Andere Leute machen dort Urlaub, wo ich wohne, ich wohne in einem Dreiländereck, das eine Reise wert ist. Deshalb gibt es jetzt in loser Abfolge das "Sommerdreieck" mit Impressionen aus meinen arbeitsfreien Zeiten. Gleich zu Beginn eine Empfehlung, die in Frankreich bereits Geheimtipp ist und in ihrer europäischen Gesamtauswahl wohl einzigartig.
Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden hat es geschafft, das Hauptwerk Marc Chagalls in seinen hundert größten Werken zu vereinen - aus Moskau, Petersburg, Paris, Nizza, Madrid, Düsseldorf, Frankfurt u.a. Städten kommen die Originale. Der Betrachter hat nicht nur einen umfassenden Überblick über ein Schaffen, das zwei Weltkriege überstand und etwa von 1917 bis 1975 gezeigt wird. Es gibt auch zwei bisher so noch nie ausgestellte Schwerpunkte, die die europäische Geschichte ebenfalls beleuchten. Da sind Chagalls Arbeiten als Buchillustrator - hier sieht man zu den Bildern auch einige Originalbücher. Und im Mittelpunkt steht die von der Tretjakov-Galerie in Moskau geliehene Sammlung von acht Monumentalpaneelen, die 1920 für das Jüdische Theater in Moskau gemalt wurden.
Spannend sind die Zusatzveranstaltungen, so liest etwa am 8.9. Chagalls Enkelin Meret Meyer aus seinem Spätwerk, es gibt Bilder mit Musik, mit Literatur und für Kinder. Das Museum selbst ist eine architektonische Attraktion (Richard Meier) in der Stadt, kunstvoll in den Park neben die Staatliche Kunsthalle gesetzt. Es liegt zentral - Parken in den Tiefgaragen Kurhaus oder Kongresshaus - und dann einfach ein paar Minuten zu Fuß durch den opulenten Park am Ufer der Oos. Dabei schlendert man an den Rückfassaden der traditionsreichen Grandhotels entlang und kann ein wenig von der alten Grandezza der Stadt spüren oder einen Kaffee unter Palmen und baumgroßen Oleandern trinken.
Chagall in neuem Licht: Museum Frieder Burda, Baden-Baden, vom 7.7.06 bis 29.10.06.
Lichtentaler Allee 8 b
Tel +49 / (0)7221 - 3 98 98-0
Führungen vorbestellen: fuehrungen@museum-frieder-burda.de
Und natürlich gibt's hier zu gegebener Zeit auch meine Eindrücke "von innen"!
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11. August 2006
10. August 2006
Teure Tropfen
Der Raum liegt zentral. Und ist vielleicht deshalb so perfekt gesichert wie eine Bank. Nur auserwählte Besucher, die bereit sind, für einen guten Tropfen angemessene Preise zu bezahlen, finden überhaupt Einlass. Einlass hinter das verstärkte Drahtnetz, das zusätzlich durch ein übermannsgroßes Drehkreuz gesichert ist. Die armdicken Stangen sind arretiert, werden nur freigegeben, wenn sich der Gast als würdig erweist. Noch im Drehkreuz überlege ich, ob ich hier je wieder herauskomme. Vor mir eine kleine unscheinbare Tür, die zum Schutzaufwand draußen einen fast lächerlichen Kontrapunkt setzt. Hinter mir wird das Drehkreuz sofort wieder automatisch arretiert. Ich werde einen Knopf drücken müssen, um wieder Freiheit schmecken zu können.
Wesentlich weniger furchterregend präsentiert sich die zweite Stätte. Keine Gitter, keine Gefangennahme, nur die üblichen Videoüberwachungen in der Vorhalle. Bedrückt fühlt sich der Besucher hier allenfalls, wenn es ihm an angemessener Garderobe mangelt, am nonchalanten Benehmen, das gleich dem perfekten Haarschnitt wirkt wie angeboren. Ebenso selbstverständlich und alltäglich prunken hier die Räume. Krawatten- und Jackenzwang gibt es erst dort, wo der Speckstein durch Marmor ersetzt wird, wo die Lüster im Gold hängen und man auf rotem Samt sitzt. Hier, in diesem Ambiente ohne Gitter, braucht es noch das Design abwaschbarer Werte.
Apropos Werte... ich empfehle dringend denen, die in Baden-Baden ein dringendes Bedürfnis haben, sich direkt das Kurhaus zu gönnen. Zwar ahnt man von dort aus nur den Glamour eines der schönsten alten Casinos der Welt, aber man befindet sich bereits in den Vorhallen, unter den Reichen und Schönen und unter Touristen, die eben dieses dringende Bedürfnis... Ich rate zum Kurhaus, weil Sie hier für ihre Tropfen auch nur 50 Cent bezahlen müssen. Nur? Nun ja, in der edlen Stadt nimmt man für Ihre edlen Hinterlassenschaften überall die gleichen Preise. Und die öffentliche Bedürfnisanstalt am Augustaplatz mit dem Drahtverhau gegen Junkies ist für diesen Eintrittspreis nun doch nicht das wahre...
