Wie bei Grenzgängern üblich, habe ich heute meinen Kaffee drüben auf der anderen Seite, in Deutschland, getrunken. An der Wintersdorfer Brücke Richtung Frankreich dann ein Grenzkontrollaufgebot, wie ich es zum letzten Mal bei einer Fahrt in die DDR erlebt habe. Die Nato lässt jetzt schon grüßen. Für die Rückfahrt legte ich schon mal die Papiere zurecht (warum trage ich seit Osteuropa eigentlich immer einen 20-Euro-Schein darin spazieren?)
Schnell noch mal auf dem Rückweg in den grenznahen deutschen Supermarkt, spanischen Rotwein, deutsches Brot und fränkische Bratwürste fürs Abendessen geholt. Ferienlaune bei 20 Grad und strahlendem Sonnenschein. Vor mir die deutsche Abteilung der Polizei, ebenfalls auf der Suche nach einem Abendessen. Irgendwie nicht richtig durchgefüttert die Jungs, wirkten reichlich wie lebendige Sparmaßnahmen. Zum Rhein hin waren sie schneller als ich. Hinter dem alten Schrotthaufen, der einmal die deutsche Zollstation war, hatten sie in der Sonne Campingstühle aufgestellt. Und auf einen Hopp saßen sie alle zum Essen bereit. Ich konnte die Uhr danach stellen. Punkt sechs Uhr.
Auf der französischen Seite sollte man heute keine Uniformenphobie gehabt haben. Es war nicht direkt eine Straßensperre, aber man musste Schritt durch das Nadelöhr fahren. Fünf Mannschaftswagen und überschlagsmäßig 15 oder 20 Uniformierte. Monsieur Oberkontrolleur hatte sich bereits für Obama vorbereitet. Mit seiner Sonnenbrille und seinem lässigen Gehabe verwandelte er die französische Uniform in den Strandlook von Miami Vice. Der würde sicher im Jachthafen unten zu Abend essen wollen.
Eine wichtige Geste, ich möge bitte unverzüglich vom Gas gehen. Da fuhr ich noch 20 km/h. Also entfleucht mir eine dieser sprechenden Gesten, die sagte: "Aber natürlich, klar lass ich dich am Leben, ich bremse doch auch für Igel!" So einer will Papiere sehen, der filzt alles. Denkste. Ich hatte vergessen, auf welchem Landesgebiet ich war. Gucken hat er wollen. Ich also meinen neuen Lippenstift beim extrabreiten Lächeln getestet, Farbe "magnetic mauve". Was dann kam, wäre filmreif für die Arte-Sendung "Karambolage" gewesen. Ein perfekter Kratzfuß mit Einladung zum Menuett und Strahlen. Na, da hab ich den Jungs dahinter doch auch gleich noch gewunken.
Irgendwie können sie einem ja fast leid tun. Werden von sonstwo aus dem Land angekarrt für Extradienst und langweilen sich derzeit wahrscheinlich zu Tode.
Aber Achtung ab Freitag, spätestens dann ist das gesamte Gebiet weiträumig abgeriegelt! Autobahn und Bundesstraße werden komplett gesperrt, ab Iffezheim ist Schluss, dahinter beginnt das Niemandsland. Und ich fürchte, der Grenzübertritt wird dann nicht mehr so gemütlich und locker sein wie heute, schließlich blockieren die Politiker ja gleich beide Länder. Wer klaustrophobisch veranlagt ist, sollte das Gebiet um Baden-Baden und Straßburg / Kehl weiträumig meiden. Denn ausgerechnet jetzt beginnen in neun Bundesländern die Osterferien!
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31. März 2009
отдых
Ein neues Projekt verhält sich zu Beginn wie ein zartes Märzpflänzchen und ich als Autorin verhalte mich wie eine Januarmimose. Im Aussaatstadium bin ich bis zur Ekstase begeistert, im Keimstadium möchte ich am liebsten den Glassturz des Kleinen Prinzen ausleihen, ständig darum bangend, der kleinste Windhauch könnte mein zartes Pflänzchen erfrieren lassen - oder ich wäre als Gärtnerin absolut ungeeignet. Wenn ich meine eigenen Ansprüche nicht ständig höher schraube, beginne ich mich zu langweilen. Aber gleichzeitig fürchte ich mich davor, außer Atem einer Idee nachzurennen, der ich von vornherein nie hätte folgen können.
Nichts beruhigt mich dann, nicht einmal die lobende Zustimmung der Verlegerin. Jetzt lobt sie noch, denke ich, aber was ist, wenn es bei diesen mickrigen zwölf Seiten bliebe? Wenn danach die Luft weg wäre? Wenn ich die großartigen Kopfideen nicht auf Papier bringe? Wenn ich nur einen Abklatsch dessen schreiben kann, was ich mir vorstelle? Nichts beruhigt mich in dieser Phase - nur das Schreiben selbst. Strecke machen. Nicht nachdenken, keine Wenn und Aber. Kein Grübeln. Nur lustvolles Schreiben, mit der Lust an Fehlern, schlechten Formulierungen, unvollkommenen Rhythmen und all diesen gelb markierten xxxx-Stellen, die ich recherchierend nachschlagen müsste. Nein, nur nicht aus dem Fluss bringen lassen, zuerst den Atem der Geschichte finden.
Leserinnen und Leser? Sind mir in dieser Phase herzlich egal. Irgendwer wird meinen Dingens schon lesen, pardon hören. Irgendwem wird er gefallen, irgendwer wird ihn in der Luft zerreißen. Das ist immer so. Jetzt, in diesem aufgeregten Anfangsstadium ist das eine keimende Liebesbeziehung nur zwischen mir und Dingens. Jeder Dritte würde stören. Staunend lese ich in den Kaffeepausen, dass es Kollegen gibt, die Wörter wie "Zielpublikum" benutzen, die von Erwartungen sprechen und diskutieren, ob eine Warze am kleinen Zeh der Hauptfigur zu weniger Abverkäufen führen könnte, oder wann man der starken Frau im Vordergrund welchen Sex gönne. Seltsam. Erwartungen?
Irgendwo in den Tagebüchern von Dingens habe ich gelesen, wie er sich freut, eine effektive Methode zum Beseitigen von Hühneraugen gefunden zu haben. Damit sie nicht wieder nachwachsen, lässt er sie zuerst fröhlich sprießen und rubbelt sie dann mit Bimsstein ab. Sollte ich ernsthaft darüber nachdenken, wie viele Abverkäufe es mich kosten wird, wenn ich dieses Wissen über Dingens unterschlage? Das Publikum könnte sich sehr wohl für seine Füße interessieren. Ich könnte einen Diskurs mit Kollegen über die Sinnhaftigkeit feingeschliffener Hühneraugen von Protagonisten beginnen. Stattdessen schreibe ich und suche nach etwas anderem: dieser leidenschaftlichen tranceartigen Stimmung, wenn ich besessen von meiner Geschichte, das eigene Leben fast wie ausgelöscht, mit jener Figur kommuniziere. Weil sie lebendig geworden ist. In diesem Moment, aber erst in diesem, gelingt es mir, Dingens auch für andere lebendig erscheinen zu lassen.
Dementsprechend schaffe ich dafür so etwas wie ein Treibhaus, einen Schutzmantel aus Stimmungen, die es mir erleichtern, zwischen Amtsformularen und Einkäufen und all den anderen Zeitverschwendungen nicht aus meinem Zweitleben zu fallen - dieser Geschichte. Atemlos arbeite ich wie ein Läufer, um zu dem Augenblick zu gelangen, in dem ich um Dingens keine Angst mehr haben muss. Wenn auch er gehen kann, ohne umzufallen. Wenn ihn nichts mehr anficht und er selbstbewusst dasteht und sagen kann: Nehmt mich oder werft mich weg. Ich bin einfach so.
Die wichtigste Zutat für mein Treibhaus ist die Musik, vorher und nachher, nie während des Schreibens. Ich kann bei jedem meiner Bücher noch nach Jahren sagen, was ich zur Einstimmung gehört habe. Diesmal ist es noch schlimmer, weil Dingens ja ein Hörprojekt aus Musik und Text werden wird. Ich weiß nicht, wie oft ich schon ein gewisses Stück von Debussy gehört habe, nach dem mein erstes Kapitel tönen soll. Diesmal höre ich nicht nur, diesmal lese ich Partituren. Irgendwann im fortgeschrittenem Stadium werde ich mit Seziermesser und Nadel und Faden an Debussy und an den Text gehen müssen. Bis dahin habe ich die Töne hoffentlich in Fleisch und Blut - und die Melodie des Texts sauberer komponiert.

Farben brauche ich in jenem Treibhaus. Diesmal sind es kräftige Primärfarben. Manchmal reicht eine Vase, ein Windlicht. Manchmal muss ich achtgeben, dass ich mich nicht allzu schräg kleide, nur weil es zum Buch passt. Diesmal gibt es keine Probleme mit der Innendekoration. Ich lebe längst in der Zeit meines Projekts, täglich. Ich habe schon als Kind die Gemälde jener Zeit auf Kunstpostkarten gesammelt, war später in Ausstellungen und platzte irgendwann vor Stolz, wenn ich entsprechende Möbel vom Flohmarkt restaurieren konnte. Eine Musik, die ich für mein Hörbuch verwenden werde, hat mir ein seltsam wehes Erinnern beschert, als ich jeden einzelnen Ton wiedererkannte wie einen alten Freund. Die Musik meiner Anfangszeit im Studium, Trösterin in all dem Neuen, Unbekannten. Die Bilder, die Dingens auch gesehen haben muss - im Original - hängen als Kunstdrucke an meinen Wänden.
Und dann fiel es mir ein. Centre Pompidou vor Urzeiten ... ein Bild auf dem Speicher. Wenn etwas meinen Dingens ausdrücken konnte, dann dieses. Darin steckt das ganze Geheimnis. Seitdem hängt Kandinskys Bild "Moskau" an meiner Wand, das er 1916 gemalt hat. Mein Dingens beginnt viel früher, Moskau ist die falsche Stadt, aber irgendwie lebt er darin. Wenn ich befürchte, den Faden zu verlieren oder meinem Text nicht mehr gewachsen zu sein, laufe ich ihm darin nach.
Es wirkt immer wieder. Und jetzt ist es so weit: Ich brauche den Treibhausschutz nicht mehr. Ein Viertel meines Hörprojekts steht, das Kapitel mit dem großen Rundumwurf ist geschrieben. Dingens tanzt sich selbstbewusst in mein Leben, nichts wird ihn mehr umwerfen können. Frech stellt er sich gegen alle Erwartungen seiner und meiner Zeit, passt in keine Schublade. Er hat sich mit Verve selbst gelebt, mit allen Konsequenzen. Mich reißt er in all seine Höhen und Tiefen, scharfkantige Extreme, Verwirbelungen eines Lebens. Und nach jeder Etappe fühlt sich der tiefe Atemzug nach dem Innehalten wie ein Sturm an. Ein Sturm großer Ruhe, denn die Geschichte lebt nun.
Nichts beruhigt mich dann, nicht einmal die lobende Zustimmung der Verlegerin. Jetzt lobt sie noch, denke ich, aber was ist, wenn es bei diesen mickrigen zwölf Seiten bliebe? Wenn danach die Luft weg wäre? Wenn ich die großartigen Kopfideen nicht auf Papier bringe? Wenn ich nur einen Abklatsch dessen schreiben kann, was ich mir vorstelle? Nichts beruhigt mich in dieser Phase - nur das Schreiben selbst. Strecke machen. Nicht nachdenken, keine Wenn und Aber. Kein Grübeln. Nur lustvolles Schreiben, mit der Lust an Fehlern, schlechten Formulierungen, unvollkommenen Rhythmen und all diesen gelb markierten xxxx-Stellen, die ich recherchierend nachschlagen müsste. Nein, nur nicht aus dem Fluss bringen lassen, zuerst den Atem der Geschichte finden.
Leserinnen und Leser? Sind mir in dieser Phase herzlich egal. Irgendwer wird meinen Dingens schon lesen, pardon hören. Irgendwem wird er gefallen, irgendwer wird ihn in der Luft zerreißen. Das ist immer so. Jetzt, in diesem aufgeregten Anfangsstadium ist das eine keimende Liebesbeziehung nur zwischen mir und Dingens. Jeder Dritte würde stören. Staunend lese ich in den Kaffeepausen, dass es Kollegen gibt, die Wörter wie "Zielpublikum" benutzen, die von Erwartungen sprechen und diskutieren, ob eine Warze am kleinen Zeh der Hauptfigur zu weniger Abverkäufen führen könnte, oder wann man der starken Frau im Vordergrund welchen Sex gönne. Seltsam. Erwartungen?
Irgendwo in den Tagebüchern von Dingens habe ich gelesen, wie er sich freut, eine effektive Methode zum Beseitigen von Hühneraugen gefunden zu haben. Damit sie nicht wieder nachwachsen, lässt er sie zuerst fröhlich sprießen und rubbelt sie dann mit Bimsstein ab. Sollte ich ernsthaft darüber nachdenken, wie viele Abverkäufe es mich kosten wird, wenn ich dieses Wissen über Dingens unterschlage? Das Publikum könnte sich sehr wohl für seine Füße interessieren. Ich könnte einen Diskurs mit Kollegen über die Sinnhaftigkeit feingeschliffener Hühneraugen von Protagonisten beginnen. Stattdessen schreibe ich und suche nach etwas anderem: dieser leidenschaftlichen tranceartigen Stimmung, wenn ich besessen von meiner Geschichte, das eigene Leben fast wie ausgelöscht, mit jener Figur kommuniziere. Weil sie lebendig geworden ist. In diesem Moment, aber erst in diesem, gelingt es mir, Dingens auch für andere lebendig erscheinen zu lassen.
Dementsprechend schaffe ich dafür so etwas wie ein Treibhaus, einen Schutzmantel aus Stimmungen, die es mir erleichtern, zwischen Amtsformularen und Einkäufen und all den anderen Zeitverschwendungen nicht aus meinem Zweitleben zu fallen - dieser Geschichte. Atemlos arbeite ich wie ein Läufer, um zu dem Augenblick zu gelangen, in dem ich um Dingens keine Angst mehr haben muss. Wenn auch er gehen kann, ohne umzufallen. Wenn ihn nichts mehr anficht und er selbstbewusst dasteht und sagen kann: Nehmt mich oder werft mich weg. Ich bin einfach so.
Die wichtigste Zutat für mein Treibhaus ist die Musik, vorher und nachher, nie während des Schreibens. Ich kann bei jedem meiner Bücher noch nach Jahren sagen, was ich zur Einstimmung gehört habe. Diesmal ist es noch schlimmer, weil Dingens ja ein Hörprojekt aus Musik und Text werden wird. Ich weiß nicht, wie oft ich schon ein gewisses Stück von Debussy gehört habe, nach dem mein erstes Kapitel tönen soll. Diesmal höre ich nicht nur, diesmal lese ich Partituren. Irgendwann im fortgeschrittenem Stadium werde ich mit Seziermesser und Nadel und Faden an Debussy und an den Text gehen müssen. Bis dahin habe ich die Töne hoffentlich in Fleisch und Blut - und die Melodie des Texts sauberer komponiert.

Farben brauche ich in jenem Treibhaus. Diesmal sind es kräftige Primärfarben. Manchmal reicht eine Vase, ein Windlicht. Manchmal muss ich achtgeben, dass ich mich nicht allzu schräg kleide, nur weil es zum Buch passt. Diesmal gibt es keine Probleme mit der Innendekoration. Ich lebe längst in der Zeit meines Projekts, täglich. Ich habe schon als Kind die Gemälde jener Zeit auf Kunstpostkarten gesammelt, war später in Ausstellungen und platzte irgendwann vor Stolz, wenn ich entsprechende Möbel vom Flohmarkt restaurieren konnte. Eine Musik, die ich für mein Hörbuch verwenden werde, hat mir ein seltsam wehes Erinnern beschert, als ich jeden einzelnen Ton wiedererkannte wie einen alten Freund. Die Musik meiner Anfangszeit im Studium, Trösterin in all dem Neuen, Unbekannten. Die Bilder, die Dingens auch gesehen haben muss - im Original - hängen als Kunstdrucke an meinen Wänden.
Und dann fiel es mir ein. Centre Pompidou vor Urzeiten ... ein Bild auf dem Speicher. Wenn etwas meinen Dingens ausdrücken konnte, dann dieses. Darin steckt das ganze Geheimnis. Seitdem hängt Kandinskys Bild "Moskau" an meiner Wand, das er 1916 gemalt hat. Mein Dingens beginnt viel früher, Moskau ist die falsche Stadt, aber irgendwie lebt er darin. Wenn ich befürchte, den Faden zu verlieren oder meinem Text nicht mehr gewachsen zu sein, laufe ich ihm darin nach.
Es wirkt immer wieder. Und jetzt ist es so weit: Ich brauche den Treibhausschutz nicht mehr. Ein Viertel meines Hörprojekts steht, das Kapitel mit dem großen Rundumwurf ist geschrieben. Dingens tanzt sich selbstbewusst in mein Leben, nichts wird ihn mehr umwerfen können. Frech stellt er sich gegen alle Erwartungen seiner und meiner Zeit, passt in keine Schublade. Er hat sich mit Verve selbst gelebt, mit allen Konsequenzen. Mich reißt er in all seine Höhen und Tiefen, scharfkantige Extreme, Verwirbelungen eines Lebens. Und nach jeder Etappe fühlt sich der tiefe Atemzug nach dem Innehalten wie ein Sturm an. Ein Sturm großer Ruhe, denn die Geschichte lebt nun.
30. März 2009
Badewetter und Veilchenduft
Endlich nicht mehr bilderlos - ich habe mir eine Billigkamera angeschafft, nachdem es meine Spiegelreflex irreparabel erwischt hatte. (Und vermisse natürlich deren Einstellungen und Qualität). Aber immerhin kann ich den Winzling mit einer Hand bedienen, während die andere den Hund hält. Ab heute ist also im Elsass auch der Frühling angekommen, die Natur explodiert förmlich. Meine Rose Dorothy Perkins neben der fleißig austreibenden weißen Lilie hat kleine Blätter .
Seit heute blühen die ersten Veilchen in den Wiesen und Rocco schwimmt wieder leidenschaftlich (das macht er allerdings auch bei leichten Minusgraden). Die Misteln leuchten in der Sonne - und das Bild mit dem magischen grünen Kreis zeigt nicht etwa einen Hund beim Anlegen eines Kornkreises, sondern ein Naturphänomen. "Hexenkreis" nennt man diese Veränderungen, die von unterirdischen Pilzen hervorgerufen werden. Deren Mycel verbreitet sich kreisförmig und bindet wie andere Gründüngerpflanzen besonders viel Stickstoff. Deshalb grünt und wächst das Gras über dem Pilz besser als anderswo.
Bilder zum Vergrößern anklicken. / Copyright by Petra van Cronenburg, all rights reserved




Seit heute blühen die ersten Veilchen in den Wiesen und Rocco schwimmt wieder leidenschaftlich (das macht er allerdings auch bei leichten Minusgraden). Die Misteln leuchten in der Sonne - und das Bild mit dem magischen grünen Kreis zeigt nicht etwa einen Hund beim Anlegen eines Kornkreises, sondern ein Naturphänomen. "Hexenkreis" nennt man diese Veränderungen, die von unterirdischen Pilzen hervorgerufen werden. Deren Mycel verbreitet sich kreisförmig und bindet wie andere Gründüngerpflanzen besonders viel Stickstoff. Deshalb grünt und wächst das Gras über dem Pilz besser als anderswo.
Bilder zum Vergrößern anklicken. / Copyright by Petra van Cronenburg, all rights reserved





Kasperletheater: Das Happy-End
Einige werden hier vielleicht mein Kasperletheater mit einigen französischen Behörden verfolgt haben, bei dem es darum ging, dass ich nicht nur seit einem Jahr vergeblich gegen einen Computerfehler kämpfe, sondern dadurch womöglich auch noch ruiniert aus der Sache gehe. Heute hat sich dann das Dickicht gelichtet (ich kann es aber erst nach der schriftlichen Rückantwort glauben).
Mein Riecher hat Recht gehabt. Einfach die unfähigen Amtszentralen in der Hauptstadt meiden. Stattdessen zum Schalter für Maisbauern und Landarbeiter im Städtel nebenan gehen. Die wunderbar freundliche, fürsorgliche Mitarbeiterin dort hat sich für mich durch die Call-Center der Hauptstadt gequält, analysiert, geprüft, wahre Detektivarbeit geleistet. Und dann hatten wir den dicken Otto endlich aufgespießt. Nun habe aber nicht nur ich mit der französischen Zentralisation so meine Probleme. Deshalb investiert der Conseil Géneral, unser Landesparlament, in die Dezentralisation und hat just ein neues Amt ganz neu in Haguenau gebaut.
Dort bin ich dann hin, mit der Anleitung "wie erdolche ich endgültig den dicken Otto" und pfundweise Unterlagen. Ich hoffte wieder. Ein wenig Kasperle musste dann aber doch noch sein. Ich kenne zwar Haguenau wie meine Westentasche, aber keine Straßennamen (so wie alle Haguenauer, die ich unterwegs nach dem Weg fragte). Aber oha, der Conseil Géneral hatte sogar in ein riesiges Straßenschild fürs Amt investiert. Links abbiegen. Ach ja, da war ja schon das große Amtsgebäude, so neu offensichtlich, dass noch um den Eingangsbereich eine Baustelle lag.
Ich nehme meine Nummer, warte, wieder eine freundliche Sachbearbeiterin. Sie verlangt meine Krankenversicherungskarte. He? Na gut, gebe ich ihr und wundere mich, dass mittlerweile wirklich jedes Amt miteinander verschaltet ist. Jetzt kann man also schon mit der KV-Karte bei anderen Ämtern ins System. Dann ist sie perplex, ich auch. Wo bin ich hier eigentlich? - Sie sind auf der Krankenkasse! So wurde dort schon lange nicht mehr gelacht.
Das Schild war in der Baustelle vergraben gewesen. Auswärtige hatten keine Chance, es zu finden. Und das Straßenschild hatten sie schlicht genau falsch herum montiert. Mein Amt lag nicht links, sondern rechts, ganz am anderen Ende der Straße.
Dort wieder eine freundliche Mitarbeiterin, die mir bescheinigte, dass die in der Hauptstadt so ihre Probleme hätten, wenn sie einmal selbst denken müssten. Immer nur das Nötigste und auf niedrigstem Sprach-Niveau antworten, dann gäbe es keine Komplikationen. Bei ihr ist der Fehler nun getilgt. Jetzt müsse sie das nur noch an die Zentrale weiterleiten (mir schwant...).
Jedenfalls bin ich seit heute wenigstens auf Regionalebene endlich nicht mehr "unordentliche Schriftstellerin, für die wir keine Ablagefläche finden", sondern ordentliche Schriftstellerin. Ein Jahr Kampf um eine solche Kleinigkeit... Meine Steuern werde ich bei solchen Investitionen ins platte Land das nächste Mal besonders freudig entrichten und wenn es der Conseil Géneral eines Tages schaffen sollte, die aus der Hauptstadt ganz auszuschalten, leg ich freiwillig noch was drauf.
