Sie flattern wieder. Ich träume nachts von ihm und wache morgens mit ihm auf. Ich stürze geradezu in die Küche, um so schnell wie möglich Frühstück zu machen; hellwach, in einem intimen Zwiegespräch mit ihm. Kann es kaum erwarten, mich im Arbeitszimmer hinzusetzen, ihn zu streicheln, bis mir die Finger schmerzen. Ich bin frisch verliebt. Leicht war es diesmal nicht. Wir kennen uns schon fast zehn Jahre lang und gingen uns bisher eher auf die Nerven. Wie oft habe ich ihn schon zur Tür hinaus geworfen! Mich danach gesehnt, er könne ein anderer sein. Es wieder mit ihm versucht und endgültig Schluss gemacht. Er war mir nie entgegengekommen. Es hätte eine dieser modernen oberflächlichen Beziehungen werden können, mit glatter Fassade, äußerlich funktionierend und innerlich einen unendlichen Hunger hinterlassend, vielleicht sogar eine Leere ...
Je älter ich werde, je länger ich Pausen erlebe, desto kurioser wird das mit dieser Liebe. Nach so langen Jahren hätte ich sie nicht mehr für möglich gehalten. Ich suchte die Schuld bei mir. Wenn es mit uns beiden nicht funktionieren wollte, dann war womöglich ich einfach nicht die richtige für ihn? Aber warum redete er nicht offen und ehrlich mit mir? Er schwieg mich zunehmend beim Frühstück an und verschanzte sich hinter meinen Manuskripten. Die las er immerhin.
Und ausgerechnet jetzt, wo ich ihn längst und ganz offiziell zum Teufel gejagt hatte, kam er durch die Hintertür wieder herein. Ich war nicht bereit. Ich hatte mein Leben längst völlig anders eingerichtet und war glücklich damit. Er packte mich in einer schwachen Stunde. Als ich wieder all meinen Verstand zusammen hatte, konnte ich ihn nicht vergessen. Ich wehrte mich dagegen, dass er immer breiteren Raum in meinen Gedanken einnahm. Und wollte ihm trotzdem noch einmal eine Chance geben, eine klitzekleine, nicht länger als zwei Tage. Das war der Wendepunkt. Jetzt hat es mich komplett gepackt! Ich kann an nichts anderes mehr denken, organisiere mein Leben um ihn herum, vergesse Dinge, die mir wichtig waren, schinde Zeit heraus für ihn, wo eigentlich unmöglich noch welche zu finden sein kann.
Nur das mit dem Streicheln ist anstrengend wie in Zeiten, als ich noch jünger war. Mit vier, maximal sechs Fingern geht es an die Sehnen, die Muskeln. Lockerungsübungen. Ölmassagen. Und er schaut nur passiv zu, unterhält sich vielleicht mit mir ... alles muss ich selbst machen. Ich könnte ihn auf den Mond schießen dafür! Aber ich kann nicht mehr zurück, je suis mordue, ich bin schon fast besessen. Die alte Leidenschaft. Mein Alter spielt keine Rolle dabei, sie füllt mich mit Glück und Schmerz, als sei ich siebzehn. Eine amour fou?
Wohin soll das noch führen mit mir und meinem Roman?! Ich sitze beim Frühstück und rede mit meinem Protagonisten. In den vergangenen zehn Jahren habe ich ihm schon zig Berufe verpasst, sein Alter und sein Aussehen bis zur Unkenntlichkeit verändert. Es wollte einfach nicht funktionieren mit uns. Ich habe gekämpft, gestritten. Dann diese Nacht, in der das ewige Wunder wieder passiert ist: Die Schriftstellerin schafft es endlich, sich dem Ungewissen auszuliefern, sich einer Idee hinzugeben. Ich bin zur Kaffeemaschine heute nur so geflogen. Mein Protagonist hat zum ersten Mal wirklich mit mir gesprochen. Er lebt, sitzt mit am Tisch. Und diktiert mir in die Tasten, wie er sein möchte. Wie er wirklich ist. Nicht so, wie ich ihn zurechtbiegen oder erdenken wollte. Gefährlich, denn er kennt mich und meine Marotten viel zu gut. Und ich lasse mir den Stift aus der Hand nehmen und lächle.
