sogar mit großer Wahrscheinlichkeit. Das Gefühl fürs Passende muss man sich erst erwerben.
Hat man jedoch schon einige Veröffentlichungen hinter sich, dann sind die Gründe meist woanders zu suchen. Im Laufe der Jahre habe ich drei Dinge gelernt:
Ich glaube nicht, dass wirklich gute Projekte, für die man realistische Einschätzungen hat, dass etwas daraus zu machen wäre, untergehen müssen. Aber die Verlagssuche gestaltet sich oft wie ein Speed-Dating. Da gibt es Tage, wo man sich fragt, wo all die beziehungsfähigen Typen eigentlich abgeblieben sind... Wie im echten Leben finden sich die Richtigen immer genau dann, wenn man das Blind Date schon gar nicht mehr sucht.
(Passend dazu gibt's im "cronenburg-Fernsehen" die Umsetzung von Strawinskys "Feuervogel" - Phoenix lässt grüßen - durch Walt Disney. Das waren beides Männer, die für ihre Kunst mit dem Kopf durch die Wand gingen).
Schlimm ist, dass man, solange man einigermaßen bei Vernunft ist, die Schuld sowieso zuerst bei sich selbst sucht. Die lieben KollegInnen, die dann irgendwo vollmundig erklären, wer gut genug sei oder das Handwerk beherrsche, komme auch an, sorgen zusätzlich für Schläge unter die Gürtellinie. War das Manuskript vielleicht doch das Letzte? Hat man sich verrannt?
Beim ersten Mal und ohne Erfahrung kann das durchaus sein. Sogar mit großer Wahrscheinlichkeit. Das Gefühl fürs Passende muss man sich erst erwerben.
Hat man jedoch schon einige Veröffentlichungen hinter sich, dann sind die Gründe meist woanders zu suchen. Im Laufe der Jahre habe ich drei Dinge gelernt:
- Es ist inzwischen treffsicherer, beim Roulette zu gewinnen, als mit einem Projekt sofort bei einem Verlag zu landen.
- Es lohnt sich, trotz mehrfacher Absagen (die übrigens auch bei etablierten Autoren mit Agenturen dazugehören) beharrlich darauf hinzuarbeiten, irgendwann den wirklich passenden Partner zu finden.
- An der Wirkung der Absage kann man messen, wie wichtig einem ein Projekt wirklich ist. Ist man überzeugt davon, gibt man sich volle Kanne den Autorenblues und macht nach der Rekonvaleszenz erst recht weiter.
Ich glaube nicht, dass wirklich gute Projekte, für die man realistische Einschätzungen hat, dass etwas daraus zu machen wäre, untergehen müssen. Aber die Verlagssuche gestaltet sich oft wie ein Speed-Dating. Da gibt es Tage, wo man sich fragt, wo all die beziehungsfähigen Typen eigentlich abgeblieben sind... Wie im echten Leben finden sich die Richtigen immer genau dann, wenn man das Blind Date schon gar nicht mehr sucht.
(Passend dazu gibt's im "cronenburg-Fernsehen" die Umsetzung von Strawinskys "Feuervogel" - Phoenix lässt grüßen - durch Walt Disney. Das waren beides Männer, die für ihre Kunst mit dem Kopf durch die Wand gingen).
23. April 2010
und demnächst...
Falls sich jemand wundert, dass er am Wochenende hier nichts Neues zu lesen bekommt: Ich mache Hausaufgaben für eine externe Stelle. Schreibe einen Artikel in einer Reihe "Bloggen für Kultureinrichtungen" aus der Sicht eines schriftstellerischen Ein-Frau-Unternehmens. Natürlich gibt's dann auch den Link.
Welttag des Buches
Es gibt so viele Welttage der UNESCO, dass man sich manchmal fragt, wann der Welttag des Maikäfers oder der des abgestandenen Biers gefeiert wird. Heute ist also der Welttag des Buches. Und keiner weiß so richtig, was er damit machen soll, denn die ursprüngliche Forderung, an diesem Tag doch endlich mal wieder zu lesen, dürfte für eingefleischte Buchmenschen unvorstellbar sein: Gibt es Menschen, die ein ganzes Jahr lang kein Buch in die Hand nehmen, aber ausgerechnet dann schmökern? Das Literaturcafé erklärt, was der Tag soll und was da so gemacht wird.
Passend dazu hat der BVjA einen offenen Brief im Börsenblatt veröffentlicht, in dem die jungen Autoren die Rückkehr zu Buch und Inhalt fordern - und eine Abkehr von "Kommerzialisierung" und Skandalgeschäft. Vor allem die Literatur junger AutorInnen sollte wieder stärker gefördert werden.
Mich als Autorin lässt der Brief etwas ratlos zurück. Auf der Suche nach Überlebensmöglichkeiten, Stipendien und Buchpreisen wurde ich von der Realität heftig belehrt, dass es im deutschsprachigen Raum eine sehr breite Literaturförderung gibt - die allerdings meist nur den Jungen vorbehalten ist. Wäre ich noch einmal holde 25, könnte ich Stipendienhopping betreiben, anstatt im Brotjob zu malochen wie die meisten KollegInnen. Und mit "unliterarischen" Werken - Sachbücher eingeschlossen - hat man sowieso keine Chance, dann ist man angeblich auf der Sonnenseite des Auflagenlebens.
So löblich es ist, mediengemachte Hypes anzuprangern, von denen inzwischen auch das bildungsbürgerliche Feuilleton lebt, so überholt erscheint mir persönlich die Definition von künstlichen Kampffronten - kombiniert mit dem Schlachtruf nach einem Zurück. Es gibt kein Zurück. Wir leben längst mit einem Buchmarkt, der sich einerseits immer stärker fragmentiert und anderseits tief gespalten ist: In die Produktion von Lesefutter und in die Sorte Bücher, die in Buchketten nicht in Stapeln an die Kasse gelegt werden. In Verlagskonzerne, in denen der Controller machmal mehr zu sagen hat als der Lektor - und in engagierte verlegergeführte Verlage.
Diese Polarisierung ist per se nicht schlecht. Überflüssig sind die Streitereien, auf welcher der beiden Seiten nun das "gute Buch" verlegt und verkauft werde, das "wertvolle Buch". Für LeserInnen ist immer das gerade gut, was sie sich wünschen und was ihnen besonders gefällt. Gut ist, wenn LeserInnen diese ganz Vielfalt haben können, die als Buch denkbar ist. Warum nicht am Nachmittag das philosophische Essay durcharbeiten und am Abend mit Vampiren ins Nachtreich schweben? Warum nicht mit hochwertiger Literatur genauso gut Geld verdienen wie mit Trendklonen?
Das System hakt ganz woanders. Risikobereitschaft, Rückgrat und Innovationsfreude werden zu selten belohnt, weil Profit die einzige Messlatte scheint. Sie werden selten belohnt bei AutorInnen, die Glattgebügeltes einfach schneller verkaufen. Sie werden innerhalb von Großverlagen nicht belohnt, weil die Spitzentitel alles andere überschreien. Sie werden im Feuilleton nicht mehr belohnt, weil man auch da lieber schreit, im Rausch der Skandale und Hypes - bis keine Seite mehr frei ist für andere Neuerscheinungen. Sie werden im Buchhandel schon gar nicht belohnt, denn da herrschen inzwischen raue Sitten, da wird mit Rabattforderungen stranguliert; und wie man in diesem Jahr lesen konnte, sollen Verleger sogar Rolltreppen mitfinanzieren.
Wer auf die freie Wirtschaft blickt, dort, wo es wirklich oft nicht mehr um Inhalte geht, sondern um reine "Produkte", der wird schnell erkennen, dass solches Unternehmertum nicht krisenfest ist, sich irgendwann rächt. Man kann eine Weile auf alte Züge aufspringen, bei ausreichender Finanzkraft geht das lange gut - aber irgendwann fährt auch die letzte Dampflok ab. Lesefutter ist gut und schön. Wie aber soll man seine Kunden noch zu Wertigkeit erziehen, wenn solche Bücher in Nullkommanichts für zwei, drei Euro herausgehauen werden? Gewiss, AutorInnen wird es immer genug geben, die nur um des Veröffentlichen willens für sinkende Vorschüsse und schlechtere Lektorate schreiben. Aber wie lange noch wird es LeserInnen geben, die sich neben den Wühltischen dann noch Hardcover leisten mögen?
Es müssen - längst überfällig - neue Strukturen der "Buchvermittlung" her, die den Kleinen, den finanziell schwächeren, ebenso eine Stimme geben. Das fängt im Vertrieb und Buchhandel an und hört bei der Werbung auf - denn auch Kleinverlage müssen kommerziell arbeiten, sprich Geld verdienen. Auch AutorInnen sind keine Sozialinstitute und müssen von ihrer Arbeit Lohn leben.
In den herkömmlichen Medien und im Ketten- und Onlinebuchhandel hören wir nur noch das Geschrei der Lautesten. Warum also für "alte" Zustände kämpfen und wertvolle Energien verpuffen? Warum nicht vorwärts in die Zukunft schauen? Lasst dem Lesefutter seinen Platz. Aber schafft neue Plätze für das "Andere", für Bücher, die nicht primär als Ware oder Profitlieferant abzuschätzen sind.
Im Internet klingt jede Stimme gleich laut, der billige Jakob wie der sensible Schüchterne.
Wo sind die Plattformen der Independents, die Communities fürs "Feine"? Wo sind die innovativen Ideen fürs Aufsprengen der Vertriebsbedingungen, für gemeinsame Aktionen im Handel, für Buchdarstellung nicht nur am Welttag des Buches?
Ich bin absolut blutige Laiin, was den Buchmarkt betrifft (deshalb darf ich blauäugig vielleicht Unmögliches fordern). Aber mein kleiner Finger sagt mir, dass die Zeiten für Nische und Qualität noch nie so gut waren wie jetzt. Das hungrige Publikum ist da. Wagemutige Verleger gibt es. Nur müssten jetzt einige Gruppen dafür sorgen, dass diese beiden Gruppen auch tatsächlich langfristig zusammenkommen!
Vielleicht sollten wir im deutschsprachigen Raum mehr Innovationspreise statt Stipendien vergeben?
Passend dazu hat der BVjA einen offenen Brief im Börsenblatt veröffentlicht, in dem die jungen Autoren die Rückkehr zu Buch und Inhalt fordern - und eine Abkehr von "Kommerzialisierung" und Skandalgeschäft. Vor allem die Literatur junger AutorInnen sollte wieder stärker gefördert werden.
Mich als Autorin lässt der Brief etwas ratlos zurück. Auf der Suche nach Überlebensmöglichkeiten, Stipendien und Buchpreisen wurde ich von der Realität heftig belehrt, dass es im deutschsprachigen Raum eine sehr breite Literaturförderung gibt - die allerdings meist nur den Jungen vorbehalten ist. Wäre ich noch einmal holde 25, könnte ich Stipendienhopping betreiben, anstatt im Brotjob zu malochen wie die meisten KollegInnen. Und mit "unliterarischen" Werken - Sachbücher eingeschlossen - hat man sowieso keine Chance, dann ist man angeblich auf der Sonnenseite des Auflagenlebens.
So löblich es ist, mediengemachte Hypes anzuprangern, von denen inzwischen auch das bildungsbürgerliche Feuilleton lebt, so überholt erscheint mir persönlich die Definition von künstlichen Kampffronten - kombiniert mit dem Schlachtruf nach einem Zurück. Es gibt kein Zurück. Wir leben längst mit einem Buchmarkt, der sich einerseits immer stärker fragmentiert und anderseits tief gespalten ist: In die Produktion von Lesefutter und in die Sorte Bücher, die in Buchketten nicht in Stapeln an die Kasse gelegt werden. In Verlagskonzerne, in denen der Controller machmal mehr zu sagen hat als der Lektor - und in engagierte verlegergeführte Verlage.
Diese Polarisierung ist per se nicht schlecht. Überflüssig sind die Streitereien, auf welcher der beiden Seiten nun das "gute Buch" verlegt und verkauft werde, das "wertvolle Buch". Für LeserInnen ist immer das gerade gut, was sie sich wünschen und was ihnen besonders gefällt. Gut ist, wenn LeserInnen diese ganz Vielfalt haben können, die als Buch denkbar ist. Warum nicht am Nachmittag das philosophische Essay durcharbeiten und am Abend mit Vampiren ins Nachtreich schweben? Warum nicht mit hochwertiger Literatur genauso gut Geld verdienen wie mit Trendklonen?
Das System hakt ganz woanders. Risikobereitschaft, Rückgrat und Innovationsfreude werden zu selten belohnt, weil Profit die einzige Messlatte scheint. Sie werden selten belohnt bei AutorInnen, die Glattgebügeltes einfach schneller verkaufen. Sie werden innerhalb von Großverlagen nicht belohnt, weil die Spitzentitel alles andere überschreien. Sie werden im Feuilleton nicht mehr belohnt, weil man auch da lieber schreit, im Rausch der Skandale und Hypes - bis keine Seite mehr frei ist für andere Neuerscheinungen. Sie werden im Buchhandel schon gar nicht belohnt, denn da herrschen inzwischen raue Sitten, da wird mit Rabattforderungen stranguliert; und wie man in diesem Jahr lesen konnte, sollen Verleger sogar Rolltreppen mitfinanzieren.
Wer auf die freie Wirtschaft blickt, dort, wo es wirklich oft nicht mehr um Inhalte geht, sondern um reine "Produkte", der wird schnell erkennen, dass solches Unternehmertum nicht krisenfest ist, sich irgendwann rächt. Man kann eine Weile auf alte Züge aufspringen, bei ausreichender Finanzkraft geht das lange gut - aber irgendwann fährt auch die letzte Dampflok ab. Lesefutter ist gut und schön. Wie aber soll man seine Kunden noch zu Wertigkeit erziehen, wenn solche Bücher in Nullkommanichts für zwei, drei Euro herausgehauen werden? Gewiss, AutorInnen wird es immer genug geben, die nur um des Veröffentlichen willens für sinkende Vorschüsse und schlechtere Lektorate schreiben. Aber wie lange noch wird es LeserInnen geben, die sich neben den Wühltischen dann noch Hardcover leisten mögen?
Es müssen - längst überfällig - neue Strukturen der "Buchvermittlung" her, die den Kleinen, den finanziell schwächeren, ebenso eine Stimme geben. Das fängt im Vertrieb und Buchhandel an und hört bei der Werbung auf - denn auch Kleinverlage müssen kommerziell arbeiten, sprich Geld verdienen. Auch AutorInnen sind keine Sozialinstitute und müssen von ihrer Arbeit Lohn leben.
In den herkömmlichen Medien und im Ketten- und Onlinebuchhandel hören wir nur noch das Geschrei der Lautesten. Warum also für "alte" Zustände kämpfen und wertvolle Energien verpuffen? Warum nicht vorwärts in die Zukunft schauen? Lasst dem Lesefutter seinen Platz. Aber schafft neue Plätze für das "Andere", für Bücher, die nicht primär als Ware oder Profitlieferant abzuschätzen sind.
Im Internet klingt jede Stimme gleich laut, der billige Jakob wie der sensible Schüchterne.
Wo sind die Plattformen der Independents, die Communities fürs "Feine"? Wo sind die innovativen Ideen fürs Aufsprengen der Vertriebsbedingungen, für gemeinsame Aktionen im Handel, für Buchdarstellung nicht nur am Welttag des Buches?