Mein Riecher hat Recht gehabt. Einfach die unfähigen Amtszentralen in der Hauptstadt meiden. Stattdessen zum Schalter für Maisbauern und Landarbeiter im Städtel nebenan gehen. Die wunderbar freundliche, fürsorgliche Mitarbeiterin dort hat sich für mich durch die Call-Center der Hauptstadt gequält, analysiert, geprüft, wahre Detektivarbeit geleistet. Und dann hatten wir den dicken Otto endlich aufgespießt. Nun habe aber nicht nur ich mit der französischen Zentralisation so meine Probleme. Deshalb investiert der Conseil Géneral, unser Landesparlament, in die Dezentralisation und hat just ein neues Amt ganz neu in Haguenau gebaut.
Dort bin ich dann hin, mit der Anleitung "wie erdolche ich endgültig den dicken Otto" und pfundweise Unterlagen. Ich hoffte wieder. Ein wenig Kasperle musste dann aber doch noch sein. Ich kenne zwar Haguenau wie meine Westentasche, aber keine Straßennamen (so wie alle Haguenauer, die ich unterwegs nach dem Weg fragte). Aber oha, der Conseil Géneral hatte sogar in ein riesiges Straßenschild fürs Amt investiert. Links abbiegen. Ach ja, da war ja schon das große Amtsgebäude, so neu offensichtlich, dass noch um den Eingangsbereich eine Baustelle lag.
Ich nehme meine Nummer, warte, wieder eine freundliche Sachbearbeiterin. Sie verlangt meine Krankenversicherungskarte. He? Na gut, gebe ich ihr und wundere mich, dass mittlerweile wirklich jedes Amt miteinander verschaltet ist. Jetzt kann man also schon mit der KV-Karte bei anderen Ämtern ins System. Dann ist sie perplex, ich auch. Wo bin ich hier eigentlich? - Sie sind auf der Krankenkasse! So wurde dort schon lange nicht mehr gelacht.
Das Schild war in der Baustelle vergraben gewesen. Auswärtige hatten keine Chance, es zu finden. Und das Straßenschild hatten sie schlicht genau falsch herum montiert. Mein Amt lag nicht links, sondern rechts, ganz am anderen Ende der Straße.
Dort wieder eine freundliche Mitarbeiterin, die mir bescheinigte, dass die in der Hauptstadt so ihre Probleme hätten, wenn sie einmal selbst denken müssten. Immer nur das Nötigste und auf niedrigstem Sprach-Niveau antworten, dann gäbe es keine Komplikationen. Bei ihr ist der Fehler nun getilgt. Jetzt müsse sie das nur noch an die Zentrale weiterleiten (mir schwant...).
Jedenfalls bin ich seit heute wenigstens auf Regionalebene endlich nicht mehr "unordentliche Schriftstellerin, für die wir keine Ablagefläche finden", sondern ordentliche Schriftstellerin. Ein Jahr Kampf um eine solche Kleinigkeit... Meine Steuern werde ich bei solchen Investitionen ins platte Land das nächste Mal besonders freudig entrichten und wenn es der Conseil Géneral eines Tages schaffen sollte, die aus der Hauptstadt ganz auszuschalten, leg ich freiwillig noch was drauf.
VG Wort verhält sich nicht
In der Sache Google Book Settlement warten sicher viele AutorInnen ebenso sehnsüchtig wie ich darauf, dass die, die uns eigentlich vertreten und mehr Macht hätten, etwas unternehmen - zumal der erste Stichtermin schon am 5. Mai ist. Allen Organisationen voran wäre die VG Wort so eine Adresse, die sich für ihre AutorInnen stark machen könnte.
Heute habe ich also endlich auch den eng beschriebenen, dreiseitigen Brief der VG Wort erhalten. Ein befreundeter Urheberrechtsanwalt meinte dazu lakonisch: Ich möchte den Laien sehen, der diesen Brief versteht. Nun, eigentlich hat man nur bei Google abgeschrieben und dann zwei weitere verwirrende Seiten produziert. Und was ist die Essenz auf Dummdeutsch?
1. Die VG Wort unternimmt erst einmal nichts. Sie überlässt jegliche Reaktion den AutorInnen allein.
Und dass sie das den AutorInnen so kurz vor knapp mitteilt, entschuldigt sie mit einem späten Termin einer Verwaltungsratssitzung und vielen vielen Beratungen.
Klasse zu wissen, da hätten wir uns ja längst allein drum kümmern können. Mit mehr Zeit zum Überlegen.
Ironischerweise heißt es dann am Schluss plötzlich: "Sie hält es insbesondere für sinnvoll, dass die genannten Rechte von Autoren und Verlagen nicht individuell, sondern gemeinsam über die VG Wort wahrgenommen werden."
Ja, wie nun, was nun? Erst sollen wir einzeln beim Settlement tätig werden und dann will sie doch...? Irgendwann? Kommt da noch eine Erleuchtung vor dem 5. Mai? Mysteriös, diese Widersprüche.
2. Die VG Wort empfiehlt uns das zu tun, was uns Google empfiehlt zu tun.
Eine eigene Meinung habe ich im ganzen Brief nicht finden können, auch keine Erklärungen über die möglichen Konsequenzen (vielleicht habe ich das aber auch nur übersehen, weil ich den Brief auch nicht komplett verstehe).
3. Die VG Wort hat jetzt immerhin eine Arbeitsgruppe gebildet (wow, wie schnell!) und berät sich weiter. Und prüft und berät. Wir hören dann irgendwann von den Ergebnissen.
4. Die VG Wort hat eine Idee, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss:
"Gleichzeitig soll die VG Wort das Recht eingeräumt bekommen, digitale Nutzungen von vergriffenen Büchern weltweit für Google (über das Google-Partnerprogramm) oder Dritte zu lizensieren, sofern nicht Autor oder Verlag dem widerspricht."
Man mache sich die Logik klar:
Sollte die VG Wort diese Idee nach den Beratungen tatsächlich verfolgen, kämen wir AutorInnen vom Regen in die Traufe. Wir würden wieder nicht aktiv und eigenständig beauftragen können (oder selbst machen), sondern müssten wiederum nachträglich Widerspruch gegen vollendet geschaffene Tatsachen einlegen. Bei der eigenen Verwertungsgesellschaft, die dann als Google-Partner auftritt!
Hoffen wir, dass das nur ein vorgezogener Aprilscherz war.
Es schreit wirklich langsam zum Himmel, wer sich inzwischen alles unsere Arbeit wie einen süßen Kuchen untereinander aufteilen will. Ohne uns zu fragen. Die AutorInnen stehen fein im Regen, allein auf sich gestellt, und können schauen, wie sie ihre Existenzgrundlage bewahren. Vielleicht wird jetzt klar, wie ernst die Lage ist.
Ach, noch ein Rat der VG Wort zum Settlement: "Sie können auch Ihren eigenen Rechtsanwalt auf eigene Kosten beauftragen." Selten so gelacht.
Heute habe ich also endlich auch den eng beschriebenen, dreiseitigen Brief der VG Wort erhalten. Ein befreundeter Urheberrechtsanwalt meinte dazu lakonisch: Ich möchte den Laien sehen, der diesen Brief versteht. Nun, eigentlich hat man nur bei Google abgeschrieben und dann zwei weitere verwirrende Seiten produziert. Und was ist die Essenz auf Dummdeutsch?
1. Die VG Wort unternimmt erst einmal nichts. Sie überlässt jegliche Reaktion den AutorInnen allein.
Und dass sie das den AutorInnen so kurz vor knapp mitteilt, entschuldigt sie mit einem späten Termin einer Verwaltungsratssitzung und vielen vielen Beratungen.
Klasse zu wissen, da hätten wir uns ja längst allein drum kümmern können. Mit mehr Zeit zum Überlegen.
Ironischerweise heißt es dann am Schluss plötzlich: "Sie hält es insbesondere für sinnvoll, dass die genannten Rechte von Autoren und Verlagen nicht individuell, sondern gemeinsam über die VG Wort wahrgenommen werden."
Ja, wie nun, was nun? Erst sollen wir einzeln beim Settlement tätig werden und dann will sie doch...? Irgendwann? Kommt da noch eine Erleuchtung vor dem 5. Mai? Mysteriös, diese Widersprüche.
2. Die VG Wort empfiehlt uns das zu tun, was uns Google empfiehlt zu tun.
Eine eigene Meinung habe ich im ganzen Brief nicht finden können, auch keine Erklärungen über die möglichen Konsequenzen (vielleicht habe ich das aber auch nur übersehen, weil ich den Brief auch nicht komplett verstehe).
3. Die VG Wort hat jetzt immerhin eine Arbeitsgruppe gebildet (wow, wie schnell!) und berät sich weiter. Und prüft und berät. Wir hören dann irgendwann von den Ergebnissen.
4. Die VG Wort hat eine Idee, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss:
"Gleichzeitig soll die VG Wort das Recht eingeräumt bekommen, digitale Nutzungen von vergriffenen Büchern weltweit für Google (über das Google-Partnerprogramm) oder Dritte zu lizensieren, sofern nicht Autor oder Verlag dem widerspricht."
Man mache sich die Logik klar:
Sollte die VG Wort diese Idee nach den Beratungen tatsächlich verfolgen, kämen wir AutorInnen vom Regen in die Traufe. Wir würden wieder nicht aktiv und eigenständig beauftragen können (oder selbst machen), sondern müssten wiederum nachträglich Widerspruch gegen vollendet geschaffene Tatsachen einlegen. Bei der eigenen Verwertungsgesellschaft, die dann als Google-Partner auftritt!
Hoffen wir, dass das nur ein vorgezogener Aprilscherz war.
Es schreit wirklich langsam zum Himmel, wer sich inzwischen alles unsere Arbeit wie einen süßen Kuchen untereinander aufteilen will. Ohne uns zu fragen. Die AutorInnen stehen fein im Regen, allein auf sich gestellt, und können schauen, wie sie ihre Existenzgrundlage bewahren. Vielleicht wird jetzt klar, wie ernst die Lage ist.
Ach, noch ein Rat der VG Wort zum Settlement: "Sie können auch Ihren eigenen Rechtsanwalt auf eigene Kosten beauftragen." Selten so gelacht.
27. März 2009
Kommentar zur Diskussion um "Enteignung oder Fortschritt"
Kommentar zur Diskussion um den Beitrag "Enteignung oder Fortschritt",
geschrieben von Andreas Brunner von der Literaturagentur Brunner in Wien, mit freundl. Genehmigung:
"Hier wird in der Diskussion einiges durcheinander gebracht.
1. Wenn ein Verlag mit Google kooperiert, muss es dafür eine rechtliche Basis geben. Gibt der Verlag ein Exemplar des Buches zum Scannen an Google und veröffentlicht Google dieses, muss der Verlag einen gültigen Vertrag mit dem/der UrheberIn haben. Die Nebenrechte jedes Verlagsvertrags regeln dann auch die Weitergabe elektronischer Rechte an Dritte (und das ist Google). Diese muss in irgendeiner Form vergütet und in einem im Vertrag festgelegten Schlüssel auf UrheberIn, Verlag etc. verteilt werden. Kein Verlag ist berechtigt, die Rechte an einem Werk kostenlos weiter zu geben. Auch nicht zu Werbezwecken. Tut er dies, verletzt es den Zweck des Vertrags, das Urheberrecht des/der Urheber/in bestmöglich zu verwerten. Urheber ist nie der Verlag, ihm werden nur unter bestimmten Bedingungen die Rechte zur Vermarktung übertragen.
2. Google und das amerikanische Copyrightrecht vertreten nun sehr vereinfacht die Meinung, dass Bücher, die sich im Besitz einer amerikanischen Bibliothek befinden, öffentliches Gut seien, wenn sie nicht durch das amerikanische Copyright geschützt sind. Es ist für Google völlig unerheblich, ob der deutsche Verlag der Veröffentlichung zustimmt, die AutorInnen als schwächste Glieder der Kette sind Google sowieso egal, wenn eine amerikanische Uni-Bibliothek das Werk gekauft hat und mit Google einen Vertrag hat, wird es gescannt und ins Netz gestellt.
3. So ist Frau van Cronenburg inhaltlich in allen Punkten Recht zu geben. Es handelt sich um eine widerrechtliche Aneignung geistigen Eigentums. Und diese ist zu verurteilen. Es geht hier nicht um die Frage, ob ich mir ein Buch zum Hausgebrauch daheim scanne. Hier verdient ein Weltkonzern Geld mit fremdem Eigentum.
4. Ich bin bei der ganzen Diskussion über die ach so freien Möglichkeiten des Internets immer wieder über die Verluderung des Rechtsempfindens erstaunt. Es käme niemand auf die Idee, den Tisch, den ein begabter Nachbar gebaut hat, einfach zu nehmen und zu verkaufen oder zu verschenken, weil er sich dessen bewusst ist, dass er fremdes Eigentum veruntreut. Sobald es sich um immaterielle Güter von SchriftstellerInnen, MusikerInnen, FotografInnen handelt, bedienen sich alle ungeniert, als wäre das alles nichts wert, als würden nicht schöpferische Menschen aus ihren Schöpfungen eine Lebensgrundlage ziehen. Das ist auch das große Versagen unserer Politik, vor allem unserer Bildungspolitik, dass diesen immateriellen Gütern kein Wert mehr zugemessen wird.
Und deshalb unterstütze ich die Heidelberger Initiative vollinhaltlich.
geschrieben von Andreas Brunner von der Literaturagentur Brunner in Wien, mit freundl. Genehmigung:
"Hier wird in der Diskussion einiges durcheinander gebracht.
1. Wenn ein Verlag mit Google kooperiert, muss es dafür eine rechtliche Basis geben. Gibt der Verlag ein Exemplar des Buches zum Scannen an Google und veröffentlicht Google dieses, muss der Verlag einen gültigen Vertrag mit dem/der UrheberIn haben. Die Nebenrechte jedes Verlagsvertrags regeln dann auch die Weitergabe elektronischer Rechte an Dritte (und das ist Google). Diese muss in irgendeiner Form vergütet und in einem im Vertrag festgelegten Schlüssel auf UrheberIn, Verlag etc. verteilt werden. Kein Verlag ist berechtigt, die Rechte an einem Werk kostenlos weiter zu geben. Auch nicht zu Werbezwecken. Tut er dies, verletzt es den Zweck des Vertrags, das Urheberrecht des/der Urheber/in bestmöglich zu verwerten. Urheber ist nie der Verlag, ihm werden nur unter bestimmten Bedingungen die Rechte zur Vermarktung übertragen.
2. Google und das amerikanische Copyrightrecht vertreten nun sehr vereinfacht die Meinung, dass Bücher, die sich im Besitz einer amerikanischen Bibliothek befinden, öffentliches Gut seien, wenn sie nicht durch das amerikanische Copyright geschützt sind. Es ist für Google völlig unerheblich, ob der deutsche Verlag der Veröffentlichung zustimmt, die AutorInnen als schwächste Glieder der Kette sind Google sowieso egal, wenn eine amerikanische Uni-Bibliothek das Werk gekauft hat und mit Google einen Vertrag hat, wird es gescannt und ins Netz gestellt.
3. So ist Frau van Cronenburg inhaltlich in allen Punkten Recht zu geben. Es handelt sich um eine widerrechtliche Aneignung geistigen Eigentums. Und diese ist zu verurteilen. Es geht hier nicht um die Frage, ob ich mir ein Buch zum Hausgebrauch daheim scanne. Hier verdient ein Weltkonzern Geld mit fremdem Eigentum.
4. Ich bin bei der ganzen Diskussion über die ach so freien Möglichkeiten des Internets immer wieder über die Verluderung des Rechtsempfindens erstaunt. Es käme niemand auf die Idee, den Tisch, den ein begabter Nachbar gebaut hat, einfach zu nehmen und zu verkaufen oder zu verschenken, weil er sich dessen bewusst ist, dass er fremdes Eigentum veruntreut. Sobald es sich um immaterielle Güter von SchriftstellerInnen, MusikerInnen, FotografInnen handelt, bedienen sich alle ungeniert, als wäre das alles nichts wert, als würden nicht schöpferische Menschen aus ihren Schöpfungen eine Lebensgrundlage ziehen. Das ist auch das große Versagen unserer Politik, vor allem unserer Bildungspolitik, dass diesen immateriellen Gütern kein Wert mehr zugemessen wird.
Und deshalb unterstütze ich die Heidelberger Initiative vollinhaltlich.
Kommentare
Ich habe vorübergehend die Kommentarfunktion auf "moderiert" geschaltet, weil ich mich wegen Abwesenheit nicht um die Diskussion kümmern kann. Ich bitte darum, sich bis nächste Woche zu gedulden.
26. März 2009
Rosen spritzen
So, nachdem sich jetzt genügend Leutchen über die dümmste Autorin hinterm Halbmond amüsieren konnten (war mir ein Vergnügen), gehe ich endlich wieder zur Tagesordnung über. Mich erreichen saisonbedingt öfter Anfragen, wie und wann man denn Rosen spritzen müsse, gegen welche Krankheiten etc.
Nun bin ich keine Gärtnerin und beschäftige mich mit den Pflanzen in meinem Garten laienhaft, habe also nur persönliche Erfahrungswerte (und für Kulturgeschichte brauche ich zum Glück keinen Giftschrank). Ich fürchte, es nutzt Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wenig, wenn ich jetzt sage, dass ich Mehltau am weißlichen Flaum erkenne und Rosenrost an den bräunlichen Blattflecken. Ich empfehle die Anschaffung eines guten Gartenbuchs, in dem Krankheiten und Parasiten auf Fotos abgebildet sind, so dass sie auch der Laie erkennen kann. Es gibt gute Enzyklopädien und Ratgeber für jede Ausrichtung vom Biogarten bis hin zu konventionellen Methoden.
Ich selbst spritze im Moment überhaupt nicht. Erstens ist es zu kalt und zweitens sind in meiner Region noch nicht genügend Blätter vorhanden, um die Wirkstoffe aufzunehmen. Durch den feuchten Herbst und den langen Winter haben aber einige anfällige alte Sorten den Mehltau sogar an Stielen und Dornen angesetzt. Sobald es wärmer wird und nachts kein Frost droht, wasche ich die Stiele mit einem Schwamm ab - mit Milch. So sind die schlimmsten Ablagerungen schon zu vermeiden. Den Trick mit der Milch habe ich von meiner Rosengärtnerin.
Fett und Lecithin machen ihrem Tipp zufolge dem Pilz den Garaus. Im Handel gibt es Bio-Spritzmittel mit hochkonzentriertem Lecithin (ich mache keine Produktwerbung, schauen Sie auf die Zusammensetzung - die Mittel sind fast überall zu haben), die sehr effektiv sind. Bei einem großen Rosengarten geht das natürlich ins Geld, vor allem, wenn man die schönen historischen "Mehltaufänger" gepflanzt hat. Vollfettmilch ist deshalb ein preiswerter Ersatz, sie haftet nur nicht ganz so gut. Bei feuchter Witterung oder nach einem Regenschauer muss natürlich nachgespritzt werden.
Weil die Rosen oft lebenslang und sogar sortenbedingt Krankheitsträger sind, muss man sich ab und zu auch von einer Pflanze trennen können. Alternativen sind moderne Nachzüchtungen, die den Originalen zwar nicht in allen Eigenschaften ähneln, aber wenigstens im Aussehen nahe kommen. So ist die robuste und gesunde Super Dorothy von ihrer Vorgängerin Dorothy Perkins, einer Mehltau geradezu anziehenden historischen Sorte, äußerlich kaum zu unterscheiden.
Aber Vorsicht: Nie eine Rose genau an den Platz setzen, an dem man eine andere ausgegraben hat! Früher galt das als Aberglaube, aber inzwischen untersuchen Wissenschaftler das Phänomen. Man hat noch nicht herausgefunden, was die neue Pflanze absterben lässt, vermutet aber ähnliche Vorgänge wie z.B. bei sterbenden Walnussbäumen.
Jetzt wünsche ich uns allen einen wirklichen Frühling, damit ich hier bald die ersten Rosenfotos einstellen kann - theoretisch ist es ja nur einen Monat hin bis zu den ersten Blüten...
Nun bin ich keine Gärtnerin und beschäftige mich mit den Pflanzen in meinem Garten laienhaft, habe also nur persönliche Erfahrungswerte (und für Kulturgeschichte brauche ich zum Glück keinen Giftschrank). Ich fürchte, es nutzt Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wenig, wenn ich jetzt sage, dass ich Mehltau am weißlichen Flaum erkenne und Rosenrost an den bräunlichen Blattflecken. Ich empfehle die Anschaffung eines guten Gartenbuchs, in dem Krankheiten und Parasiten auf Fotos abgebildet sind, so dass sie auch der Laie erkennen kann. Es gibt gute Enzyklopädien und Ratgeber für jede Ausrichtung vom Biogarten bis hin zu konventionellen Methoden.
Ich selbst spritze im Moment überhaupt nicht. Erstens ist es zu kalt und zweitens sind in meiner Region noch nicht genügend Blätter vorhanden, um die Wirkstoffe aufzunehmen. Durch den feuchten Herbst und den langen Winter haben aber einige anfällige alte Sorten den Mehltau sogar an Stielen und Dornen angesetzt. Sobald es wärmer wird und nachts kein Frost droht, wasche ich die Stiele mit einem Schwamm ab - mit Milch. So sind die schlimmsten Ablagerungen schon zu vermeiden. Den Trick mit der Milch habe ich von meiner Rosengärtnerin.
Fett und Lecithin machen ihrem Tipp zufolge dem Pilz den Garaus. Im Handel gibt es Bio-Spritzmittel mit hochkonzentriertem Lecithin (ich mache keine Produktwerbung, schauen Sie auf die Zusammensetzung - die Mittel sind fast überall zu haben), die sehr effektiv sind. Bei einem großen Rosengarten geht das natürlich ins Geld, vor allem, wenn man die schönen historischen "Mehltaufänger" gepflanzt hat. Vollfettmilch ist deshalb ein preiswerter Ersatz, sie haftet nur nicht ganz so gut. Bei feuchter Witterung oder nach einem Regenschauer muss natürlich nachgespritzt werden.
Weil die Rosen oft lebenslang und sogar sortenbedingt Krankheitsträger sind, muss man sich ab und zu auch von einer Pflanze trennen können. Alternativen sind moderne Nachzüchtungen, die den Originalen zwar nicht in allen Eigenschaften ähneln, aber wenigstens im Aussehen nahe kommen. So ist die robuste und gesunde Super Dorothy von ihrer Vorgängerin Dorothy Perkins, einer Mehltau geradezu anziehenden historischen Sorte, äußerlich kaum zu unterscheiden.
Aber Vorsicht: Nie eine Rose genau an den Platz setzen, an dem man eine andere ausgegraben hat! Früher galt das als Aberglaube, aber inzwischen untersuchen Wissenschaftler das Phänomen. Man hat noch nicht herausgefunden, was die neue Pflanze absterben lässt, vermutet aber ähnliche Vorgänge wie z.B. bei sterbenden Walnussbäumen.
Jetzt wünsche ich uns allen einen wirklichen Frühling, damit ich hier bald die ersten Rosenfotos einstellen kann - theoretisch ist es ja nur einen Monat hin bis zu den ersten Blüten...
Wespennest oder Bauernkrieg?
Mit Belustigung und Staunen verfolge ich die Polemik im Internet, die sich gerade von beiden Seiten um den Heidelberger Appell entspinnt. Dass die kleine dumme unbekannte Autorin, die von nichts eine Ahnung hat, dann auch noch ihren Schnabel aufmacht und dort verlinkt wird, tja das muss doch wirklich Teil einer Weltverschwörung sein, mit der ein Herr Reuß böse böse die bisher friedliche Nation überzieht und nichtsnutzige Autoren verführt. Herrlich!
