Bei Twitter überrascht ein Trendthema die Welt: Französische Twitterer versammeln sich unter dem Hashtag #JeSuisChien und #Diesel. Damit hat zum jetzigen Zeitpunkt die Hündin namens Diesel in den Trending Topics den Namen eines Terroristen weit hinter sich gelassen und folgt gleich auf die Nr. 1 - den Einsatz des Spezialkommandos in Saint Denis. Was ist los mit den Leuten, die sich plötzlich zum Hund machen und Hundefotos posten?
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18. November 2015
17. November 2015
Ein Tag wie im Roman
In den Schulen in Frankreich ging es gestern um nichts anderes. Medien und Social Media laufen offenbar in einer Weise heiß, die kaum noch auszuhalten ist, während parallel dazu so manches Politikerhirn auszulaufen scheint. Hier im Elsass kamen zum großen Schock die "kleineren Schöckchen" - jedenfalls ist man versucht, das so zu sagen, wenn eine Katastrophe in der anderen unterzugehen droht. Ein Kind erschießt ein Kind - junge Menschen erschießen junge Menschen. Aus solchen Tagen kann man herausfallen.
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"Achtung" auf Deutsch (li.) und Französisch (re.). Im Elsass haben wir beides, wobei es völlig egal ist, denn bei Holzfällarbeiten sollte jeder Abstand nehmen. |
14. November 2015
Worte können so falsch klingen
Eigentlich wollte ich nichts zum Thema schreiben, aber weil so viele Bekannte bei mir nachfragen, wie es uns in Frankreich geht, sei dies einfach ein kleines Zeichen, das mir erspart, zu vielen einzeln immer nur das Gleiche zu erzählen. Zumal ich Social Media für eine Zeit abschalten muss, ich beschränke mich aufs reale Leben, einige Medien und nutze Twitter & Co. allenfalls noch für praktische Belange. Ich ertrage die Streams einfach gerade nicht.
Wie es uns in Frankreich geht? Wie soll man das beantworten? Ich weiß nicht einmal, wie es mir selbst geht, obwohl ich sei heute Nacht die Hiobsbotschaften verfolgt habe. Am ehesten kann ich es nur mit einem dissoziativen Zustand vergleichen. Ich sehe die Bilder und sie verschwimmen im Blaulichtflackern. Wir hören die Zahlen von Toten und können sie nicht begreifen. Ich kann mir kaum ausmalen, dass an jedem Verletzten, an jedem Toten von nun an eine traumatisierte Familie hängt. Dass unzählig viele Rettungskräfte, Ärzte, Krankenhauspersonal Dinge erleben, wie sie sonst nur in einer Kriegshölle vorkommen. Die Sondereinheiten, das Militär - sie sind auf so etwas gedrillt, aber was macht es mit ihnen, wenn sie es in einer fröhlichen, lebenslustigen Stadt der Liebe tatsächlich erleben? Sie alle werden das ein Leben lang mit sich herumtragen. Paris ist hunderte Kilometer weit weg, aber es ist das Herz unseres Landes - und in Strasbourg, der Europahauptstadt, wird man sich auch nicht mehr so sicher fühlen. Es läuft ab wie im Film und man klickt sich bei Facebook ein, um zu erfahren, ob lose Bekannte in Sicherheit sind. Und dann geht man nach draußen: Jetzt erst recht.
Keiner steht hier derzeit auf den Straßen zum Tratsch. Es ist zu frisch, um reden zu können, vielleicht auch, um andere Menschen ertragen zu können. In der Nacht habe ich im Geist meine Freunde durchgezählt, ob hoffentlich alle nicht in Paris waren. Manche haben von der Katatsrophe erst heute morgen erfahren. Eben habe ich meiner Freundin die Notnummern der Regierung gegeben, falls sie ihre Kinder nicht erreicht. Sie war früh schlafen gegangen, hört kein Radio, hat eben erst davon erfahren. Nein, nur nicht daran denken, dass die beiden vielleicht in Paris sind, hoffen, dass sie schnell ans Telefon gehen. Sich nur nichts vorstellen wollen, die Bilder nicht anschauen wollen und kotzen mögen, dass ein Video verteilt wird, gegen dessen Veröffentlichung sich selbst große Medien sträubten.