Denn in diesem Moment kann ich auch sie sehen: die zweite Hauptfigur. Noch wabert sie etwas durchsichtig wie ein Geist durch die Luft, lässt nur hier und da eine Geste aufblitzen, ein Lächeln, ein wütendes Gesicht ... und immer wieder diese Augen. Sie setzt sich vorsichtig zu uns, weil sie weiß, dass Autorinnen in diesem Zustand ungefährlich sind. Sie tun brav ihre Arbeit. Tippen sich die Finger wund, nur um mit diesem Film vor Augen mitzuhalten. Im Moment spult er sich rasant ab, ich komme kaum nach. Aber es werden auch die harten Zeiten kommen, die Zeiten der Selbstzweifel, das gegenseitige Quälen, die Tage, an denen kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist und nichts funktionieren will. Vielleicht muss es deshalb Liebe sein. Ich muss es sehr lange mit diesen beiden Menschen aushalten. Sie werden mich Tag und Nacht begleiten. Und irgendwann werde ich sie loslassen müssen und unendlich traurig darüber sein. Aber das spielt keine Rolle. Nicht jetzt. Jetzt will ich mich ganz und gar dieser neuen Liebe hingeben. Nicht ans Morgen denken. Aber ich habe das Gefühl, dass aus uns etwas werden könnte ...
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29. April 2013
27. April 2013
Lesestöffchen
Keiner freut sich über das schlechte Wetter mehr als ich: Ideal, um nicht vom Romanschreiben abgelenkt zu werden! Und auf dem Nachttisch liegt wieder neue gute Lektüre. Dabei stelle ich an mir ein neues, altes Kaufverhalten fest: Bücher, die ich länger besitzen will und vielleicht auch mehr als nur einmal lesen, kaufe ich trotz Reader wieder lieber auf Papier. Und dass es keine wirklich guten Bücher mehr gibt, sollte man nicht behaupten - es wird nur immer schwieriger, die Perlen überhaupt zu entdecken.
Ganz besonders freue ich mich, wenn ich eine neue Schriftstellerin entdecken kann, einen neuen Schriftsteller. Denn das bedeutet in der Regel mehr als nur ein gutes Buch. So ging es mir unlängst mit Anna Enquist, wo ich mich inzwischen wundere, wie ich diese preisgekrönte Schriftstellerin überhaupt habe übersehen können. Wie entdeckt man so jemanden?
In meinem Fall hat irgendwer in meinen Kreisen bei Facebook ihr Buch "Die Betäubung" empfohlen, allerdings so interessant formuliert, dass ich mir die Sache genauer ansah. Mich faszinierte sofort die Berufskombination der Frau: ausgebildete Konzertpianistin und Psychoanalytikerin. Solche ungewöhnlichen Vereinigungen zwischen Kunst und scheinbar völlig anderen Berufen verraten oft besonders interessante Persönlichkeiten und Weltsichten. Die Leseprobe auf dem Kindle hat mich gleich so gepackt, dass ich mit ein paar Klicks nicht das E-Book heruntergeladen habe, sondern online das gedruckte Buch bei meinem Buchhändler bestellte. Gut so, denn dieses Buch werde ich nicht nur einmal lesen! Wie begeistert ich war, verrät meine Rezension.
Gestern begann ich mit ihrem Roman "Die Erbschaft des Herrn Leon" (alle ihre Bücher auf einen Blick) und bin schon wieder bezaubert: Was für eine Sprachkraft, was für ungewöhnliche Bilder! Und diese Sensibilität. Die Geschichte berührt mich besonders: Wegen der eigenen Affinität zur Musik und weil es offenbar um die Essenz des Künstlerdaseins geht, all diese "komischen Dinge", mit denen wir in diesen eigenartigen Berufen ringen ... von der Schriftstellerei über die Malerei, die Musik, den Tanz, das Theater ....