Was da zeitweise in Kommentaren jenseits von Debattierkultur unter den Gürtellinien abgeht, erinnert mich an mein elsässisches Dorf. Die Brücke trennt die Katholischen und die Evangelischen, und zum Glück tritt der Bach oft genug über die Ufer, dass man sich nicht besuchen muss. Geheiratet wird über den Bach auch nur im Notfall, wenn der Ausrutscher vom nächtlichen Ausflug aus dem Gasthaus nicht mehr zu vertuschen ist. Katholische und Evangelische in meinem Dorf atmen nicht gern gemeinsam unter einem Dach. Wer auf sich hält, zeigt Farbe. Rote Geschirrhandtücher oder blaue, braune Fensterläden oder grüne - jede Religion hat ihre feste Farbe, damit man auch ja gleich weiß, wen man angreifen muss. Natürlich achtet man sogar darauf, wes Wein man trinkt. Schlimm genug, dass sich einer der Winzer über die Grenze verbandelt hat, jetzt bricht er auch noch die Schamgrenzen im Glauben - boykottiert ihn, versetzt seine Grenzsteine, teert und federt ihn! Sie übertreiben immer in meinem Dorf. Maßlos.
Aber wehe, der Präsident macht etwas nicht richtig. Dann sammeln sie in meinem Dorf Kuhmist und Schweinemist, Hühnermist und Menschengülle, katholisch, evangelisch, jüdisch, muslimisch, atheistisch und was sonst noch in einem Dorf so kreucht und fleucht und stinkt. Verladen es auf Wagen und fahren nach Paris. Im Mistabladen vor dem Elysée-Palast sind sie sich plötzlich wieder einig, der geschmähte Winzer hat ein gutes Tröpfchen mitgebracht und teilt erst einmal aus. So ein katholischer und evangelischer und sonstiger Mist wiegt nämlich schwer, so schwer wie die 800 unterschiedlichen Meinungen, die nicht zusammen zu bringen sind.
Der Jean hat schon Recht, wenn er jetzt Angst hat, dass ihn der Mais ruiniert, und der Georges soll doch so viel Mais pflanzen, wie er lustig ist. Dass sich's Meyer-Kättl jetzt auch noch einmischt, sie sei aber doch gegen Kohl allergisch - ja das ist alles abzusehen in so einem Dorf, wenn es sich auf Reisen begibt. Macht nichts, trinke mer oiner un hopp, und dann schütten sie ihren Mist aus, um den da drinnen aufzuwecken. Der da drin schert sich aber natürlich nicht um jeden Dreck, sowas sieht er zu oft - und was soll schließlich die ganze Aufregung um ein paar Körner Mais? Trotzdem, die Bauern haben gesagt, was sie wollten, haben gemeinsam gesoffen und ihre Sorgen hingekippt. Das macht Hoffnung, vielleicht bewegt sich doch was. Der Jean grollt dem Georges und der Georges grollt dem Jean, aber wenn sie es jetzt nicht tun, wann dann?
Schließlich, das weiß jeder im Land, bringt das Treten in Merde Glück. Stinken tut's evangelisch wie katholisch, sich jetzt nur nicht irre machen lassen, streiten kann man schließlich wieder daheim. Und wenn dann noch ein Batzen übrig ist von den Fladen, ja dann hat man endlich wieder etwas in der Hand und kann werfen - farblich markiert sind die Gegner ja.
Nein, das kleine Landei will mit diesem Schwank überhaupt nichts sagen. Ich habe mich nur warmgeschrieben für mein Tagespensum. Ich mach das hier so, in meinem privaten Blog, schnoddere, wie mir die Schnauze gewachsen ist, trete saftig in Fettnäpfchen, lass die Journalistin in mir auch mal im Bett liegen; wage es, dumm und blöd zu sein (wozu ist man Landei?), polemisiere, übertreibe, lache, witzle und kratze mich zwischendurch am Rückgrat. Das hab ich nämlich noch und deshalb leiste ich mir eigene Meinung und meine Wunderlichkeiten dazu.
Nein, keine Angst, ich lasse mich von niemandem instrumentalisieren. Roland Reuß hat meinen Beitrag gelesen und mich freundlich gefragt, ob er ihn verlinken darf (und nein, wir haben noch keinen Wein miteinander getrunken). Warum soll er das nicht dürfen? Ich habe ja auch beim Appell unterschrieben. Weil ich denke, dass man erst einmal gemeinsam oben anklopfen muss, um überhaupt Gehör zu finden, selbst wenn man sich nicht in allem einig sein mag. Zum kritischen Diskurs ist doch trotzdem immer Zeit? Und wer statt Diskurs dringend evangelische oder katholische Geschirrhandtücher braucht, immer her mit den Bestellungen, ich mach gern einen Versandhandel auf. Nur mit dem Schweinemist wird's heuer knapp, den horten wir selbst, man muss schließlich etwas in der Hand haben, wenn's dicke kommt...
so grüßt fröhlich das Landei
Was da zeitweise in Kommentaren jenseits von Debattierkultur unter den Gürtellinien abgeht, erinnert mich an mein elsässisches Dorf. Die Brücke trennt die Katholischen und die Evangelischen, und zum Glück tritt der Bach oft genug über die Ufer, dass man sich nicht besuchen muss. Geheiratet wird über den Bach auch nur im Notfall, wenn der Ausrutscher vom nächtlichen Ausflug aus dem Gasthaus nicht mehr zu vertuschen ist. Katholische und Evangelische in meinem Dorf atmen nicht gern gemeinsam unter einem Dach. Wer auf sich hält, zeigt Farbe. Rote Geschirrhandtücher oder blaue, braune Fensterläden oder grüne - jede Religion hat ihre feste Farbe, damit man auch ja gleich weiß, wen man angreifen muss. Natürlich achtet man sogar darauf, wes Wein man trinkt. Schlimm genug, dass sich einer der Winzer über die Grenze verbandelt hat, jetzt bricht er auch noch die Schamgrenzen im Glauben - boykottiert ihn, versetzt seine Grenzsteine, teert und federt ihn! Sie übertreiben immer in meinem Dorf. Maßlos.
Aber wehe, der Präsident macht etwas nicht richtig. Dann sammeln sie in meinem Dorf Kuhmist und Schweinemist, Hühnermist und Menschengülle, katholisch, evangelisch, jüdisch, muslimisch, atheistisch und was sonst noch in einem Dorf so kreucht und fleucht und stinkt. Verladen es auf Wagen und fahren nach Paris. Im Mistabladen vor dem Elysée-Palast sind sie sich plötzlich wieder einig, der geschmähte Winzer hat ein gutes Tröpfchen mitgebracht und teilt erst einmal aus. So ein katholischer und evangelischer und sonstiger Mist wiegt nämlich schwer, so schwer wie die 800 unterschiedlichen Meinungen, die nicht zusammen zu bringen sind.
Der Jean hat schon Recht, wenn er jetzt Angst hat, dass ihn der Mais ruiniert, und der Georges soll doch so viel Mais pflanzen, wie er lustig ist. Dass sich's Meyer-Kättl jetzt auch noch einmischt, sie sei aber doch gegen Kohl allergisch - ja das ist alles abzusehen in so einem Dorf, wenn es sich auf Reisen begibt. Macht nichts, trinke mer oiner un hopp, und dann schütten sie ihren Mist aus, um den da drinnen aufzuwecken. Der da drin schert sich aber natürlich nicht um jeden Dreck, sowas sieht er zu oft - und was soll schließlich die ganze Aufregung um ein paar Körner Mais? Trotzdem, die Bauern haben gesagt, was sie wollten, haben gemeinsam gesoffen und ihre Sorgen hingekippt. Das macht Hoffnung, vielleicht bewegt sich doch was. Der Jean grollt dem Georges und der Georges grollt dem Jean, aber wenn sie es jetzt nicht tun, wann dann?
Schließlich, das weiß jeder im Land, bringt das Treten in Merde Glück. Stinken tut's evangelisch wie katholisch, sich jetzt nur nicht irre machen lassen, streiten kann man schließlich wieder daheim. Und wenn dann noch ein Batzen übrig ist von den Fladen, ja dann hat man endlich wieder etwas in der Hand und kann werfen - farblich markiert sind die Gegner ja.
Nein, das kleine Landei will mit diesem Schwank überhaupt nichts sagen. Ich habe mich nur warmgeschrieben für mein Tagespensum. Ich mach das hier so, in meinem privaten Blog, schnoddere, wie mir die Schnauze gewachsen ist, trete saftig in Fettnäpfchen, lass die Journalistin in mir auch mal im Bett liegen; wage es, dumm und blöd zu sein (wozu ist man Landei?), polemisiere, übertreibe, lache, witzle und kratze mich zwischendurch am Rückgrat. Das hab ich nämlich noch und deshalb leiste ich mir eigene Meinung und meine Wunderlichkeiten dazu.
Nein, keine Angst, ich lasse mich von niemandem instrumentalisieren. Roland Reuß hat meinen Beitrag gelesen und mich freundlich gefragt, ob er ihn verlinken darf (und nein, wir haben noch keinen Wein miteinander getrunken). Warum soll er das nicht dürfen? Ich habe ja auch beim Appell unterschrieben. Weil ich denke, dass man erst einmal gemeinsam oben anklopfen muss, um überhaupt Gehör zu finden, selbst wenn man sich nicht in allem einig sein mag. Zum kritischen Diskurs ist doch trotzdem immer Zeit? Und wer statt Diskurs dringend evangelische oder katholische Geschirrhandtücher braucht, immer her mit den Bestellungen, ich mach gern einen Versandhandel auf. Nur mit dem Schweinemist wird's heuer knapp, den horten wir selbst, man muss schließlich etwas in der Hand haben, wenn's dicke kommt...
so grüßt fröhlich das Landei
25. März 2009
Unter Druck
Es ist unwahrscheinlich, was der Mensch unter Druck schaffen kann. Oder sollte ich vielleicht formulieren, dass ich im brüllenden Chaos am besten arbeite?
Eigentlich sollte ich ruhig und kreativ am Computer sitzen und Bücher schreiben. Aber seit gestern verliere ich zum ersten Mal den Überblick über meine Termine (zum Glück gibt's dafür Kalender) und wünsche mir sechs Arme. Seit Wochen operiere ich obendrein vergeblich an einem Exposé herum, weil ich mich für ein Stipendium bewerben möchte. Der Termin rückt mir auf die Pelle. Wie soll man literarisch denken, wenn eine Pressekonferenz vorzubereiten ist, eigene Veranstaltungen zu organisieren, Amtstermine vorzubereiten sind? Und seit Tagen ein Bagger vor dem Fenster die Erde dröhnen lässt?
Augen zu und durch. Keine Zeit für Musenküsse. Artikel geschrieben. Telefonate erledigt. Pressearbeit ausgedacht. Dann ein Kaffee und wie war noch mal die Idee meines Polenromans? Warum kann ich die nicht genauso schnell heruntertippen? Probieren! Stell dir vor, morgen wäre Abgabetermin und das wäre nur ein läppischer Brief. - Nun, das Exposé steht tatsächlich. Dadurch, dass ich mehrmals von anderen eiligen Arbeiten gestört wurde, hatte ich keine Zeit, darüber nachzudenken, dass ich ja viel zu schlecht sein könnte. Für all diese inneren Zensorenstimmen und eigenen Buhrufe der Marke "das schaffst du nie" blieb einfach kein Platz. Es lief. Nun muss ich nur noch feilen.
Dann die wunderbare Nachricht, dass das Hardcover und das Hörbuch von "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" mein ganz persönlicher Bestseller ist und auch im fünften Jahr nach Erscheinen noch heiß geliebt wird! (Danke, liebe Leserinnen und Leser!!!)
Gestern erfuhr ich erst die wunderbare Nachricht, dass jemand unbedingt eine Lesung auf der französischen Seite organisieren will. Vom Thema her zwar nicht erstaunlich, aber doch ungewöhnlich, weil das Buch nur in deutscher Sprache vorliegt. Das ist auch im heutigen Europa nicht selbstverständlich. Ich darf so viel verraten: Wir arbeiten an Termin und Veranstaltung. Und es wird so grenznah stattfinden, dass auch die deutschen Leserinnen und Leser bequem teilnehmen können. Natürlich werde ich wenigstens zweisprachig erzählen...
Für mich erfüllt sich damit wieder ein kleines Stückchen meines persönlichen Grenzgängertraums von einem lebendigen Europa. Und so wie es aussieht, werde ich in Zukunft noch einiges für diesen Traum tun können, aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Eigentlich sollte ich ruhig und kreativ am Computer sitzen und Bücher schreiben. Aber seit gestern verliere ich zum ersten Mal den Überblick über meine Termine (zum Glück gibt's dafür Kalender) und wünsche mir sechs Arme. Seit Wochen operiere ich obendrein vergeblich an einem Exposé herum, weil ich mich für ein Stipendium bewerben möchte. Der Termin rückt mir auf die Pelle. Wie soll man literarisch denken, wenn eine Pressekonferenz vorzubereiten ist, eigene Veranstaltungen zu organisieren, Amtstermine vorzubereiten sind? Und seit Tagen ein Bagger vor dem Fenster die Erde dröhnen lässt?
Augen zu und durch. Keine Zeit für Musenküsse. Artikel geschrieben. Telefonate erledigt. Pressearbeit ausgedacht. Dann ein Kaffee und wie war noch mal die Idee meines Polenromans? Warum kann ich die nicht genauso schnell heruntertippen? Probieren! Stell dir vor, morgen wäre Abgabetermin und das wäre nur ein läppischer Brief. - Nun, das Exposé steht tatsächlich. Dadurch, dass ich mehrmals von anderen eiligen Arbeiten gestört wurde, hatte ich keine Zeit, darüber nachzudenken, dass ich ja viel zu schlecht sein könnte. Für all diese inneren Zensorenstimmen und eigenen Buhrufe der Marke "das schaffst du nie" blieb einfach kein Platz. Es lief. Nun muss ich nur noch feilen.
Dann die wunderbare Nachricht, dass das Hardcover und das Hörbuch von "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" mein ganz persönlicher Bestseller ist und auch im fünften Jahr nach Erscheinen noch heiß geliebt wird! (Danke, liebe Leserinnen und Leser!!!)
Gestern erfuhr ich erst die wunderbare Nachricht, dass jemand unbedingt eine Lesung auf der französischen Seite organisieren will. Vom Thema her zwar nicht erstaunlich, aber doch ungewöhnlich, weil das Buch nur in deutscher Sprache vorliegt. Das ist auch im heutigen Europa nicht selbstverständlich. Ich darf so viel verraten: Wir arbeiten an Termin und Veranstaltung. Und es wird so grenznah stattfinden, dass auch die deutschen Leserinnen und Leser bequem teilnehmen können. Natürlich werde ich wenigstens zweisprachig erzählen...
Für mich erfüllt sich damit wieder ein kleines Stückchen meines persönlichen Grenzgängertraums von einem lebendigen Europa. Und so wie es aussieht, werde ich in Zukunft noch einiges für diesen Traum tun können, aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Enteignung oder Fortschritt?
Die seltsamen amerikanischen Bibliotheken
Noch einmal ein praktisches Beispiel, warum viele Urheber in Europa über "kalte Enteignung" sprechen, wenn es um das Vorhaben von Google Books und ähnlichen Strategien geht (im folgenden G. abgekürzt). Über die Theorie lässt sich ja vortrefflich in beide Richtungen polemisieren, schauen wir einmal die Praxis an.
Viele Autoren glauben immer noch, G. erfasse ja nur vergriffene Werke - wie schön und praktisch für die Leserwelt. Und ganz lesen könne man ohnehin nur die von Autoren, deren Urheberrecht längst gesetzlich erloschen sei. Außerdem erfasse G. nur amerikanische Bibliotheken (es ist ja immer noch ein amerikanischer Konzern). Falsch! Die Wahrheit sieht anders aus.
Ich habe spaßhalber dort meinen Namen eingegeben. Auf den ersten Blick sieht das wie eine gute Sache aus, weil ich endlich erfahre, wie viele Autoren meine Texte in ihren Büchern zitiert haben. Das mag das Ego streicheln, bringt aber dann doch nicht so viel.
Ich staune, wie viele meiner Bücher bei G. erfasst sind. Gut, eine Vorschau gibt es zum Glück nicht, noch lebe ich, noch leben die Bücher. Aber kann mir einer verraten, wie Bücher von Hanser oder Parthas in eine amerikanische Bibliothek geraten? Woher haben die die Daten? (Zumal Michael Krüger von Hanser beim Appell für Publikationsfreiheit als einer der ersten unterzeichnet hat?) Wo bedient sich G. tatsächlich?
Leider kann ich mich nicht beruhigt zurücklehnen. Denn G. behält sich zukünftig das Recht vor - selbstherrlich in den USA entschieden, ohne die Europäer - mit jenen Büchern in seiner Datenbank nach eigenem Gusto verfahren zu können. Ohne die Autoren zu fragen. Sei etwas nicht rechtens, müsse sich eben der kleine winzige Autor gegen den großen ausländischen Konzern wehren. Solch ein riesiger Präzedenzfall der Umkehrung des Urheberrechts könnte Schule machen! Und welcher Autor kann sich die nötigen internationalen Fachanwälte leisten?
Merke: Nicht mehr ICH, die Urheberin, entscheide, was jemand mit meinen Büchern macht. Es entscheidet nicht einmal mehr unbedingt der Verlag, den ich mir ausgesucht habe, den ich wohlweislich geprüft und für vertrauenswürdig gehalten habe. Niemand durchschaut mehr die Kanäle.
Der Schwindel dahinter
Es kommt noch dicker. Eines meiner Bücher ist bei G. fast komplett sichtbar: Schwarze Madonnen.
Ich bin noch nicht 70 Jahre tot. Diese Ausgabe dieses Buches ist noch nicht vergriffen. Die "eingeschränkte Voransicht" ist ein Witz - man hat lediglich die Seiten mit den Abbildungen herausgenommen. Der Text ist fast komplett, so weit ich das durch schnelles Scrollen übersehen kann. (Überhaupt lassen sich diese "eingeschränkten Voransichten" austricksen.) G. listet dieses Buch also gegen meinen Willen und meine Genehmigung. Ohne dass ich überhaupt davon erfahren habe. (edit: "fast" nachträglich korrigiert - der Satz war natürlich falsch, wenn Seiten fehlen).
Der Hinweis auf den Seiten, es handle sich um urheberrechtlich geschütztes Material, ist ein zynischer Witz. Klickt man rechts auf "Urheberrecht", gelangt man auf den Copyright-Vermerk im Buch. Wobei die Amerikaner wohl nicht begreifen, dass ein amerikanisches Copyright kein europäisches ist und beides zusammen nicht identisch ist mit dem Urheberrecht. Man darf dieses Buch ohne meine ausdrückliche Zustimmung nicht veröffentlichen! Aber dieses Wissen kann man ja nicht verlangen, selbst KollegInnen kapieren das oft nicht.
Wie kann so etwas passieren? Die deutschen Verlage sind ja vielleicht noch der Einhaltung des Urheberrechts hinterher. Aber deutsche Autoren sind ja glücklich, wenn sie auch einmal Lizenzen verkaufen. Verlage in anderen Ländern nehmen es vielleicht nicht so genau. Verlage in anderen Ländern legen ihre Bücher vielleicht tatsächlich in amerikanischen Bibliotheken ab. Und sie informieren nicht unbedingt den Lizenzverkäufer, was sie mit dem Buch anstellen, schon gar nicht den Urheber. Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Ich habe weder die Kraft noch die Zeit, noch die finanziellen Mittel, den Schuldigen ausfindig zu machen und mich effektiv zu wehren.
Und die Folgen? Hugendubel, der Verlag, bei dem die Originalfassung erschienen ist, wurde gerade an Random House verkauft. Ich habe, als die deutsche Ausgabe vergriffen war, ziemlich vergeblich versucht, von Hugendubel meine Rechte zurück zu bekommen. G. nimmt sich Rechte mit Fingerschnipp. Egal, ob sie zeitlich begrenzt vergeben worden waren oder auf Lebenszeit (wie in vielen alten Verträgen). G. schreibt keine langen Briefe oder hält Fristen und Formalia ein. Die sind nicht so blöde wie wir Autoren. Im Moment bin ich dabei, meine Rechte von Random House zurück zu holen. Das funktioniert jetzt zwar, aber G. war bei jener Ausgabe schneller.
Da ich noch lebe und mein Buch in der deutschen Fassung (die italienische lief munter weiter) nur nicht mehr zu haben war, weil ein Verlag ständig verkauft wurde und einmal zwischendurch fusionierte (das kann jeden Autor treffen), hätte ich jetzt zwei Möglichkeiten:
1. Ich könnte versuchen, einen neuen Verlag für das Buch zu begeistern.
Geht nicht mehr. Ein Manuskript, das einmal im Internet stand, ist "verbrannt". Wozu soll ein Verlag noch in mich und meine Arbeit investieren, wenn das Ding online verschenkt wird?
2. Ich könnte für meine Fans das Buch selbst als E-Book herausbringen. Und weil ich ja irgendwie vom Schreiben überleben muss, verkaufen - wenn auch billig. Sagen wir, ich würde zwei Euro für das E-Book verlangen, keine große Sache für Leser.
Geht nicht mehr. Warum soll mir ein Leser freiwillig zwei Euro zahlen, wenn er das Buch kostenlos online haben kann?
3. Ich könnte selbst nicht mehr hinter einem vergriffenen Buch stehen. "Schwarze Madonnen" ist meinem heutigen Kenntnisstand nach und einigen neueren Forschungen zufolge in Teilen überholt oder nicht mehr korrekt. Ich würde es in dieser Form heute nicht mehr veröffentlichen, müsste es überarbeiten. Ich selbst stehe absolut nicht hinter der damals trendigen Vermarktung des nicht mehr existenten Verlags, der meinte, man müsse sich dringend an esoterisches Publikum wenden, um die Auflage zu steigern. Ich habe später mit den BBC ernsthaft und mit Hand und Fuß über das Thema gearbeitet und war froh, dass ich mit dem Verlags-Werbeschnulz für die starken, göttinbewegten Frauen nichts mehr zu tun haben musste.
Wie aber wehre ich mich gegen die weltweite Veröffentlichung eines "alten Schinkens", den ich selbst nicht mehr als zeitgemäß und nach neuen Erkenntnissen korrekt ansehen kann? Wie wehre ich mich gegen den Eindruck, ich stünde noch auf dem Boden veralteten Wissens?
Ich will das Recht haben, meine eigenen Werke dem Publikum auch entziehen zu können!
Noch eine Folge: Da ist ein anderes vergriffenes Buch von mir, dessen Rechte ich eben vom Verlag zurück bekam. Tatsächlich hatte ich vor, es wieder "unters Volk" zu bringen. Aber das dauert, weil ich meine Datei erst einmal neu lektorieren und als pdf erfassen muss. Wenn ich als Autor nämlich meine Rechte zurück bekomme, betrifft das nur meinen eigenen Text. Die Aufmachung, der Satz, das Layout - all das verbleibt dem Urheberrecht gemäß beim Verlag! ICH kann nicht einfach mein Buch einscannen und verkaufen - dann bereicherte ich mich an fremder Arbeit, die der Verlag bezahlt hat.