Ich bin absolut blutige Laiin, was den Buchmarkt betrifft (deshalb darf ich blauäugig vielleicht Unmögliches fordern). Aber mein kleiner Finger sagt mir, dass die Zeiten für Nische und Qualität noch nie so gut waren wie jetzt. Das hungrige Publikum ist da. Wagemutige Verleger gibt es. Nur müssten jetzt einige Gruppen dafür sorgen, dass diese beiden Gruppen auch tatsächlich langfristig zusammenkommen!
Vielleicht sollten wir im deutschsprachigen Raum mehr Innovationspreise statt Stipendien vergeben?
21. April 2010
Petersburg meets Paris
... und München und Berlin und New York und und und ... die Autorin befindet sich im absoluten Blaurausch, bearbeitet Blaufische und bedankt sich kniefälligst bei einem gewissen Vulkan, der so ähnlich heißt wie Eierfalla und sogar in Telefonleitungen hineinwirken kann. (Rocco: "Sie wollte sagen, sie sei leicht unzurechnungsfähig vor Glück.")
Ich weiß, einige Leserinnen und Leser zeigen sich bereits genervt davon, dass in meinem Blog das Wort Russland so oft vorkommt. Manche mögen das Wort Kunst nicht. Und es gibt welche, die fragen sich, was das ganze Blaugeschwätz soll. Von blauen Düften oder blauen Wörtern und blauen Reitern. Zum Glück ahnen diese Leser nichts von meinem heimlichen Blauleben! Nicht nur, dass ich mit einem mittelblauen russischen Wörterbuch in der Bibliothek stehe und Blauwörter übe. Ich hatte ja da auch diesen diffusen Traum von Buchprojekt, für das ich in einem blauen Heft Material sammle und das ich mit Arbeitstitel Blau nenne, weil mir nichts Besseres einfällt. Freunde grinsen schon, wenn ich mir blaue Klamotten kaufe. (Rocco: "Wenn das ein Cliffhanger sein soll, bin ich eine Klippe auf vier Beinen!")
Es schien alles nur wie ein Traum. Und um ein wenig mehr zu träumen, entwarf ich eine Geschichte, die ich "Blau" nannte und deren Handlung ich überhaupt nicht kannte. Es schrieb sozusagen mich: eine Frau am Flughafen kommt darin vor, die immer da ist, wenn die Flugzeuge aus Petersburg landen - und die es nicht schafft, dorthin zu fliegen, weil die Stadt längst zur Metapher geworden ist und sie Angst hat, der Metapher ihren Zauber zu nehmen. Ein Buch, für das man schon Erzählungen schreibt, obwohl das Buch kein Roman werden soll... (Rocco: "Ich würd ihr ja jetzt ein Ticket ins All schenken, ohne Rückfahrkarte.")
Und gestern, an einem eigentlich schwarzen Tag, fuhr ich ins Ried zu lieben Leuten, gekleidet in "russischblau" - und fand dort unversehens die Kombination von Grün und Blau, die die Ballets Russes in die westliche Welt gebracht hatten. Dort flog nämlich ein Blaufisch durch den Garten. Und als ich auf dem Heimweg an jenem ominösen Flughafen vorbeifuhr, wollte ich gerade einen Abstecher machen, der Frau in der Erzählung nachspüren - und merkte noch rechtzeitig, dass nicht nur Fische nicht fliegen können, sondern auch die Flugzeuge am Boden geblieben waren. Schade, ich hätte mir beinahe die Flugpläne für Petersburg angeschaut (Rocco: "UNZURECHNUNGSFÄHIG!")
Heute kam es durch einen verpassten Flug zu einem Telefonat. (Rocco: "Mach's kurz, sag's endlich!")
Und ich bin so trunken vor Freude, als hätte ich mit Boris Godunov persönlich um die Wette gebechert. Endlich habe ich ein Ventil für meine Petersburg-Plaudereien und Kunstvorlieben.
Ich darf "BLAU" für einen feinen feinen Verlag schreiben. Meine Spinnereien werden ein Buch.
(Rocco: "Natürlich verschweigt sie euch, dass sie gestern beim Blaufisch zwei blaue Rosenkugeln gekauft hat, die nicht etwa Kugeln sind, sondern gläserne russische Zwiebeltürmchen! Die Frau ist nicht mehr auszuhalten. Schwafelte dann noch was von estnischem Zander...")
PS
Rocco, geh mal aus der Leitung. Danke.
Der Hund verdreht mir das Wort im Mund. Klartext: Ich habe gestern das Menu für meine Lesung am 16. Mai besprochen - es gibt in der Tat Zander in Riesling als Hauptgang, obwohl dieser Fisch im Elsass selbst rar geworden ist. Und der Veranstalter versucht, das Dessert zu organisieren, dass ich schon als Kind nach dem Flammkuchen so liebte. Wer dann einen Apéritif in der Hand hält, der ebenfalls in meinem Elsassbuch vorkommt, kann gemählich am Blaufisch vorbeiflanieren (der ist sogar käuflich).
Ich weiß, einige Leserinnen und Leser zeigen sich bereits genervt davon, dass in meinem Blog das Wort Russland so oft vorkommt. Manche mögen das Wort Kunst nicht. Und es gibt welche, die fragen sich, was das ganze Blaugeschwätz soll. Von blauen Düften oder blauen Wörtern und blauen Reitern. Zum Glück ahnen diese Leser nichts von meinem heimlichen Blauleben! Nicht nur, dass ich mit einem mittelblauen russischen Wörterbuch in der Bibliothek stehe und Blauwörter übe. Ich hatte ja da auch diesen diffusen Traum von Buchprojekt, für das ich in einem blauen Heft Material sammle und das ich mit Arbeitstitel Blau nenne, weil mir nichts Besseres einfällt. Freunde grinsen schon, wenn ich mir blaue Klamotten kaufe. (Rocco: "Wenn das ein Cliffhanger sein soll, bin ich eine Klippe auf vier Beinen!")
Es schien alles nur wie ein Traum. Und um ein wenig mehr zu träumen, entwarf ich eine Geschichte, die ich "Blau" nannte und deren Handlung ich überhaupt nicht kannte. Es schrieb sozusagen mich: eine Frau am Flughafen kommt darin vor, die immer da ist, wenn die Flugzeuge aus Petersburg landen - und die es nicht schafft, dorthin zu fliegen, weil die Stadt längst zur Metapher geworden ist und sie Angst hat, der Metapher ihren Zauber zu nehmen. Ein Buch, für das man schon Erzählungen schreibt, obwohl das Buch kein Roman werden soll... (Rocco: "Ich würd ihr ja jetzt ein Ticket ins All schenken, ohne Rückfahrkarte.")
Und gestern, an einem eigentlich schwarzen Tag, fuhr ich ins Ried zu lieben Leuten, gekleidet in "russischblau" - und fand dort unversehens die Kombination von Grün und Blau, die die Ballets Russes in die westliche Welt gebracht hatten. Dort flog nämlich ein Blaufisch durch den Garten. Und als ich auf dem Heimweg an jenem ominösen Flughafen vorbeifuhr, wollte ich gerade einen Abstecher machen, der Frau in der Erzählung nachspüren - und merkte noch rechtzeitig, dass nicht nur Fische nicht fliegen können, sondern auch die Flugzeuge am Boden geblieben waren. Schade, ich hätte mir beinahe die Flugpläne für Petersburg angeschaut (Rocco: "UNZURECHNUNGSFÄHIG!")
Heute kam es durch einen verpassten Flug zu einem Telefonat. (Rocco: "Mach's kurz, sag's endlich!")
Und ich bin so trunken vor Freude, als hätte ich mit Boris Godunov persönlich um die Wette gebechert. Endlich habe ich ein Ventil für meine Petersburg-Plaudereien und Kunstvorlieben.
Ich darf "BLAU" für einen feinen feinen Verlag schreiben. Meine Spinnereien werden ein Buch.
(Rocco: "Natürlich verschweigt sie euch, dass sie gestern beim Blaufisch zwei blaue Rosenkugeln gekauft hat, die nicht etwa Kugeln sind, sondern gläserne russische Zwiebeltürmchen! Die Frau ist nicht mehr auszuhalten. Schwafelte dann noch was von estnischem Zander...")
PS
Rocco, geh mal aus der Leitung. Danke.
Der Hund verdreht mir das Wort im Mund. Klartext: Ich habe gestern das Menu für meine Lesung am 16. Mai besprochen - es gibt in der Tat Zander in Riesling als Hauptgang, obwohl dieser Fisch im Elsass selbst rar geworden ist. Und der Veranstalter versucht, das Dessert zu organisieren, dass ich schon als Kind nach dem Flammkuchen so liebte. Wer dann einen Apéritif in der Hand hält, der ebenfalls in meinem Elsassbuch vorkommt, kann gemählich am Blaufisch vorbeiflanieren (der ist sogar käuflich).
20. April 2010
roccultur: Wie im Tatort
roccultur: Beißfester als Popkultur, authentisch wie Rocco, unser französischer Korrespondent von der berüchtigten Beauceron-Berger-Belgique-Connection.
Sonderausgabe
Es ist nicht auszuhalten, wie sich meine Menschin hier im Blog selbst darstellt, fehlt nur noch, dass sie mit dem Schwanz wedelt und mit süßlichen Glubschaugen von unten nach oben guckt! Was scheint sie ach so wohlerzogen, intelligent und ordentlich gebürstet! Die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Obwohl eigentlich ich den miesen Ruf weg habe. Erzählte ich ja bereits: die meisten Menschen, Körpergröße egal, haben verdammt viel Angst vor mir. Das liegt nicht nur an meinem herrlichen Organ, für das ich gern in schallverstärkenden Räumlichkeiten Koloraturen übe. Ich mag nämlich Opern. Nein, man sagt mir im Dorf nach, ich sähe aus wie ein "Leichenhund".
Ich hab genauso dämlich gefragt wie ihr jetzt: Was ist denn das? - Dann kommen sie und drucksen herum, die ängstlichen Menschen, und erzählen einen vom Pferd, pardon vom letzten Tatort. Den gucken sie nämlich auch im Elsass. Und da kämen immer so Hunde vor, also wenn die Polizei durch den Wald geht und an Flussufern und so, also so komische Suchhunde, aber keine für Drogen, also so Hunde für Leichen eben. Fernsehen verblödet, wie man an solchen menschlichen Minimaldialogen erkennen kann. Ich bin ein hochintelligenter, hochsensibler Spürhund. Absolut prädestiniert für Film und Fernsehen, weil ich auch spielen könnte, ich würde ein Spürhund sein!
Filmwechsel. Meine ach so toughe Menschin stand heute in extremer Frühe auf und hatte vergessen, ihren Kopf zu wecken. Alles machte sie zweimal, suchte sie im falschen Zimmer. Ich als Spürhund hätte ihr sagen können... aber das Vergnügen mit kopflosen Menschen hat man ja nicht alle Tage. Dann trank sie auch noch den Kaffee im Stehen, macht sie sonst nie, und wollte plötzlich Hand anlegen. Mich kämmen! Zum Glück suchte sie dann stattdessen eins von ihren vielen Ersatzaugen. Irgendwas war anders.
Obwohl ich ins Auto durfte, roch ich Lunte. Madame hielt nämlich nirgends im morgendunstigen Vogesenwald. An jedem einladenden Waldweg rauschte sie mit einem Blick vorbei, den ich ebenfalls vom Fernsehen kenne. Wenn sie nämlich aus Versehen auf eine dieser Tierarztserien zappt, die ich so liebe, wo der Tierarzt immer fesch ist und die Menschinnen gar nicht mehr weg wollen. Da zuckt's ihr immer in den Lefzen, als wolle sie gleich höhnisch bellen und irgend so einen dämlichen Menschensatz sagen wie "ach, die Realität!" Als ob beim Tatort und den Leichenhunden jemand nach Realität winselte.
In dem Moment war mir klar, dass ich gegensteuern musste. Jeden noch so kleinen potentiellen Halt am Straßenrand kündigte ich lauthals an, winselte für jeden Baum, gab in jedem Dorf genervte Quietschlaute von mir und rackerte mich hinter dem Hundegitter ab, dass sie ihr Auto nicht mehr wiedererkennen würde. Da hättet ihr sie mal erleben müssen! Nix mit gesittet und freundlich wie hier im Blog! Das Weib wurde zur Walküre. Knurrte etwas von Konzentration im dichten Verkehr. Als ich ihr zutraulich in den Nacken sabberte, ließ sie einen Schrei los, als würde man einen Mops abstechen. Und dann fuhr sie auch noch mit Karacho an den Rand, hielt an und studierte eine Landkarte!
Leider war es nicht die Wanderkarte des Vogesenclubs. Madame war nämlich eingesperrt. Zwei Vollsperrungen und Umleitungen über zig Dörfer in der absoluten Pampa, die geheime Abkürzungsstrecke ebenfalls zu. Ihr hättet sie mal sehen sollen! Ich meine, die Frau schreibt ein Buch übers Elsass, tut ständig ach so wissend - und dann braucht sie eine Landkarte, um von zuhause in die Tierklinik zu kommen! Sie hat sie ziemlich brummelig weggesteckt und ist dann doch den Schildern nachgefahren. Ich wette, sie hatte nach illegalen Strecken über die Felder gesucht.
In der Tierklinik die nächste Überraschung. Meine süße zierliche blonde Ärztin war krank. Stattdessen hatte ein Zwei-Meter-Bär von Mann Dienst. Erinnert ihr euch an die Tierarztserien im Fernsehen? Meiner Menschin hätte jetzt eigentlich das Herz höher schlagen sollen. Ich meine, in jedem Film gehen doch die Menschinnen am liebsten gleich zweimal die Woche in die Tierklinik, nur weil der Arzt ein Mann ist. Und jetzt bekam sie für die gleiche Rechnung gleich zwei Meter davon! Aber sie ahnte wohl etwas.
Ich wurde nervös, weil wir in dem winzigen Sprechzimmer allein eingeschlossen waren. Menschin hätte zwar die Tür öffnen können, aber irgendwie war sie unzurechnungsfähig. Ich hasse geschlossene kleine Räume. Ich drehe in geschlossenen kleinen Räumen durch. Also verschanzte ich mich vorsichtshalber zwischen Menschin, Behandlungstisch und Tür. Alles im Blick.
Reißt plötzlich ein riesiger Bär die Tür auf, platzt herein, als gehöre der Raum ihm. Nix mit freundlichen weißen oder grünen Filmkitteln! Der Bär ist von Kopf bis Fuß schwarz und riecht nicht nach meiner kleinen zierlichen, blonden... Und wisst ihr, was der Depp macht? Hebt den Arm und will mit seiner Hand über mich hinweg an meine Menschin! Ich hab natürlich sofort reagiert, trotz Aufregung. Ihr hättet das sehen sollen. Ein absolut festgefrorener Zweimeterbär von Mann, der ganz langsam und vorsichtig seine Waffe senkt und völlig still und abwartend bei Fuß steht. Ich hab nur noch gewartet, bis er Pudel spielt und Männchen macht. Hach, war das ein Spaß. Dabei hatte ich mich nur vor der Menschin aufgebaut, eine Sonderkoloratur in Moll hören lassen und die Zähne gefletscht. Wagner'sches Festspiel pur. Da stand er nun, der Drachentöter. Ganz klein und brav biederte er sich bei mir an. Ja, er sei wohl zu schnell ins Zimmer geplatzt und dann der Arm, das hätte er nicht... Tierärzte.