Übrigens ist mir auch ihr deutscher Verlag zufällig wieder positiv aufgefallen. Eine Zeitlang hatte Luchterhand meiner Meinung nach sehr stark nachgelassen, inzwischen gräbt der Luchterhand Literaturverlag wieder richtige Trüffel aus. Lange habe ich hin und her überlegt, aber mir dann doch Viktor Pelewins Roman "Tolstois Albtraum" geschnappt. Wie war das nochmal: Bücher sollten immer billiger werden? Nein, man kauft auch ein Buch für über 20 Euro, ohne auf eine Taschenbuchausgabe zu warten ... einfach wenn das Begehren die Übermacht gewinnt. Begehren und Bücher ... das ist nicht immer trennbar. Und nein, keine Angst, es geht nicht um hehre Literaten in dem Buch, sondern um recht irdischen Irrwitz, wie es der Standard schön beschreibt.
Für solche Bücher liebe ich die osteuropäische und vor allem russische Literatur. Ich träume davon, mit einer solchen Leichtigkeit und Finesse Realität und Fiktion, Normalität und Absurdität zu verschmelzen ... Wie öde und dröge wirken mir dagegen die "Handwerksbücher", bei denen nach Einkaufszettel Plotkonstruktionen und Cliffhangers genau platziert sind, vorhersagbar wie die Pappkameraden, die als Figuren agieren. Und wie viel Angst habe ich selbst, im eigenen Schreiben genau auf diese vorhersagbare Seite zu geraten.
Da war übrigens noch ein sehr besonderes Buch, an das ich durch die berüchtigte "Kunden, die X kauften, kauften auch Y"-Maschine geriet. Via Anna Enquist ... Es ist der Erstling des Amerikaners Austin Ratner: The Jump Artist. Von der Story her könnte es ein Krimi sein: Ein junger Mann wird des Vatermordes angeklagt, doch der Absturz des Vaters in den österreichischen Bergen kann nie wirklich geklärt werden. Der Sohn ist Ausländer - und Jude, Europa steht vor der Machtergreifung Hitlers. Unsäglich, wie der junge Mann unschuldig zwei Prozesse verliert, wie man an ihm Exempel zu statuieren versucht, die eine Persönlichkeit brechen könnten. Das gelingt den Schergen auch fast, bis der Protagonist seine Freude am Fotografieren entdeckt.
Der Roman ist eine Meisterleistung im Genre der fiktionalisierten Biografie. Denn hinter dem jungen Mann steckt einer der berühmtesten Fotografen der Welt: Philippe Halsmann gelang rechtzeitig die Flucht in die USA, er lichtete alle Größen dieser Welt in unglaublicher Sensibilität ab und schließlich in ungewohnter Selbstentblößung. Er kam nämlich auf die Idee, dass Menschen, die in die Höhe springen, kurzzeitig ihre Fassade nicht aufrechterhalten können. Für ihn sprang sogar Marilyn Monroe in die Luft.
Aber Ratner erzählt nicht die Geschichte des Starfotografen - er fiktionalisiert dessen Jugend, die Versuche, seine Persönlichkeit zu brechen, seine innere Kraft und gleichzeitig Zerrissenheit. Dadurch entsteht fernab von der historischen Persönlichkeit ein großer Roman über die Kraft der Kunst und die Kraft von Menschen, sich aus den schlimmsten Katastrophen und Seelenqualen hochzuarbeiten zu einem selbstbestimmten Leben. Ratner erzählt auch die Geschichte der aufkommenden Faschisten ganz nah an der Einzelperson. In einem wahren Gerichtsdrama agieren sie alle: Die Mitläufer, die Schweigsamen, die Verblendeten, die aktiven Zerstörer - und diejenigen, die versuchen, auch in solchen Zeiten für das Gute im Menschen aufzustehen. Ein sprachlich starkes Buch obendrein, dessen Bilder und Atmosphären man nicht vergisst.
Update: Hochinteressant die Kommentare zu diesem Beitrag. Über genau das gleiche Sujet hat Martin Pollack sein Buch "Vatermord" geschrieben, das ich nicht kenne. Wie unterschiedlich beide Romane jedoch in Inhalt und Ansatz sein können, macht vielleicht ein Vergleich von Perlentaucher (Pollack) und Telegraph (Ratner) deutlich.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich bin auf schlechtes Wetter gut vorbereitet. Übrigens auch in Sachen Duft!