Wesentlich weniger furchterregend präsentiert sich die zweite Stätte. Keine Gitter, keine Gefangennahme, nur die üblichen Videoüberwachungen in der Vorhalle. Bedrückt fühlt sich der Besucher hier allenfalls, wenn es ihm an angemessener Garderobe mangelt, am nonchalanten Benehmen, das gleich dem perfekten Haarschnitt wirkt wie angeboren. Ebenso selbstverständlich und alltäglich prunken hier die Räume. Krawatten- und Jackenzwang gibt es erst dort, wo der Speckstein durch Marmor ersetzt wird, wo die Lüster im Gold hängen und man auf rotem Samt sitzt. Hier, in diesem Ambiente ohne Gitter, braucht es noch das Design abwaschbarer Werte.
Apropos Werte... ich empfehle dringend denen, die in Baden-Baden ein dringendes Bedürfnis haben, sich direkt das Kurhaus zu gönnen. Zwar ahnt man von dort aus nur den Glamour eines der schönsten alten Casinos der Welt, aber man befindet sich bereits in den Vorhallen, unter den Reichen und Schönen und unter Touristen, die eben dieses dringende Bedürfnis... Ich rate zum Kurhaus, weil Sie hier für ihre Tropfen auch nur 50 Cent bezahlen müssen. Nur? Nun ja, in der edlen Stadt nimmt man für Ihre edlen Hinterlassenschaften überall die gleichen Preise. Und die öffentliche Bedürfnisanstalt am Augustaplatz mit dem Drahtverhau gegen Junkies ist für diesen Eintrittspreis nun doch nicht das wahre...
1. August 2006
Dichten statt Denken
Ich habe gestern einen Abfluss gereinigt. War gar nicht so einfach, als blutige Laiin den Syphon / Siphon / Sifon / Siff ??? aus Billigstmetall aufzuschrauben, den der Vorgänger vor zwanzig Jahren verkantet hatte. Und als ich dann den Pfusch zum Rohr an der Wand sah, hat es mich fast hingelegt. Hauptsache, es sieht aus wie eine Rohrverbindung. Hauptsache, man tut so, als habe man moderne Techniken verwendet. Ich will niemanden langweilen. Ich habe es gelernt. Gerade noch rechtzeitig. Ich kann jetzt nicht nur schreiben, ich kann auch dichten. Denn Dichten ist das A und O bei einem verpfuschten Rohrsystem, wenn die Übergänge nicht stimmen. Pünktlich zum Ersten fließt es wieder. Und wenn ich die Massen in deutschen Baumärkten sehe, die sich mit Gummiringen und Silikon, mit Hanftechnik und Teflon auskennen, dann weiß ich: Das ist wahrhaftig das Land der Dichter und Denker.
Trotzdem... seit heute haben die da über dem Rhein drüben mal wieder den Abfluss offen. Pfusch-am-Bau, fast ein deutsches Lehnwort, schwarze Arbeit und wieder hat der Meister es besser wissen wollen als sein Spracharbeiter, obwohl doch letzterer sich täglich den Ärger zwischen aufmüpfigen Kommata und Konsonanten um die Brille haut. Nein, ich setze kein Komma vor "und". Ein Komma verändert Sprachsinn und Atem eines Satzes. Verlag 1: Wir setzen das Komma auch nicht. Verlag 2: Du musst das Komma setzen, wenn du für uns arbeiten willst.
Zwischendurch jede Menge Erinnerung an Fanta Vier. Nicht "ABC, DAF und OMD" oder "ARD, ZDF, C & A"... nein, da kam noch der Dudendidummdibabbadamda-Rap aus Mannheim. ADR und NDR - ojemine / NDR 2 und MDR, oder war's RSR, tatütata?
Na egal. Jedenfalls habe ich brav alle von mir gehassten und als falsch empfundenen Kommata in meine Romane nachträglich hineingesetzt. Man gönnt sich ja sonst nichts. Heute morgen wache ich auf, mein Abfluss gurgelt und meine Bücher sind Makulatur. Alle falsch, die Kommata. Sprachkoma. Seit heute hätte ich damals Recht / recht gehabt / rechtgehabt. Und das, wo ich doch auch noch neuerdings dichten kann!
Also, schön einfach ist das ja nun. Ich singe NDR und MDR is nich ok, und "wir gehen drauf für ein Leben voller Schall und Rauch / bevor wir fallen, fallen wir lieber auf"...