Ich war dann ganz gnädig. Hab mich streicheln und stoisch impfen lassen. Nicht mal vor der Nadel gemuckt, wie ich das bei der Ärztin immer mache, weil die dann extra viel streichelt. Und jetzt habe ich eine tierärztliche Bestätigung, dass ich wohl mal tatsächlich eine Schutzhundeausbildung bekommen hatte - in meinem früheren Leben. Ich fand's dann schade, dass der Arzt so schnell gegangen ist. Ich mochte ihn ja. Wenn er nur seinen dämlichen Arm nicht über mich gehoben hätte, zwei Meter hoch. Ich lass mich ja auch kraulen, aber von unten. Merkt euch, Männer: schwarze Klamotten sind sowas von hässlich. Habt Mut zur Farbe! Schwarz sind nämlich Aggressoren, Einbrecher, Dämlacks und zwielichtige Gestalten. Oder Tierärzte, die nicht wissen, wie man sich vorabendserienfein benimmt.
PS: Meine Menschin hat den Beitrag gerade redigiert. Sie lacht und fragt, was die beiden Männer denken sollen, die hier mitlesen und die mich persönlich kennen. Die hielten mich bisher für einen edlen Schmusebär. Aber ihr Menschen habt dafür ja einen Spruch, ihr habt für alles Sprüche... "Und ist der Ruf erst ruiniert, dann fletscht sich's völlig ungeniert!"
18. April 2010
Dieser zarte Zauber
Tage wie diesen liebe ich beim Arbeiten. Wenn alle Vernunft sich ans Hirn klopft, weil sich die Autorin unmöglich Scheinendes vorgenommen hat und dazu noch nicht einmal einen Plan besitzt. Ordentlich schichtet sie einen Turm Bücher auf, die vielleicht inspirieren könnten, der Bleistift ist gespitzt. Aber es wird nichts aus dem Arbeiten, das Telefon klingelt, dann ein spontaner Espresse irgendwo, Geplauder in der Sonne ... und plötzlich ist es wieder da. "Die Welt ist klein", sag man im Deutschen, im Französischen lebt man damit, dass das Leben Kreisbögen schlagen muss, die sich irgendwann und möglichst häufig treffen sollten.
Irgendwann gegen Abend kam ich dazu, endlich in meinen feinen Büchern zu blättern. Aber da war der neue Ansatz längst da. Und ein paar verwegene Ideen obendrein. So muss es sich anfühlen, das Arbeiten!
Und jetzt gibt es bei Madame frischen Spargel und Nikolaj Nikolajewitsch Tscherepnin - zum Mitgenießen im "Blogfernsehen" der Pas de Trois aus dem Ballett "Le Pavillon d'Armide", dem ersten Ballett, das die Ballets Russes 1909 mit Nijinsky in Paris aufführten. Es hatte Diaghilew in Sankt Petersburg so imponiert, dass er beschloss, nicht nur die Oper "Boris Godunov" nach Paris zu exportieren. Das ist die, die das Petersburger Marijnsky-Theater im Sommer nach Baden-Baden bringt, wohin wiederum die Autorin... Aber das ist wieder ein anderer kreiselnder Kreis...
Irgendwann gegen Abend kam ich dazu, endlich in meinen feinen Büchern zu blättern. Aber da war der neue Ansatz längst da. Und ein paar verwegene Ideen obendrein. So muss es sich anfühlen, das Arbeiten!
Und jetzt gibt es bei Madame frischen Spargel und Nikolaj Nikolajewitsch Tscherepnin - zum Mitgenießen im "Blogfernsehen" der Pas de Trois aus dem Ballett "Le Pavillon d'Armide", dem ersten Ballett, das die Ballets Russes 1909 mit Nijinsky in Paris aufführten. Es hatte Diaghilew in Sankt Petersburg so imponiert, dass er beschloss, nicht nur die Oper "Boris Godunov" nach Paris zu exportieren. Das ist die, die das Petersburger Marijnsky-Theater im Sommer nach Baden-Baden bringt, wohin wiederum die Autorin... Aber das ist wieder ein anderer kreiselnder Kreis...
Put-Downs und Pump-Ups
Ich wollte schon immer mal so eine sprachvernichtende Schlagzeile, pardon, Headline, producen. Wenn mir dabei nicht alle followen können, auch egal. Schlagzeilen sind ja heutzutage nur Antörner (Onturner?), also mehr Aufputschmittel als intelligent. Ich wollte eigentlich sowieso etwas ganz anderes erzählen...
Auch Genies haben es schwer. Und weltberühmte Schriftsteller mussten sich über ihre Werke manchmal wirklich ätzende Kritik oder Ablehnung anhören. Der Examiner zitiert die grausligsten Vorwürfe in einer höchst vergnüglichen Serie: Teil 1 / Teil 2. Wer dabei denkt, es handle sich bei den Kritikern um anonyme Fäkalienschreiber, der irrt gewaltig. Da tummeln sich Größen wie George Bernard Shaw oder Mark Twain, die für ihr loses Maul bekannt sind, aber auch so angeblich höfliche und wohlanständige Namen wie Lord Byron, Charlotte Bronte und ... nein, eigentlich hatten sie alle ein loses Maul, wenn es um Kolleginnen und Kollegen ging.
Das soll aber nicht dazu verleiten, sich auf dem eigenen, vermeintlichen Genius auszuruhen! Fürs Nähen am Hornhautmantel ist es jedoch ein ebenso feiner Übungsstoff wie Umberto Ecos Kurzgeschichte, in welcher er Lektorenabsagen für Werke der Weltliteratur erfand (die so erfunden gar nicht waren, sondern dem geähnelt haben dürften, was er mit "Der Name der Rose" erlebte). Und zugegeben: ein kleines hämisches Schweinchen steckt in uns allen, sonst wäre solcher Lesestoff nicht so spaßig!
Im zweiten Teil geht es nicht um Dance-Partys, aber irgendwie um Tanz und eine Menge Luft und langen Atem. Ab morgen hat die unermüdliche, nicht aufgebende (jetzt erst recht) Autorin sich selbst einen neuen Job zugewiesen. Nicht, dass es mir an Arbeit fehlen würde - aber das mache ich jetzt ganz für mich selbst. Ich arbeite mein Nijinsky-Hörbuch in eine Printversion um. Dumm ist nämlich, dass der Text mit knapp 80 Normseiten viel zu kurz für ein Buch wäre, selbst wenn man es mit zahlreichen Bildern versieht. Ein, zwei Kapitelchen mehr könnten also nicht schaden. Und an Stoff fehlt es mir wahrhaftig nicht!
Aber das ist gar nicht so einfach, weil das Werk bereits absolut rundgefeilt und perfekt war. Hier das schriftstellerische Skalpell anzusetzen, fühlt sich an, als schneide man ohne Betäubung in lebendiges Fleisch. Man kann einen Text nicht einfach "aufpumpen" (doch, kann man wahrscheinlich in anderen Genres, da flickt man einfach ein paar Landschaftsbeschreibungen oder eine Kußszene ein?). Wo kann ich das perfekte Gleichgewicht aufbrechen? Wo würde ich nur für unnötige Längen sorgen? Gibt es Themenbereiche, über die noch keiner geschrieben hat oder die alle brennend interessieren?
Und dann sind da die Ängste. Ich muss meinen Text in Trance oder irgendeiner schreiberischen Beseeltheit seltsamer Art verfasst haben. Da sind Klänge und Formulierungen, wie sie unmöglich von mir stammen können. Allein die Passagen über Strawinsky kommen mir fremd vor, das muss der reine Synkopenrausch gewesen sein, der sie hervorbrachte. Wie soll ich jetzt die zusätzlichen Texte in genau diesem Stil weiterschreiben? Werde ich je reproduzieren können, was mir in die Tasten lief? Wo nehme ich die Sprache her? Mein einziges Hilfsmittel derzeit: exzessiv und immer wieder Strawinsky hören. Vielleicht war es das... ? Hoffentlich, denn an meinem Samowartee möchte ich mich im Frühling nicht unbedingt berauschen müssen.
Ich habe eine Menge Angst vor allem Möglichen in dieser Übergangsphase - seltsamerweise am meisten vor mir selbst. Ich habe nämlich Angst davor, das bisherige Niveau nicht mehr zu erreichen, an meinem eigenen, perfekt und monatelang zurechtgefeilten Text zu versagen, die rechten Worte nicht mehr zu finden. Dagegen verschwinden sämtliche Bedenken, dass ich für ein gedrucktes Buch noch keinen Verlag habe, weil ja alles ganz anders geplant gewesen war. Ich lebe gesunden (???) Größenwahn: Der Nijinsky wird erscheinen, ganz sicher. Versprochen.
Auch Genies haben es schwer. Und weltberühmte Schriftsteller mussten sich über ihre Werke manchmal wirklich ätzende Kritik oder Ablehnung anhören. Der Examiner zitiert die grausligsten Vorwürfe in einer höchst vergnüglichen Serie: Teil 1 / Teil 2. Wer dabei denkt, es handle sich bei den Kritikern um anonyme Fäkalienschreiber, der irrt gewaltig. Da tummeln sich Größen wie George Bernard Shaw oder Mark Twain, die für ihr loses Maul bekannt sind, aber auch so angeblich höfliche und wohlanständige Namen wie Lord Byron, Charlotte Bronte und ... nein, eigentlich hatten sie alle ein loses Maul, wenn es um Kolleginnen und Kollegen ging.
Das soll aber nicht dazu verleiten, sich auf dem eigenen, vermeintlichen Genius auszuruhen! Fürs Nähen am Hornhautmantel ist es jedoch ein ebenso feiner Übungsstoff wie Umberto Ecos Kurzgeschichte, in welcher er Lektorenabsagen für Werke der Weltliteratur erfand (die so erfunden gar nicht waren, sondern dem geähnelt haben dürften, was er mit "Der Name der Rose" erlebte). Und zugegeben: ein kleines hämisches Schweinchen steckt in uns allen, sonst wäre solcher Lesestoff nicht so spaßig!
Im zweiten Teil geht es nicht um Dance-Partys, aber irgendwie um Tanz und eine Menge Luft und langen Atem. Ab morgen hat die unermüdliche, nicht aufgebende (jetzt erst recht) Autorin sich selbst einen neuen Job zugewiesen. Nicht, dass es mir an Arbeit fehlen würde - aber das mache ich jetzt ganz für mich selbst. Ich arbeite mein Nijinsky-Hörbuch in eine Printversion um. Dumm ist nämlich, dass der Text mit knapp 80 Normseiten viel zu kurz für ein Buch wäre, selbst wenn man es mit zahlreichen Bildern versieht. Ein, zwei Kapitelchen mehr könnten also nicht schaden. Und an Stoff fehlt es mir wahrhaftig nicht!
Aber das ist gar nicht so einfach, weil das Werk bereits absolut rundgefeilt und perfekt war. Hier das schriftstellerische Skalpell anzusetzen, fühlt sich an, als schneide man ohne Betäubung in lebendiges Fleisch. Man kann einen Text nicht einfach "aufpumpen" (doch, kann man wahrscheinlich in anderen Genres, da flickt man einfach ein paar Landschaftsbeschreibungen oder eine Kußszene ein?). Wo kann ich das perfekte Gleichgewicht aufbrechen? Wo würde ich nur für unnötige Längen sorgen? Gibt es Themenbereiche, über die noch keiner geschrieben hat oder die alle brennend interessieren?
Und dann sind da die Ängste. Ich muss meinen Text in Trance oder irgendeiner schreiberischen Beseeltheit seltsamer Art verfasst haben. Da sind Klänge und Formulierungen, wie sie unmöglich von mir stammen können. Allein die Passagen über Strawinsky kommen mir fremd vor, das muss der reine Synkopenrausch gewesen sein, der sie hervorbrachte. Wie soll ich jetzt die zusätzlichen Texte in genau diesem Stil weiterschreiben? Werde ich je reproduzieren können, was mir in die Tasten lief? Wo nehme ich die Sprache her? Mein einziges Hilfsmittel derzeit: exzessiv und immer wieder Strawinsky hören. Vielleicht war es das... ? Hoffentlich, denn an meinem Samowartee möchte ich mich im Frühling nicht unbedingt berauschen müssen.
Ich habe eine Menge Angst vor allem Möglichen in dieser Übergangsphase - seltsamerweise am meisten vor mir selbst. Ich habe nämlich Angst davor, das bisherige Niveau nicht mehr zu erreichen, an meinem eigenen, perfekt und monatelang zurechtgefeilten Text zu versagen, die rechten Worte nicht mehr zu finden. Dagegen verschwinden sämtliche Bedenken, dass ich für ein gedrucktes Buch noch keinen Verlag habe, weil ja alles ganz anders geplant gewesen war. Ich lebe gesunden (???) Größenwahn: Der Nijinsky wird erscheinen, ganz sicher. Versprochen.
15. April 2010
Überwältigend
Ich bin völlig überwältigt, was passiert, wenn man Journalismus im Blog bietet. Das Interview mit Richard K. Breuer haben allein gestern weit über 200 Menschen abgerufen. Und wer ein pdf herunterlädt, liest es mit einiger Sicherheit auch. Wenn ich dagegen an den Kollegen bei Lübbe denke, der im Hauptprogramm hinter dem damals aufkommenden Dan Brown mit einem davon plattgewalzten Erstling gerade mal 250 verkaufte Exemplare in einem Jahr schaffte, muss ich zur Relativität der Leserbindung wahrscheinlich nichts mehr sagen. Sicher ein Extrem, aber die Größe des Verlags ist kein Garant für Abverkäufe.
Ich habe zum Thema außerdem ein interessantes Gespräch mit jemandem aus der Buchbranche geführt, der das Verlagsgeschäft wirklich von innen kennt. Ich klagte dabei über das Problem, sich bei solchen Alternativen sichtbar machen zu müssen - und wie Richard K. Breuer gut beschrieb, beweisen zu müssen, dass man auch jenseits von herkömmlichen Verlagen richtig gute Qualität bietet. Mein Gesprächspartner verwies darauf, dass soziale Netzwerke im Internet das Mittel der Wahl seien, sich einen Ruf zu schaffen und Kompetenz zu zeigen. Dass es aber nicht genüge, ein wenig damit herumzuspielen. Auch ein Blog will immer wieder mit neuen Leserkreisen "befeuert" werden. Aber dann stehe man mit dem eigenen Namen gerade für die Arbeit. Süffisant wurde ich an meine Erfahrungen mit Verlagsverkäufen erinnert - nicht immer ist der Aufkäufer ein Wunschverlag, in dem man sich freiwillig beworben hätte.
Etablierte Autoren, meinte er, hätten es sogar leichter, sich selbst zu verkaufen.
Von anderer Stelle erfuhr ich, dass BoD sich in der Qualität enorm gemausert habe (sogar mehrfarbige Kunstbände ordentlich) - und insofern eine Alternative wäre für Autoren, die sich in Sachen Vertrieb und Verkauf etwas schwer tun. Vor allem am Anfang kann man sich vieles in Sachen Rechnungswesen, ISBN-Beschaffung etc. an Arbeit und Lernaufwand ersparen. Auf der Webseite gibt es einen Kostenrechner, mit dem man herumspielen kann, und er scheint sehr treffsicher zu sein. Vielleicht ein Mittel zur Wahl für den vorsichtigen Test-Einstieg.
Manche werden jetzt wahrscheinlich hämisch fragen: "Warum interessiert die sich so, findet wohl keinen Verlag mehr". Häme kommt immer, wenn man sich mit ungewöhnlichen Wegen beschäftigt. Nein, ich bin der Meinung, dass man sich manchmal viel Lebenszeit und Frustrationen sparen kann, indem man Neues wagt.
So ist z.B. der Entschluss gereift, wenn ich mehr Zeit habe, meinen ersten Roman "Stechapfel und Belladonna" wieder zumindest als Ebook anzubieten. Ich muss dazu aber noch einmal das Manuskript durchkorrigieren und neu erfassen und layouten. Das wissen vielleicht die Wenigsten: Auch wenn man die Rechte am eigenen Buch zurück bekommen hat - die Rechte für Layout, Grafik etc. liegen natürlich bei dem Verlag, bei dem das Buch einst erschien. Ich will mir einfach auch den Spaß gönnen, auszutesten, wie viele Leser ich mit solch relativ geringem Aufwand selbst erreichen kann.