Google dagegen kann das. G. nimmt sich das Recht heraus, das einfach zu dürfen. Wer fragt denn bitte heute beim wilden lustigen Einscannen noch nach Designern und Layoutern? Da nehmen wir doch sogar noch die Cover dazu! Rechte der Fotografen am Bild? Alles Quatsch. Interessiert nicht mehr.
Ich kleiner dummer, auf Gesetze bedachter Autor trete jetzt mit meinem eigenen Werk in einen Wettlauf mit der Zeit. Will ich mein Buch je noch einmal an den Mann oder die Frau bringen, muss ich schneller sein als ein amerikanischer Konzern. Und doch hat diese Eile gar keinen Sinn! Denn wie bitte soll ich, die ich den Inhalt meines Kühlschranks bezahlen muss und nur Schreiben gelernt habe, wie soll ich gegen einen Giganten ankommen, der mein Werk weltweit VERSCHENKT?
Was viele KollegInnen auch nicht bedenken: Ein vergriffenes Buch ist nicht zwangsweise gestorben. So mancher Autor, der seinen Durchbruch erst spät schaffte oder plötzlich einen Preis bekam, wurde auch mit seinen alten, vielleicht schlecht verkauften Werken plötzlich wieder interessant. Unsere großen Literaturpreisträger sind lebendige Beispiele. Bisher hat man solche alten Werke dann wieder aufgelegt.
Warum aber soll ein Verlag ein altes Werk seines Autors neu auflegen, wenn es längst kostenlos im Internet zu haben ist?
Vielleicht wird einigen an diesem praktischen Beispiel verständlich, warum manche Autoren von Enteignung sprechen. Man entzieht uns einen Teil unserer Lebensgrundlage. Und das - viel gewichtiger - ohne uns zu fragen, ohne all die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, zu denen selbst wir AutorInnen verpflichtet sind. Und man schafft dadurch einen Präzedenzfall ungeahnter Größe - weltweit.
Die Freiheit
Ich bin stolz darauf, in einem Land (Frankreich) zu leben, das in einer ungeheuren Kraftaktion der Geschichte das Menschenrecht der FREIHEIT erkämpft hat. Seit der Französischen Revolution sind die Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung in Europa zum Allgemeingut geworden.
Ich möchte in keinem Bereich des Lebens rückwärts hinter diese Errungenschaften gehen müssen. So viele Menschen sind für diesen Kampf um die Freiheit gestorben, sind guillotiniert worden. Soll das alles umsonst gewesen sein?
Ich poche auf mein Recht, frei zu entscheiden, was mit meinen Werken passieren soll. Ich will mir das Recht herausnehmen, Verleger oder Veröffentlicher ablehnen zu können.
Wie sich wehren?
Ein Autor allein kann sich nicht effektiv wehren, das ist Augenwischerei. Es ist schon ein Witz, binnen kürzester Frist und nur wenn man des Englischen mächtig ist, zu durchschauen, wie man zu den läppischen paar Kröten kommen kann, die G. einmalig für seine Bereicherung auszahlen will. Aber G. sagt auch offen, dass es mit den Büchern und Werbeeinschaltungen Profit machen will.
Nun sind wir Autoren ja nicht allein. Auch diejenigen, die nicht im Schriftstellerverband sind, haben immerhin die VG Wort. Beide empfehlen, Widerspruch vom Einzelautor habe kein Gewicht. Klingt verständlich, aber wer widerspricht für mich und wo und wie? Die VG Wort wäre normalerweise zuständig für das Einkassieren und das Wahren der Rechte. Kann sie aber nicht so unkompliziert, sagt sie, weil das alles nicht so einfach ist. Man hat diese Online-Entwicklungen in Deutschland irgendwie verschlafen.
Ich kann jetzt nur für mich selbst sprechen: Ich bin kein Jurist. Schon gar kein auf Urheberrecht spezialisierter. Ich verstehe bei den Verlautbarungen der VG Wort nur Bahnhof. Irgendwo habe ich etwas gelesen, was so klingt, als sollte ich ihr jetzt wieder irgendwelche Rechte abtreten. Bringt dann künftig die VG Wort meine vergriffenen Bücher als E-Book heraus und macht damit Profit? Oder habe ich nur alles falsch verstanden? KollegInnen, die ich frage, sind genauso ratlos.
Wir verstehen nur so viel: Wir Autoren kommen in all den Diskussionen kaum vor. Niemand fragt uns. Alle jonglieren mit unseren Werken, verdienen daran, planen irgendetwas. Und wir?
Wenn wir dann mal öffentlich den Finger heben, wirft man uns vor, zu polemisieren oder hoffnungslos rückständig alte Pfründe bewahren zu wollen, nicht mit der Zeit zu gehen.
Wir brauchen die Politiker und eine eindeutige und laute Reaktion, die international gehört wird.
Neue Konzepte in Sicht?
Angenommen, ich würde mit der Zeit gehen. Angenommen, ich wäre der Meinung, Kunst und Kultur sollten künftig als Allgemeingut für umme weltweit im Internet verschenkt werden, weil ohnehin kaum noch einer bezahlen will. Angenommen, ich würde das Märchen glauben, verschenkte Bücher seien eine irre gute Werbung für mich. Angenommen, meine verschenkten Bücher würden tatsächlich von Millionen Menschen gelesen.
Wovon lebe ich? Schreiben ist mein Beruf - ich habe sogar zwei Berufe, in denen ich schreibe. Wie bezahle ich meine Stromrechnungen, mein Brot?
Hand aufs Herz, liebe Internet-User, Leserinnen und Leser: Wären Sie wirklich bereit für neue Wege? Eine Gesellschaft konsumiert Werke kostenfrei und leistet sich Urheber, wie man früher den Dorfschamanen angestellt hat: Man stellte ihm Kost und Logis, schob ihm die Schweinehälften hinüber, sorgte für sein Leben. Wer von Ihnen wäre bereit, eine Kultursteuer zu zahlen oder ein Grundgehalt für Urheber? Was sind Ihnen die Menschen wert, die Kunst und Kultur schaffen, die Bücher schreiben, Filme erfinden, Musik machen, Theaterstücke schreiben etc.?
Wer nach neuen Zeiten schreit, muss den Weg konsequent zu Ende gehen. Jetzt. Sofort. Nicht erst, wenn die Urheber ausgestorben sind und keiner mehr schreiben will, weil einen Schreiben endgültig zum Paria macht und in die Armut treibt.
Sorry, dass das so länglich wurde. Aber der Umgang der Gesellschaft und der Politik (!) mit Kunst und Kultur derzeit bringt mich auf die Palme. Als Journalistin habe ich allein in den letzten zwei Wochen drei bereits etablierte, wunderbare Kulturprojekte erlebt, die ums nackte Überleben kämpfen, weil nicht nur staatliche oder kommunale Unterstützungen ausbleiben, sondern auch private Sponsoren und Mäzene. Ohne die solche übrigens nicht kleinen Projekte nicht überleben können, weil sie den Preis für Eintrittskarten nicht heraufschrauben können. Alle drei Projekte sparen nun an der einzigen Stelle, an der sie sparen können: an den Künstlern. Ein Teufelskreis. Denn das Publikum, das die billigen Eintrittskarten geil findet, ist ja schließlich verwöhnt, will Hochkarätiges "fürs Geld". Drei Projekte in zwei Wochen nur in meinem Sichtumkreis kurz vor dem Aus. Es röcheln weit mehr im Todeskampf.
Spätestens seit den urzeitlichen Nutzern der Höhlen von Lascaux gestehen wir Kunst und Kultur zu, zivilisatorische Errungenschaften zu sein, die den Menschen angeblich vom Tier unterscheiden.
edit: Mein letzter Satz ist überholt, wie eine große Ausstellung über Kunst und Kultur der Eiszeit ab September zeigen wird. Kunst und Kultur sind also mindestens doppelt so alt - rund 30.000 Jahre.
Noch einmal ein praktisches Beispiel, warum viele Urheber in Europa über "kalte Enteignung" sprechen, wenn es um das Vorhaben von Google Books und ähnlichen Strategien geht (im folgenden G. abgekürzt). Über die Theorie lässt sich ja vortrefflich in beide Richtungen polemisieren, schauen wir einmal die Praxis an.
Viele Autoren glauben immer noch, G. erfasse ja nur vergriffene Werke - wie schön und praktisch für die Leserwelt. Und ganz lesen könne man ohnehin nur die von Autoren, deren Urheberrecht längst gesetzlich erloschen sei. Außerdem erfasse G. nur amerikanische Bibliotheken (es ist ja immer noch ein amerikanischer Konzern). Falsch! Die Wahrheit sieht anders aus.
Ich habe spaßhalber dort meinen Namen eingegeben. Auf den ersten Blick sieht das wie eine gute Sache aus, weil ich endlich erfahre, wie viele Autoren meine Texte in ihren Büchern zitiert haben. Das mag das Ego streicheln, bringt aber dann doch nicht so viel.
Ich staune, wie viele meiner Bücher bei G. erfasst sind. Gut, eine Vorschau gibt es zum Glück nicht, noch lebe ich, noch leben die Bücher. Aber kann mir einer verraten, wie Bücher von Hanser oder Parthas in eine amerikanische Bibliothek geraten? Woher haben die die Daten? (Zumal Michael Krüger von Hanser beim Appell für Publikationsfreiheit als einer der ersten unterzeichnet hat?) Wo bedient sich G. tatsächlich?
Leider kann ich mich nicht beruhigt zurücklehnen. Denn G. behält sich zukünftig das Recht vor - selbstherrlich in den USA entschieden, ohne die Europäer - mit jenen Büchern in seiner Datenbank nach eigenem Gusto verfahren zu können. Ohne die Autoren zu fragen. Sei etwas nicht rechtens, müsse sich eben der kleine winzige Autor gegen den großen ausländischen Konzern wehren. Solch ein riesiger Präzedenzfall der Umkehrung des Urheberrechts könnte Schule machen! Und welcher Autor kann sich die nötigen internationalen Fachanwälte leisten?
Merke: Nicht mehr ICH, die Urheberin, entscheide, was jemand mit meinen Büchern macht. Es entscheidet nicht einmal mehr unbedingt der Verlag, den ich mir ausgesucht habe, den ich wohlweislich geprüft und für vertrauenswürdig gehalten habe. Niemand durchschaut mehr die Kanäle.
Der Schwindel dahinter
Es kommt noch dicker. Eines meiner Bücher ist bei G. fast komplett sichtbar: Schwarze Madonnen.
Ich bin noch nicht 70 Jahre tot. Diese Ausgabe dieses Buches ist noch nicht vergriffen. Die "eingeschränkte Voransicht" ist ein Witz - man hat lediglich die Seiten mit den Abbildungen herausgenommen. Der Text ist fast komplett, so weit ich das durch schnelles Scrollen übersehen kann. (Überhaupt lassen sich diese "eingeschränkten Voransichten" austricksen.) G. listet dieses Buch also gegen meinen Willen und meine Genehmigung. Ohne dass ich überhaupt davon erfahren habe. (edit: "fast" nachträglich korrigiert - der Satz war natürlich falsch, wenn Seiten fehlen).
Der Hinweis auf den Seiten, es handle sich um urheberrechtlich geschütztes Material, ist ein zynischer Witz. Klickt man rechts auf "Urheberrecht", gelangt man auf den Copyright-Vermerk im Buch. Wobei die Amerikaner wohl nicht begreifen, dass ein amerikanisches Copyright kein europäisches ist und beides zusammen nicht identisch ist mit dem Urheberrecht. Man darf dieses Buch ohne meine ausdrückliche Zustimmung nicht veröffentlichen! Aber dieses Wissen kann man ja nicht verlangen, selbst KollegInnen kapieren das oft nicht.
Wie kann so etwas passieren? Die deutschen Verlage sind ja vielleicht noch der Einhaltung des Urheberrechts hinterher. Aber deutsche Autoren sind ja glücklich, wenn sie auch einmal Lizenzen verkaufen. Verlage in anderen Ländern nehmen es vielleicht nicht so genau. Verlage in anderen Ländern legen ihre Bücher vielleicht tatsächlich in amerikanischen Bibliotheken ab. Und sie informieren nicht unbedingt den Lizenzverkäufer, was sie mit dem Buch anstellen, schon gar nicht den Urheber. Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Ich habe weder die Kraft noch die Zeit, noch die finanziellen Mittel, den Schuldigen ausfindig zu machen und mich effektiv zu wehren.
Und die Folgen? Hugendubel, der Verlag, bei dem die Originalfassung erschienen ist, wurde gerade an Random House verkauft. Ich habe, als die deutsche Ausgabe vergriffen war, ziemlich vergeblich versucht, von Hugendubel meine Rechte zurück zu bekommen. G. nimmt sich Rechte mit Fingerschnipp. Egal, ob sie zeitlich begrenzt vergeben worden waren oder auf Lebenszeit (wie in vielen alten Verträgen). G. schreibt keine langen Briefe oder hält Fristen und Formalia ein. Die sind nicht so blöde wie wir Autoren. Im Moment bin ich dabei, meine Rechte von Random House zurück zu holen. Das funktioniert jetzt zwar, aber G. war bei jener Ausgabe schneller.
Da ich noch lebe und mein Buch in der deutschen Fassung (die italienische lief munter weiter) nur nicht mehr zu haben war, weil ein Verlag ständig verkauft wurde und einmal zwischendurch fusionierte (das kann jeden Autor treffen), hätte ich jetzt zwei Möglichkeiten:
1. Ich könnte versuchen, einen neuen Verlag für das Buch zu begeistern.
Geht nicht mehr. Ein Manuskript, das einmal im Internet stand, ist "verbrannt". Wozu soll ein Verlag noch in mich und meine Arbeit investieren, wenn das Ding online verschenkt wird?
2. Ich könnte für meine Fans das Buch selbst als E-Book herausbringen. Und weil ich ja irgendwie vom Schreiben überleben muss, verkaufen - wenn auch billig. Sagen wir, ich würde zwei Euro für das E-Book verlangen, keine große Sache für Leser.
Geht nicht mehr. Warum soll mir ein Leser freiwillig zwei Euro zahlen, wenn er das Buch kostenlos online haben kann?
3. Ich könnte selbst nicht mehr hinter einem vergriffenen Buch stehen. "Schwarze Madonnen" ist meinem heutigen Kenntnisstand nach und einigen neueren Forschungen zufolge in Teilen überholt oder nicht mehr korrekt. Ich würde es in dieser Form heute nicht mehr veröffentlichen, müsste es überarbeiten. Ich selbst stehe absolut nicht hinter der damals trendigen Vermarktung des nicht mehr existenten Verlags, der meinte, man müsse sich dringend an esoterisches Publikum wenden, um die Auflage zu steigern. Ich habe später mit den BBC ernsthaft und mit Hand und Fuß über das Thema gearbeitet und war froh, dass ich mit dem Verlags-Werbeschnulz für die starken, göttinbewegten Frauen nichts mehr zu tun haben musste.
Wie aber wehre ich mich gegen die weltweite Veröffentlichung eines "alten Schinkens", den ich selbst nicht mehr als zeitgemäß und nach neuen Erkenntnissen korrekt ansehen kann? Wie wehre ich mich gegen den Eindruck, ich stünde noch auf dem Boden veralteten Wissens?
Ich will das Recht haben, meine eigenen Werke dem Publikum auch entziehen zu können!
Noch eine Folge: Da ist ein anderes vergriffenes Buch von mir, dessen Rechte ich eben vom Verlag zurück bekam. Tatsächlich hatte ich vor, es wieder "unters Volk" zu bringen. Aber das dauert, weil ich meine Datei erst einmal neu lektorieren und als pdf erfassen muss. Wenn ich als Autor nämlich meine Rechte zurück bekomme, betrifft das nur meinen eigenen Text. Die Aufmachung, der Satz, das Layout - all das verbleibt dem Urheberrecht gemäß beim Verlag! ICH kann nicht einfach mein Buch einscannen und verkaufen - dann bereicherte ich mich an fremder Arbeit, die der Verlag bezahlt hat.
Google dagegen kann das. G. nimmt sich das Recht heraus, das einfach zu dürfen. Wer fragt denn bitte heute beim wilden lustigen Einscannen noch nach Designern und Layoutern? Da nehmen wir doch sogar noch die Cover dazu! Rechte der Fotografen am Bild? Alles Quatsch. Interessiert nicht mehr.
Ich kleiner dummer, auf Gesetze bedachter Autor trete jetzt mit meinem eigenen Werk in einen Wettlauf mit der Zeit. Will ich mein Buch je noch einmal an den Mann oder die Frau bringen, muss ich schneller sein als ein amerikanischer Konzern. Und doch hat diese Eile gar keinen Sinn! Denn wie bitte soll ich, die ich den Inhalt meines Kühlschranks bezahlen muss und nur Schreiben gelernt habe, wie soll ich gegen einen Giganten ankommen, der mein Werk weltweit VERSCHENKT?
Was viele KollegInnen auch nicht bedenken: Ein vergriffenes Buch ist nicht zwangsweise gestorben. So mancher Autor, der seinen Durchbruch erst spät schaffte oder plötzlich einen Preis bekam, wurde auch mit seinen alten, vielleicht schlecht verkauften Werken plötzlich wieder interessant. Unsere großen Literaturpreisträger sind lebendige Beispiele. Bisher hat man solche alten Werke dann wieder aufgelegt.
Warum aber soll ein Verlag ein altes Werk seines Autors neu auflegen, wenn es längst kostenlos im Internet zu haben ist?
Vielleicht wird einigen an diesem praktischen Beispiel verständlich, warum manche Autoren von Enteignung sprechen. Man entzieht uns einen Teil unserer Lebensgrundlage. Und das - viel gewichtiger - ohne uns zu fragen, ohne all die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, zu denen selbst wir AutorInnen verpflichtet sind. Und man schafft dadurch einen Präzedenzfall ungeahnter Größe - weltweit.
Die Freiheit
Ich bin stolz darauf, in einem Land (Frankreich) zu leben, das in einer ungeheuren Kraftaktion der Geschichte das Menschenrecht der FREIHEIT erkämpft hat. Seit der Französischen Revolution sind die Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung in Europa zum Allgemeingut geworden.
Ich möchte in keinem Bereich des Lebens rückwärts hinter diese Errungenschaften gehen müssen. So viele Menschen sind für diesen Kampf um die Freiheit gestorben, sind guillotiniert worden. Soll das alles umsonst gewesen sein?
Ich poche auf mein Recht, frei zu entscheiden, was mit meinen Werken passieren soll. Ich will mir das Recht herausnehmen, Verleger oder Veröffentlicher ablehnen zu können.
Wie sich wehren?
Ein Autor allein kann sich nicht effektiv wehren, das ist Augenwischerei. Es ist schon ein Witz, binnen kürzester Frist und nur wenn man des Englischen mächtig ist, zu durchschauen, wie man zu den läppischen paar Kröten kommen kann, die G. einmalig für seine Bereicherung auszahlen will. Aber G. sagt auch offen, dass es mit den Büchern und Werbeeinschaltungen Profit machen will.
Nun sind wir Autoren ja nicht allein. Auch diejenigen, die nicht im Schriftstellerverband sind, haben immerhin die VG Wort. Beide empfehlen, Widerspruch vom Einzelautor habe kein Gewicht. Klingt verständlich, aber wer widerspricht für mich und wo und wie? Die VG Wort wäre normalerweise zuständig für das Einkassieren und das Wahren der Rechte. Kann sie aber nicht so unkompliziert, sagt sie, weil das alles nicht so einfach ist. Man hat diese Online-Entwicklungen in Deutschland irgendwie verschlafen.
Ich kann jetzt nur für mich selbst sprechen: Ich bin kein Jurist. Schon gar kein auf Urheberrecht spezialisierter. Ich verstehe bei den Verlautbarungen der VG Wort nur Bahnhof. Irgendwo habe ich etwas gelesen, was so klingt, als sollte ich ihr jetzt wieder irgendwelche Rechte abtreten. Bringt dann künftig die VG Wort meine vergriffenen Bücher als E-Book heraus und macht damit Profit? Oder habe ich nur alles falsch verstanden? KollegInnen, die ich frage, sind genauso ratlos.
Wir verstehen nur so viel: Wir Autoren kommen in all den Diskussionen kaum vor. Niemand fragt uns. Alle jonglieren mit unseren Werken, verdienen daran, planen irgendetwas. Und wir?
Wenn wir dann mal öffentlich den Finger heben, wirft man uns vor, zu polemisieren oder hoffnungslos rückständig alte Pfründe bewahren zu wollen, nicht mit der Zeit zu gehen.
Wir brauchen die Politiker und eine eindeutige und laute Reaktion, die international gehört wird.
Neue Konzepte in Sicht?
Angenommen, ich würde mit der Zeit gehen. Angenommen, ich wäre der Meinung, Kunst und Kultur sollten künftig als Allgemeingut für umme weltweit im Internet verschenkt werden, weil ohnehin kaum noch einer bezahlen will. Angenommen, ich würde das Märchen glauben, verschenkte Bücher seien eine irre gute Werbung für mich. Angenommen, meine verschenkten Bücher würden tatsächlich von Millionen Menschen gelesen.
Wovon lebe ich? Schreiben ist mein Beruf - ich habe sogar zwei Berufe, in denen ich schreibe. Wie bezahle ich meine Stromrechnungen, mein Brot?
Hand aufs Herz, liebe Internet-User, Leserinnen und Leser: Wären Sie wirklich bereit für neue Wege? Eine Gesellschaft konsumiert Werke kostenfrei und leistet sich Urheber, wie man früher den Dorfschamanen angestellt hat: Man stellte ihm Kost und Logis, schob ihm die Schweinehälften hinüber, sorgte für sein Leben. Wer von Ihnen wäre bereit, eine Kultursteuer zu zahlen oder ein Grundgehalt für Urheber? Was sind Ihnen die Menschen wert, die Kunst und Kultur schaffen, die Bücher schreiben, Filme erfinden, Musik machen, Theaterstücke schreiben etc.?
Wer nach neuen Zeiten schreit, muss den Weg konsequent zu Ende gehen. Jetzt. Sofort. Nicht erst, wenn die Urheber ausgestorben sind und keiner mehr schreiben will, weil einen Schreiben endgültig zum Paria macht und in die Armut treibt.
Sorry, dass das so länglich wurde. Aber der Umgang der Gesellschaft und der Politik (!) mit Kunst und Kultur derzeit bringt mich auf die Palme. Als Journalistin habe ich allein in den letzten zwei Wochen drei bereits etablierte, wunderbare Kulturprojekte erlebt, die ums nackte Überleben kämpfen, weil nicht nur staatliche oder kommunale Unterstützungen ausbleiben, sondern auch private Sponsoren und Mäzene. Ohne die solche übrigens nicht kleinen Projekte nicht überleben können, weil sie den Preis für Eintrittskarten nicht heraufschrauben können. Alle drei Projekte sparen nun an der einzigen Stelle, an der sie sparen können: an den Künstlern. Ein Teufelskreis. Denn das Publikum, das die billigen Eintrittskarten geil findet, ist ja schließlich verwöhnt, will Hochkarätiges "fürs Geld". Drei Projekte in zwei Wochen nur in meinem Sichtumkreis kurz vor dem Aus. Es röcheln weit mehr im Todeskampf.