Wie geht es uns? Emotional. Dissoziativ. Hilfloses Gestammel das hier. Die Wörter, die wirklich auf der Seele brennen, sind nicht veröffentlichungsfähig. Das ist es, was so nervt an Social Media: Das hilflose Gestammel ist so dümmlich und doch natürlich. Die guten Ratschläge sind zum Kotzen und doch lieb gemeint. Jetzt bloß nicht hassen. Ha! Und wie groß dieser Hass ist, auf die Barabarei, auf diese Lust an der Zerstörung! Wie ich diese Typen verachte, die anderen Menschen so etwas antun! Ich verachte sie so sehr, dass ich kein Wörteretikett finde, das diesem Dreck auch nur annähernd gerecht wird. Auslöschen müsste man sie aus der Sprache, um ihnen jede Macht zu nehmen. Aber benennen müssen wir, um für unsere Werte einzutreten, um gegen die Zerstörung anzukämpfen. "Lebensnichtse" will ich sie im Moment nennen, weil das, was sie wollen und haben, nicht wirklich das Leben sein kann.
Dissoziation zwischen den Gegensätzen. Ich kann das Geschwätz vom Beten nicht ertragen; in einer Welt, in der Religion Vorwand für Barbarei ist, schon gar nicht. Und ich würde gern beten können, ausgerechnet jetzt, weil ich dann die Idee hätte, es gäbe hinter all dem etwas "Ordnendes" ... Trost gibt mir etwas ganz anderes: Die Menschen in Paris, die in einer Welle der Solidarität ihre Häuser öffnen und Blutspenden organisieren und damit zeigen: Ihr kriegt uns nicht auseinander! Pariser und Touristen, Einheimische und Ausländer - sie stehen hinter der Idee dieser Republik zusammen.
Ich kann kleine banale Alltagsplaudereien gerade nicht ertragen und weiß, dass sie ihre Berechtigung haben müssen, weil das Leben weitergeht. Wir sollen keine Angst haben und spüren eine immense Wut, einen riesigen Trotz. Und doch ist da Angst. Die nächsten Tage über die Grenze fahren möchte ich auch nicht.
Vieles sagt man im Moment nicht laut, weil der Verstand weiß, dass Emotionen kein guter Ratgeber sind und so vieles falsch interpretiert werden kann - von allen Seiten. Die Zeit, für alles und jeden Verständnis aufzubringen, an Resozialisierungen zu glauben oder daran, dass man religiöse Fanatiker umstimmen könnte, sind in Frankreich wohl seit gestern vorbei. Der Glaube, Geheimdienste und Superüberwachungen könnten das Leben sicherer machen, ebenfalls. Aber das Gebot der Stunde heißt "sang-froid" bewahren, einen kühlen Kopf ... der in der französischen Sprache in der Temperatur von Blut gemessen wird.
Der I S hat sich zu den feigen gottlosen Terroranschlägen bekannt, Hollande bezeichnet die Taten als "acte de guerre", als Kriegshandlung - und spricht damit aus, was viele denken. Kriegshandlungen, Notstand ausgerufen im ganzen Land - nie hätte ich geglaubt, so etwas zu meinen Lebzeiten zu erleben. Was er genau damit meint und mehr wird am Montag in einer Sitzung zu klären sein.
Wir wissen nur eines: Wir werden uns unsere Werte, unsere Freiheit und Demokratie nicht nehmen lassen. Wir geben kein Stück der Gleichberechtigung ab, die wir Frauen uns erobert, und kein Stück des Respekts, den Lesben und Schwule und so viele andere in unseren Breiten erkämpft haben. Unsere Lebensfreude wird wiederkommen nach dem Schock und der Trauer, unsere Solidarität ist ungebrochen und groß. Kein Fingerbreit ist hier Platz für einen sogenannten Gottesstaat einer machtgeilen, verblendeten, durch und durch bösartigen Testosterongesellschaft! Oder um es mit einem Hashtag zu sagen: #liberteegalitefraternite
PS: Dieser Text ist eine emotionale Momentaufnahme. Möglich, dass ich meine eigenen Worte in fünf Minuten schon wieder scheußlich finde. Aber das Aufschreiben hat geholfen gegen das Sich-Übergeben.