Außerdem scheint mir Richard K. Breuers Weg inzwischen der ideale für ein Europaprojekt in zwei Sprachen. Ich habe zwecks Veröffentlichung intensiv auf dem herkömmlichen Weg recherchiert: Thematisch wären die "normalen" Verlage überfordert, das liefe auf einen Bewerbungs-Parcours mit etwa einem Jahr Absagen heraus. In Frage kämen womöglich eher Regionalverlage. Aber die Passenden haben entweder bereits ihre Pforten geschlossen oder bieten einen derart lausigen Vertrieb (pardon, aber ich habe einige von der EU geförderte Projekte vor Augen, die schlicht nicht an den Endkunden ausgeliefert werden), dass so ein Buch von vornherein zum Scheitern verurteilt würde. Das kann dann auch noch der schlechteste Selbstverkäufer bei BoD oder im Selbstverlag besser - und nähme für die Arbeit auch etwas ein. So etwas ist meiner Meinung nach ein absolut klassischer Fall fürs Selbermachen (unter Profis natürlich, mit Grafiker, Übersetzer etc.)
Ein Spaß fiel mir dabei auch noch ein: Ein neues Label namens "no chance production". Produziert nur die edelsten Perlen der Verlagsverramschungen. Na, wäre das nicht eine Geschäftsidee?
Demnach explodiert in den USA der nichttraditionelle Buchmarkt förmlich, allein beim Print-on-Demand-Verfahren mit einer Zuwachsrate von 181% seit 2008, während herkömmliche Verlage vor allem bei der Belletristik stagnieren, aber auch in krisenbeeinflussten Segmenten wie Fremdsprachen, Kochbücher und Reisebücher.
Die erstaunlichen Zahlen erklärt man sich mit einer durch die Krise noch verschärften Umorientierung der Leserschaft. Laut Bowker überlegten die Leute nun ganz besonders, wofür sie ihr Geld ausgäben - und das fließe neuerdings in hohem Maße in praktische Ratgeber, in Fortbildung, in echte Nischenprodukte und alte Public Domain Titel - also das, was wir Klassiker nennen.
Ich habe zum Thema außerdem ein interessantes Gespräch mit jemandem aus der Buchbranche geführt, der das Verlagsgeschäft wirklich von innen kennt. Ich klagte dabei über das Problem, sich bei solchen Alternativen sichtbar machen zu müssen - und wie Richard K. Breuer gut beschrieb, beweisen zu müssen, dass man auch jenseits von herkömmlichen Verlagen richtig gute Qualität bietet. Mein Gesprächspartner verwies darauf, dass soziale Netzwerke im Internet das Mittel der Wahl seien, sich einen Ruf zu schaffen und Kompetenz zu zeigen. Dass es aber nicht genüge, ein wenig damit herumzuspielen. Auch ein Blog will immer wieder mit neuen Leserkreisen "befeuert" werden. Aber dann stehe man mit dem eigenen Namen gerade für die Arbeit. Süffisant wurde ich an meine Erfahrungen mit Verlagsverkäufen erinnert - nicht immer ist der Aufkäufer ein Wunschverlag, in dem man sich freiwillig beworben hätte.
Etablierte Autoren, meinte er, hätten es sogar leichter, sich selbst zu verkaufen.
Von anderer Stelle erfuhr ich, dass BoD sich in der Qualität enorm gemausert habe (sogar mehrfarbige Kunstbände ordentlich) - und insofern eine Alternative wäre für Autoren, die sich in Sachen Vertrieb und Verkauf etwas schwer tun. Vor allem am Anfang kann man sich vieles in Sachen Rechnungswesen, ISBN-Beschaffung etc. an Arbeit und Lernaufwand ersparen. Auf der Webseite gibt es einen Kostenrechner, mit dem man herumspielen kann, und er scheint sehr treffsicher zu sein. Vielleicht ein Mittel zur Wahl für den vorsichtigen Test-Einstieg.
Manche werden jetzt wahrscheinlich hämisch fragen: "Warum interessiert die sich so, findet wohl keinen Verlag mehr". Häme kommt immer, wenn man sich mit ungewöhnlichen Wegen beschäftigt. Nein, ich bin der Meinung, dass man sich manchmal viel Lebenszeit und Frustrationen sparen kann, indem man Neues wagt.
So ist z.B. der Entschluss gereift, wenn ich mehr Zeit habe, meinen ersten Roman "Stechapfel und Belladonna" wieder zumindest als Ebook anzubieten. Ich muss dazu aber noch einmal das Manuskript durchkorrigieren und neu erfassen und layouten. Das wissen vielleicht die Wenigsten: Auch wenn man die Rechte am eigenen Buch zurück bekommen hat - die Rechte für Layout, Grafik etc. liegen natürlich bei dem Verlag, bei dem das Buch einst erschien. Ich will mir einfach auch den Spaß gönnen, auszutesten, wie viele Leser ich mit solch relativ geringem Aufwand selbst erreichen kann.
Außerdem scheint mir Richard K. Breuers Weg inzwischen der ideale für ein Europaprojekt in zwei Sprachen. Ich habe zwecks Veröffentlichung intensiv auf dem herkömmlichen Weg recherchiert: Thematisch wären die "normalen" Verlage überfordert, das liefe auf einen Bewerbungs-Parcours mit etwa einem Jahr Absagen heraus. In Frage kämen womöglich eher Regionalverlage. Aber die Passenden haben entweder bereits ihre Pforten geschlossen oder bieten einen derart lausigen Vertrieb (pardon, aber ich habe einige von der EU geförderte Projekte vor Augen, die schlicht nicht an den Endkunden ausgeliefert werden), dass so ein Buch von vornherein zum Scheitern verurteilt würde. Das kann dann auch noch der schlechteste Selbstverkäufer bei BoD oder im Selbstverlag besser - und nähme für die Arbeit auch etwas ein. So etwas ist meiner Meinung nach ein absolut klassischer Fall fürs Selbermachen (unter Profis natürlich, mit Grafiker, Übersetzer etc.)
Ein Spaß fiel mir dabei auch noch ein: Ein neues Label namens "no chance production". Produziert nur die edelsten Perlen der Verlagsverramschungen. Na, wäre das nicht eine Geschäftsidee?
Update:
Gestern ist der Bowker Report über den traditionellen Buchmarkt in den USA veröffentlicht worden - mit überraschenden Zahlen, die sehr gut unser Thema illustrieren.Demnach explodiert in den USA der nichttraditionelle Buchmarkt förmlich, allein beim Print-on-Demand-Verfahren mit einer Zuwachsrate von 181% seit 2008, während herkömmliche Verlage vor allem bei der Belletristik stagnieren, aber auch in krisenbeeinflussten Segmenten wie Fremdsprachen, Kochbücher und Reisebücher.
Die erstaunlichen Zahlen erklärt man sich mit einer durch die Krise noch verschärften Umorientierung der Leserschaft. Laut Bowker überlegten die Leute nun ganz besonders, wofür sie ihr Geld ausgäben - und das fließe neuerdings in hohem Maße in praktische Ratgeber, in Fortbildung, in echte Nischenprodukte und alte Public Domain Titel - also das, was wir Klassiker nennen.
14. April 2010
Interview: Richard K. Breuer, der Autor, der auch ein Verleger ist
Als mir und meinem Agenten vor nicht allzu langer Zeit aus völlig unerklärlichen Gründen ein heißes Erdölthema unter den Fingern starb, kam ich zum ersten Mal auf subversive Gedanken. Die Absagen renommierter Publikumsverlage hatten nämlich nichts mit meinem Können oder dem Text zu tun. Einer Frau würde man das Thema nicht abnehmen. In der Krise wolle man "Schönes" und "Tröstliches" veröffentlichen. Der Ölpreis stehe zu hoch, da kaufe keiner Bücher über Erdöl.
"Warum gibst du das Buch nicht selbst heraus?", fragte mich ein Bekannter.
Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: "Weil ich mich dann mit dem Dorfchronisten auf eine Plattform stellen muss, der das Thema nicht nur verunstaltet hat, sondern noch nicht mal schreiben kann, geschweige denn die Rechtschreibung beherrscht."
Inzwischen verlege ich selbst aus guten Gründen weiter bei herkömmlichen Verlagen, denke aber durch die Recherche zum Thema Buchformen anders übers Verlegen. Zwischen den Dorfchronisten mit Rechtschreibhemmung und den Tante Ernas mit der ach so spannenden Hausfrauengeschichte findet sich nämlich tatsächlich immer häufiger das, was man sich unter einem gut gemachten Buch vorstellt. Man muss es nur finden. Und so wie die meisten Autoren einem Brotjob nachgehen müssen, kann der eigentlich auch das Verlegen von Büchern sein?
Der Wiener Autor und Selbstverleger Richard K. Breuer wäre mir ohne das Social Web nie aufgefallen. Und ich hätte mich nicht weiter für seine Arbeit interessiert, wenn mir nicht die subtilen und intelligenten Beiträge aufgefallen wären. So las ich immer wieder in seinem Blog von einer mir bis dahin fremden Welt, in welcher der moderne Autor zum eierlegenden Wollmilchschwein mutiert. War der Unterschied zwischen Publikumsverlag und Selbstverlag wirklich so groß? Er ist es ganz bestimmt in den Auflagezahlen, im Vertrieb und anderen Situationen, aber auch der herkömmlich verlegte Autor wird immer häufiger gezwungenermaßen zum Werber für die eigenen Bücher. Pressearbeit und Werbung für alle - das war einmal bei Großverlagen.
Noch etwas fand ich interessant: Das technisch heute erleichterte Selbstverlegen könnte skrupellosen Geschäftemachern die Stirn bieten, die von Autoren orbitante Summen verlangen, anstatt sie anständig zu bezahlen.
Natürlich wollte ich es genau wissen, schnüffelte weiter. Entdeckte den amüsanten Comic vom "Dschunibert-Prinzip", in dem sich wohl jeder Autor wiederfindet, der veröffentlicht werden will - egal wie. (Unter dem Link kann man ihn kostenlos herunterladen).
Dann las ich mich in "Schwarzkopf" fest, einer spritzigen Parodie über den Film "Der Dritte Mann", über Hollywood und Wien. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Intelligente Ironie und absurder Humor verkaufen sich in den letzten Jahren schwer an herkömmliche Verlage. Wenn sie dann auch noch "anders" geschrieben sind, nämlich als Drehbuch, dürften die meisten Lektoren abwinken. Nicht, weil es dafür keine Leser gäbe. Man schätzt einfach das Risiko zu hoch ein, weil man Angst hat, alles, was über dem Niveau von Standup Comedy liege, könne nicht verstanden werden. Was dann auch irgendwann der Fall sein wird, wenn die Leser solches nicht mehr in die Finger bekommen...
Ich habe mich in der Leseprobe festgelesen und werde mir das Buch bestellen (ja, ich bin für diesen Beitrag nicht bestochen worden). "Schwarzkopf" ist ein köstliches Feuerwerk an Absurditäten zwischen Politik und Illusionsindustrie; eine intelligente, scharf beobachtende Parodie voll von Wiener Schmäh, Slapstick und menschlichen Abgründen. Allein die Sprache hat Wörter, in denen man sich suhlen möchte - und dankenswerterweise ein Wörterbuch für deutschsprachige "Ausländer". Aber es ist anders als das übliche "Lesefutter": In der Typografie, der Form; ja der Frechheit, einen Krimi zu inszenieren, wie ihn Trendlisten nicht vorsehen.
Auch deshalb habe ich mir Richard K. Breuer für das Interview ausgesucht: Er "bastelt" nicht einfach mal schnell ein Buch. Er verlegt professionell. Er arbeitet mit Lektoren, Korrektoren und Grafikern zusammen, ist bestrebt, mehr zu bieten als Tante Erna mit dem Internet-Nähkästchen. Er ist das perfekte Beispiel dafür, dass es eben nicht angemessen ist, auf Verlage zu pfeifen oder gar zu schimpfen - weil man selbst zum Verleger mutiert und vor den gleichen Problemen und Entscheidungen in Sachen Finanzen, Produktion oder Handelsstrukturen steht wie jeder herkömmliche Verleger. Aber die Entscheidungswege sind kleiner, man muss mit sich selbst wohl nicht so lang verhandeln wie mit einem Fremden. Man ist sich selbst aber auch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ausreden, wenn es im Verlag nicht richtig läuft, hat ein ehrlicher Selbstverleger kaum. Der Verlag - den sieht er jeden Morgen im Spiegel.
Ich empfehle jetzt fleißiges Schmökern:
Richard K. Breuers Webseite und Blog - bei Twitter ist er als @dschun unterwegs
Wer sich den Namen der Webseite nicht merken kann, erfährt hier die Geschichte hinter der ominösen Zahl.
Zum Download als PDF (67 kb):
Petra van Cronenburg interviewt Richard K. Breuer "Wie hält der Autor den Verleger aus?"

Interview mit dem Autor und Verleger Richard K. Breuer von Petra van Cronenburg steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.
Über diese Lizenz hinausgehende Erlaubnisse können Sie unter http://www.cronenburg.net erhalten.
"Warum gibst du das Buch nicht selbst heraus?", fragte mich ein Bekannter.
Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: "Weil ich mich dann mit dem Dorfchronisten auf eine Plattform stellen muss, der das Thema nicht nur verunstaltet hat, sondern noch nicht mal schreiben kann, geschweige denn die Rechtschreibung beherrscht."
Inzwischen verlege ich selbst aus guten Gründen weiter bei herkömmlichen Verlagen, denke aber durch die Recherche zum Thema Buchformen anders übers Verlegen. Zwischen den Dorfchronisten mit Rechtschreibhemmung und den Tante Ernas mit der ach so spannenden Hausfrauengeschichte findet sich nämlich tatsächlich immer häufiger das, was man sich unter einem gut gemachten Buch vorstellt. Man muss es nur finden. Und so wie die meisten Autoren einem Brotjob nachgehen müssen, kann der eigentlich auch das Verlegen von Büchern sein?
Der Wiener Autor und Selbstverleger Richard K. Breuer wäre mir ohne das Social Web nie aufgefallen. Und ich hätte mich nicht weiter für seine Arbeit interessiert, wenn mir nicht die subtilen und intelligenten Beiträge aufgefallen wären. So las ich immer wieder in seinem Blog von einer mir bis dahin fremden Welt, in welcher der moderne Autor zum eierlegenden Wollmilchschwein mutiert. War der Unterschied zwischen Publikumsverlag und Selbstverlag wirklich so groß? Er ist es ganz bestimmt in den Auflagezahlen, im Vertrieb und anderen Situationen, aber auch der herkömmlich verlegte Autor wird immer häufiger gezwungenermaßen zum Werber für die eigenen Bücher. Pressearbeit und Werbung für alle - das war einmal bei Großverlagen.
Noch etwas fand ich interessant: Das technisch heute erleichterte Selbstverlegen könnte skrupellosen Geschäftemachern die Stirn bieten, die von Autoren orbitante Summen verlangen, anstatt sie anständig zu bezahlen.
Natürlich wollte ich es genau wissen, schnüffelte weiter. Entdeckte den amüsanten Comic vom "Dschunibert-Prinzip", in dem sich wohl jeder Autor wiederfindet, der veröffentlicht werden will - egal wie. (Unter dem Link kann man ihn kostenlos herunterladen).