Spätestens seit den urzeitlichen Nutzern der Höhlen von Lascaux gestehen wir Kunst und Kultur zu, zivilisatorische Errungenschaften zu sein, die den Menschen angeblich vom Tier unterscheiden.
edit: Mein letzter Satz ist überholt, wie eine große Ausstellung über Kunst und Kultur der Eiszeit ab September zeigen wird. Kunst und Kultur sind also mindestens doppelt so alt - rund 30.000 Jahre.
24. März 2009
Desaster im Treibhaus
24. März, drei Tage nach Frühlingsanfang, niedlicher kleiner Schneesturm im Elsass.
Die ersten Leute wollen wissen, wo man diese verdammte Klimaerwärmung kaufen kann.
Die ersten Leute wollen wissen, wo man diese verdammte Klimaerwärmung kaufen kann.
Kampf um Selbstbestimmung
Textschaffende aller Art werden es in den letzten Wochen durch die Medien mitbekommen haben, dass Großkonzerne wie Google u.a. dabei sind, im großen Umfang Autoren regelrecht zu enteignen. Dabei verlieren wir - ohne je gefragt worden zu sein, das höchste Recht eines Schöpfers von geistigen Werken: selbst darüber entscheiden zu dürfen, was mit unseren Werken geschieht.
Es geht um das fundamentale Recht eines jeden Urhebers, sich seine Publikationsmöglichkeiten frei und selbstbestimmt aussuchen zu dürfen, diese frei und unabhängig - auch in ihrem Honorarumfang - verhandeln zu dürfen.
Die Bundesregierung und die Regierungen der Länder schützen die Urheber nicht ausreichend und treten nicht entschlossen genug gegenüber ausländischen Konzernen auf, die mit unseren Erzeugnissen ungefragt den großen Reibach machen wollen. Ohne Hilfe von oben sind wir Autoren allein machtlos.
Ein Appell an die Regierung mit Unterschriftensammlung läuft deshalb derzeit beim Institut für Textkritik in Heidelberg. Dort gibt es auch Hintergrundmaterial.
Den Appell mit Unterschriftenlink findet man hier.
Die Zeit eilt, denn der Suchmaschinenriese macht demnächst, was er will, ohne Urheber zu fragen.
Ich empfehle außerdem zur Einführung in die Problematik diesen Artikel.
Bitte diese Info oder den Link zu diesem Posting fleißig unter Betroffene verteilen!
Es geht um das fundamentale Recht eines jeden Urhebers, sich seine Publikationsmöglichkeiten frei und selbstbestimmt aussuchen zu dürfen, diese frei und unabhängig - auch in ihrem Honorarumfang - verhandeln zu dürfen.
Die Bundesregierung und die Regierungen der Länder schützen die Urheber nicht ausreichend und treten nicht entschlossen genug gegenüber ausländischen Konzernen auf, die mit unseren Erzeugnissen ungefragt den großen Reibach machen wollen. Ohne Hilfe von oben sind wir Autoren allein machtlos.
Ein Appell an die Regierung mit Unterschriftensammlung läuft deshalb derzeit beim Institut für Textkritik in Heidelberg. Dort gibt es auch Hintergrundmaterial.
Den Appell mit Unterschriftenlink findet man hier.
Die Zeit eilt, denn der Suchmaschinenriese macht demnächst, was er will, ohne Urheber zu fragen.
Ich empfehle außerdem zur Einführung in die Problematik diesen Artikel.
Bitte diese Info oder den Link zu diesem Posting fleißig unter Betroffene verteilen!
Orientzauber
Gestern habe ich so viel gelabert - heute gibt's dafür einfach nur Musik. Und zwar die, mit der ich mich gerade morgens zum Arbeiten fit mache: Scheherazade von Nikolaj Andrejewitsch Rimski-Korsakov. Und weil das Internet ein Sehmedium ist, habe ich auch eine Fassung mit Bild gefunden, nämlich das gleichnamige Ballett nach der Original-Choreographie von Michail Fokin und dem Szenario von Leon Bakst und Aleksander Golowin. Getanzt vom Sankt Petersburg Marijnsky-Ballett, auch als Kirov-Ballett bekannt.
Frohes Schaffen!
Frohes Schaffen!
23. März 2009
Bumerang aus Wurmlöchern
Eben wurde ich voll von der Krümmung der Raumzeit getroffen. Ich bin in ein Wurmloch gefallen. Oder wissenschaftlicher ausgedrückt: Ich glaube, ich stehe auf einer Einstein-Rosen-Brücke. Und schuld daran ist dieser Karton mit alten Büchern, den ich gestern zufällig fand.
Manche Kolleginnen und Kollegen kennen sicher diese seltsamen Eigenschaften mancher Romanfiguren oder Geschichten: Auch wenn man sie nicht schreibt, nicht schreiben will, lassen sie einen nicht los. Es kommt in unserem Beruf ab und zu vor, dass wir jemanden ad acta legen und der brüllt umso lauter los, manchmal nach Jahren. Mein Polenroman ist so einer, den ich erfolgreich zu verhindern versuchte und nun gegen alle Vernunft schreiben muss. Und da ist noch so etwas ...
Im Januar begrub ich ein Projekt, um nicht daran zu verzweifeln, dass ich für deutsche Verlage diesbezüglich das falsche Geschlecht habe. Es war nicht einfach, innerlich damit abzuschließen, nachdem ich bald 20 Jahre mit diesem Thema förmlich lebte. Bei diesem Sachbuch geht es um Menschen, die wirklich existiert haben. Einer aus jenem Clan hängt als Porträt aus dem 19. Jahrhundert immer noch an meiner Wand. Weil er mich fasziniert, weil ich alles aufgesogen habe, was über sein Leben zu erfahren war. Und weil er mir ein Beispiel ist, gegen jeden noch so großen Widerstand von außen an die eigenen Visionen zu glauben.
Ich war verrückt bei dieser Recherche. Holte mir aus seinem Garten - heute eine Wildnis - eine Rose, die er selbst gepflanzt hatte (wer das Vorwort in "Das Buch der Rose" liest, wird die Geschichte wiedererkennen, verewigt sind die Blüten auf dem Foto im Buch). Ich stieg heimlich an der Concierge vorbei (einmal hat sie mich erwischt) in sein baufälliges Schloss ein, um zu sehen, wie er gelebt haben mochte; um "zu atmen", wie man damals lebte. An ganz spinnerten Tagen berührte ich dort das Treppengeländer und stellte mir vor, dass jener Clan das auch einmal berührt hatte. Ich hätte etwas darum gegeben, wenn Treppengeländer Gespräche aufzeichnen könnten!
Und ich hätte etwas darum gegeben, seine weithin bekannte Bibliothek erlebt haben zu können, bevor der gesamte Besitz 1930 bei seinem Tod versteigert worden war. Bücher in allen Sprachen soll er besessen haben, Wissenschaft, Literatur. Er war ein wahrer Bücher- und Forscherwurm, und ich war der Theorie von den Wurmlöchern fast böse, dass sie zur Zeitmaschine nicht taugte.
Vorhin habe ich nach einer ersten Grundsäuberung meine kleinen Preziosen genauer gesichtet. Bei einem schwungvoll eingeschriebenen Namen stutzte ich. Den hatte ich schon einmal gehört. Ach ja, ein Nachfahr von jenem Clan. Nichts Besonderes. Ich schlage ein weiteres Buch auf, eine uralte deutsche Sprachlehre. Vorne hat jemand mit bräunlich verblassender Tinte und wunderschönen alten Lettern den eigenen Namen hineingeschrieben. Seine Schwester! Also die Schwester dieses Schlossbesitzers, nach dessen Bibliothek ich mich immer sehnte. Und dann waren da noch drei Bücher aus dieser Bibliothek, ein Schiller im Original, ein Goethe auf Französisch und ein damals wichtiges chirurgisches Fachbuch mit persönlicher Widmung des Autors - mit dem er befreundet war.
Ich kann machen, was ich will, ich bekomme diesen Mann nicht los.
Selbst diverse Museen bedauern, dass sein Besitz damals in alle Winde zerstreut wurde. Dass man nichts mehr von ihm findet. Und ich falle zufällig über einen Haufen Krempel und Müll am Straßenrand, den einer beim Frühjahrsputz loswerden wollte - und falle sozusagen direkt hinein in seine Bibliothek! Ich trau mich gar nicht, sein Portrait anzuschauen. Ich fürchte, er wird zwinkern und grinsen.
Vielleicht wird dieses Sachbuch wirklich nie etwas werden. Aber eines Tages schreibt eine durchgeknallte Autorin vielleicht einen Roman, wie sie von einem Buch quer durchs Raum-Zeit-Kontinuum verfolgt wurde? Uuups ... wo ist sie denn? Wo ist sie geblieben? Hier?
Manche Kolleginnen und Kollegen kennen sicher diese seltsamen Eigenschaften mancher Romanfiguren oder Geschichten: Auch wenn man sie nicht schreibt, nicht schreiben will, lassen sie einen nicht los. Es kommt in unserem Beruf ab und zu vor, dass wir jemanden ad acta legen und der brüllt umso lauter los, manchmal nach Jahren. Mein Polenroman ist so einer, den ich erfolgreich zu verhindern versuchte und nun gegen alle Vernunft schreiben muss. Und da ist noch so etwas ...
Im Januar begrub ich ein Projekt, um nicht daran zu verzweifeln, dass ich für deutsche Verlage diesbezüglich das falsche Geschlecht habe. Es war nicht einfach, innerlich damit abzuschließen, nachdem ich bald 20 Jahre mit diesem Thema förmlich lebte. Bei diesem Sachbuch geht es um Menschen, die wirklich existiert haben. Einer aus jenem Clan hängt als Porträt aus dem 19. Jahrhundert immer noch an meiner Wand. Weil er mich fasziniert, weil ich alles aufgesogen habe, was über sein Leben zu erfahren war. Und weil er mir ein Beispiel ist, gegen jeden noch so großen Widerstand von außen an die eigenen Visionen zu glauben.
Ich war verrückt bei dieser Recherche. Holte mir aus seinem Garten - heute eine Wildnis - eine Rose, die er selbst gepflanzt hatte (wer das Vorwort in "Das Buch der Rose" liest, wird die Geschichte wiedererkennen, verewigt sind die Blüten auf dem Foto im Buch). Ich stieg heimlich an der Concierge vorbei (einmal hat sie mich erwischt) in sein baufälliges Schloss ein, um zu sehen, wie er gelebt haben mochte; um "zu atmen", wie man damals lebte. An ganz spinnerten Tagen berührte ich dort das Treppengeländer und stellte mir vor, dass jener Clan das auch einmal berührt hatte. Ich hätte etwas darum gegeben, wenn Treppengeländer Gespräche aufzeichnen könnten!
Und ich hätte etwas darum gegeben, seine weithin bekannte Bibliothek erlebt haben zu können, bevor der gesamte Besitz 1930 bei seinem Tod versteigert worden war. Bücher in allen Sprachen soll er besessen haben, Wissenschaft, Literatur. Er war ein wahrer Bücher- und Forscherwurm, und ich war der Theorie von den Wurmlöchern fast böse, dass sie zur Zeitmaschine nicht taugte.
Vorhin habe ich nach einer ersten Grundsäuberung meine kleinen Preziosen genauer gesichtet. Bei einem schwungvoll eingeschriebenen Namen stutzte ich. Den hatte ich schon einmal gehört. Ach ja, ein Nachfahr von jenem Clan. Nichts Besonderes. Ich schlage ein weiteres Buch auf, eine uralte deutsche Sprachlehre. Vorne hat jemand mit bräunlich verblassender Tinte und wunderschönen alten Lettern den eigenen Namen hineingeschrieben. Seine Schwester! Also die Schwester dieses Schlossbesitzers, nach dessen Bibliothek ich mich immer sehnte. Und dann waren da noch drei Bücher aus dieser Bibliothek, ein Schiller im Original, ein Goethe auf Französisch und ein damals wichtiges chirurgisches Fachbuch mit persönlicher Widmung des Autors - mit dem er befreundet war.
Ich kann machen, was ich will, ich bekomme diesen Mann nicht los.
Selbst diverse Museen bedauern, dass sein Besitz damals in alle Winde zerstreut wurde. Dass man nichts mehr von ihm findet. Und ich falle zufällig über einen Haufen Krempel und Müll am Straßenrand, den einer beim Frühjahrsputz loswerden wollte - und falle sozusagen direkt hinein in seine Bibliothek! Ich trau mich gar nicht, sein Portrait anzuschauen. Ich fürchte, er wird zwinkern und grinsen.
Vielleicht wird dieses Sachbuch wirklich nie etwas werden. Aber eines Tages schreibt eine durchgeknallte Autorin vielleicht einen Roman, wie sie von einem Buch quer durchs Raum-Zeit-Kontinuum verfolgt wurde? Uuups ... wo ist sie denn? Wo ist sie geblieben? Hier?
Ungespitzt...
... in den Boden gerammt habe ich jetzt meine ach so wunderbare "Künstlerberaterin", die mir das Kasperletheater mit jenem Amt eingebrockt hat, aus dem es fast nur noch einen Ausweg gibt: Arbeit hinschmeißen, arbeitslos werden. Das Problem ist suffisant-primitiv: In Frankreich kann ein Schriftsteller Freiberufler mit Firma sein oder auf eine eigene Firma verzichten. Und ich bräuchte eigentlich nur einen Wisch, der zweiteres Recht beweist, das ich mir offiziell genommen habe. Weil diese Dame gesagt hat, ich müsse das tun! Ein Blatt Papier, eine Kopie...
Zwei Wochen warte ich vergeblich auf ihren Rückruf (trotz dringenden Anmahnens), meine Mails kommen angeblich nie an, mein Fax verottet mindestens eben so lang. Ihre Antwort: "Ja, ich hab nicht genau gewusst, was Sie wollten, deshalb habe ich mich nicht gemeldet." Kann man nicht zurückrufen und fragen? Der menschenverachtende Zynismus auf Ämtern schreit mittlerweile zum Himmel. Egal, ob man mit einem falschen Rat Existenzen vernichtet, man hat ja das fette Staatspöstchen. Und nein, angeblich hat sie mir den Rat nie gegeben, obwohl ich ihn schriftlich habe, angeblich ist sie gar nicht zuständig...
Jedenfalls war ich erstaunt, zu welch eiskalten Zynismen ich auf Französisch mittlerweile fähig bin. Französische Diplomatie für Fortgeschrittene. Ich habe der Dame jetzt gesagt, dass ich das nicht mehr länger mit ansehen kann, wie sie unter mir leidet und solche schauderhafte Extraarbeit hat. Ich werde ihr das Leben erleichtern und sie von dieser Zuständigkeitspflicht entbinden lassen. Die Mails an ihren Arbeitgeber, das Parlament, kommen zum Glück durch, direkt. Von denen lasse ich mich wieder an mein Städtel ums Eck "überweisen", da geht alles etwas langsamer als in Strasbourg zu, aber persönlich, menschlich.
"Das können Sie nicht! Nur ich kann ans Parlament schreiben, Sie nicht! Sie können da nicht einfach hinschreiben!"
Ha. Selten so gelacht. Ich kann noch ganz anders. Beinahe hätte ich sie gefragt, ob sie eine Einladung zu "Die sieben Todsünden" will, einer französischen Fernsehshow über Fälle von Amtswillkür. Der absolute Publikumsknaller.
Da ist ein Siedepunkt erreicht. Dem Amt, dem ich zum zigsten Mal beweisen soll, dass ein Schriftsteller ohne Firma schriftstellern darf, gebe ich noch eine Woche. (Wer bin ich eigentlich, dass ich französischen Behörden ihre eigenen Paragraphen erklären muss?)
Ich habe ungeheures Glück. Ich habe genügend Bildung genossen, um meine Rechte im Internet zu recherchieren, um Paragraphen in einer Fremdsprache zu lesen und um nach eigenen Lösungen zu suchen. Als Journalistin weiß ich, wie man sich wehrt. Ich kann das Land wechseln, wenn ich Lust habe. Ich kann frei über mich und meine Arbeit verfügen. Mich brechen solche Leute nicht.
Aber auf diesen Ämtern werden immer mehr Menschen fertiggemacht, die sich nicht wehren können. Die ihre Rechte nicht kennen. Die aus Verzweiflung manchmal nicht einmal mehr nachdenken können. Wenn ich die Schicksale in den Warteräumen höre, frage ich mich, warum es so wenig Amokläufer gibt. Die meisten dieser Menschen sind aber nur noch resigniert, werden depressiv, haben einfach keine Kraft mehr. Seit Sarkozy ist Frankreich besonders effektiv geworden in der zynisch kalten Verwaltung von Menschenmaterial.
Falls dieses Blog also plötzlich hektographiert und handabgezogen erscheinen sollte, bin ich in den Untergrund gegangen. Ich sitze dann bei einer Petroleumfunzel nachts im verdunkelten Keller und schreibe heimlich. Bis man mich abholt, weil ein Schriftsteller in Frankreich nicht einfach schreiben darf, wann und wie er Lust hat. Es muss alles schließlich seine Ordnung haben. Ich hoffe nur, dass ich dann noch buchliebende Zeitgenossen finde, die meine Manuskripte heimlich in den Westen schmuggeln. Ach nee, Osten...
(Abgeheftet in der Rubrik staatliche Kreativitätsverschwendung. Zusatznotiz der Autorin für Frankreichschwärmer und Möchtegernaussteiger: Was war das im hochkomplizierten Polen doch alles einfach gegen diesen angeblich so hochzivilisierten Westen!)
Zwei Wochen warte ich vergeblich auf ihren Rückruf (trotz dringenden Anmahnens), meine Mails kommen angeblich nie an, mein Fax verottet mindestens eben so lang. Ihre Antwort: "Ja, ich hab nicht genau gewusst, was Sie wollten, deshalb habe ich mich nicht gemeldet." Kann man nicht zurückrufen und fragen? Der menschenverachtende Zynismus auf Ämtern schreit mittlerweile zum Himmel. Egal, ob man mit einem falschen Rat Existenzen vernichtet, man hat ja das fette Staatspöstchen. Und nein, angeblich hat sie mir den Rat nie gegeben, obwohl ich ihn schriftlich habe, angeblich ist sie gar nicht zuständig...
Jedenfalls war ich erstaunt, zu welch eiskalten Zynismen ich auf Französisch mittlerweile fähig bin. Französische Diplomatie für Fortgeschrittene. Ich habe der Dame jetzt gesagt, dass ich das nicht mehr länger mit ansehen kann, wie sie unter mir leidet und solche schauderhafte Extraarbeit hat. Ich werde ihr das Leben erleichtern und sie von dieser Zuständigkeitspflicht entbinden lassen. Die Mails an ihren Arbeitgeber, das Parlament, kommen zum Glück durch, direkt. Von denen lasse ich mich wieder an mein Städtel ums Eck "überweisen", da geht alles etwas langsamer als in Strasbourg zu, aber persönlich, menschlich.
"Das können Sie nicht! Nur ich kann ans Parlament schreiben, Sie nicht! Sie können da nicht einfach hinschreiben!"
Ha. Selten so gelacht. Ich kann noch ganz anders. Beinahe hätte ich sie gefragt, ob sie eine Einladung zu "Die sieben Todsünden" will, einer französischen Fernsehshow über Fälle von Amtswillkür. Der absolute Publikumsknaller.
Da ist ein Siedepunkt erreicht. Dem Amt, dem ich zum zigsten Mal beweisen soll, dass ein Schriftsteller ohne Firma schriftstellern darf, gebe ich noch eine Woche. (Wer bin ich eigentlich, dass ich französischen Behörden ihre eigenen Paragraphen erklären muss?)
Ich habe ungeheures Glück. Ich habe genügend Bildung genossen, um meine Rechte im Internet zu recherchieren, um Paragraphen in einer Fremdsprache zu lesen und um nach eigenen Lösungen zu suchen. Als Journalistin weiß ich, wie man sich wehrt. Ich kann das Land wechseln, wenn ich Lust habe. Ich kann frei über mich und meine Arbeit verfügen. Mich brechen solche Leute nicht.
Aber auf diesen Ämtern werden immer mehr Menschen fertiggemacht, die sich nicht wehren können. Die ihre Rechte nicht kennen. Die aus Verzweiflung manchmal nicht einmal mehr nachdenken können. Wenn ich die Schicksale in den Warteräumen höre, frage ich mich, warum es so wenig Amokläufer gibt. Die meisten dieser Menschen sind aber nur noch resigniert, werden depressiv, haben einfach keine Kraft mehr. Seit Sarkozy ist Frankreich besonders effektiv geworden in der zynisch kalten Verwaltung von Menschenmaterial.
Falls dieses Blog also plötzlich hektographiert und handabgezogen erscheinen sollte, bin ich in den Untergrund gegangen. Ich sitze dann bei einer Petroleumfunzel nachts im verdunkelten Keller und schreibe heimlich. Bis man mich abholt, weil ein Schriftsteller in Frankreich nicht einfach schreiben darf, wann und wie er Lust hat. Es muss alles schließlich seine Ordnung haben. Ich hoffe nur, dass ich dann noch buchliebende Zeitgenossen finde, die meine Manuskripte heimlich in den Westen schmuggeln. Ach nee, Osten...
(Abgeheftet in der Rubrik staatliche Kreativitätsverschwendung. Zusatznotiz der Autorin für Frankreichschwärmer und Möchtegernaussteiger: Was war das im hochkomplizierten Polen doch alles einfach gegen diesen angeblich so hochzivilisierten Westen!)
22. März 2009
Mäusewölfe und Maikäferlampen
Ich halte einen kleinen Schatz in Händen. Eines der Bücher aus jener Kiste hat sich als eine Art "goldenes Haushaltsbuch" aus dem Revolutionsjahr 1848 entpuppt - und bietet dank der damals aufgewühlten Zeiten besonders billige und praktische Überlebenshilfen. Es ist auf der einen Seite derart kurios und auf der anderen schon wieder zum Nachahmen zu empfehlen, dass ich große Lust hätte, es in modernisierter Form wieder aufzulegen.
Gut, der Umgang mit Gift und Chemie war damals sträflich unwissend, wenn ich mir etwa die Empfehlung anschaue, wie man sich mittels Vitriol von einer Schierlingsvergiftung heilen könne. Das ist dann doch eher etwas fürs Fach der Krimiautoren. Auch selbstgebasteltes Arsenpapier gegen Fliegen und diese seltsame Sache mit dem Vitriolöl, das Flaschen zum Explodieren bringt, werden Mütter heute ihren Töchtern als Mit-gift nicht mehr empfehlen. Immerhin, der Schutzanstrich für Bäume gegen Benagen klingt verlässlich: Feingemahlenes Schießpulver mit gut durchbratenem Speck und weißem Hundekot vermengen, fertig. Man muss vorher nur dem armen Fifi zu viele Knochen geben, damit er an der nützlichen Verdauungsstörung leidet. Weh dem, der eine Streuobstwiese sein eigen nennt, aber nur einen einzigen Hund.
Herrlich sind die Ratschläge zum Wiedererlangen von Fußschweiß (sein Ausbleiben lebensgefährlich!), zum Stärken der Augen für Vielschreiber oder zum Erlangen eines vorzüglichen Gedächtnisses. Sie entsprechen modernen Erkenntnissen, die genauso wenig überholt sind wie das selbstgemischte Bügelwasser gegen Motten, das billige wohlduftende Eau de Cologne oder das Rezept für selbstgemachte Brühwürfel. Und während man heute Marder aus dem Haus mit voll dröhnender Stereoanlage vertreibt, hat man das damals eben noch aus eigener Kraft gemacht: mit Trompetendauerbeschallung.