Heute ist der 1. August. Ich bin weder Schüler noch Beamter (dem Himmel sei Dank). Ich schreib jetzt PvC. Und beharre auch wieder darauf, dass bei mir die Brennessel nicht so dämlich in Konsonanten breNNNeSSelt. Mein AlPtraum kommt wieder vom bösen Alp und nicht vom netten Feen-Alb. Mein Stengel wächst weiter vom althochdeutschen "stengil" / "stingil" und zeigt, dass ein e/i-Laut nicht leichtfertig in einen a-Laut mutiert, nur weil das Mannheimer Genforscher gern so hätten, wenn sie an den Stammzellen der Wörter manipulieren. Überhaupt bin ich bei all der Duderei für eine Wiedereinführung des Faches Etymologie bei den Sprachgesetzverordnern. Etymologie statt Willkür. Sprache hat gewachsene Wurzeln - und wenn wir die verlieren, schneiden wir uns die eigenen ab.
Ich wünsche mir eine Revolte der Spracharbeiter. Aus Liebe und Leidenschaft. Für den Reichtum und gewachsenen Sinn unseres Ausdrucks. Denn eins habe ich beim Dichten gelernt: Egal, was die mir über moderne Methoden mit Teflonbändern erzählen... damit machen nur die Geld, die die neuen Bände(r) verkaufen. Die alte Hanfwickelmethode dagegen - die hält auch nach zwanzig Jahren und sogar bei Pfusch am Bau, was sie verspricht. Free Hanf, oder wie das hieß. Free Deutsch. Legalize it!
Trotzdem... seit heute haben die da über dem Rhein drüben mal wieder den Abfluss offen. Pfusch-am-Bau, fast ein deutsches Lehnwort, schwarze Arbeit und wieder hat der Meister es besser wissen wollen als sein Spracharbeiter, obwohl doch letzterer sich täglich den Ärger zwischen aufmüpfigen Kommata und Konsonanten um die Brille haut. Nein, ich setze kein Komma vor "und". Ein Komma verändert Sprachsinn und Atem eines Satzes. Verlag 1: Wir setzen das Komma auch nicht. Verlag 2: Du musst das Komma setzen, wenn du für uns arbeiten willst.
Zwischendurch jede Menge Erinnerung an Fanta Vier. Nicht "ABC, DAF und OMD" oder "ARD, ZDF, C & A"... nein, da kam noch der Dudendidummdibabbadamda-Rap aus Mannheim. ADR und NDR - ojemine / NDR 2 und MDR, oder war's RSR, tatütata?
Na egal. Jedenfalls habe ich brav alle von mir gehassten und als falsch empfundenen Kommata in meine Romane nachträglich hineingesetzt. Man gönnt sich ja sonst nichts. Heute morgen wache ich auf, mein Abfluss gurgelt und meine Bücher sind Makulatur. Alle falsch, die Kommata. Sprachkoma. Seit heute hätte ich damals Recht / recht gehabt / rechtgehabt. Und das, wo ich doch auch noch neuerdings dichten kann!
Also, schön einfach ist das ja nun. Ich singe NDR und MDR is nich ok, und "wir gehen drauf für ein Leben voller Schall und Rauch / bevor wir fallen, fallen wir lieber auf"...
Heute ist der 1. August. Ich bin weder Schüler noch Beamter (dem Himmel sei Dank). Ich schreib jetzt PvC. Und beharre auch wieder darauf, dass bei mir die Brennessel nicht so dämlich in Konsonanten breNNNeSSelt. Mein AlPtraum kommt wieder vom bösen Alp und nicht vom netten Feen-Alb. Mein Stengel wächst weiter vom althochdeutschen "stengil" / "stingil" und zeigt, dass ein e/i-Laut nicht leichtfertig in einen a-Laut mutiert, nur weil das Mannheimer Genforscher gern so hätten, wenn sie an den Stammzellen der Wörter manipulieren. Überhaupt bin ich bei all der Duderei für eine Wiedereinführung des Faches Etymologie bei den Sprachgesetzverordnern. Etymologie statt Willkür. Sprache hat gewachsene Wurzeln - und wenn wir die verlieren, schneiden wir uns die eigenen ab.
Ich wünsche mir eine Revolte der Spracharbeiter. Aus Liebe und Leidenschaft. Für den Reichtum und gewachsenen Sinn unseres Ausdrucks. Denn eins habe ich beim Dichten gelernt: Egal, was die mir über moderne Methoden mit Teflonbändern erzählen... damit machen nur die Geld, die die neuen Bände(r) verkaufen. Die alte Hanfwickelmethode dagegen - die hält auch nach zwanzig Jahren und sogar bei Pfusch am Bau, was sie verspricht. Free Hanf, oder wie das hieß. Free Deutsch. Legalize it!