Dann las ich mich in "Schwarzkopf" fest, einer spritzigen Parodie über den Film "Der Dritte Mann", über Hollywood und Wien. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Intelligente Ironie und absurder Humor verkaufen sich in den letzten Jahren schwer an herkömmliche Verlage. Wenn sie dann auch noch "anders" geschrieben sind, nämlich als Drehbuch, dürften die meisten Lektoren abwinken. Nicht, weil es dafür keine Leser gäbe. Man schätzt einfach das Risiko zu hoch ein, weil man Angst hat, alles, was über dem Niveau von Standup Comedy liege, könne nicht verstanden werden. Was dann auch irgendwann der Fall sein wird, wenn die Leser solches nicht mehr in die Finger bekommen...
Ich habe mich in der Leseprobe festgelesen und werde mir das Buch bestellen (ja, ich bin für diesen Beitrag nicht bestochen worden). "Schwarzkopf" ist ein köstliches Feuerwerk an Absurditäten zwischen Politik und Illusionsindustrie; eine intelligente, scharf beobachtende Parodie voll von Wiener Schmäh, Slapstick und menschlichen Abgründen. Allein die Sprache hat Wörter, in denen man sich suhlen möchte - und dankenswerterweise ein Wörterbuch für deutschsprachige "Ausländer". Aber es ist anders als das übliche "Lesefutter": In der Typografie, der Form; ja der Frechheit, einen Krimi zu inszenieren, wie ihn Trendlisten nicht vorsehen.
Auch deshalb habe ich mir Richard K. Breuer für das Interview ausgesucht: Er "bastelt" nicht einfach mal schnell ein Buch. Er verlegt professionell. Er arbeitet mit Lektoren, Korrektoren und Grafikern zusammen, ist bestrebt, mehr zu bieten als Tante Erna mit dem Internet-Nähkästchen. Er ist das perfekte Beispiel dafür, dass es eben nicht angemessen ist, auf Verlage zu pfeifen oder gar zu schimpfen - weil man selbst zum Verleger mutiert und vor den gleichen Problemen und Entscheidungen in Sachen Finanzen, Produktion oder Handelsstrukturen steht wie jeder herkömmliche Verleger. Aber die Entscheidungswege sind kleiner, man muss mit sich selbst wohl nicht so lang verhandeln wie mit einem Fremden. Man ist sich selbst aber auch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ausreden, wenn es im Verlag nicht richtig läuft, hat ein ehrlicher Selbstverleger kaum. Der Verlag - den sieht er jeden Morgen im Spiegel.
Ich empfehle jetzt fleißiges Schmökern:
Richard K. Breuers Webseite und Blog - bei Twitter ist er als @dschun unterwegs
Wer sich den Namen der Webseite nicht merken kann, erfährt hier die Geschichte hinter der ominösen Zahl.
Zum Download als PDF (67 kb):
Petra van Cronenburg interviewt Richard K. Breuer "Wie hält der Autor den Verleger aus?"
Interview mit dem Autor und Verleger Richard K. Breuer von Petra van Cronenburg steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.
Über diese Lizenz hinausgehende Erlaubnisse können Sie unter http://www.cronenburg.net erhalten.
Langweilige Vorrede
Gleich ist es so weit - Interview-Premiere im Blog.
Nach 26 Jahren Journalismus fühle ich mich wieder wie ein kleiner Volontär. Mein Medium brachte mich nämlich an Lerngrenzen. Eigentlich wollte ich nur ein kurzes Interview bringen, dann antwortete der Interviewpartner aber derart interessant und aufschlussreich, dass ich beschloss, nur leicht zu kürzen. Da stand ich nun mit fünf Seiten, die jedes Blog sprengen. Nichts leichter als das: Wir basteln ein pdf!
Meinem Computerdoktor sei Dank - ich fand das Programm dazu auf der Festplatte. Aber wohin mit dem Ding? Blogger ist kostenlos und schluckt nicht jede Datei. Also schiebe ich das auf den eigenen Server und verlinke ganz schick. Dann wäre aber eine Lizenz angebracht. Wie praktiziere ich die ins pdf? Wo sie doch eigentlich auf eine Webseite gehört? Auch alte Hasen lernen immer wieder neu dazu. Und so bitte ich, etwaige Schönheitsfehler zu entschuldigen - etwa, dass man Links in meinem Billigprogramm ausschreiben muss und nicht einbetten kann.
Ach, und bevor ich jetzt wie in einer Redaktion mit Anfragen zugeschüttet werde nach dem Motto "Ich will auch interviewt werden!" - das schaffe ich mit Einzel-Womanpower nicht. Ich suche mir meine Interviewpartner sehr gezielt und thematisch selbst aus und spreche sie in der Regel selbst an. Im Hintergrund macht sich die Journalistin nämlich Gedanken um eine Kohärenz der Themen und plant weiter. Ich will hier nicht sagen: Das ist der Weg. Ich will unterschiedliche Wege vergleichen, damit sich die Leser eigene Gedanken machen können. Ich halte absolut nichts von Patentlösungen, schon gar nicht in der Buchbranche.
Was mir in diesem Blog immer wieder selbst am Herzen liegt, ist die Frage, wie man innerhalb der fortschreitenden, die literarische Vielfalt zerstörenden Marktkonzentration (wir haben diese Folgen in Frankreich schon hinter uns) nicht nur die "unsichtbaren" Bücher sichtbarer machen kann, sondern auch neue Strukturen entwickeln könnte, die längst überfällig sind. Denn die alten Strukturen versagen immer häufiger - wie ich auch in meiner Eigenschaft als ehemalige Feuilletonistin schmerzlich feststelle.
Ich halte überhaupt nichts von Medienguru-Rezepten und schnellen Patentlösungen. Und wenn etwas in schier religiösem Eifer gepriesen wird, ist mir das schon deshalb verdächtig und ich frage mich: Cui bono, wem nutzt es wirklich?
Ich beobachte aber, dass die unterschiedlichen Akteure im Buchmarkt, die sich bisher oft als gegensätzliche Kräfte erfahren haben, längst in einem Boot sitzen: Autoren, Verlage, Buchhändler - sofern sie sich noch nicht als reine Profitzentren begreifen.
Wir erleben im Moment eine Übergangszeit. Autoren, deren Bücher nicht in Stapeln bei Buchketten an der Kasse liegen, Verlage, die mit den Rabattforderungen von großen Händlern nicht mithalten können oder wollen, unabhängige Buchhandlungen, die sich gegen Riesen behaupten müssen - sie alle behaupten sich in einem System, das offline wie online immer stärker von einem Marketinggeschrei erfüllt ist, bei dem es immer seltener um Inhalte geht, sondern um Gewinnmargen.
Wie gesagt, ich lebe in einem Land, wo wir schon hinter uns haben, was im deutschsprachigen Raum entstehen könnte. Bei uns in Frankreich ist das Buchhandelsterben schon gelaufen. Wir müssen meilenweit fahren für überteuerte Bücher, in glitzernde Kettenpaläste mit immer der gleichen Ware. Wir können Bücher in jedem Supermarkt kaufen, neben der Wurst, dem Käse: immer die gleiche Billig-Abgreifware. Und natürlich hat Frankreich, als es eigentlich zu spät war, Hilfsprogramme für Literatur gestartet. Die sind teuer, kosten im Endeffekt Steuergelder. Nun werden unabhängige, inhabergeführte Buchhandlungen mit literarischer Vielfalt staatlich gefördert, mit Qualitätslabel und Steuererleichterungen. Aber sie haben es schwer. Im Vakuum dazwischen haben die Menschen das Lesen aufgegeben, sich anderen Medien zugewandt.
Ich würde mir wünschen, dass es im deutschsprachigen Raum gar nicht erst zu einem solchen Vakuum kommt.
Nach 26 Jahren Journalismus fühle ich mich wieder wie ein kleiner Volontär. Mein Medium brachte mich nämlich an Lerngrenzen. Eigentlich wollte ich nur ein kurzes Interview bringen, dann antwortete der Interviewpartner aber derart interessant und aufschlussreich, dass ich beschloss, nur leicht zu kürzen. Da stand ich nun mit fünf Seiten, die jedes Blog sprengen. Nichts leichter als das: Wir basteln ein pdf!
Meinem Computerdoktor sei Dank - ich fand das Programm dazu auf der Festplatte. Aber wohin mit dem Ding? Blogger ist kostenlos und schluckt nicht jede Datei. Also schiebe ich das auf den eigenen Server und verlinke ganz schick. Dann wäre aber eine Lizenz angebracht. Wie praktiziere ich die ins pdf? Wo sie doch eigentlich auf eine Webseite gehört? Auch alte Hasen lernen immer wieder neu dazu. Und so bitte ich, etwaige Schönheitsfehler zu entschuldigen - etwa, dass man Links in meinem Billigprogramm ausschreiben muss und nicht einbetten kann.
Ach, und bevor ich jetzt wie in einer Redaktion mit Anfragen zugeschüttet werde nach dem Motto "Ich will auch interviewt werden!" - das schaffe ich mit Einzel-Womanpower nicht. Ich suche mir meine Interviewpartner sehr gezielt und thematisch selbst aus und spreche sie in der Regel selbst an. Im Hintergrund macht sich die Journalistin nämlich Gedanken um eine Kohärenz der Themen und plant weiter. Ich will hier nicht sagen: Das ist der Weg. Ich will unterschiedliche Wege vergleichen, damit sich die Leser eigene Gedanken machen können. Ich halte absolut nichts von Patentlösungen, schon gar nicht in der Buchbranche.
Was mir in diesem Blog immer wieder selbst am Herzen liegt, ist die Frage, wie man innerhalb der fortschreitenden, die literarische Vielfalt zerstörenden Marktkonzentration (wir haben diese Folgen in Frankreich schon hinter uns) nicht nur die "unsichtbaren" Bücher sichtbarer machen kann, sondern auch neue Strukturen entwickeln könnte, die längst überfällig sind. Denn die alten Strukturen versagen immer häufiger - wie ich auch in meiner Eigenschaft als ehemalige Feuilletonistin schmerzlich feststelle.
Ich halte überhaupt nichts von Medienguru-Rezepten und schnellen Patentlösungen. Und wenn etwas in schier religiösem Eifer gepriesen wird, ist mir das schon deshalb verdächtig und ich frage mich: Cui bono, wem nutzt es wirklich?
Ich beobachte aber, dass die unterschiedlichen Akteure im Buchmarkt, die sich bisher oft als gegensätzliche Kräfte erfahren haben, längst in einem Boot sitzen: Autoren, Verlage, Buchhändler - sofern sie sich noch nicht als reine Profitzentren begreifen.
Wir erleben im Moment eine Übergangszeit. Autoren, deren Bücher nicht in Stapeln bei Buchketten an der Kasse liegen, Verlage, die mit den Rabattforderungen von großen Händlern nicht mithalten können oder wollen, unabhängige Buchhandlungen, die sich gegen Riesen behaupten müssen - sie alle behaupten sich in einem System, das offline wie online immer stärker von einem Marketinggeschrei erfüllt ist, bei dem es immer seltener um Inhalte geht, sondern um Gewinnmargen.
Wie gesagt, ich lebe in einem Land, wo wir schon hinter uns haben, was im deutschsprachigen Raum entstehen könnte. Bei uns in Frankreich ist das Buchhandelsterben schon gelaufen. Wir müssen meilenweit fahren für überteuerte Bücher, in glitzernde Kettenpaläste mit immer der gleichen Ware. Wir können Bücher in jedem Supermarkt kaufen, neben der Wurst, dem Käse: immer die gleiche Billig-Abgreifware. Und natürlich hat Frankreich, als es eigentlich zu spät war, Hilfsprogramme für Literatur gestartet. Die sind teuer, kosten im Endeffekt Steuergelder. Nun werden unabhängige, inhabergeführte Buchhandlungen mit literarischer Vielfalt staatlich gefördert, mit Qualitätslabel und Steuererleichterungen. Aber sie haben es schwer. Im Vakuum dazwischen haben die Menschen das Lesen aufgegeben, sich anderen Medien zugewandt.
Ich würde mir wünschen, dass es im deutschsprachigen Raum gar nicht erst zu einem solchen Vakuum kommt.
13. April 2010
Der Drang zur Veröffentlichung
Schreiben als Job
Jeder Schriftsteller ist anders. Es gibt daher Schreibende, die vollauf glücklich damit sind, wenn sich ein Roman von vieren verkauft. Andere sind zufrieden, wenn sie sich selbst zum Schriftsteller ernennen können, ohne dass je eins ihrer Bücher fertig wird. Manche arbeiten fleißig Aufträge ab, wie man sonst Briefmarken sortieren würde oder Wurst herstellen. Und wieder andere schreiben nur nebenbei, in einer abendlichen Freistunde und nur bei Lustempfinden. Jeder von ihnen steht wahrscheinlich mit beiden Beinen fest im Leben. In einem eigenständigen Leben, das auch noch eines ist, wenn sie nicht veröffentlicht würden.
Kunst als Berufung
Gestern in der ARTE-Doku über Nijinsky und Neumeier sagte John Neumeier etwas, das mich an Nijinskys Leben mit am meisten erschüttert hat. Er ist ebenfalls der Meinung, dass Nijinskys psychische Krise u.a. da ihren Anfang nahm, als man ihn des Tanzens beraubte. Dieser Mann tanzte nicht einfach, er WAR Tanz und Tanz war sein Leben, seine Ausdrucksform, seine Möglichkeit, mit anderen in eine wirklich tiefgründige Kommunikation zu treten. Es schien zunächst nicht schlimm, dass er im Hausarrest während des Ersten Weltkriegs nicht mehr trainieren konnte. Er lebte Bewegungen aus, indem er kleinformatiger lebte: er begann zu malen. Richtig tragisch wurde es dadurch, dass man ihm außerdem die Auftrittsmöglichkeit genommen hatte. Dass man ihm die Bühne nahm und bei seinem letzten öffentlichen Tanz ein verständiges Publikum vorenthielt. Das war wie eine Amputation von Leben.
Solche Phänomene gibt es in allen Künsten. Die einfachste Erklärung ist wohl die, dass Kunst erst zur Kunst wird, wenn sie auf ein Publikum wirkt. Aber das erklärt nicht die existentielle Betroffenheit solcher Künstler, denen man die Außenwirkung stiehlt. Mir ist an diesem Beispiel aufgefallen, was man eigentlich alles auf sich nimmt und unternimmt, um an ein Publikum zu gelangen! Auch als Schriftsteller. Der Schreibprozess der Autoren ist gut und schön und wertvoll, aber er ist nicht alles - so viel Lebenszeit und Energie werden darauf verwendet, mit Hilfe von Texten in einen Dialog zu treten. Und anstatt sich mit zwanzig Lesern im Internet zufrieden zu geben, strebt man nach dem ganz großen Publikum.
Anfängergrößenwahn
Wenn ich an meine eigene Geschichte zurückdenke, stelle ich Veränderungen in der eigenen Haltung zur Veröffentlichung fest. Meine allererste Lektorin sagte mir einmal, von der ersten Idee bis zur ersten Veröffentlichung müsse man im Schnitt 15 Jahre rechnen. Ich schaffte es in acht Jahren, aber das war wohl der Bonus durchs Studium und den Beruf: Ich war in Fachrecherche und im Thema fit und hatte wenigstens ein paar kurze Formen des Schreibens gelernt. Ich hatte Glück. Ich bewarb mich bei zehn Verlagen und beim Wunschverlag wegen diverser Fehlleitungs"unfälle" dreimal. Bei dem kam ich unter. Diese Veröffentlichung war für mich wie ein Hauptgewinn in einer immensen Weltlotterie, ich war trunken davon und ahnte zum Glück nicht, dass man an Publikum auch manchmal leiden kann.