Manches ist dann aber doch zu hart. Etwa wenn die gute Hausfrau zur Mäusevertilgung "Mäusewölfe" züchtet. Frau sperre ein paar dutzend Mäuse in einen Drahtkäfig, die sich durch Hungern langsam gegenseitig auffressen (die Hausfrau habe sich etwas in Geduld zu üben). Die letzte Überlebende wird lebenslang geil auf Mäusefleisch als Mäusewolf durch Haus und Keller jagen. Zimperlich waren die Damen von 1848 anscheinend nur im Roman. Die gleichen Frauen stellten ein Pulver aus lebendig verbrannten Blutegeln gegen störende Gesichtshärchen her und wussten, wie man verdorbene Butter oder sauer gewordenes Bier aufhübschte, um beides als frisch zu verkaufen.
Sie schrieben Liebesbriefe mit einer aus Rosenblütenblättern hergestellten hochgiftigen Dufttinte; sie kannten Tricks, Blumenkohl so zu ernten, dass er dreimal an der Schnittstelle trug, und sie schmierten ihren Lieben Ohrenschmalz als lindernden Balsam auf Insektenstiche. Die Wässerchen für die roten Säufernasen ihrer Gatten wirken noch heute. Und wenn diese einen fremden Hund schneller an sich gewöhnten, indem sie beim Auslauf eine Semmel unter den schwitzenden Achseln trugen und diese dann zu Belohnungskügelchen zerrupften, so wundert das heute keinen Hundeflüsterer der Welt mehr.
Herrlich fand ich die Fälschung echter chinesischer Nankingfarbe diesmal ungiftig mit Hilfe von rostigen Nägeln. Oder die häusliche Leuchtgasgewinnung aus Maikäfern, deren Plage offensichtlich so schlimm war, dass man aus den Resten ein effektives Toilettenputzmittel herstellte. Rund 20.000 Käfer brauchte man allein für eine Lampenfüllung. Und damit das Ganze nicht zu abstrakt bleibt, gebe ich ein Mittel gegen Blattlausbefall bekannt, das ich in ähnlicher Weise seit Jahren mit Erfolg anwende - und das zum hoffentlich irgendwann erfolgenden Frühlingsbeginn genau richtig kommt:
Anti-Blattlaus-Mittel
Man durchfeuchte starken Schnupftabak gut mit Seifenspiritus und lasse die Mischung 24 Stunden ziehen. Dann gebe man zehn Teile Wasser dazu und sprühe die abgefilterte Brühe einmal täglich am Abend bis zum Verschwinden der Blattläuse (zum Vorbeugen reichen größere Intervalle).
Meine moderne Version wird ähnlich gemischt:
Ich brühe starken Tabak zum Selberdrehen mit siedendem Wasser auf wie Tee (als wollte ich Teekonzentrat im Samowar machen) und lasse das 24 Std. stehen. Seie ab und gebe Brennspiritus und etwas Spülmittel (ohne viel Zusatzstöffchen) oder geriebene Kernseife (gesünder für die Pflanzen) bei und Wasser. Die Lösung sollte nicht mehr als 5% Brennspiritus enthalten und nicht allzu viel Seifenlauge, die sonst die Blattporen verkleben. Die Seife sorgt aber dafür, dass das Mittel haften bleibt und hindert bereits vorhandene Blattläuse am Atmen. Der Tabaksud (Nikotin!) mit dem Spiritus tötet sie und vertreibt jeden Neuankömmling durch Geruch und Geschmack. Wer eine besonders effektive "Bombe" basteln will, lässt mit dem Tabak auch noch jede Menge halb aufgeschnittener Knoblauchzehen ziehen.
Aber Vorsicht: Nie auf schon geöffnete Knospen oder Blüten sprühen. Und bei sehr empfindlichen, weichhäutigen Pflanzen den Spiritus geringer dosieren.
Wohl bekomm's!
Gut, der Umgang mit Gift und Chemie war damals sträflich unwissend, wenn ich mir etwa die Empfehlung anschaue, wie man sich mittels Vitriol von einer Schierlingsvergiftung heilen könne. Das ist dann doch eher etwas fürs Fach der Krimiautoren. Auch selbstgebasteltes Arsenpapier gegen Fliegen und diese seltsame Sache mit dem Vitriolöl, das Flaschen zum Explodieren bringt, werden Mütter heute ihren Töchtern als Mit-gift nicht mehr empfehlen. Immerhin, der Schutzanstrich für Bäume gegen Benagen klingt verlässlich: Feingemahlenes Schießpulver mit gut durchbratenem Speck und weißem Hundekot vermengen, fertig. Man muss vorher nur dem armen Fifi zu viele Knochen geben, damit er an der nützlichen Verdauungsstörung leidet. Weh dem, der eine Streuobstwiese sein eigen nennt, aber nur einen einzigen Hund.
Herrlich sind die Ratschläge zum Wiedererlangen von Fußschweiß (sein Ausbleiben lebensgefährlich!), zum Stärken der Augen für Vielschreiber oder zum Erlangen eines vorzüglichen Gedächtnisses. Sie entsprechen modernen Erkenntnissen, die genauso wenig überholt sind wie das selbstgemischte Bügelwasser gegen Motten, das billige wohlduftende Eau de Cologne oder das Rezept für selbstgemachte Brühwürfel. Und während man heute Marder aus dem Haus mit voll dröhnender Stereoanlage vertreibt, hat man das damals eben noch aus eigener Kraft gemacht: mit Trompetendauerbeschallung.
Manches ist dann aber doch zu hart. Etwa wenn die gute Hausfrau zur Mäusevertilgung "Mäusewölfe" züchtet. Frau sperre ein paar dutzend Mäuse in einen Drahtkäfig, die sich durch Hungern langsam gegenseitig auffressen (die Hausfrau habe sich etwas in Geduld zu üben). Die letzte Überlebende wird lebenslang geil auf Mäusefleisch als Mäusewolf durch Haus und Keller jagen. Zimperlich waren die Damen von 1848 anscheinend nur im Roman. Die gleichen Frauen stellten ein Pulver aus lebendig verbrannten Blutegeln gegen störende Gesichtshärchen her und wussten, wie man verdorbene Butter oder sauer gewordenes Bier aufhübschte, um beides als frisch zu verkaufen.
Sie schrieben Liebesbriefe mit einer aus Rosenblütenblättern hergestellten hochgiftigen Dufttinte; sie kannten Tricks, Blumenkohl so zu ernten, dass er dreimal an der Schnittstelle trug, und sie schmierten ihren Lieben Ohrenschmalz als lindernden Balsam auf Insektenstiche. Die Wässerchen für die roten Säufernasen ihrer Gatten wirken noch heute. Und wenn diese einen fremden Hund schneller an sich gewöhnten, indem sie beim Auslauf eine Semmel unter den schwitzenden Achseln trugen und diese dann zu Belohnungskügelchen zerrupften, so wundert das heute keinen Hundeflüsterer der Welt mehr.
Herrlich fand ich die Fälschung echter chinesischer Nankingfarbe diesmal ungiftig mit Hilfe von rostigen Nägeln. Oder die häusliche Leuchtgasgewinnung aus Maikäfern, deren Plage offensichtlich so schlimm war, dass man aus den Resten ein effektives Toilettenputzmittel herstellte. Rund 20.000 Käfer brauchte man allein für eine Lampenfüllung. Und damit das Ganze nicht zu abstrakt bleibt, gebe ich ein Mittel gegen Blattlausbefall bekannt, das ich in ähnlicher Weise seit Jahren mit Erfolg anwende - und das zum hoffentlich irgendwann erfolgenden Frühlingsbeginn genau richtig kommt:
Anti-Blattlaus-Mittel
Man durchfeuchte starken Schnupftabak gut mit Seifenspiritus und lasse die Mischung 24 Stunden ziehen. Dann gebe man zehn Teile Wasser dazu und sprühe die abgefilterte Brühe einmal täglich am Abend bis zum Verschwinden der Blattläuse (zum Vorbeugen reichen größere Intervalle).
Meine moderne Version wird ähnlich gemischt:
Ich brühe starken Tabak zum Selberdrehen mit siedendem Wasser auf wie Tee (als wollte ich Teekonzentrat im Samowar machen) und lasse das 24 Std. stehen. Seie ab und gebe Brennspiritus und etwas Spülmittel (ohne viel Zusatzstöffchen) oder geriebene Kernseife (gesünder für die Pflanzen) bei und Wasser. Die Lösung sollte nicht mehr als 5% Brennspiritus enthalten und nicht allzu viel Seifenlauge, die sonst die Blattporen verkleben. Die Seife sorgt aber dafür, dass das Mittel haften bleibt und hindert bereits vorhandene Blattläuse am Atmen. Der Tabaksud (Nikotin!) mit dem Spiritus tötet sie und vertreibt jeden Neuankömmling durch Geruch und Geschmack. Wer eine besonders effektive "Bombe" basteln will, lässt mit dem Tabak auch noch jede Menge halb aufgeschnittener Knoblauchzehen ziehen.
Aber Vorsicht: Nie auf schon geöffnete Knospen oder Blüten sprühen. Und bei sehr empfindlichen, weichhäutigen Pflanzen den Spiritus geringer dosieren.
Wohl bekomm's!
Leben zwischen zwei Deckeln
Glücklich wie ein kleines Kind komme ich von einem privaten "vide grenier" (einer Art Flohmarkt von dem, was man beim Großputz vom Speicher räumt). Ich habe eine Kiste alter Bücher ergattert - geschenkt. Papiermüll. Gewiss, die Umschläge waren teilweise in einem jämmerlichen Zustand, hatten Feuchte ertragen müssen, schlechte Lagerung in einem Schuppen. Aber die Bücher sind vom Beginn des 19. Jahrhunderts, Preziosen mit vielen Abbildungen. Und die von der Zeit ab 1900 erzählen Geschichte, an die sich kaum mehr einer erinnert - es sind Bücher, mit denen die Elsässer immer wieder mühsam die jeweils neue Kultur und Sprache erlernen mussten. Von Sütterlin bis Französisch.
Viel uraltes Extrem-Evangelisches war dabei, kuriose Sachen, wie etwa der missionarische Trost, im Hitlerreich komme endlich das Reich des Heilands, wenn man es nur irgendwie schaffe, unter Engelsgesängen friedlich zu verscheiden. Genauso verrückt wie die Empfehlung auf einem Buchrücken, mit dem Märchen von "Sindbad der Seefahrer" zum wahren Christenmenschen wachsen zu können. Interessante Einblicke in die Psychen längst Verstorbener oder Uralter, aber eher keine Bücher zum Sammeln.
Eins mit Psalmen und Liedern habe ich dann doch dringend mitnehmen müssen. Nicht nur wegen des Goldschnitts und der preziosen Jugendstilaufmachung. Es war voll von Leben. Jemand hatte vor über hundert Jahren darin Efeublätter gepresst, die noch erhalten waren. Das Buch stak voll von Geburtstagsgrüßen, Heiligenbildchen und bunten Spruchkärtchen. Die Besitzerin des mit einer handgeschriebenen langen Widmung versehenen Buches hat mit Schönschrift Verse abgeschrieben, die ihr besonders gefielen. Was hatten die Menschen damals noch Zeit. Und wie einfach fanden sie Trost und Schönheit!
Ohne dieses Buch zu lesen, erzählt es etwas von einer Frau, die es längst nicht mehr gibt. All die Kärtchen, Verse und Bildchen lassen Eindrücke von ihren Ängsten und Träumen entstehen, zeigen Menschen, die sie liebten. In diesem Buch lebt seine Besitzerin fort. Würde man ein Buch über ihr Leben schreiben können, gelänge es ihr, von einem Buch ins nächste zu springen.
Und ich bin dreifach reich: Ich halte Bücher in Händen, die eine Geschichte erzählen, die ihr Autor schrieb. Sie erzählen außerdem Geschichten über ihre Besitzer. Und obendrein erzählen sie Geschichten über die Zeit, aus der sie stammen - und über die Zeiten, die sie überlebten. Viele Menschen müssen sie sehr geliebt haben, wenn sie Unruhen, Krisen und drei Kriege überstanden. 1819. Hundertneunzig Jahre. Bleisatz auf Bütten, Kupferstiche, Ledereinband.
Und wir heute? Wir schreiben immer mehr Ex-und-hopp-Romane, deren Lebenszeit schon rein technisch auf höchstens zweimaliges Lesen ausgerichtet ist... Was wird eines Tages Geschichten über unsere Zeiten, unsere Träume und Wünsche und Ängste erzählen? Was bleibt?
Lesetipp:
Der Schriftsteller Reinhard Kaiser hat auch einmal in Kisten gekramt - eigentlich war er auf der Suche nach alten Briefmarken. Bei einer Auktion befiel ihn dann über einem Päckchen Briefe unerklärlicherweise das Bietefieber. Zum Glück für seine Leser, denn er konnte aufgrund dieser Briefe die Liebesgeschichte zwischen dem deutschen Juden Rudolf Kaufmann und der Schwedin Ingeborg Magnusson rekonstruieren. Eine Liebesgeschichte, die von Anfang an zum Untergang veurteilt war und fünf Jahre nur über Briefe gelebt wurde - so lebendig, so voller Emotionen - aber auch ein Spiegel der Zeit.
Für das Buch - übrigens bestens für Erwachsene lesbar - wurde Reinhold Kaiser mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Das von Kai Wiesinger gesprochene Hörbuch wurde nach Erscheinen von der Süddeutschen Zeitung Audio zum Hörbuch der Woche gekürt.
Reinhold Kaiser: Königskinder. Schöffling & Co.
Kai Wiesinger spricht Reinhold Kaiser: Königskinder. Der Diwan
Viel uraltes Extrem-Evangelisches war dabei, kuriose Sachen, wie etwa der missionarische Trost, im Hitlerreich komme endlich das Reich des Heilands, wenn man es nur irgendwie schaffe, unter Engelsgesängen friedlich zu verscheiden. Genauso verrückt wie die Empfehlung auf einem Buchrücken, mit dem Märchen von "Sindbad der Seefahrer" zum wahren Christenmenschen wachsen zu können. Interessante Einblicke in die Psychen längst Verstorbener oder Uralter, aber eher keine Bücher zum Sammeln.
Eins mit Psalmen und Liedern habe ich dann doch dringend mitnehmen müssen. Nicht nur wegen des Goldschnitts und der preziosen Jugendstilaufmachung. Es war voll von Leben. Jemand hatte vor über hundert Jahren darin Efeublätter gepresst, die noch erhalten waren. Das Buch stak voll von Geburtstagsgrüßen, Heiligenbildchen und bunten Spruchkärtchen. Die Besitzerin des mit einer handgeschriebenen langen Widmung versehenen Buches hat mit Schönschrift Verse abgeschrieben, die ihr besonders gefielen. Was hatten die Menschen damals noch Zeit. Und wie einfach fanden sie Trost und Schönheit!
Ohne dieses Buch zu lesen, erzählt es etwas von einer Frau, die es längst nicht mehr gibt. All die Kärtchen, Verse und Bildchen lassen Eindrücke von ihren Ängsten und Träumen entstehen, zeigen Menschen, die sie liebten. In diesem Buch lebt seine Besitzerin fort. Würde man ein Buch über ihr Leben schreiben können, gelänge es ihr, von einem Buch ins nächste zu springen.
Und ich bin dreifach reich: Ich halte Bücher in Händen, die eine Geschichte erzählen, die ihr Autor schrieb. Sie erzählen außerdem Geschichten über ihre Besitzer. Und obendrein erzählen sie Geschichten über die Zeit, aus der sie stammen - und über die Zeiten, die sie überlebten. Viele Menschen müssen sie sehr geliebt haben, wenn sie Unruhen, Krisen und drei Kriege überstanden. 1819. Hundertneunzig Jahre. Bleisatz auf Bütten, Kupferstiche, Ledereinband.
Und wir heute? Wir schreiben immer mehr Ex-und-hopp-Romane, deren Lebenszeit schon rein technisch auf höchstens zweimaliges Lesen ausgerichtet ist... Was wird eines Tages Geschichten über unsere Zeiten, unsere Träume und Wünsche und Ängste erzählen? Was bleibt?
Lesetipp:
Der Schriftsteller Reinhard Kaiser hat auch einmal in Kisten gekramt - eigentlich war er auf der Suche nach alten Briefmarken. Bei einer Auktion befiel ihn dann über einem Päckchen Briefe unerklärlicherweise das Bietefieber. Zum Glück für seine Leser, denn er konnte aufgrund dieser Briefe die Liebesgeschichte zwischen dem deutschen Juden Rudolf Kaufmann und der Schwedin Ingeborg Magnusson rekonstruieren. Eine Liebesgeschichte, die von Anfang an zum Untergang veurteilt war und fünf Jahre nur über Briefe gelebt wurde - so lebendig, so voller Emotionen - aber auch ein Spiegel der Zeit.
Für das Buch - übrigens bestens für Erwachsene lesbar - wurde Reinhold Kaiser mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Das von Kai Wiesinger gesprochene Hörbuch wurde nach Erscheinen von der Süddeutschen Zeitung Audio zum Hörbuch der Woche gekürt.
Reinhold Kaiser: Königskinder. Schöffling & Co.
Kai Wiesinger spricht Reinhold Kaiser: Königskinder. Der Diwan
21. März 2009
Elende Geheimniskrämerei
Ich sei elend kryptisch , schrieb mir gestern jemand zu meinem Beitrag "Am Rand des Abgrunds", ob ich nicht wenigstens verraten könnte, um welchen Film es sich handle - oder warum ich die Namen der Krisengewinnler nicht nennen würde.
Wenn sich Geschichte scheinbar wiederholt
Fangen wir mit Frage 2 an. Weil ich mich bei diesem Thema mit Wirtschaft nicht so intensiv beschäftigt habe, war ich selbst überrascht. Ich habe kurz recherchiert und herausgefunden, dass das Jahr 1913 in der Tat auch auf diesem Gebiet sehr viel stärker mit unserer Zeit verbunden ist, als man das glaubt. Es gab schon einmal eine große Wirtschaftskrise, die wir alle vergessen haben, während des Fin de siècle, u.a. als Folge von Kämpfen um die Herrschaft über das Erdöl in den USA und Europa, als Folge von Monopolisierungen und von einem Krieg, der zu viel Geld kostete. 1873 ein Börsenkrach in Europa, 1895 dann die große Panik an der Wallstreet. (Wie sich Ereignisse manchmal gleichen).
Damals wie heute haben die Schlauen oder Findigen eine Menge Gewinn machen können. Denn Krisen werfen neben all der Panik auch satte und fette Gewinne ab, so pervers das klingen mag. Die Gewinner von damals kennen wir aus alten Filmen und der Literatur, Schriftsteller wie John Steinbeck, Arthur Miller oder Scott Fitzgerald haben sie unsterblich gemacht. 1913 geriet das Finanzsystem weiter in die Krise - ein neuer Krieg, der Kapital ungeheuren Ausmaßes verschlang, stand außerdem vor der Haustür (an dieser Stelle sei die laienhafte Frage gestattet, ob wir ohne den Irakkrieg und die exorbitanten Ölspekulationen eine Wirtschaftskrise hätten).
Die Tycoons von damals machten das Problem daran fest, dass es bisher nur Privatbanken gab, von denen jede ihr eigenes Süppchen kochte. 1913 setzten sie ihre Rettungsidee in die Tat um: 12 Privatbanken der USA unterzeichneten den Federal Reserve Act von Präsident Woodrow Wilson. Es war die Geburtsstunde der privaten US-Notenbank Fed. Sie galt als letzter Rettungsanker für das kapitalistische System in der Krise. Mitunterzeichner und "Macher" waren drei Herren namens J. P Morgan, John D. Rockefeller und E. H. Harriman.
Knapp hundert Jahre her. Seither habe der Dollar 98% seines Werts verloren. Und Namen wie Fed und Morgan Chase stehen jetzt nicht mehr für die Retter des Systems, sondern u.a. für die Verursacher der weltweit sichtbaren Wirtschaftskrise. Wir leben nicht losgelöst von unserer Geschichte. Wir finden ohne Rückblick auch keine tragfähigen Lösungen.
Doch so sehr sich Geschichte zu ähneln und zu wiederholen scheint, so sehr unterscheiden sich doch die Bedingungen und Verknüpfungen. Das Einzige, was sich gleich bleibt: Bisher wurden alle Krisen relativ schnell bewältigt - in historischen Dimensionen gesehen, die bekanntlich keine Aussage über Einzelschicksale und private Untergänge machen. Doch nie wurden Krisen dadurch bewältigt, dass man ein überkommenes System wie einen Patienten im Wachkoma künstlich am Leben hielt. Immer waren es mutige Menschen mit neuen Ideen, die für Auswege sorgten, indem sie auch gründlich das alte System und die Ursachen der Krise hinterfragten. Bis es wieder einmal Zeit war (weil Geschichte nicht statisch ist), andere Ideen für die Zukunft zu entwickeln.
Danke also für diesen Hinweis - mir war diese wirtschaftliche Linie zwischen 1913 und heute nicht bewusst!
Die Geheimniskrämerei
Zur ersten Frage: Den Film gibt es ohnehin nicht mehr im Handel. Ich nenne den Titel aber auch nicht aus dem Grund, weil ich dann viel zu viel über mein derzeitiges Projekt verraten müsste. Natürlich werde ich zu meinem Thema weiterhin kryptisch allerlei erzählen, immer weit weg aus den Nebenthemen, denn es gibt so viele spannende dazu. Für mich ist das schön, weil ich so von Dingen erzähen kann, die in mein Hörprojekt nicht hineinpassen, die ich aber trotzdem recherchiert und für interessant befunden habe.
Und irgendwann werden diese Mosaiksteinchen zusammengefasst werden unter einem eigenen Label - und so ein großes Ganzes bilden. Wie man das von DVDs mit Filmen kennt - Zusatzmaterial aus der Küche des Regisseurs sozusagen, the Making of...
Allen allzu Neugierigen sei verraten, dass meinem Thema in diesem Jahr das Hundertjährige schlägt und es bis zum Jubiläum nicht mehr allzu weit sein wird. Dann gibt es natürlich Extrafutter. Und kurz darauf wird das Geheimnis im Verlagskatalog komplett gelüftet werden. Bis dahin wünsche ich weiter hoffentlich bohrende Neugier...
Wenn sich Geschichte scheinbar wiederholt
Fangen wir mit Frage 2 an. Weil ich mich bei diesem Thema mit Wirtschaft nicht so intensiv beschäftigt habe, war ich selbst überrascht. Ich habe kurz recherchiert und herausgefunden, dass das Jahr 1913 in der Tat auch auf diesem Gebiet sehr viel stärker mit unserer Zeit verbunden ist, als man das glaubt. Es gab schon einmal eine große Wirtschaftskrise, die wir alle vergessen haben, während des Fin de siècle, u.a. als Folge von Kämpfen um die Herrschaft über das Erdöl in den USA und Europa, als Folge von Monopolisierungen und von einem Krieg, der zu viel Geld kostete. 1873 ein Börsenkrach in Europa, 1895 dann die große Panik an der Wallstreet. (Wie sich Ereignisse manchmal gleichen).