Wie es uns in Frankreich geht? Wie soll man das beantworten? Ich weiß nicht einmal, wie es mir selbst geht, obwohl ich sei heute Nacht die Hiobsbotschaften verfolgt habe. Am ehesten kann ich es nur mit einem dissoziativen Zustand vergleichen. Ich sehe die Bilder und sie verschwimmen im Blaulichtflackern. Wir hören die Zahlen von Toten und können sie nicht begreifen. Ich kann mir kaum ausmalen, dass an jedem Verletzten, an jedem Toten von nun an eine traumatisierte Familie hängt. Dass unzählig viele Rettungskräfte, Ärzte, Krankenhauspersonal Dinge erleben, wie sie sonst nur in einer Kriegshölle vorkommen. Die Sondereinheiten, das Militär - sie sind auf so etwas gedrillt, aber was macht es mit ihnen, wenn sie es in einer fröhlichen, lebenslustigen Stadt der Liebe tatsächlich erleben? Sie alle werden das ein Leben lang mit sich herumtragen. Paris ist hunderte Kilometer weit weg, aber es ist das Herz unseres Landes - und in Strasbourg, der Europahauptstadt, wird man sich auch nicht mehr so sicher fühlen. Es läuft ab wie im Film und man klickt sich bei Facebook ein, um zu erfahren, ob lose Bekannte in Sicherheit sind. Und dann geht man nach draußen: Jetzt erst recht.
Keiner steht hier derzeit auf den Straßen zum Tratsch. Es ist zu frisch, um reden zu können, vielleicht auch, um andere Menschen ertragen zu können. In der Nacht habe ich im Geist meine Freunde durchgezählt, ob hoffentlich alle nicht in Paris waren. Manche haben von der Katatsrophe erst heute morgen erfahren. Eben habe ich meiner Freundin die Notnummern der Regierung gegeben, falls sie ihre Kinder nicht erreicht. Sie war früh schlafen gegangen, hört kein Radio, hat eben erst davon erfahren. Nein, nur nicht daran denken, dass die beiden vielleicht in Paris sind, hoffen, dass sie schnell ans Telefon gehen. Sich nur nichts vorstellen wollen, die Bilder nicht anschauen wollen und kotzen mögen, dass ein Video verteilt wird, gegen dessen Veröffentlichung sich selbst große Medien sträubten.
Wie geht es uns? Emotional. Dissoziativ. Hilfloses Gestammel das hier. Die Wörter, die wirklich auf der Seele brennen, sind nicht veröffentlichungsfähig. Das ist es, was so nervt an Social Media: Das hilflose Gestammel ist so dümmlich und doch natürlich. Die guten Ratschläge sind zum Kotzen und doch lieb gemeint. Jetzt bloß nicht hassen. Ha! Und wie groß dieser Hass ist, auf die Barabarei, auf diese Lust an der Zerstörung! Wie ich diese Typen verachte, die anderen Menschen so etwas antun! Ich verachte sie so sehr, dass ich kein Wörteretikett finde, das diesem Dreck auch nur annähernd gerecht wird. Auslöschen müsste man sie aus der Sprache, um ihnen jede Macht zu nehmen. Aber benennen müssen wir, um für unsere Werte einzutreten, um gegen die Zerstörung anzukämpfen. "Lebensnichtse" will ich sie im Moment nennen, weil das, was sie wollen und haben, nicht wirklich das Leben sein kann.
Dissoziation zwischen den Gegensätzen. Ich kann das Geschwätz vom Beten nicht ertragen; in einer Welt, in der Religion Vorwand für Barbarei ist, schon gar nicht. Und ich würde gern beten können, ausgerechnet jetzt, weil ich dann die Idee hätte, es gäbe hinter all dem etwas "Ordnendes" ... Trost gibt mir etwas ganz anderes: Die Menschen in Paris, die in einer Welle der Solidarität ihre Häuser öffnen und Blutspenden organisieren und damit zeigen: Ihr kriegt uns nicht auseinander! Pariser und Touristen, Einheimische und Ausländer - sie stehen hinter der Idee dieser Republik zusammen.