In typischer Anfängerüberheblichkeit hatte auch ich natürlich eine meiner ersten Bewerbungen an Bertelsmann, heute Random House, geschickt. Man fängt oben an und arbeitet sich runter, dachte ich. Ziemlich bald habe ich über den netten Formbrief mit der Absage gelacht: Wie konnte ich nur! Weder ich noch mein Text waren gut genug. Mir fehlte es an harter Selbstkritik, andernfalls hätte ich diese Bewerbung nicht gewagt.
Bewerbungsmarathon
Aber zu viel Selbstkritik kann auch zur Falle werden - wenn nämlich die Absagen mit dem Können nichts zu tun haben. Irgendwann, wenn man einige Veröffentlichungen hinter sich hat, lernt man die Deutungen und liest heraus, dass die Ablehnung von Texten auch mit seltsamen Dingen wie Wetterstürzen, lektoralen Eheproblemen oder negativen Vertretern zu tun haben können. Können, nicht müssen. Die Schuld sucht man meist zuerst bei sich selbst - jedenfalls als Profi. (Es gibt noch die Sorte, die über die bösen Lektoren klagt, die das Genie nicht verstehen können, die sortieren sich durch diese Haltung zuerst aus).
Aber irgendwie klappt es immer, wenn man einmal drin ist. Selbst Monate nervenzermürbender Warterei sind vergessen, wenn der Zuschlag kommt. Man lernt, was man kann und wo die Schwächen liegen. Und dann passiert es: Ein Zufall, ein Unfall, schneidet ein Buch vom Publikum ab. Man müsste eigentlich darüberstehen. Aber es trifft immer ganz tief in den Magen. Mein traumatischstes Erlebnis hatte ich gleich mit meinem Erstling, der sich langsam zu einem der Bestseller des Verlags mauserte (und heute noch im Antiquariat Höchstpreise erzielt).
Bücherabschlachten
Kurz bevor ich die 5000er Marke erreichte (für ein Nischenthema im Hardcover enorm), bekam ich die Verramschungmitteilung. Der neue Verlagsbesitzer warf kurzerhand alle Bücher aus dem Programm, die von der alten Belegschaft gemacht waren. Ich hätte einen neuen Verlag suchen können - wenn sich nicht der Streit um die Rechte wegen weiterer Besitzerwechsel über Jahre hingezogen hätte. Ich bekam sie im vergangenen Jahr von dem Unternehmen zurück, bei dem ich mich zuerst vergeblich beworben hatte: Random House, dem neuesten aller wechselnden Besitzer. Deren Rechtsabteilung funktioniert nämlich vorbildlich.
Was ich damit erzählen will: Manchmal gelangen Bücher nicht an ein Publikum aus Gründen, die mit dem Buch selbst gar nichts zu tun haben. Und dann ist es besonders schmerzlich, wenn man weiß, da draußen gieren womöglich Menschen danach. Aber man kann selbst vielleicht nicht so schnell darüber verfügen oder irgendwie tätig werden. Nun bin ich diesbezüglich ein mehrfach gebranntes Kind, obwohl ich die rasante Verramschung meines ersten Romans fast mit Schulterzucken ertragen habe - damit rechnet die abgebrühte Autorin von heute zwangsläufig, wenn ein TB-Erstling keine Werbung erfährt. Aber wenn den vielleicht doch gern noch einige Leute gelesen hätten? Wer ist man eigentlich, wenn langsam alle Bücher der Reihe nach geschäftlicher Auflösung zum Opfer fallen?
Neue Techniken und Selbstverlag
Die Zeiten haben sich geändert. Zum Glück! Heute kann man ausweichen - sofern man eben über seine Rechte verfügt. Nicht dass Autoren das chic finden, wenn Google ungefragt und gegen die Rechte frech Bücher ins Netz stellt. Denn wir Autoren wollen weiterhin die Oberhoheit behalten und entscheiden, wer uns wo und wie anbietet. Wir können das nämlich selbst. Und wir können mit relativ wenig Aufwand unsere vergriffenen Werke selbst verlegen und verkaufen.
Mein Erstling ist inhaltlich zu veraltet und überholt, um ihn jetzt noch anzubieten. Aber mit meinem ersten Roman überlege ich schon, ob ich nicht wenigstens ein Ebook zugänglich machen sollte. Warum ein Buch abtöten, nur weil sich für einen Verlagskonzern die Lagerkosten nicht mehr lohnen? Selbstverlag hat zwar immer noch ein Schmuddelimage, weil sich all die Möchtegerns dort tummeln, die teilweise nicht einmal der Rechtschreibung mächtig sind. Aber dieses Image sollte sich bald ändern. Immer mehr durchaus veröffentlichte Autoren, sozusagen mit "echtem Verlagssegen", geben Nischenthemen oder Liebhabereien, Kleinauflagen oder Vergriffenes selbst heraus. Und immer mehr Selbstverleger produzieren Bücher nach professionellen Standards. Man sollte also genauer hinschauen und nach der Qualität urteilen.
Weg vom Schmuddelimage
Als ich mich kundig machte, wie ich das technisch am besten bewerkstelligen könne und welche Entwicklungen es am Markt gibt, wurde ich auf einen Wiener Autor aufmerksam, der all das in Qualität selbst macht. Nämlich mit Lektorat, Grafik und allem, was dazu gehört. Ich war fasziniert. Während sich unsereins alle möglichen Qualen auferlegt, um endlich endlich wieder einmal einen Verlagsvertrag unterzeichnen zu dürfen, dessen Paragraphen durchaus zu einigen grauen Haaren führen können, machte dieser Mensch einfach. Während sich unsereins die grauen Haare in monatelanger Warterei während des Bewerbungsmarathons ausriss, legte dieser Mensch mit der Veröffentlichung los. Was musste das für ein Gefühl sein, keine Absagen kassieren zu müssen nach dem Motto: "Wir verlegen im Moment nur wahnsinnige Serienmörder mit viel Blut"! Sondern stattdessen dem Publikum einen ganz eigenen Krimi in die Hand drücken zu können...
Wer müht sich mehr: Autor oder Verleger?
Ich bin ein neugieriger Mensch. Und also habe ich diesem Autor Löcher in den Bauch gefragt. Und Hochinteressantes erfahren, über das Produzieren, das Entwerfen, das Verkaufen, die Anforderungen. Vieles lehrreich auch für bei Verlagen verlegte Autoren. Ich denke, ich kann jetzt besser einschätzen, wann sich eine Verlagssuche lohnt und wann man getrost darauf pfeifen sollte. Ich ziehe den Hut vor dem, was man da alles auf sich nehmen muss. Und lerne, was sich in unserem Geschäft derzeit rasant verändert.
Morgen lüfte ich das Geheimnis, um wen es sich handelt, stelle Autor und Verlag vor - und einen köstlichen Comic über die Schmerzen von Autoren, die verlegt werden wollen. Das Interview gibt's natürlich auch...
Jeder Schriftsteller ist anders. Es gibt daher Schreibende, die vollauf glücklich damit sind, wenn sich ein Roman von vieren verkauft. Andere sind zufrieden, wenn sie sich selbst zum Schriftsteller ernennen können, ohne dass je eins ihrer Bücher fertig wird. Manche arbeiten fleißig Aufträge ab, wie man sonst Briefmarken sortieren würde oder Wurst herstellen. Und wieder andere schreiben nur nebenbei, in einer abendlichen Freistunde und nur bei Lustempfinden. Jeder von ihnen steht wahrscheinlich mit beiden Beinen fest im Leben. In einem eigenständigen Leben, das auch noch eines ist, wenn sie nicht veröffentlicht würden.
Kunst als Berufung
Gestern in der ARTE-Doku über Nijinsky und Neumeier sagte John Neumeier etwas, das mich an Nijinskys Leben mit am meisten erschüttert hat. Er ist ebenfalls der Meinung, dass Nijinskys psychische Krise u.a. da ihren Anfang nahm, als man ihn des Tanzens beraubte. Dieser Mann tanzte nicht einfach, er WAR Tanz und Tanz war sein Leben, seine Ausdrucksform, seine Möglichkeit, mit anderen in eine wirklich tiefgründige Kommunikation zu treten. Es schien zunächst nicht schlimm, dass er im Hausarrest während des Ersten Weltkriegs nicht mehr trainieren konnte. Er lebte Bewegungen aus, indem er kleinformatiger lebte: er begann zu malen. Richtig tragisch wurde es dadurch, dass man ihm außerdem die Auftrittsmöglichkeit genommen hatte. Dass man ihm die Bühne nahm und bei seinem letzten öffentlichen Tanz ein verständiges Publikum vorenthielt. Das war wie eine Amputation von Leben.
Solche Phänomene gibt es in allen Künsten. Die einfachste Erklärung ist wohl die, dass Kunst erst zur Kunst wird, wenn sie auf ein Publikum wirkt. Aber das erklärt nicht die existentielle Betroffenheit solcher Künstler, denen man die Außenwirkung stiehlt. Mir ist an diesem Beispiel aufgefallen, was man eigentlich alles auf sich nimmt und unternimmt, um an ein Publikum zu gelangen! Auch als Schriftsteller. Der Schreibprozess der Autoren ist gut und schön und wertvoll, aber er ist nicht alles - so viel Lebenszeit und Energie werden darauf verwendet, mit Hilfe von Texten in einen Dialog zu treten. Und anstatt sich mit zwanzig Lesern im Internet zufrieden zu geben, strebt man nach dem ganz großen Publikum.
Anfängergrößenwahn
Wenn ich an meine eigene Geschichte zurückdenke, stelle ich Veränderungen in der eigenen Haltung zur Veröffentlichung fest. Meine allererste Lektorin sagte mir einmal, von der ersten Idee bis zur ersten Veröffentlichung müsse man im Schnitt 15 Jahre rechnen. Ich schaffte es in acht Jahren, aber das war wohl der Bonus durchs Studium und den Beruf: Ich war in Fachrecherche und im Thema fit und hatte wenigstens ein paar kurze Formen des Schreibens gelernt. Ich hatte Glück. Ich bewarb mich bei zehn Verlagen und beim Wunschverlag wegen diverser Fehlleitungs"unfälle" dreimal. Bei dem kam ich unter. Diese Veröffentlichung war für mich wie ein Hauptgewinn in einer immensen Weltlotterie, ich war trunken davon und ahnte zum Glück nicht, dass man an Publikum auch manchmal leiden kann.
In typischer Anfängerüberheblichkeit hatte auch ich natürlich eine meiner ersten Bewerbungen an Bertelsmann, heute Random House, geschickt. Man fängt oben an und arbeitet sich runter, dachte ich. Ziemlich bald habe ich über den netten Formbrief mit der Absage gelacht: Wie konnte ich nur! Weder ich noch mein Text waren gut genug. Mir fehlte es an harter Selbstkritik, andernfalls hätte ich diese Bewerbung nicht gewagt.
Bewerbungsmarathon
Aber zu viel Selbstkritik kann auch zur Falle werden - wenn nämlich die Absagen mit dem Können nichts zu tun haben. Irgendwann, wenn man einige Veröffentlichungen hinter sich hat, lernt man die Deutungen und liest heraus, dass die Ablehnung von Texten auch mit seltsamen Dingen wie Wetterstürzen, lektoralen Eheproblemen oder negativen Vertretern zu tun haben können. Können, nicht müssen. Die Schuld sucht man meist zuerst bei sich selbst - jedenfalls als Profi. (Es gibt noch die Sorte, die über die bösen Lektoren klagt, die das Genie nicht verstehen können, die sortieren sich durch diese Haltung zuerst aus).
Aber irgendwie klappt es immer, wenn man einmal drin ist. Selbst Monate nervenzermürbender Warterei sind vergessen, wenn der Zuschlag kommt. Man lernt, was man kann und wo die Schwächen liegen. Und dann passiert es: Ein Zufall, ein Unfall, schneidet ein Buch vom Publikum ab. Man müsste eigentlich darüberstehen. Aber es trifft immer ganz tief in den Magen. Mein traumatischstes Erlebnis hatte ich gleich mit meinem Erstling, der sich langsam zu einem der Bestseller des Verlags mauserte (und heute noch im Antiquariat Höchstpreise erzielt).
Bücherabschlachten
Kurz bevor ich die 5000er Marke erreichte (für ein Nischenthema im Hardcover enorm), bekam ich die Verramschungmitteilung. Der neue Verlagsbesitzer warf kurzerhand alle Bücher aus dem Programm, die von der alten Belegschaft gemacht waren. Ich hätte einen neuen Verlag suchen können - wenn sich nicht der Streit um die Rechte wegen weiterer Besitzerwechsel über Jahre hingezogen hätte. Ich bekam sie im vergangenen Jahr von dem Unternehmen zurück, bei dem ich mich zuerst vergeblich beworben hatte: Random House, dem neuesten aller wechselnden Besitzer. Deren Rechtsabteilung funktioniert nämlich vorbildlich.
Was ich damit erzählen will: Manchmal gelangen Bücher nicht an ein Publikum aus Gründen, die mit dem Buch selbst gar nichts zu tun haben. Und dann ist es besonders schmerzlich, wenn man weiß, da draußen gieren womöglich Menschen danach. Aber man kann selbst vielleicht nicht so schnell darüber verfügen oder irgendwie tätig werden. Nun bin ich diesbezüglich ein mehrfach gebranntes Kind, obwohl ich die rasante Verramschung meines ersten Romans fast mit Schulterzucken ertragen habe - damit rechnet die abgebrühte Autorin von heute zwangsläufig, wenn ein TB-Erstling keine Werbung erfährt. Aber wenn den vielleicht doch gern noch einige Leute gelesen hätten? Wer ist man eigentlich, wenn langsam alle Bücher der Reihe nach geschäftlicher Auflösung zum Opfer fallen?
Neue Techniken und Selbstverlag
Die Zeiten haben sich geändert. Zum Glück! Heute kann man ausweichen - sofern man eben über seine Rechte verfügt. Nicht dass Autoren das chic finden, wenn Google ungefragt und gegen die Rechte frech Bücher ins Netz stellt. Denn wir Autoren wollen weiterhin die Oberhoheit behalten und entscheiden, wer uns wo und wie anbietet. Wir können das nämlich selbst. Und wir können mit relativ wenig Aufwand unsere vergriffenen Werke selbst verlegen und verkaufen.
Mein Erstling ist inhaltlich zu veraltet und überholt, um ihn jetzt noch anzubieten. Aber mit meinem ersten Roman überlege ich schon, ob ich nicht wenigstens ein Ebook zugänglich machen sollte. Warum ein Buch abtöten, nur weil sich für einen Verlagskonzern die Lagerkosten nicht mehr lohnen? Selbstverlag hat zwar immer noch ein Schmuddelimage, weil sich all die Möchtegerns dort tummeln, die teilweise nicht einmal der Rechtschreibung mächtig sind. Aber dieses Image sollte sich bald ändern. Immer mehr durchaus veröffentlichte Autoren, sozusagen mit "echtem Verlagssegen", geben Nischenthemen oder Liebhabereien, Kleinauflagen oder Vergriffenes selbst heraus. Und immer mehr Selbstverleger produzieren Bücher nach professionellen Standards. Man sollte also genauer hinschauen und nach der Qualität urteilen.