Damals wie heute haben die Schlauen oder Findigen eine Menge Gewinn machen können. Denn Krisen werfen neben all der Panik auch satte und fette Gewinne ab, so pervers das klingen mag. Die Gewinner von damals kennen wir aus alten Filmen und der Literatur, Schriftsteller wie John Steinbeck, Arthur Miller oder Scott Fitzgerald haben sie unsterblich gemacht. 1913 geriet das Finanzsystem weiter in die Krise - ein neuer Krieg, der Kapital ungeheuren Ausmaßes verschlang, stand außerdem vor der Haustür (an dieser Stelle sei die laienhafte Frage gestattet, ob wir ohne den Irakkrieg und die exorbitanten Ölspekulationen eine Wirtschaftskrise hätten).
Die Tycoons von damals machten das Problem daran fest, dass es bisher nur Privatbanken gab, von denen jede ihr eigenes Süppchen kochte. 1913 setzten sie ihre Rettungsidee in die Tat um: 12 Privatbanken der USA unterzeichneten den Federal Reserve Act von Präsident Woodrow Wilson. Es war die Geburtsstunde der privaten US-Notenbank Fed. Sie galt als letzter Rettungsanker für das kapitalistische System in der Krise. Mitunterzeichner und "Macher" waren drei Herren namens J. P Morgan, John D. Rockefeller und E. H. Harriman.
Knapp hundert Jahre her. Seither habe der Dollar 98% seines Werts verloren. Und Namen wie Fed und Morgan Chase stehen jetzt nicht mehr für die Retter des Systems, sondern u.a. für die Verursacher der weltweit sichtbaren Wirtschaftskrise. Wir leben nicht losgelöst von unserer Geschichte. Wir finden ohne Rückblick auch keine tragfähigen Lösungen.
Doch so sehr sich Geschichte zu ähneln und zu wiederholen scheint, so sehr unterscheiden sich doch die Bedingungen und Verknüpfungen. Das Einzige, was sich gleich bleibt: Bisher wurden alle Krisen relativ schnell bewältigt - in historischen Dimensionen gesehen, die bekanntlich keine Aussage über Einzelschicksale und private Untergänge machen. Doch nie wurden Krisen dadurch bewältigt, dass man ein überkommenes System wie einen Patienten im Wachkoma künstlich am Leben hielt. Immer waren es mutige Menschen mit neuen Ideen, die für Auswege sorgten, indem sie auch gründlich das alte System und die Ursachen der Krise hinterfragten. Bis es wieder einmal Zeit war (weil Geschichte nicht statisch ist), andere Ideen für die Zukunft zu entwickeln.
Danke also für diesen Hinweis - mir war diese wirtschaftliche Linie zwischen 1913 und heute nicht bewusst!
Die Geheimniskrämerei
Zur ersten Frage: Den Film gibt es ohnehin nicht mehr im Handel. Ich nenne den Titel aber auch nicht aus dem Grund, weil ich dann viel zu viel über mein derzeitiges Projekt verraten müsste. Natürlich werde ich zu meinem Thema weiterhin kryptisch allerlei erzählen, immer weit weg aus den Nebenthemen, denn es gibt so viele spannende dazu. Für mich ist das schön, weil ich so von Dingen erzähen kann, die in mein Hörprojekt nicht hineinpassen, die ich aber trotzdem recherchiert und für interessant befunden habe.
Und irgendwann werden diese Mosaiksteinchen zusammengefasst werden unter einem eigenen Label - und so ein großes Ganzes bilden. Wie man das von DVDs mit Filmen kennt - Zusatzmaterial aus der Küche des Regisseurs sozusagen, the Making of...
Allen allzu Neugierigen sei verraten, dass meinem Thema in diesem Jahr das Hundertjährige schlägt und es bis zum Jubiläum nicht mehr allzu weit sein wird. Dann gibt es natürlich Extrafutter. Und kurz darauf wird das Geheimnis im Verlagskatalog komplett gelüftet werden. Bis dahin wünsche ich weiter hoffentlich bohrende Neugier...
20. März 2009
Am Rand des Abgrunds
Kann man vor einem Abgrund stehen und genau erkennen, wo und wie man eine Brücke hinüberschlagen könnte? Und wie kommt es, dass manche Menschen nur angstvoll in die Tiefe starren, während andere mit schlafwandlerischer Sicherheit am Rand entlang tanzen und in die Ferne auf der anderen Seite schauen? Ich beschäftige mich gerade mit Zeitenwenden.
Zufällig sah ich vor ein paar Tagen einen Spielfilm über ein Ereignis, bei dem Menschen eine solche Zeitenwende sichtbar gemacht haben. Es ging darin um einen Skandal in einem Pariser Theater im Jahr 1913, bei dem sich das Publikum derart verdrosch, dass die Polizei einschreiten musste. Einer der zuständigen Künstler, ein wahrer Feuerteufel an Temperament, war sich von Anfang an sicher, dass er etwas ganz Großes, etwas Bleibendes schuf. Und sein Auftraggeber versprach, danach würde nichts mehr so sein wie vorher, damit würde endgültig die Moderne anbrechen.
Man konnte im Publikum die Frauen sehen, in deren Mode sich bereits Veränderungen abzeichneten. Die konventionellen Damen der Gesellschaft erschienen als typische Belle-Époque-Matronen, unter den Jüngeren ließ sich die ein oder andere modisch bereits von Experimenten verführen. Das Tragen eines Korsetts schien in jener Zeit viel über den inneren Zustand der Menschen auszusagen, schon befreiten sich die ersten davon. Wir heute - aus dem Abstand - wissen, dass sich damals tatsächlich die Belle Époque mit der Moderne einen Faustkampf lieferte.
Wie aber konnte sich dieser Künstler so sicher sein, dass er Umwälzendes schuf - und dadurch all die Schmähungen, das Verkennen seines Genies, die Attacken aushalten? Wie konnte sein Auftraggeber so gezielt an Umbrüchen arbeiten und daran, die Zeitenwende zu beschleunigen, sichtbar für alle, auf einer Bühne das ganze Leben hingestellt? Woher wussten beide, dass sie nicht größenwahnsinnig waren, sondern Recht behalten sollten? Im Jahr darauf brach der Erste Weltkrieg aus. Die alte Welt ging unter. Nichts blieb mehr in Europa wie es war. Spätestens jetzt wurden die letzten Blinden aus ihrer vermeintlichen Dauersicherheit gerissen und mussten sich schmerzlich neu orientieren.
Solche Rückblicke aus geschichtlicher Distanz sind aufschlussreich. Zeitenwenden kommen nie plötzlich. Sie kündigen sich über viele Jahrzehnte an. Manchmal gibt es sogar noch vorher Versuche, die kläglich scheitern. Schon im 19. Jhdt. versuchten Frauen, das Tragen von Hosen und die Abschaffung des Korsetts durchzusetzen. Sie wurden selbst von Frauen ausgelacht. Gegen Ende jenes Jahrhunderts revoltierten vor allem Schriftsteller, aber auch andere Künstler gegen die herrschende viktorianische Moral (vgl. Oscar Wilde). Die Industrialisierung schuf in den Städten Zustände, die mit alten Vorstellungen vom idyllischen abgesicherten Familienleben aufräumten. Die Frau als "angel in the house" konnten sich die Reichen und Bürgerlichen leisten, woanders malochten die Frauen gemeinsam mit ihren Kindern in den Fabriken.
"Fin de siècle" - was Thomas Mann so atmosphärisch dicht in seinen Romanen und Erzählungen einfing, wurde nicht nur eine Lebenshaltung und Gemütsverfassung, sondern ein wichtiger Motor für die damalige Kunst in allen Bereichen. Und dieses "Ende des Jahrhunderts" begann lang vor dem Jahrtausendwechsel und wirkte lange nach. Wer den alten Formen anhing, wer auf den alten Privilegien beharrte und seine Sicherheiten im Herkömmlichen suchte, nahm es gar nicht wahr. Ein paar Spinner, ein paar Störer. Vielleicht der ein oder andere Durchgeknallte. Das hatte es immer gegeben, damit würde man schon fertig. Und von Künstlern wusste man, sie würden nie Politik machen, nie die Welt umstürzen. Wenn man sie klein genug hielt, ging von ihnen keine Gefahr aus. Dekadentes Gesindel.
Irgendwann mehren sich die Zeichen für diejenigen, die genauer hinschauen. Aber nicht einmal die Politiker schauen genau hin, denn in Umbruchzeiten gibt es das ein oder andere scheinbar plötzlich auftauchende Problem zu lösen. Irgendwann scheint Sand ins Getriebe zu geraten. Worauf man sich immer verlassen konnte, funktioniert auf einmal nicht mehr. Verlässliche Partner schießen quer. Irgendein Land tut etwas, womit man nicht gerechnet hat. Jeder scheint mit sich selbst beschäftigt und damit, das nächste Problem dicht vor der Nase zu lösen.
Ein Vakuum entsteht, ein schöpferisches Vakuum. Alles scheint verfügbar, der Überfluss der alten Zeiten ist noch anzuzapfen, es läuft und es läuft rund, warum diesen Fluss unterbrechen? Die Menschen, die aufgrund der Probleme ein noch größeres Sicherheitsbedürfnis entwickeln und irgendetwas unterschwellig ahnen, ordern noch mehr fürs persönliche Wohlgefühl und Träumen. Die ersten Filme entstehen, die Unterhaltungsindustrie boomt. Postkarten werden immer süßlicher und niedlicher, auf alle Fälle beruhigend. Wer jetzt keine Experimente mehr macht und die Bedürfnisse jener alten Welt stillt, kommt plötzlich zu Ehren, Ruhm und viel Geld.
Und dann passiert etwas. Als würde ein Schalter umgelegt. Keiner sieht es, keiner spürt es. Eine winzige Minderheit sieht Zeichen. Nur wir, Generationen danach, können festmachen, dass eine kritische Masse unscheinbarer Schneeflocken erreicht ist, die zu einer Lawine wachsen wird. Politisch und wirtschaftlich kann man es an Unruhen und noch mehr Problemen festmachen. Aber wer drinsteckt, sieht es nicht, die Probleme hat es immer schon gegeben. Warum soll ein Balkankrieg auf einmal eine andere Bedeutung bekommen als jeder andere Kampf, der doch ständig irgendwo tobt? Und es muss sich ja auch nichts ändern. Moderner werden kann man schließlich auch ohne Soldaten.
Jenes Umklicken des Schalters erreicht zuerst die Unzufriedenen. Die Künstler, die längst an den überkommenen Traditionen der Belle Époque leiden, die das alte System als ein verlogenes, nicht mehr zeitgemäßes empfinden. Und doch nicht wissen, was danach kommen mag. Sie kennen nur ihre Sehnsucht, ihre Visionen. Brechen irgendwann aus, haben genug. Es ist bei ihnen ein Punkt erreicht, den kaum ein anderer versteht. Sie würden sich selbst verraten, wenn sie so weitermachten wie bisher. Sie ahnen, dass diese Welt in ihrem betulichen Stillstand nur untergehen kann, weil Stillstand und Sicherheit jede Schöpfung zunichte machen. Sie begehren auf.
Wassilij Kandinsky malt das erste abstrakte Bild der Welt, Picasso befasst sich mit archaischen und primitiven Kulturen und bricht Perspektiven, Apollinaire schreibt Gedichte, die Bilder sind, und die man von Funkmasten senden kann, das futuristische Manifest entsteht. Musiker wie Strawinsky und Schönberg brechen die Harmonien der alten Zeit bis an die Schmerzgrenze. Sie sind nur einige der vielen Künstler, die die Moderne ausmachen. Irgendwann sind es so viele, dass die Lawine nicht mehr aufzuhalten ist, und man nennt sie schon zu Lebzeiten Avantgarde.
Aber genau in diesen bahnbrechenden Umwälzungen, in einer Zeit, in der bereits die andere Seite hinter der Schlucht sichtbar wird für so viele, stehen die Menschen noch bedürftiger und ängstlicher vor dem Abgrund. Viele können keine Brücke erkennen. Noch mehr können sich nicht vorstellen, wollen sich nicht vorstellen, auf der anderen Seite glücklich leben zu können. Lasst uns zurück gehen. Ins Vertraute. Rückwärts gehen. In die alte Sicherheit hinein, in das, was man von Kindesbeinen an kennt.
Ausgerechnet in dieses Wimmern hinein trifft eine Vorstellung direkt auf den bloßliegenden Nerv. Nimmt den Menschen auch noch das letzte Quentchen Vertrautes, reißt ihnen den vermeintlichen Halt weg, zeigt die Welt nackt und bloß, wie sie ist, wie sie immer schon war: ein einziges großes, wunderbares Risiko, dieses Leben!
Das Publikum prügelt sich und spaltet sich. Jetzt ahnen einige mehr, dass etwas kommen wird, mit dem sie selbst in ihren kühnsten Träumen nicht gerechnet haben. Etwas Neues, etwas Anderes. Und die Letzten, die Ewig-Gestrigen, schlagen sich um den Erhalt ihrer Zeit. Sie tun es umsonst. Schon die nächste Aufführung wird ein Welterfolg. Als dann bald darauf der Krieg ausbricht, ist es auch für den letzten sichtbar: Es gibt kein Zurück mehr in die Belle Époque. Und gewiss, man hätte den Umbruch auch sanfter haben können.
Zufällig sah ich vor ein paar Tagen einen Spielfilm über ein Ereignis, bei dem Menschen eine solche Zeitenwende sichtbar gemacht haben. Es ging darin um einen Skandal in einem Pariser Theater im Jahr 1913, bei dem sich das Publikum derart verdrosch, dass die Polizei einschreiten musste. Einer der zuständigen Künstler, ein wahrer Feuerteufel an Temperament, war sich von Anfang an sicher, dass er etwas ganz Großes, etwas Bleibendes schuf. Und sein Auftraggeber versprach, danach würde nichts mehr so sein wie vorher, damit würde endgültig die Moderne anbrechen.
Man konnte im Publikum die Frauen sehen, in deren Mode sich bereits Veränderungen abzeichneten. Die konventionellen Damen der Gesellschaft erschienen als typische Belle-Époque-Matronen, unter den Jüngeren ließ sich die ein oder andere modisch bereits von Experimenten verführen. Das Tragen eines Korsetts schien in jener Zeit viel über den inneren Zustand der Menschen auszusagen, schon befreiten sich die ersten davon. Wir heute - aus dem Abstand - wissen, dass sich damals tatsächlich die Belle Époque mit der Moderne einen Faustkampf lieferte.
Wie aber konnte sich dieser Künstler so sicher sein, dass er Umwälzendes schuf - und dadurch all die Schmähungen, das Verkennen seines Genies, die Attacken aushalten? Wie konnte sein Auftraggeber so gezielt an Umbrüchen arbeiten und daran, die Zeitenwende zu beschleunigen, sichtbar für alle, auf einer Bühne das ganze Leben hingestellt? Woher wussten beide, dass sie nicht größenwahnsinnig waren, sondern Recht behalten sollten? Im Jahr darauf brach der Erste Weltkrieg aus. Die alte Welt ging unter. Nichts blieb mehr in Europa wie es war. Spätestens jetzt wurden die letzten Blinden aus ihrer vermeintlichen Dauersicherheit gerissen und mussten sich schmerzlich neu orientieren.
Solche Rückblicke aus geschichtlicher Distanz sind aufschlussreich. Zeitenwenden kommen nie plötzlich. Sie kündigen sich über viele Jahrzehnte an. Manchmal gibt es sogar noch vorher Versuche, die kläglich scheitern. Schon im 19. Jhdt. versuchten Frauen, das Tragen von Hosen und die Abschaffung des Korsetts durchzusetzen. Sie wurden selbst von Frauen ausgelacht. Gegen Ende jenes Jahrhunderts revoltierten vor allem Schriftsteller, aber auch andere Künstler gegen die herrschende viktorianische Moral (vgl. Oscar Wilde). Die Industrialisierung schuf in den Städten Zustände, die mit alten Vorstellungen vom idyllischen abgesicherten Familienleben aufräumten. Die Frau als "angel in the house" konnten sich die Reichen und Bürgerlichen leisten, woanders malochten die Frauen gemeinsam mit ihren Kindern in den Fabriken.
"Fin de siècle" - was Thomas Mann so atmosphärisch dicht in seinen Romanen und Erzählungen einfing, wurde nicht nur eine Lebenshaltung und Gemütsverfassung, sondern ein wichtiger Motor für die damalige Kunst in allen Bereichen. Und dieses "Ende des Jahrhunderts" begann lang vor dem Jahrtausendwechsel und wirkte lange nach. Wer den alten Formen anhing, wer auf den alten Privilegien beharrte und seine Sicherheiten im Herkömmlichen suchte, nahm es gar nicht wahr. Ein paar Spinner, ein paar Störer. Vielleicht der ein oder andere Durchgeknallte. Das hatte es immer gegeben, damit würde man schon fertig. Und von Künstlern wusste man, sie würden nie Politik machen, nie die Welt umstürzen. Wenn man sie klein genug hielt, ging von ihnen keine Gefahr aus. Dekadentes Gesindel.
Irgendwann mehren sich die Zeichen für diejenigen, die genauer hinschauen. Aber nicht einmal die Politiker schauen genau hin, denn in Umbruchzeiten gibt es das ein oder andere scheinbar plötzlich auftauchende Problem zu lösen. Irgendwann scheint Sand ins Getriebe zu geraten. Worauf man sich immer verlassen konnte, funktioniert auf einmal nicht mehr. Verlässliche Partner schießen quer. Irgendein Land tut etwas, womit man nicht gerechnet hat. Jeder scheint mit sich selbst beschäftigt und damit, das nächste Problem dicht vor der Nase zu lösen.
Ein Vakuum entsteht, ein schöpferisches Vakuum. Alles scheint verfügbar, der Überfluss der alten Zeiten ist noch anzuzapfen, es läuft und es läuft rund, warum diesen Fluss unterbrechen? Die Menschen, die aufgrund der Probleme ein noch größeres Sicherheitsbedürfnis entwickeln und irgendetwas unterschwellig ahnen, ordern noch mehr fürs persönliche Wohlgefühl und Träumen. Die ersten Filme entstehen, die Unterhaltungsindustrie boomt. Postkarten werden immer süßlicher und niedlicher, auf alle Fälle beruhigend. Wer jetzt keine Experimente mehr macht und die Bedürfnisse jener alten Welt stillt, kommt plötzlich zu Ehren, Ruhm und viel Geld.
Und dann passiert etwas. Als würde ein Schalter umgelegt. Keiner sieht es, keiner spürt es. Eine winzige Minderheit sieht Zeichen. Nur wir, Generationen danach, können festmachen, dass eine kritische Masse unscheinbarer Schneeflocken erreicht ist, die zu einer Lawine wachsen wird. Politisch und wirtschaftlich kann man es an Unruhen und noch mehr Problemen festmachen. Aber wer drinsteckt, sieht es nicht, die Probleme hat es immer schon gegeben. Warum soll ein Balkankrieg auf einmal eine andere Bedeutung bekommen als jeder andere Kampf, der doch ständig irgendwo tobt? Und es muss sich ja auch nichts ändern. Moderner werden kann man schließlich auch ohne Soldaten.
Jenes Umklicken des Schalters erreicht zuerst die Unzufriedenen. Die Künstler, die längst an den überkommenen Traditionen der Belle Époque leiden, die das alte System als ein verlogenes, nicht mehr zeitgemäßes empfinden. Und doch nicht wissen, was danach kommen mag. Sie kennen nur ihre Sehnsucht, ihre Visionen. Brechen irgendwann aus, haben genug. Es ist bei ihnen ein Punkt erreicht, den kaum ein anderer versteht. Sie würden sich selbst verraten, wenn sie so weitermachten wie bisher. Sie ahnen, dass diese Welt in ihrem betulichen Stillstand nur untergehen kann, weil Stillstand und Sicherheit jede Schöpfung zunichte machen. Sie begehren auf.
Wassilij Kandinsky malt das erste abstrakte Bild der Welt, Picasso befasst sich mit archaischen und primitiven Kulturen und bricht Perspektiven, Apollinaire schreibt Gedichte, die Bilder sind, und die man von Funkmasten senden kann, das futuristische Manifest entsteht. Musiker wie Strawinsky und Schönberg brechen die Harmonien der alten Zeit bis an die Schmerzgrenze. Sie sind nur einige der vielen Künstler, die die Moderne ausmachen. Irgendwann sind es so viele, dass die Lawine nicht mehr aufzuhalten ist, und man nennt sie schon zu Lebzeiten Avantgarde.
Aber genau in diesen bahnbrechenden Umwälzungen, in einer Zeit, in der bereits die andere Seite hinter der Schlucht sichtbar wird für so viele, stehen die Menschen noch bedürftiger und ängstlicher vor dem Abgrund. Viele können keine Brücke erkennen. Noch mehr können sich nicht vorstellen, wollen sich nicht vorstellen, auf der anderen Seite glücklich leben zu können. Lasst uns zurück gehen. Ins Vertraute. Rückwärts gehen. In die alte Sicherheit hinein, in das, was man von Kindesbeinen an kennt.
Ausgerechnet in dieses Wimmern hinein trifft eine Vorstellung direkt auf den bloßliegenden Nerv. Nimmt den Menschen auch noch das letzte Quentchen Vertrautes, reißt ihnen den vermeintlichen Halt weg, zeigt die Welt nackt und bloß, wie sie ist, wie sie immer schon war: ein einziges großes, wunderbares Risiko, dieses Leben!
Das Publikum prügelt sich und spaltet sich. Jetzt ahnen einige mehr, dass etwas kommen wird, mit dem sie selbst in ihren kühnsten Träumen nicht gerechnet haben. Etwas Neues, etwas Anderes. Und die Letzten, die Ewig-Gestrigen, schlagen sich um den Erhalt ihrer Zeit. Sie tun es umsonst. Schon die nächste Aufführung wird ein Welterfolg. Als dann bald darauf der Krieg ausbricht, ist es auch für den letzten sichtbar: Es gibt kein Zurück mehr in die Belle Époque. Und gewiss, man hätte den Umbruch auch sanfter haben können.
19. März 2009
Alt genug
Ein Ossi besucht Ossiland, findet Outer Mongolia und bringt einen erfrischenden Blick auf das Drumherum der Leipziger Buchmesse. Meine Lieblingsstellen in Hermann Mensings Text:
"Vor Kindern zu lesen macht mehr Spaß. In ihren Gesichtern spiegelt sich das Vorgelesene unmittelbar. In den Gesichtern der Erwachsenen spiegelt sich wenig bis nichts."
"Ein aufstrebenden Autor wie ich darf im abendlichen Programm der Bastei nicht lesen, denn dies Festival ist ein junges Festival und der Autor sollte unter 35 sein."
"Vor Kindern zu lesen macht mehr Spaß. In ihren Gesichtern spiegelt sich das Vorgelesene unmittelbar. In den Gesichtern der Erwachsenen spiegelt sich wenig bis nichts."
"Ein aufstrebenden Autor wie ich darf im abendlichen Programm der Bastei nicht lesen, denn dies Festival ist ein junges Festival und der Autor sollte unter 35 sein."
Schwarz-weiß
An einem Tisch ein Mann, schwarz-weiß. Schwarze, glänzend gewichste Schuhe, schwarze Hose, weißes Jackett, fahles Gesicht, wahrscheinlich sogar gepudert, darin ein pechschwarzer Schnauzbart von diesem Pechschwarz, das Männer in einem Alter tragen, in dem sie keine dunklen Haare mehr haben. Die pechschwarzen Haare glänzen wie die Schuhe.