Ganz besonders freue ich mich, wenn ich eine neue Schriftstellerin entdecken kann, einen neuen Schriftsteller. Denn das bedeutet in der Regel mehr als nur ein gutes Buch. So ging es mir unlängst mit Anna Enquist, wo ich mich inzwischen wundere, wie ich diese preisgekrönte Schriftstellerin überhaupt habe übersehen können. Wie entdeckt man so jemanden?
In meinem Fall hat irgendwer in meinen Kreisen bei Facebook ihr Buch "Die Betäubung" empfohlen, allerdings so interessant formuliert, dass ich mir die Sache genauer ansah. Mich faszinierte sofort die Berufskombination der Frau: ausgebildete Konzertpianistin und Psychoanalytikerin. Solche ungewöhnlichen Vereinigungen zwischen Kunst und scheinbar völlig anderen Berufen verraten oft besonders interessante Persönlichkeiten und Weltsichten. Die Leseprobe auf dem Kindle hat mich gleich so gepackt, dass ich mit ein paar Klicks nicht das E-Book heruntergeladen habe, sondern online das gedruckte Buch bei meinem Buchhändler bestellte. Gut so, denn dieses Buch werde ich nicht nur einmal lesen! Wie begeistert ich war, verrät meine Rezension.
Gestern begann ich mit ihrem Roman "Die Erbschaft des Herrn Leon" (alle ihre Bücher auf einen Blick) und bin schon wieder bezaubert: Was für eine Sprachkraft, was für ungewöhnliche Bilder! Und diese Sensibilität. Die Geschichte berührt mich besonders: Wegen der eigenen Affinität zur Musik und weil es offenbar um die Essenz des Künstlerdaseins geht, all diese "komischen Dinge", mit denen wir in diesen eigenartigen Berufen ringen ... von der Schriftstellerei über die Malerei, die Musik, den Tanz, das Theater ....
Übrigens ist mir auch ihr deutscher Verlag zufällig wieder positiv aufgefallen. Eine Zeitlang hatte Luchterhand meiner Meinung nach sehr stark nachgelassen, inzwischen gräbt der Luchterhand Literaturverlag wieder richtige Trüffel aus. Lange habe ich hin und her überlegt, aber mir dann doch Viktor Pelewins Roman "Tolstois Albtraum" geschnappt. Wie war das nochmal: Bücher sollten immer billiger werden? Nein, man kauft auch ein Buch für über 20 Euro, ohne auf eine Taschenbuchausgabe zu warten ... einfach wenn das Begehren die Übermacht gewinnt. Begehren und Bücher ... das ist nicht immer trennbar. Und nein, keine Angst, es geht nicht um hehre Literaten in dem Buch, sondern um recht irdischen Irrwitz, wie es der Standard schön beschreibt.
Für solche Bücher liebe ich die osteuropäische und vor allem russische Literatur. Ich träume davon, mit einer solchen Leichtigkeit und Finesse Realität und Fiktion, Normalität und Absurdität zu verschmelzen ... Wie öde und dröge wirken mir dagegen die "Handwerksbücher", bei denen nach Einkaufszettel Plotkonstruktionen und Cliffhangers genau platziert sind, vorhersagbar wie die Pappkameraden, die als Figuren agieren. Und wie viel Angst habe ich selbst, im eigenen Schreiben genau auf diese vorhersagbare Seite zu geraten.
Da war übrigens noch ein sehr besonderes Buch, an das ich durch die berüchtigte "Kunden, die X kauften, kauften auch Y"-Maschine geriet. Via Anna Enquist ... Es ist der Erstling des Amerikaners Austin Ratner: The Jump Artist. Von der Story her könnte es ein Krimi sein: Ein junger Mann wird des Vatermordes angeklagt, doch der Absturz des Vaters in den österreichischen Bergen kann nie wirklich geklärt werden. Der Sohn ist Ausländer - und Jude, Europa steht vor der Machtergreifung Hitlers. Unsäglich, wie der junge Mann unschuldig zwei Prozesse verliert, wie man an ihm Exempel zu statuieren versucht, die eine Persönlichkeit brechen könnten. Das gelingt den Schergen auch fast, bis der Protagonist seine Freude am Fotografieren entdeckt.