Weg vom Schmuddelimage
Als ich mich kundig machte, wie ich das technisch am besten bewerkstelligen könne und welche Entwicklungen es am Markt gibt, wurde ich auf einen Wiener Autor aufmerksam, der all das in Qualität selbst macht. Nämlich mit Lektorat, Grafik und allem, was dazu gehört. Ich war fasziniert. Während sich unsereins alle möglichen Qualen auferlegt, um endlich endlich wieder einmal einen Verlagsvertrag unterzeichnen zu dürfen, dessen Paragraphen durchaus zu einigen grauen Haaren führen können, machte dieser Mensch einfach. Während sich unsereins die grauen Haare in monatelanger Warterei während des Bewerbungsmarathons ausriss, legte dieser Mensch mit der Veröffentlichung los. Was musste das für ein Gefühl sein, keine Absagen kassieren zu müssen nach dem Motto: "Wir verlegen im Moment nur wahnsinnige Serienmörder mit viel Blut"! Sondern stattdessen dem Publikum einen ganz eigenen Krimi in die Hand drücken zu können...
Wer müht sich mehr: Autor oder Verleger?
Ich bin ein neugieriger Mensch. Und also habe ich diesem Autor Löcher in den Bauch gefragt. Und Hochinteressantes erfahren, über das Produzieren, das Entwerfen, das Verkaufen, die Anforderungen. Vieles lehrreich auch für bei Verlagen verlegte Autoren. Ich denke, ich kann jetzt besser einschätzen, wann sich eine Verlagssuche lohnt und wann man getrost darauf pfeifen sollte. Ich ziehe den Hut vor dem, was man da alles auf sich nehmen muss. Und lerne, was sich in unserem Geschäft derzeit rasant verändert.
Morgen lüfte ich das Geheimnis, um wen es sich handelt, stelle Autor und Verlag vor - und einen köstlichen Comic über die Schmerzen von Autoren, die verlegt werden wollen. Das Interview gibt's natürlich auch...
12. April 2010
VG-Wort
Wer als Autor auch online veröffentlicht, wird sicher ähnlich wie ich über das Chaossystem der Verwertungsgesellschaft-Wort geflucht haben. Erstens blickt kaum jemand durch und zweitens ist es ungeheuer kompliziert und zeitaufwändig (ich kann mich jedenfalls nicht aufraffen, in jeden Beitrag ein Zählpixel einzubauen).
Abhilfe im Dschungel verspricht Elke Fleing. Zusammen mit einer zuständigen Mitarbeiterin bei der VG Wort hat sie eine Anleitung für Dummerle wie mich zusammengestellt. Lobenswert, dieses Engagement!
Abhilfe im Dschungel verspricht Elke Fleing. Zusammen mit einer zuständigen Mitarbeiterin bei der VG Wort hat sie eine Anleitung für Dummerle wie mich zusammengestellt. Lobenswert, dieses Engagement!
Hinter den Kulissen...
...bibbere ich heute äußerst schlecht gelaunt bei sieben Grad und Nordwind (die Unterkühlung merkt man mir gar nicht an, gell?). Ich darf aber auch verraten, dass es demnächst Interessantes in diesen Hallen geben wird. Nämlich ein Interview mit einem Autor, der alles in die eigene Hand nimmt, und zwar richtig. Natürlich bin ich selbst äußerst gespannt, wer nachts am ruhigsten schlafen kann: Autoren, die monatelang auf Antworten von Verlagen warten oder Autoren, die nett zu ihrem Verleger sein müssen, weil sie ihn jeden Tag im Spiegel sehen.
Wenn das Experiment klappt und angenommen wird, wird es "Das Interview" in loser Folge öfter geben.
Außerdem wurde ich um einen Gastbeitrag für eine Blogserie gebeten, in der es ums Bloggen für Kultureinrichtungen und Kulturschaffende geht. Ich werde darin über meine eigenen Erfahrungen berichten und erzählen, welche Fallstricke und Chancen auf einen warten.
Und weil ich so schlechte Laune habe und weil das Wetter so schlecht ist und weil demnächst der drecksgraue Himmel wahrscheinlich sogar herunterfällt, mache ich mich fleißig an diese Hausaufgaben. Zwischenzeitlich nehme ich natürlich Motivationsgaben von virtuellen Gummibärchen bis hin zum Schulterklopfen nach dem Motto "Olle, hab dich nich so" entgegen.
Und falls jetzt wieder ein Kollege kommt und mir sagt, ich solle stattdessen lieber an einem Buch schreiben, gebe ich ihm die Übersetzung, die ich heute noch fertigmachen will. Ich sagte ja, ich habe schlechte Laune.
PS: Na wenn das kein personal journalism ist!
Wenn das Experiment klappt und angenommen wird, wird es "Das Interview" in loser Folge öfter geben.
Außerdem wurde ich um einen Gastbeitrag für eine Blogserie gebeten, in der es ums Bloggen für Kultureinrichtungen und Kulturschaffende geht. Ich werde darin über meine eigenen Erfahrungen berichten und erzählen, welche Fallstricke und Chancen auf einen warten.
Und weil ich so schlechte Laune habe und weil das Wetter so schlecht ist und weil demnächst der drecksgraue Himmel wahrscheinlich sogar herunterfällt, mache ich mich fleißig an diese Hausaufgaben. Zwischenzeitlich nehme ich natürlich Motivationsgaben von virtuellen Gummibärchen bis hin zum Schulterklopfen nach dem Motto "Olle, hab dich nich so" entgegen.
Und falls jetzt wieder ein Kollege kommt und mir sagt, ich solle stattdessen lieber an einem Buch schreiben, gebe ich ihm die Übersetzung, die ich heute noch fertigmachen will. Ich sagte ja, ich habe schlechte Laune.
PS: Na wenn das kein personal journalism ist!
Nijinsky, mit Träne
Heute schlagen im Minutentakt die Nachfragen bei mir auf, wann man denn endlich mein Hörbuch über Nijinsky kaufen könne. Ein Freund machte mich aufmerksam, warum die Leute - abgesehen vom geplanten Termin - gieren: In ARTE gibt es heute Abend eine Doku (22:10 Uhr) mit dem Titel "Nijinsky und Neumeier. Eine Seelenverwandtschaft im Tanz". Wenn es die gleiche ist, die ich bereits im Theaterkanal gesehen habe, kann ich sie nur empfehlen, man spürt sehr viel von der Faszination, die nicht nur Balletttänzer ergreifen kann.
Ich selbst habe leider sehr schlechte Nachrichten. Aus unvorhergesehenen Gründen, die nichts mit mir oder meinem Manuskript zu tun haben, kann der Verlag nicht produzieren. Ich habe zwar die schönste Zensur für mein Manuskript von Deutschlands großem Ballettkritiker Horst Koegler, aber eine explizite Lösung ist noch nicht in Sicht.
Im Moment nehme ich mir Sergej Diaghilew als Vorbild: Selbst wenn die Bühnenaufbauten zusammenkrachen, die Aufführung wird irgendwo stattfinden. Ich glaube an dieses Projekt - es ist das beste Manuskript, das ich je geschrieben habe.
Falls gute Nachrichten vom Himmel fallen sollten, werde ich sie hier natürlich zuerst verkünden.
Ich selbst habe leider sehr schlechte Nachrichten. Aus unvorhergesehenen Gründen, die nichts mit mir oder meinem Manuskript zu tun haben, kann der Verlag nicht produzieren. Ich habe zwar die schönste Zensur für mein Manuskript von Deutschlands großem Ballettkritiker Horst Koegler, aber eine explizite Lösung ist noch nicht in Sicht.
Im Moment nehme ich mir Sergej Diaghilew als Vorbild: Selbst wenn die Bühnenaufbauten zusammenkrachen, die Aufführung wird irgendwo stattfinden. Ich glaube an dieses Projekt - es ist das beste Manuskript, das ich je geschrieben habe.
Falls gute Nachrichten vom Himmel fallen sollten, werde ich sie hier natürlich zuerst verkünden.
10. April 2010
Jahrmarktsattraktion Schriftsteller-in
Madame liest mal wieder zwei Artikel parallel, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben (und man sollte zumindest in ersteren schauen, um den vollen Spaß zu verstehen):
In "Würde 2.0" fragt der Autor Richard K. Breuer angesichts einer Lesung, was der Unterschied zwischen einem Schausteller, Bittsteller und Schriftsteller sein könnte.
Unter dem Titel "Wenn das Schwein gut inszenieren kann" spricht Anke Dürr im SpOn über Frauenkarrieren im Theater und über das, was Frauen in der Regie womöglich anders erleben könnten als Männer.
Da ist natürlich die Rede davon, dass manche Zeitgenossen immer noch lieber aufs Geschlecht achten als auf die Qualität, aber auch davon, dass sich Frauen gern selbst im Weg stehen, wie Ruth Berghaus zitiert wird: "... die Selbstzensur der Frau verhindere die Auflehnung, sie dränge das Aufbegehren in die Träume zurück."
Nun ist die Spezies Schriftsteller eher eine, die das Rampenlicht scheut und im stillen Kämmerlein mit sich selbst die Welt zu verändern sucht. Nicht jeder, der gut Welten erfinden kann, ist zur Rampensau oder gar zum Unterhosen-Model geboren. Aber das war gestern. Zu Richard K. Breuers Sammlung käme nämlich noch der Selbstdarsteller hinzu (übrigens sind immer auch die Frauen gemeint!). Ohne Selbstdarstellung, die im Idealfall sympathisch und natürlich daherkommt, geht in diesem Beruf nichts mehr.
Das fängt bei auf den Leib, pardon das Genre zugeschriebenen Lebensläufen an, wobei manche Verlage auch nicht davor zurückschrecken, multiple Persönlichkeiten mit drei Pseudonymen und drei Leben entsprechend umzuschminken und abzulichten. Und das hört bei der Auftrittswilligkeit auf. Wer sich Lesungen und ähnlichen Aktionen nämlich verweigert, kann ein noch so tolles Manuskript abgeben - die Chancen auf Veröffentlichung sinken beträchtlich. Manche Literaten mögen indes noch glauben, der schwarze Rolli und das Nuscheln täten es immer noch. Das mag auf dem platten Land ankommen, selbst dieser berühmte Literaturwettbewerb in diesem österreichischen Ort, dessen Namen ich immer wieder vergesse, kommt ohne Fernsehshow und Medieninszenierung nicht mehr aus. Hätte eine achtunvierzigjährige Hegemann mit kurzem Stoppelschnitt Chancen gehabt? Wohl dem und der, die ein gesundes Selbstbewusstsein haben - oder denen der Zirkus egal ist.
Das Leben als "Steller" ist hart für Schriftsteller. Nun weiß ich nicht, wie das für Männer ist, ich bin ja keiner. Ich habe mir nur bei Frank Schätzings halbnackten Posen amüsiert denken müssen, dass Männer auch nicht ganz frei sind von Jugendwahn und Angst vor dem Altern. Da werden Maßstäbe gesetzt, für die ein Bierbauch in den Fünfzigern künftig eine Menge brillanter Sätze entgegensetzen muss. Irgendwann wird der gute Märchenonkel in der Kinder- und Jugendbuchszene wahrscheinlich auch die Haare färben müssen. Und dann können sie ja uns Frauen um Tipps fragen, wir haben das alles hinter uns, wir wissen, dass es eben nicht immer egal ist, ob da ein Schwein auf der Bühne pfeift.
Irgendwo im Internet erzählte eine Kollegin, dass die Kinder- und Jugendbuchverlage zunehmend an ihrem Alter herummäkelten. Sie war offensichtlich nicht zu dem bereit, was andere längst praktizieren: Im Zeitalter der zurechtgeschriebenen Lebensläufe kann man sich nicht nur jünger machen, man kann sich auch jünger fotografieren. Gute Autorenfotos sind Schummelfotos. Das habe ich gelernt, weil ich im echten Leben ständig Haarlängen und Farben und damit mein Aussehen wechselte - nur passte das dann immer partout nicht zu den Büchern. Auf die Dauer wurde das teuer.
Also habe ich ein einziges Bild für alle fabrizieren lassen, auf dem man mich im echten Leben nicht erkennt (im Moment sind die Haare mal wieder halblang). Menschen, die mich zuerst auf Plakaten sehen und dann live, sind überrascht. Und überraschen mich: "Sie sehen in Echt ja viel jünger aus als auf dem Foto!" Wunderbar. Also bleibt das Foto, das Mitte der Neunziger aufgenommen wurde. Jetzt bin ich viel jünger.
Als Frau - wie gesagt - bekommt man den äußeren Schein schon stark mit. Wer unter einem Scheinwerfer sitzt, wird automatisch mit den retuschierten Schönheiten aus der Frauenpresse verglichen - vornehmlich von Frauen übrigens. Und die Verlage tun ihr Übriges dazu, am Selbstbewusstsein zu kratzen. Als ich meine ersten Sachbücher schrieb, war ich jung und sehr schlank. Im Verlag mäkelte man: "Haben Sie nicht vielleicht wenigstens einen Doktortitel oder können Sie sich ein wenig auf älter zurechtmachen, damit sie glaubwürdig wirken?" Offensichtlich muss Intelligenz sichtbar gemacht werden. Ich weiß nicht, ob Männer dieses Problem auch haben - ich fand es als junge Frau ungeheuer anstrengend, ständig beweisen zu müssen, dass unter meinen langen Haaren auch ein Hirn steckte.
Irgendwann war ich einige Pfunde und Jahre schwerer und schrieb über Frauen voller Lebensgenuss Romane. Man schaute mich von oben bis unten an und war zufrieden: "Wenigstens sind Sie nicht so ein Hungerhaken, dann nimmt man Ihnen das ab!" - Ach, waren das noch Zeiten, als man versteckt im Schriftstellerkämmerchen Geschichten zusammenspinnen durfte, egal, ob sie zur eigenen Figur passten! Aber ich bekomme das auch bei Elsass-Lesungen vom Publikum gesagt: "Ist das schön, dass Sie selbst genießen können, da will ich Ihre Rezepte gern ausprobieren." Nach solchen Komplimenten steige ich erschrocken auf die Waage und untersuche meine Wangen. Welche Art Bücher passt eigentlich zu Augenfältchen? Sollte ich zum Nijinsky meine Wangenknochen mehr betonen, unter denen ich als Kind gelitten habe?
Eine Bekannte fragte mich mal, wieso ich mir das antue, in die Öffentlichkeit zu gehen und mich den Blicken eines Publikums auszusetzen. Sie konnte gar nicht glauben, dass ich gern vorlese und den Kontakt mit dem Publikum für meine Arbeit schätze. Die Blicke sehe ich ja währenddessen gar nicht, das Publikum verschwimmt zu einem grauen Brei, der atmet und Energien aussendet, gute wie schlechte. Wenn man mit Fünfzig keinen Durchbruch hatte, lese ich im Internet, sinken die Chancen einer Veröffentlichung beträchtlich, Verlage wollen Autoren einkaufen, die lange produktiv sein werden. Hoppla. Früher war eine Schriftstellerin mit 50 nur Seniorin, jetzt ist sie schon fast pflegebedürftig? Bei meiner Rentenhöhe werde ich mindestens bis Neunzig schreiben müssen!
Getreu nach dem Motto der Selbstverhinderung habe ich dann auch schon Kolleginnen erlebt wie diese: "Ich brauche mit 55 doch gar nicht mehr anfangen, auf eine Bühne zu wollen, die wollen doch nur junges Fleisch." Und dann zwängte sie sich in Hippieklamotten und ließ das Walleehaar rauschen und dichtete Verslein für ein Publikum von 70 plus, wie man heute so schön sagt. Mich jedenfalls hatte sie ganz kirre gemacht. Fortan stand ich vor jedem Auftritt stundenlang vor dem Spiegel und litt darunter, dass Hausfassaden nach soundsovielen Jahren eben bröseln. Wann würde mir der erste Veranstalter ins Gesicht sagen, man ziehe die zwanzigjährige, knochenschlanke Blondine vor? So tough, wie ich mir einreden wollte, war ich ja nicht.