Ich kann kleine banale Alltagsplaudereien gerade nicht ertragen und weiß, dass sie ihre Berechtigung haben müssen, weil das Leben weitergeht. Wir sollen keine Angst haben und spüren eine immense Wut, einen riesigen Trotz. Und doch ist da Angst. Die nächsten Tage über die Grenze fahren möchte ich auch nicht.
Vieles sagt man im Moment nicht laut, weil der Verstand weiß, dass Emotionen kein guter Ratgeber sind und so vieles falsch interpretiert werden kann - von allen Seiten. Die Zeit, für alles und jeden Verständnis aufzubringen, an Resozialisierungen zu glauben oder daran, dass man religiöse Fanatiker umstimmen könnte, sind in Frankreich wohl seit gestern vorbei. Der Glaube, Geheimdienste und Superüberwachungen könnten das Leben sicherer machen, ebenfalls. Aber das Gebot der Stunde heißt "sang-froid" bewahren, einen kühlen Kopf ... der in der französischen Sprache in der Temperatur von Blut gemessen wird.
Der I S hat sich zu den feigen gottlosen Terroranschlägen bekannt, Hollande bezeichnet die Taten als "acte de guerre", als Kriegshandlung - und spricht damit aus, was viele denken. Kriegshandlungen, Notstand ausgerufen im ganzen Land - nie hätte ich geglaubt, so etwas zu meinen Lebzeiten zu erleben. Was er genau damit meint und mehr wird am Montag in einer Sitzung zu klären sein.
Wir wissen nur eines: Wir werden uns unsere Werte, unsere Freiheit und Demokratie nicht nehmen lassen. Wir geben kein Stück der Gleichberechtigung ab, die wir Frauen uns erobert, und kein Stück des Respekts, den Lesben und Schwule und so viele andere in unseren Breiten erkämpft haben. Unsere Lebensfreude wird wiederkommen nach dem Schock und der Trauer, unsere Solidarität ist ungebrochen und groß. Kein Fingerbreit ist hier Platz für einen sogenannten Gottesstaat einer machtgeilen, verblendeten, durch und durch bösartigen Testosterongesellschaft! Oder um es mit einem Hashtag zu sagen: #liberteegalitefraternite
PS: Dieser Text ist eine emotionale Momentaufnahme. Möglich, dass ich meine eigenen Worte in fünf Minuten schon wieder scheußlich finde. Aber das Aufschreiben hat geholfen gegen das Sich-Übergeben.
7. November 2015
Blogabo + Newsletter
Zwischendurch ein paar wichtige Service-Infos, die immer wieder nachgefragt werden:
1. Wie verpasse ich nichts mehr von diesem Blog?
2. Wie verpasse ich nichts mehr von der Autorin?
1. Wie verpasse ich nichts mehr von diesem Blog?
2. Wie verpasse ich nichts mehr von der Autorin?
3. November 2015
NaNoWriMo? Nee, non.
Es ist also wieder so weit, ein Event, das mit schöner Regelmäßigkeit seit Jahren an mir vorübergeht und dessen Name ich mir seither trotzdem nicht merken kann: NaNoWriMo. Ich verbringe doch eh keinen Tag ohne Schreiben, was also soll ausgerechnet ich damit? Weil aber nun immer mehr Menschen daran teilnehmen, die ich kenne, wurde ich doch neugierig. Wer wie ich keinen blassen Schimmer hat: Da versuchen weltweit Menschen, im November einen Roman aus 50.000 Wörtern zu schaffen, macht nach Adam Riese*** 1666,666... Wörter pro Tag. Und weil hierzulande niemand im Gewerbe in Wörtern zählt: Eine Normseite für Verlage fasst etwa 280 bis 310 Wörter, je nachdem, wie ärmlich die Sprache ist und wie viele Leerstellen durch Dialoge entstehen. Würde man das Ergebnis so verkaufen können, wie es ist, käme man auf 150-160 Normseiten - ein wenig dünn für eine Verlagsbewerbung.
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Man kann doch nicht immer nur Wörter schreiben! An manchen Tagen muss ich zeichnen, Hilfsgärtnerin Amanda Joos verlangt das von mir. Hier bildet sie sich doch tatsächlich ein, einen Gestaltungauftrag zu bekommen! Der mir immerhin viele Seiten Text liefert und vor allem Orientierung in einem fiktiven Dorf. |