Der Roman ist eine Meisterleistung im Genre der fiktionalisierten Biografie. Denn hinter dem jungen Mann steckt einer der berühmtesten Fotografen der Welt: Philippe Halsmann gelang rechtzeitig die Flucht in die USA, er lichtete alle Größen dieser Welt in unglaublicher Sensibilität ab und schließlich in ungewohnter Selbstentblößung. Er kam nämlich auf die Idee, dass Menschen, die in die Höhe springen, kurzzeitig ihre Fassade nicht aufrechterhalten können. Für ihn sprang sogar Marilyn Monroe in die Luft.
Aber Ratner erzählt nicht die Geschichte des Starfotografen - er fiktionalisiert dessen Jugend, die Versuche, seine Persönlichkeit zu brechen, seine innere Kraft und gleichzeitig Zerrissenheit. Dadurch entsteht fernab von der historischen Persönlichkeit ein großer Roman über die Kraft der Kunst und die Kraft von Menschen, sich aus den schlimmsten Katastrophen und Seelenqualen hochzuarbeiten zu einem selbstbestimmten Leben. Ratner erzählt auch die Geschichte der aufkommenden Faschisten ganz nah an der Einzelperson. In einem wahren Gerichtsdrama agieren sie alle: Die Mitläufer, die Schweigsamen, die Verblendeten, die aktiven Zerstörer - und diejenigen, die versuchen, auch in solchen Zeiten für das Gute im Menschen aufzustehen. Ein sprachlich starkes Buch obendrein, dessen Bilder und Atmosphären man nicht vergisst.
Update: Hochinteressant die Kommentare zu diesem Beitrag. Über genau das gleiche Sujet hat Martin Pollack sein Buch "Vatermord" geschrieben, das ich nicht kenne. Wie unterschiedlich beide Romane jedoch in Inhalt und Ansatz sein können, macht vielleicht ein Vergleich von Perlentaucher (Pollack) und Telegraph (Ratner) deutlich.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich bin auf schlechtes Wetter gut vorbereitet. Übrigens auch in Sachen Duft!
24. April 2013
Es ist sehr viel schöner als Fliegen!
"Schreiben ist Atmen. Bücher sind Leben", steht auf meinen Visitenkarten - den Spruch habe ich mir übrigens in Anlehnung an Nijinskys Bemerkungen über das Tanzen ausgedacht. Und obwohl ich im Moment wegen einer angeschlagenen Stimme fleißig Atemübungen mache und dämliche Schauspielsprechübungen dazu, wollte das mit dem Atmen irgendwie nicht gelingen. Natürlich schreibe ich den ganzen Tag (und manchmal auch nachts). Aber nicht DAS. Nicht das EINE. Die meisten KollegInnen werden es kennen: Es gibt diese Bücher, die man nach Auftrag oder weil man das Thema gerade gut findet, einigermaßen gelassen und ordentlich schreibt. Es ist eben nicht nur Atmen, sondern oft auch nur ein stinknormaler Beruf mit allen Höhen und Tiefen.
Und dann gibt es dieses ES. Das aus einem herausplatzt. Das man manchmal zu verhindern versucht wie eine neue Liebe, der man noch nicht ganz traut. Das einem manchmal auch Angst macht, weil es einen mit Haut und Haaren zu verschlingen droht oder zu viel zu fordern scheint. Da sitzen dann die inneren Zensoren auf der Vogelstange, einer fetter als der andere, und sie zwitschern einen schwach: Das verkaufst du nie! Für welchen Verlag soll das Geschwafel passen? Hast du nicht Vernünftigeres zu tun? Solltest du nicht gerade lieber Geld verdienen? Wäre es nicht angebrachter, jetzt einen handfesten Text zu übersetzen? Kannst du das überhaupt? Versuch's erst gar nicht, schau dir die Texte deiner berühmten KollegInnen an und such dir lieber einen ordentlichen Beruf! Hast du nicht eigentlich überhaupt keine Zeit dazu? Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen: Gründe, ein Manuskript nicht zu verfassen, gibt es unzählige.