Unterm Tisch wimmert seine Verlängerung. Ein Hund mit gestauchter Nasenpartie, hängenden Ohren wie Schlafzimmerpantoffeln und Pekinesenstimmchen. Schwarz-weiß. Irgendwann wacht Hundchen auf und Herrchen badet in Aufmerksamkeit. Hundchen macht Männchen vor Herrchen und Dämchen kichern mit Pekinesenstimmchen.
Was Hund dann so macht, verrät Hundemenschen, dass Herrchen nicht den Dämchen Bussi geben wird, sondern lieber ein Leckerchen zwischen die Lippchen, die fahlweißen, unterm pechschwarzen Schnäuzer, damit das Schnäuzchen, das schneeweiße...
Guck doch mal, ist der nicht süüüüß! - Meine Freundin rempelte mich an. Sie meinte in der Tat den Hund; aber ich sagte ihr, noch mehr schauen könne ich nicht, um ernst zu bleiben, und weil ich ohnehin schon viel zu viel sähe. Schwarz-weiß Idyll ohne Dame, flüsterte ich.
Ich hätte manchmal etwas Menschenverachtendes, meinte meine Freundin. Warum ich nicht einfach mal so ein süßes Bild genießen könne. Ja, warum eigentlich nicht?
Unterm Tisch wimmert seine Verlängerung. Ein Hund mit gestauchter Nasenpartie, hängenden Ohren wie Schlafzimmerpantoffeln und Pekinesenstimmchen. Schwarz-weiß. Irgendwann wacht Hundchen auf und Herrchen badet in Aufmerksamkeit. Hundchen macht Männchen vor Herrchen und Dämchen kichern mit Pekinesenstimmchen.
Was Hund dann so macht, verrät Hundemenschen, dass Herrchen nicht den Dämchen Bussi geben wird, sondern lieber ein Leckerchen zwischen die Lippchen, die fahlweißen, unterm pechschwarzen Schnäuzer, damit das Schnäuzchen, das schneeweiße...
Guck doch mal, ist der nicht süüüüß! - Meine Freundin rempelte mich an. Sie meinte in der Tat den Hund; aber ich sagte ihr, noch mehr schauen könne ich nicht, um ernst zu bleiben, und weil ich ohnehin schon viel zu viel sähe. Schwarz-weiß Idyll ohne Dame, flüsterte ich.
Ich hätte manchmal etwas Menschenverachtendes, meinte meine Freundin. Warum ich nicht einfach mal so ein süßes Bild genießen könne. Ja, warum eigentlich nicht?
17. März 2009
Rosentrunken
Es war einmal ein kleines Mädchen, das mit der Schulfreundin zu deren Oma in eine andere Stadt fuhr. Und da gingen sie mit deren Jägerpapa in einen Park, der dem kleinen Mädchen das Staunen lehrte. Zwei riesengroße Hirsche knieten sich nämlich am Eingang nieder - am Eingang in ein duftendes Rosenparadies. Mit der Zeit wurden die Hirsche immer kleiner - das Mädchen wuchs. Die Begeisterung über einen meiner Lieblingsplätze blieb.
Die berühmte Gönneranlage in Baden-Baden ist einer der letzten Jugendstilgärten Europas. Gebaut in der Zeit, in der zufällig mein neues Buchprojekt beginnt: 1909 bis 1912. Heute blühen dort etwa 11.000 Rosen in allen Formen und Farben. Baden Baden ist der Sitz der deutschen Sektion der World Federation of Rose Societies. Auf dem Berg gesellt sich der Rosenneuheitengarten Beutig hinzu - hier werden jedes Jahr die international begehrten Rosenauszeichnungen an die Züchter vergeben.
Wenn es draußen zu grau schien, wenn mir beim Schreiben am Rosenbuch die Decke auf den Kopf fallen wollte, fuhr ich nach Baden-Baden und setzte mich mit Notizblock und Stift entweder in eine der schattigen Buchengrotten der Gönneranlage, wo die Wasserwand des Josephinenbrunnens für ein rosenduftendes Lüftchen sorgt - oder unter die Rosenbögen des Beutig mit ihrem fast toskanahaften Ausblick auf Gründerzeitvillen und den Schwarzwald. Schreibblockaden haben hier keine Chance!
Die Gönneranlage ist für mich ohnehin wie eine Zeitmaschine. Schon auf dem Weg dorthin verliert man ein wenig den Bezug zur Wirklichkeit. Im Parkhaus hat man ihn noch, am Eingang zum Oosufer, der legendären Lichtentaler Allee, atmet man schon in einem anderen Rhythmus. Uralte wahre Monumente von seltenen Bäumen zieren diesen riesigen englischen Landschaftspark mitten in der Stadt. Sie haben schon Dostojewski und Turgenjew und Tschechow beim Flanieren erlebt. Hier nahm die russische Zarin Elisabeth, Badnerin von Geburt, ihren Tee. Rahel Varnhagen ist dort gelaufen und Felix Mendelssohn Bartholdy. Auf der Lichtentaler Allee strömten die Menschen zu den Festkonzerten von Hector Berlioz und den Tanzdarbietungen der Isadora Duncan.
Die Liste der Berühmtheiten ist groß. Baden-Baden galt seit der Belle Epoque als Sommerresidenz Europas. Auf dem Weg zur Gönneranlage kann man diese Zeit fast atmen, die Fassaden der altehrwürdigen Grand Hotels von damals haben sich nur unwesentlich verändert. Hier hat Carl Maria von Weber vergeblich versucht, ein Konzert zu geben- das Instrument fiel just am Aufführungsabend aus. Dafür haben Vaslav Nijinsky und Sergej Diaghilew inkognito an einem alten Hotelklavier bahnbrechende Ideen für die Ballets Russes besprochen. Man braucht eigentlich nur einen Hut und ein langes Kleid, nimmt einen russischen Tee aus dem Silberkännchen - und schon weiß man nicht mehr, wo man ist, in welcher Zeit man sich befindet. Am Ende des Weges wartet die Krönung des Ganzen. Flanieren im Jugendstilgarten. Alle Rosenfarben dieser Welt vor den dunklen Wänden der Rotbuchenhecken. Das Knirschen von sauber geharktem Kies und das Rauschen von Wasser.
Ich will es nicht so spannend machen. Heute morgen bekam ich einen Anruf aus Baden-Baden. Ich werde in diesem meinem Kindheitstraum lesen - und zwar ganz merkfähig - am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli (da werde ich auf der nächtlichen Heimfahrt dann mit zig Feuerwerken belohnt werden, welch ein Rausch!). Verrückt, wie das Leben so spielt. Als kleines Kind habe ich mit den Hirschen auf den Eingangspylonen ehrfürchtig geflüstert. Im Sommer lese ich ihnen aus meinem Rosenbuch vor... (Näheres wird natürlich im Sommer noch hier bekannt gegeben).
Und sollte das Wetter wider Erwarten nicht mitspielen, wird die Lesung verlegt ins sogenannte "Gartenhäuschen" in der Nähe der Trinkhalle. Das ist nicht minder illuster, denn das "Häuschen" ist eine kleine Jugenstilvilla, einstiger Wohnsitz des Schriftstellers Otto Flake.
Die berühmte Gönneranlage in Baden-Baden ist einer der letzten Jugendstilgärten Europas. Gebaut in der Zeit, in der zufällig mein neues Buchprojekt beginnt: 1909 bis 1912. Heute blühen dort etwa 11.000 Rosen in allen Formen und Farben. Baden Baden ist der Sitz der deutschen Sektion der World Federation of Rose Societies. Auf dem Berg gesellt sich der Rosenneuheitengarten Beutig hinzu - hier werden jedes Jahr die international begehrten Rosenauszeichnungen an die Züchter vergeben.
Wenn es draußen zu grau schien, wenn mir beim Schreiben am Rosenbuch die Decke auf den Kopf fallen wollte, fuhr ich nach Baden-Baden und setzte mich mit Notizblock und Stift entweder in eine der schattigen Buchengrotten der Gönneranlage, wo die Wasserwand des Josephinenbrunnens für ein rosenduftendes Lüftchen sorgt - oder unter die Rosenbögen des Beutig mit ihrem fast toskanahaften Ausblick auf Gründerzeitvillen und den Schwarzwald. Schreibblockaden haben hier keine Chance!
Die Gönneranlage ist für mich ohnehin wie eine Zeitmaschine. Schon auf dem Weg dorthin verliert man ein wenig den Bezug zur Wirklichkeit. Im Parkhaus hat man ihn noch, am Eingang zum Oosufer, der legendären Lichtentaler Allee, atmet man schon in einem anderen Rhythmus. Uralte wahre Monumente von seltenen Bäumen zieren diesen riesigen englischen Landschaftspark mitten in der Stadt. Sie haben schon Dostojewski und Turgenjew und Tschechow beim Flanieren erlebt. Hier nahm die russische Zarin Elisabeth, Badnerin von Geburt, ihren Tee. Rahel Varnhagen ist dort gelaufen und Felix Mendelssohn Bartholdy. Auf der Lichtentaler Allee strömten die Menschen zu den Festkonzerten von Hector Berlioz und den Tanzdarbietungen der Isadora Duncan.
Die Liste der Berühmtheiten ist groß. Baden-Baden galt seit der Belle Epoque als Sommerresidenz Europas. Auf dem Weg zur Gönneranlage kann man diese Zeit fast atmen, die Fassaden der altehrwürdigen Grand Hotels von damals haben sich nur unwesentlich verändert. Hier hat Carl Maria von Weber vergeblich versucht, ein Konzert zu geben- das Instrument fiel just am Aufführungsabend aus. Dafür haben Vaslav Nijinsky und Sergej Diaghilew inkognito an einem alten Hotelklavier bahnbrechende Ideen für die Ballets Russes besprochen. Man braucht eigentlich nur einen Hut und ein langes Kleid, nimmt einen russischen Tee aus dem Silberkännchen - und schon weiß man nicht mehr, wo man ist, in welcher Zeit man sich befindet. Am Ende des Weges wartet die Krönung des Ganzen. Flanieren im Jugendstilgarten. Alle Rosenfarben dieser Welt vor den dunklen Wänden der Rotbuchenhecken. Das Knirschen von sauber geharktem Kies und das Rauschen von Wasser.
Ich will es nicht so spannend machen. Heute morgen bekam ich einen Anruf aus Baden-Baden. Ich werde in diesem meinem Kindheitstraum lesen - und zwar ganz merkfähig - am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli (da werde ich auf der nächtlichen Heimfahrt dann mit zig Feuerwerken belohnt werden, welch ein Rausch!). Verrückt, wie das Leben so spielt. Als kleines Kind habe ich mit den Hirschen auf den Eingangspylonen ehrfürchtig geflüstert. Im Sommer lese ich ihnen aus meinem Rosenbuch vor... (Näheres wird natürlich im Sommer noch hier bekannt gegeben).
Und sollte das Wetter wider Erwarten nicht mitspielen, wird die Lesung verlegt ins sogenannte "Gartenhäuschen" in der Nähe der Trinkhalle. Das ist nicht minder illuster, denn das "Häuschen" ist eine kleine Jugenstilvilla, einstiger Wohnsitz des Schriftstellers Otto Flake.
- Fotos der Gönneranlage (Diese Fotos und die von den Links im Text stammen von der Baden-Badener Fotografin Nathalie Dautel)
- Das Buch der Rose. 5000 Jahre Kulturgeschichte und ein Streifzug durch Kunst und Literatur mit der Lieblingsblume der Menschheit
- Literaturmuseum im Gartenhaus / ehem. Otto Flake Villa
16. März 2009
Höhere Mathematik
Heute raucht mir zum ersten Mal von einer wahren Idiotenarbeit der Kopf. Seit heute Mittag bastle ich an einer nur zweiseitigen Preisliste. Ich glaubte, mithilfe eines Taschenrechners wäre das in maximal zwei Stunden zu schaffen. Denkste. Zuerst wollten sämtliche Honorarempfehlungen unterschiedlicher Berufsverbände recherchiert und ausgewertet werden. Und dank einer neuen EU-Richtlinie dürfen die nicht mehr online veröffentlicht werden (wer hat sich das nur ausgedacht?), so dass man Kanäle kennen muss (deshalb die vielen toten Links bei Mediafon).
Ist man daraus endlich schlau geworden, muss man den eigenen Standort bestimmen, die eigenen Leistungen definieren. Und dann wird es kompliziert. Kunden wollen kurze und prägnante Arbeitsbeschreibungen auch für Aufgaben, die man nicht pauschal festlegen kann. Bücher formulieren sich einfacher...
Aber auch ein Mathematikgenie wie ich hat es dann endlich geschafft.
Ich hatte ja schon angedeutet, dass das Schreiben von Büchern im Gegensatz zu früher eher direkt in den Ruin führt als knapp daran vorbei. Ich muss mir also dringend wieder einen "anständigen" Beruf suchen, wie die Verwandtschaft so schön sagt. Durch diverse Zu-Fälle und eigenartige Entwicklungen in Zeitschleifen und Hyperraumkrümmungen bin ich jetzt wieder bei dem gelandet, was ich schon vor Jahren gemacht habe: Medienberatung und Public Relations. Und plötzlich kann ich im binationalen Arbeiten auch wieder nutzen, was ich in Polen mit meiner Medienagentur gelernt hatte. Kein Umweg im Leben ist umsonst.
Meine Spezialgebiete sind Kunst, Kultur, Tourismus, Natur & Umwelt, Lifestyle mit Schwerpunkt Genuss, Gesundheit. Ich arbeite nicht in den Bereichen Wirtschaft, Marketing, Technik ... und Mathematik - das können andere sehr viel besser. Und ich bearbeite Grenzgänger-Projekte, denn ich übersetze auch aus dem Französischen ins Deutsche.
Kunden können demnächst die Honorarliste per Mail von meiner Kundenwebsite abrufen - aber bitte nur bei echtem Interesse an einer möglichen Zusammenarbeit und natürlich nicht anonym! Wer einfach nur neugierig ist, dem sei gesagt, dass sich meine Honorare an den neuesten Empfehlungen des DPRG orientieren.
Und wer hätte das gedacht: Obwohl ich ein paar Jahre pausiert habe, ist das wie mit dem Schwimmen. Man verlernt es nie. Ich bin sogar höchst überrascht gewesen, wie mich die Arbeit als Buchautorin und im Internet (auch in diesem Blog) zusätzlich qualifiziert hat. Ich arbeite mit sehr viel mehr Überblick, Gelassenheit, Erfahrung und Recherchefähigkeiten als früher. Die erste Pressemappe befindet sich im Entstehungsprozess und die erste selbst konzipierte und geleitete Pressekonferenz kommt schneller, als der Kalender befürchten lässt. Dass ich dabei eine Rede halten muss, verschreckt mich auch nicht mehr - so etwas übt man schließlich bei Lesungen am lebendigen Objekt...
Ist man daraus endlich schlau geworden, muss man den eigenen Standort bestimmen, die eigenen Leistungen definieren. Und dann wird es kompliziert. Kunden wollen kurze und prägnante Arbeitsbeschreibungen auch für Aufgaben, die man nicht pauschal festlegen kann. Bücher formulieren sich einfacher...
Aber auch ein Mathematikgenie wie ich hat es dann endlich geschafft.
Ich hatte ja schon angedeutet, dass das Schreiben von Büchern im Gegensatz zu früher eher direkt in den Ruin führt als knapp daran vorbei. Ich muss mir also dringend wieder einen "anständigen" Beruf suchen, wie die Verwandtschaft so schön sagt. Durch diverse Zu-Fälle und eigenartige Entwicklungen in Zeitschleifen und Hyperraumkrümmungen bin ich jetzt wieder bei dem gelandet, was ich schon vor Jahren gemacht habe: Medienberatung und Public Relations. Und plötzlich kann ich im binationalen Arbeiten auch wieder nutzen, was ich in Polen mit meiner Medienagentur gelernt hatte. Kein Umweg im Leben ist umsonst.
Meine Spezialgebiete sind Kunst, Kultur, Tourismus, Natur & Umwelt, Lifestyle mit Schwerpunkt Genuss, Gesundheit. Ich arbeite nicht in den Bereichen Wirtschaft, Marketing, Technik ... und Mathematik - das können andere sehr viel besser. Und ich bearbeite Grenzgänger-Projekte, denn ich übersetze auch aus dem Französischen ins Deutsche.
Kunden können demnächst die Honorarliste per Mail von meiner Kundenwebsite abrufen - aber bitte nur bei echtem Interesse an einer möglichen Zusammenarbeit und natürlich nicht anonym! Wer einfach nur neugierig ist, dem sei gesagt, dass sich meine Honorare an den neuesten Empfehlungen des DPRG orientieren.
Und wer hätte das gedacht: Obwohl ich ein paar Jahre pausiert habe, ist das wie mit dem Schwimmen. Man verlernt es nie. Ich bin sogar höchst überrascht gewesen, wie mich die Arbeit als Buchautorin und im Internet (auch in diesem Blog) zusätzlich qualifiziert hat. Ich arbeite mit sehr viel mehr Überblick, Gelassenheit, Erfahrung und Recherchefähigkeiten als früher. Die erste Pressemappe befindet sich im Entstehungsprozess und die erste selbst konzipierte und geleitete Pressekonferenz kommt schneller, als der Kalender befürchten lässt. Dass ich dabei eine Rede halten muss, verschreckt mich auch nicht mehr - so etwas übt man schließlich bei Lesungen am lebendigen Objekt...
Romane schreiben
Wer ähnlich wie ich gestern zu nachmitternächtlicher Intellektuellenstunde nicht mehr ganz aufnahmefähig war, kann das ZDF Nachtstudio online (Titel: Bestseller-Boom: Wie schreibe ich einen Roman) noch einmal anschauen.
Ich empfehle die Sendung deshalb, weil sie genau das nicht brachte, was die Literaturempfehlungen und Beschreibung des ZDF vermuten lassen - diese Instant-Bausteine und Ratgeberweisheiten, wie man angeblich den verdammt besten Roman schreibt. Dafür sorgte bereits die Auswahl der Diskutierenden:
John von Düffel, Julia Frank, Hanns-Josef Ortheil und Moritz Rinke.
Leider stahlen sich zwischen meine zuklappenden Augenlider nur kurze Passagen, die aber fand ich höchst aufschlussreich: Dass Literatur eben sehr viel mehr ist als die Suche nach dem ultimativen Rezept, als Marktgedöns und Zielpublikumsschere im Kopf. Und dass man als Schriftsteller in der Tat lernen kann - aber ganz andere Dinge lernen muss, als Otto Normalautor vermutet. Bestseller - da waren sich alle einig - kann man nicht planen. Und wenn man erst einmal anfängt, Romane nach einem möglichen Markt oder den Erwartungen anderer zu planen, schafft man auch keine Literatur.
Es wurde tüchtig aufgeräumt mit anderen hartnäckig sich haltenden Klischees. Etwa dem des genialischen Verrückten, der aus seinem Stift die Inspiration herauskaut. Moderne Schriftsteller sind offensichtlich eher Hochleistungsportler mit Disziplin und Selbstorganisation. Und auch wenn es zur kreativen Schöpfung selbst die Abgeschlossenheit und das Alleinsein mit der Buchwelt braucht - das Heraustreten aus dem Kämmerlein gehört zum Berufsbild dazu. Schriftsteller müssen frühzeitig noch ganz andere Qualitäten entwickeln - denn trotz eines Verlags sind sie mehr und mehr ihr eigenes Kulturmanagement-Büro. Spätestens bei unverhofft eintreffendem Ruhm, der einem ja nicht gleich den Privatsekretär finanziert, klagen viele Bestsellerautoren, dass sie das Drumherum fast auffrisst, wenig Zeit zum Schreiben bleibt.
Hanns-Josef Ortheil hätte ich mit seinen Aussagen am liebsten auf meinem mp3-Player, um ihn in schlechten Zeiten immer wieder als Subliminal abzunudeln. Selten hat einer so schön beschrieben, welch ungeheure Gesamtleistung es ist, einen Roman zu schreiben - und vor allem, ihn auch zu Ende zu bringen. Und selten hat einer so eindrücklich erklärt, warum man bei dieser Arbeit anders ticken muss als der Rest der Welt. Hier kann man in der Tat aktiv eine Menge lernen, aber da geht es eher um Persönlichkeitsentwicklung, zunehmende Klarsicht und kreative Fähigkeiten als um Fragen, ob ein Happy End besser sei als Tragik und eine Heldin beim Publikum auch ankommt, wenn sie eine Narbe am rechten Ohrläppchen hat.
Ich empfehle die Sendung deshalb, weil sie genau das nicht brachte, was die Literaturempfehlungen und Beschreibung des ZDF vermuten lassen - diese Instant-Bausteine und Ratgeberweisheiten, wie man angeblich den verdammt besten Roman schreibt. Dafür sorgte bereits die Auswahl der Diskutierenden:
John von Düffel, Julia Frank, Hanns-Josef Ortheil und Moritz Rinke.
Leider stahlen sich zwischen meine zuklappenden Augenlider nur kurze Passagen, die aber fand ich höchst aufschlussreich: Dass Literatur eben sehr viel mehr ist als die Suche nach dem ultimativen Rezept, als Marktgedöns und Zielpublikumsschere im Kopf. Und dass man als Schriftsteller in der Tat lernen kann - aber ganz andere Dinge lernen muss, als Otto Normalautor vermutet. Bestseller - da waren sich alle einig - kann man nicht planen. Und wenn man erst einmal anfängt, Romane nach einem möglichen Markt oder den Erwartungen anderer zu planen, schafft man auch keine Literatur.
Es wurde tüchtig aufgeräumt mit anderen hartnäckig sich haltenden Klischees. Etwa dem des genialischen Verrückten, der aus seinem Stift die Inspiration herauskaut. Moderne Schriftsteller sind offensichtlich eher Hochleistungsportler mit Disziplin und Selbstorganisation. Und auch wenn es zur kreativen Schöpfung selbst die Abgeschlossenheit und das Alleinsein mit der Buchwelt braucht - das Heraustreten aus dem Kämmerlein gehört zum Berufsbild dazu. Schriftsteller müssen frühzeitig noch ganz andere Qualitäten entwickeln - denn trotz eines Verlags sind sie mehr und mehr ihr eigenes Kulturmanagement-Büro. Spätestens bei unverhofft eintreffendem Ruhm, der einem ja nicht gleich den Privatsekretär finanziert, klagen viele Bestsellerautoren, dass sie das Drumherum fast auffrisst, wenig Zeit zum Schreiben bleibt.
Hanns-Josef Ortheil hätte ich mit seinen Aussagen am liebsten auf meinem mp3-Player, um ihn in schlechten Zeiten immer wieder als Subliminal abzunudeln. Selten hat einer so schön beschrieben, welch ungeheure Gesamtleistung es ist, einen Roman zu schreiben - und vor allem, ihn auch zu Ende zu bringen. Und selten hat einer so eindrücklich erklärt, warum man bei dieser Arbeit anders ticken muss als der Rest der Welt. Hier kann man in der Tat aktiv eine Menge lernen, aber da geht es eher um Persönlichkeitsentwicklung, zunehmende Klarsicht und kreative Fähigkeiten als um Fragen, ob ein Happy End besser sei als Tragik und eine Heldin beim Publikum auch ankommt, wenn sie eine Narbe am rechten Ohrläppchen hat.