Warum mietest du dir keinen Mann?, fragte mich dann eine fesche Dreißigjährige ernsthaft. Den könne ich doch in öffentlichen Situationen vorschicken, der würde mir als Prellbock dienen können ... Hatte sie wirklich "Prellbock" gesagt? In der Tat, ohne ihren Mann gab es sie öffentlich nicht. Ich versuchte, mir das vorzustellen, es klang fast romanreif: Autorin im schönsten Alter schreibt über die Avantgarde und rauscht nebst abendweise gemieteten, perfekt gekleideten Mann in den Saal. Und schon hatte ich das erste Problem.
Was für eine Sorte Mann passt zur Avantgarde? Sollte ich bei einer dieser Männervermietungszentralen einen verschwitzten hässlichen Gnom à la Picasso ordern, der mir die Show nicht stahl? Oder machte ich mich besser mit dem zwanzig Jahre jüngeren Lover, den neuerdings alle Frauen haben müssen, die etwas werden wollen? Nähme ich lieber einen, der nach Hirn aussah oder einen Schrankkoffer im Anzug? Ich weiß nicht, wie die Frau sich das vorstellte, vor einem Auftritt habe ich genug mit meinem Lampenfieber zu tun.
Irgendwann habe ich dann mal den Härtetest gemacht. Nämlich auf die Meinungen von Jungmädchen-Lektorinnen in manche Verlagen gepfiffen, die ich erfolgreich hinter mich gebracht hatte. Ich trat auf, wie ich war. Als ich selbst. Keiner schrie entsetzt auf. Keiner wollte, dass das Buch von einer Jüngeren geschrieben wurde (es waren allerdings auch keine männlichen Feuilletonisten im überfälligen Alter anwesend).
Und dann setzte ich noch ein I-Tüpfelchen drauf - spielte auf der Bühne eine Frau, die sich über Diäten lustig machte, genoss, ständig vom guten Essen redete, soff und passend zur Rolle auch noch unpassend angezogen war. In den Pausen ließ es sich das Publikum schmecken. Und das Feedback war enorm. "Endlich!", riefen die Frauen. "Endlich!", riefen die Männer. Die Frauen waren glücklich, dass endlich einmal dem Bild von Jugendrausch und Schönheitszwang etwas entgegengesetzt wurde, das Leben nämlich. Ich wette, einige haben die nächste Schwarzwälder Torte mit Lust gegessen. Und die Männer waren beeindruckt, dass sie endlich mal keinen zurechtgespritzten, zurechtoperierten Hungerhaken ertragen mussten.
Dabei ging es doch eigentlich um Literatur? Dachte ich. Aber der Mensch ist wohl doch ein Augentier. Und das Schriftstellertier ein Schwein, das über die Bühne getrieben wird...
Neuerdings präsentiere ich mich in der Öffentlichkeit übrigens mit dieser edlen Haarfarbe, die man "Salz und Pfeffer" nennt. Aber das ist richtig schmerzhaft. Ich weiß nicht, wie lange ich das durchziehen kann, denn es geht an die Nieren. Das Feedback der Frauen nämlich: "Dass du dich das traust." - "Mein Mann würde das nie erlauben." - "Ich hätte Angst, damit meinen Job zu verlieren." - "Ich habe das mal probiert, aber alle haben auf mir herumgehackt." - "Meinst du nicht, dass du dir damit schadest?"
Nur manchmal, ganz still und heimlich, in unbeobachteten Momenten kommen Frauen auf mich zu und flüstern: "Danke. Danke, dass sie sich das trauen. Wenn das mehr Frauen machen würden, bräuchten wir keine Angst mehr davor haben, grau zu werden."
In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Jedenfalls haben Schriftstellerinnen und Schriftsteller heutzutage noch einen Beruf: Weichensteller.
Lesetipp: "50plus löst die Ruderoma ab"
Neugier 2.0: Gibt's hier öffentlich auftretende Männer, die von ihren Erfahrungen als "Steller" erzählen mögen?
In "Würde 2.0" fragt der Autor Richard K. Breuer angesichts einer Lesung, was der Unterschied zwischen einem Schausteller, Bittsteller und Schriftsteller sein könnte.
Unter dem Titel "Wenn das Schwein gut inszenieren kann" spricht Anke Dürr im SpOn über Frauenkarrieren im Theater und über das, was Frauen in der Regie womöglich anders erleben könnten als Männer.
Da ist natürlich die Rede davon, dass manche Zeitgenossen immer noch lieber aufs Geschlecht achten als auf die Qualität, aber auch davon, dass sich Frauen gern selbst im Weg stehen, wie Ruth Berghaus zitiert wird: "... die Selbstzensur der Frau verhindere die Auflehnung, sie dränge das Aufbegehren in die Träume zurück."
Nun ist die Spezies Schriftsteller eher eine, die das Rampenlicht scheut und im stillen Kämmerlein mit sich selbst die Welt zu verändern sucht. Nicht jeder, der gut Welten erfinden kann, ist zur Rampensau oder gar zum Unterhosen-Model geboren. Aber das war gestern. Zu Richard K. Breuers Sammlung käme nämlich noch der Selbstdarsteller hinzu (übrigens sind immer auch die Frauen gemeint!). Ohne Selbstdarstellung, die im Idealfall sympathisch und natürlich daherkommt, geht in diesem Beruf nichts mehr.
Das fängt bei auf den Leib, pardon das Genre zugeschriebenen Lebensläufen an, wobei manche Verlage auch nicht davor zurückschrecken, multiple Persönlichkeiten mit drei Pseudonymen und drei Leben entsprechend umzuschminken und abzulichten. Und das hört bei der Auftrittswilligkeit auf. Wer sich Lesungen und ähnlichen Aktionen nämlich verweigert, kann ein noch so tolles Manuskript abgeben - die Chancen auf Veröffentlichung sinken beträchtlich. Manche Literaten mögen indes noch glauben, der schwarze Rolli und das Nuscheln täten es immer noch. Das mag auf dem platten Land ankommen, selbst dieser berühmte Literaturwettbewerb in diesem österreichischen Ort, dessen Namen ich immer wieder vergesse, kommt ohne Fernsehshow und Medieninszenierung nicht mehr aus. Hätte eine achtunvierzigjährige Hegemann mit kurzem Stoppelschnitt Chancen gehabt? Wohl dem und der, die ein gesundes Selbstbewusstsein haben - oder denen der Zirkus egal ist.
Das Leben als "Steller" ist hart für Schriftsteller. Nun weiß ich nicht, wie das für Männer ist, ich bin ja keiner. Ich habe mir nur bei Frank Schätzings halbnackten Posen amüsiert denken müssen, dass Männer auch nicht ganz frei sind von Jugendwahn und Angst vor dem Altern. Da werden Maßstäbe gesetzt, für die ein Bierbauch in den Fünfzigern künftig eine Menge brillanter Sätze entgegensetzen muss. Irgendwann wird der gute Märchenonkel in der Kinder- und Jugendbuchszene wahrscheinlich auch die Haare färben müssen. Und dann können sie ja uns Frauen um Tipps fragen, wir haben das alles hinter uns, wir wissen, dass es eben nicht immer egal ist, ob da ein Schwein auf der Bühne pfeift.
Irgendwo im Internet erzählte eine Kollegin, dass die Kinder- und Jugendbuchverlage zunehmend an ihrem Alter herummäkelten. Sie war offensichtlich nicht zu dem bereit, was andere längst praktizieren: Im Zeitalter der zurechtgeschriebenen Lebensläufe kann man sich nicht nur jünger machen, man kann sich auch jünger fotografieren. Gute Autorenfotos sind Schummelfotos. Das habe ich gelernt, weil ich im echten Leben ständig Haarlängen und Farben und damit mein Aussehen wechselte - nur passte das dann immer partout nicht zu den Büchern. Auf die Dauer wurde das teuer.
Also habe ich ein einziges Bild für alle fabrizieren lassen, auf dem man mich im echten Leben nicht erkennt (im Moment sind die Haare mal wieder halblang). Menschen, die mich zuerst auf Plakaten sehen und dann live, sind überrascht. Und überraschen mich: "Sie sehen in Echt ja viel jünger aus als auf dem Foto!" Wunderbar. Also bleibt das Foto, das Mitte der Neunziger aufgenommen wurde. Jetzt bin ich viel jünger.
Als Frau - wie gesagt - bekommt man den äußeren Schein schon stark mit. Wer unter einem Scheinwerfer sitzt, wird automatisch mit den retuschierten Schönheiten aus der Frauenpresse verglichen - vornehmlich von Frauen übrigens. Und die Verlage tun ihr Übriges dazu, am Selbstbewusstsein zu kratzen. Als ich meine ersten Sachbücher schrieb, war ich jung und sehr schlank. Im Verlag mäkelte man: "Haben Sie nicht vielleicht wenigstens einen Doktortitel oder können Sie sich ein wenig auf älter zurechtmachen, damit sie glaubwürdig wirken?" Offensichtlich muss Intelligenz sichtbar gemacht werden. Ich weiß nicht, ob Männer dieses Problem auch haben - ich fand es als junge Frau ungeheuer anstrengend, ständig beweisen zu müssen, dass unter meinen langen Haaren auch ein Hirn steckte.
Irgendwann war ich einige Pfunde und Jahre schwerer und schrieb über Frauen voller Lebensgenuss Romane. Man schaute mich von oben bis unten an und war zufrieden: "Wenigstens sind Sie nicht so ein Hungerhaken, dann nimmt man Ihnen das ab!" - Ach, waren das noch Zeiten, als man versteckt im Schriftstellerkämmerchen Geschichten zusammenspinnen durfte, egal, ob sie zur eigenen Figur passten! Aber ich bekomme das auch bei Elsass-Lesungen vom Publikum gesagt: "Ist das schön, dass Sie selbst genießen können, da will ich Ihre Rezepte gern ausprobieren." Nach solchen Komplimenten steige ich erschrocken auf die Waage und untersuche meine Wangen. Welche Art Bücher passt eigentlich zu Augenfältchen? Sollte ich zum Nijinsky meine Wangenknochen mehr betonen, unter denen ich als Kind gelitten habe?
Eine Bekannte fragte mich mal, wieso ich mir das antue, in die Öffentlichkeit zu gehen und mich den Blicken eines Publikums auszusetzen. Sie konnte gar nicht glauben, dass ich gern vorlese und den Kontakt mit dem Publikum für meine Arbeit schätze. Die Blicke sehe ich ja währenddessen gar nicht, das Publikum verschwimmt zu einem grauen Brei, der atmet und Energien aussendet, gute wie schlechte. Wenn man mit Fünfzig keinen Durchbruch hatte, lese ich im Internet, sinken die Chancen einer Veröffentlichung beträchtlich, Verlage wollen Autoren einkaufen, die lange produktiv sein werden. Hoppla. Früher war eine Schriftstellerin mit 50 nur Seniorin, jetzt ist sie schon fast pflegebedürftig? Bei meiner Rentenhöhe werde ich mindestens bis Neunzig schreiben müssen!
Getreu nach dem Motto der Selbstverhinderung habe ich dann auch schon Kolleginnen erlebt wie diese: "Ich brauche mit 55 doch gar nicht mehr anfangen, auf eine Bühne zu wollen, die wollen doch nur junges Fleisch." Und dann zwängte sie sich in Hippieklamotten und ließ das Walleehaar rauschen und dichtete Verslein für ein Publikum von 70 plus, wie man heute so schön sagt. Mich jedenfalls hatte sie ganz kirre gemacht. Fortan stand ich vor jedem Auftritt stundenlang vor dem Spiegel und litt darunter, dass Hausfassaden nach soundsovielen Jahren eben bröseln. Wann würde mir der erste Veranstalter ins Gesicht sagen, man ziehe die zwanzigjährige, knochenschlanke Blondine vor? So tough, wie ich mir einreden wollte, war ich ja nicht.
Warum mietest du dir keinen Mann?, fragte mich dann eine fesche Dreißigjährige ernsthaft. Den könne ich doch in öffentlichen Situationen vorschicken, der würde mir als Prellbock dienen können ... Hatte sie wirklich "Prellbock" gesagt? In der Tat, ohne ihren Mann gab es sie öffentlich nicht. Ich versuchte, mir das vorzustellen, es klang fast romanreif: Autorin im schönsten Alter schreibt über die Avantgarde und rauscht nebst abendweise gemieteten, perfekt gekleideten Mann in den Saal. Und schon hatte ich das erste Problem.
Was für eine Sorte Mann passt zur Avantgarde? Sollte ich bei einer dieser Männervermietungszentralen einen verschwitzten hässlichen Gnom à la Picasso ordern, der mir die Show nicht stahl? Oder machte ich mich besser mit dem zwanzig Jahre jüngeren Lover, den neuerdings alle Frauen haben müssen, die etwas werden wollen? Nähme ich lieber einen, der nach Hirn aussah oder einen Schrankkoffer im Anzug? Ich weiß nicht, wie die Frau sich das vorstellte, vor einem Auftritt habe ich genug mit meinem Lampenfieber zu tun.
Irgendwann habe ich dann mal den Härtetest gemacht. Nämlich auf die Meinungen von Jungmädchen-Lektorinnen in manche Verlagen gepfiffen, die ich erfolgreich hinter mich gebracht hatte. Ich trat auf, wie ich war. Als ich selbst. Keiner schrie entsetzt auf. Keiner wollte, dass das Buch von einer Jüngeren geschrieben wurde (es waren allerdings auch keine männlichen Feuilletonisten im überfälligen Alter anwesend).
Und dann setzte ich noch ein I-Tüpfelchen drauf - spielte auf der Bühne eine Frau, die sich über Diäten lustig machte, genoss, ständig vom guten Essen redete, soff und passend zur Rolle auch noch unpassend angezogen war. In den Pausen ließ es sich das Publikum schmecken. Und das Feedback war enorm. "Endlich!", riefen die Frauen. "Endlich!", riefen die Männer. Die Frauen waren glücklich, dass endlich einmal dem Bild von Jugendrausch und Schönheitszwang etwas entgegengesetzt wurde, das Leben nämlich. Ich wette, einige haben die nächste Schwarzwälder Torte mit Lust gegessen. Und die Männer waren beeindruckt, dass sie endlich mal keinen zurechtgespritzten, zurechtoperierten Hungerhaken ertragen mussten.
Dabei ging es doch eigentlich um Literatur? Dachte ich. Aber der Mensch ist wohl doch ein Augentier. Und das Schriftstellertier ein Schwein, das über die Bühne getrieben wird...
Neuerdings präsentiere ich mich in der Öffentlichkeit übrigens mit dieser edlen Haarfarbe, die man "Salz und Pfeffer" nennt. Aber das ist richtig schmerzhaft. Ich weiß nicht, wie lange ich das durchziehen kann, denn es geht an die Nieren. Das Feedback der Frauen nämlich: "Dass du dich das traust." - "Mein Mann würde das nie erlauben." - "Ich hätte Angst, damit meinen Job zu verlieren." - "Ich habe das mal probiert, aber alle haben auf mir herumgehackt." - "Meinst du nicht, dass du dir damit schadest?"
Nur manchmal, ganz still und heimlich, in unbeobachteten Momenten kommen Frauen auf mich zu und flüstern: "Danke. Danke, dass sie sich das trauen. Wenn das mehr Frauen machen würden, bräuchten wir keine Angst mehr davor haben, grau zu werden."
In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Jedenfalls haben Schriftstellerinnen und Schriftsteller heutzutage noch einen Beruf: Weichensteller.
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Neugier 2.0: Gibt's hier öffentlich auftretende Männer, die von ihren Erfahrungen als "Steller" erzählen mögen?