Der schlimmste Grund ist der, wenn das Manuskript vorn und hinten nicht funktionieren will, obwohl es einen gepackt hat. Ich berichtete von meinem "Ewigen Machwerk", mit dem ich sogar hochoffiziell den Wunsch begraben hatte, je wieder einen Roman schreiben zu wollen. Das hatte auch einen anderen Grund - die einzigen beiden Romane, die ich vor Jahren geschrieben hatte, waren ein Zugeständnis an Verlagswünsche gewesen. Sie waren von mir und doch nicht richtig von mir. Für das, was mir am Herzen lag, hätte ich damals nie einen Vertrag bekommen. Und diese Selbstverleugnung wollte ich mir nicht mehr antun müssen.
Anfang des Monats ist es dann passiert. In einer Situation, in der kein vernünftiger Mensch ans Schreiben denkt, geschweige denn die Zeit oder Energie dazu aufbringt, hatte ich das berühmte Heureka-Ereignis. Plötzlich stand mir mein "Machwerk" völlig lebendig vor Augen und alle inneren Zensoren hatten sich verkrümelt. Die Lösung für die Figuren wie die Dramaturgie, das eigentliche Thema ... die war so einfach wie kompliziert: In den Müll mit zehn Jahren vergeblicher Arbeit! Noch einmal ein völliger Neustart mit einer außergewöhnlichen Idee ...
Alles ist neu. Ich bin jetzt erst einmal ein Mann, d.h. ich muss mich in eine männliche Figur hineindenken. Im wahren Leben werde ich also ziemlich oft die Männer in meinem Bekanntenkreis damit nerven, die eine oder andere Gefühlsregung oder Handlung meines Protagonisten auf Stimmigkeit zu überprüfen. Der lebt im Hier und Jetzt, ist von Beruf ausgerechnet Gärtner (das wollte er, nicht ich) und fällt gerade aus allen Wolken. Die seltsame Frau aus der Urfassung ist auch noch da, zumindest ihr Name. Aber sie wurde von mir in der Zeitmaschine verwurstet, erlebt das beginnende 20. Jahrhundert in Paris und ähnelt immer wieder einem spektakulären Fall aus den 1920er Jahren in den USA. Nein, kein historischer Roman, und ich weiß auch noch nicht genau, wohin mich meine Figuren führen werden. Ich muss mir ja jetzt erst einmal Mühe geben, zwei so unterschiedliche Zeitebenen zu verknüpfen!
Aber alle Theorie ist grau. Vorrecherchen waren nötig. Das Ganze musste sich erst setzen. Vorhin ist es explodiert. In die Tasten hinein. Die ersten zwei Seiten lesen sich so gut (das behaupte ich von meinen Texten extrem selten), wie sich Seiten lesen, an denen man zehn Jahre lang gearbeitet hat. Das fließt mit einer Leichtigkeit, die trunken macht und mich gleich zum Weiterschreiben drängen wird. Nein, ich habe keine Zeit für diesen Roman, vernünftig ist es auch nicht, ausgerechnet jetzt damit zu beginnen. Aber wenn man täglich nur eine einzige Seite schreibt, sind das im Jahr auch 365 Seiten!
Ich atme wieder. Und fühle Vaslav Nijinsky so sehr nach, wie es ist, wenn man einfach tanzen muss, weil man nicht anders kann. Weil Atmen Leben ist. Und Schreiben manchmal beides.
PS: Sollte ich mein Manuskript wider Erwarten in die Schublade zurückstopfen, möge man mir diesen Beitrag hier bitte um die Ohren hauen!
Und dann gibt es dieses ES. Das aus einem herausplatzt. Das man manchmal zu verhindern versucht wie eine neue Liebe, der man noch nicht ganz traut. Das einem manchmal auch Angst macht, weil es einen mit Haut und Haaren zu verschlingen droht oder zu viel zu fordern scheint. Da sitzen dann die inneren Zensoren auf der Vogelstange, einer fetter als der andere, und sie zwitschern einen schwach: Das verkaufst du nie! Für welchen Verlag soll das Geschwafel passen? Hast du nicht Vernünftigeres zu tun? Solltest du nicht gerade lieber Geld verdienen? Wäre es nicht angebrachter, jetzt einen handfesten Text zu übersetzen? Kannst du das überhaupt? Versuch's erst gar nicht, schau dir die Texte deiner berühmten KollegInnen an und such dir lieber einen ordentlichen Beruf! Hast du nicht eigentlich überhaupt keine Zeit dazu? Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen: Gründe, ein Manuskript nicht zu verfassen, gibt es unzählige.
Der schlimmste Grund ist der, wenn das Manuskript vorn und hinten nicht funktionieren will, obwohl es einen gepackt hat. Ich berichtete von meinem "Ewigen Machwerk", mit dem ich sogar hochoffiziell den Wunsch begraben hatte, je wieder einen Roman schreiben zu wollen. Das hatte auch einen anderen Grund - die einzigen beiden Romane, die ich vor Jahren geschrieben hatte, waren ein Zugeständnis an Verlagswünsche gewesen. Sie waren von mir und doch nicht richtig von mir. Für das, was mir am Herzen lag, hätte ich damals nie einen Vertrag bekommen. Und diese Selbstverleugnung wollte ich mir nicht mehr antun müssen.
Anfang des Monats ist es dann passiert. In einer Situation, in der kein vernünftiger Mensch ans Schreiben denkt, geschweige denn die Zeit oder Energie dazu aufbringt, hatte ich das berühmte Heureka-Ereignis. Plötzlich stand mir mein "Machwerk" völlig lebendig vor Augen und alle inneren Zensoren hatten sich verkrümelt. Die Lösung für die Figuren wie die Dramaturgie, das eigentliche Thema ... die war so einfach wie kompliziert: In den Müll mit zehn Jahren vergeblicher Arbeit! Noch einmal ein völliger Neustart mit einer außergewöhnlichen Idee ...
Alles ist neu. Ich bin jetzt erst einmal ein Mann, d.h. ich muss mich in eine männliche Figur hineindenken. Im wahren Leben werde ich also ziemlich oft die Männer in meinem Bekanntenkreis damit nerven, die eine oder andere Gefühlsregung oder Handlung meines Protagonisten auf Stimmigkeit zu überprüfen. Der lebt im Hier und Jetzt, ist von Beruf ausgerechnet Gärtner (das wollte er, nicht ich) und fällt gerade aus allen Wolken. Die seltsame Frau aus der Urfassung ist auch noch da, zumindest ihr Name. Aber sie wurde von mir in der Zeitmaschine verwurstet, erlebt das beginnende 20. Jahrhundert in Paris und ähnelt immer wieder einem spektakulären Fall aus den 1920er Jahren in den USA. Nein, kein historischer Roman, und ich weiß auch noch nicht genau, wohin mich meine Figuren führen werden. Ich muss mir ja jetzt erst einmal Mühe geben, zwei so unterschiedliche Zeitebenen zu verknüpfen!
Aber alle Theorie ist grau. Vorrecherchen waren nötig. Das Ganze musste sich erst setzen. Vorhin ist es explodiert. In die Tasten hinein. Die ersten zwei Seiten lesen sich so gut (das behaupte ich von meinen Texten extrem selten), wie sich Seiten lesen, an denen man zehn Jahre lang gearbeitet hat. Das fließt mit einer Leichtigkeit, die trunken macht und mich gleich zum Weiterschreiben drängen wird. Nein, ich habe keine Zeit für diesen Roman, vernünftig ist es auch nicht, ausgerechnet jetzt damit zu beginnen. Aber wenn man täglich nur eine einzige Seite schreibt, sind das im Jahr auch 365 Seiten!
Ich atme wieder. Und fühle Vaslav Nijinsky so sehr nach, wie es ist, wenn man einfach tanzen muss, weil man nicht anders kann. Weil Atmen Leben ist. Und Schreiben manchmal beides.
PS: Sollte ich mein Manuskript wider Erwarten in die Schublade zurückstopfen, möge man mir diesen Beitrag hier bitte um die Ohren hauen!
20. April 2013
Der Verlust der Unschuld oder: Wann platzt die Blase?
In der Zeit nach Ostern hielt ich mich in einer seltsam fremden "Galaxie" auf: voll klimatisierte Räume hoch über der Stadt, ein Mikrokosmos völlig anderer Berufe, ohne eigenen Internetanschluss und mit einem technisch bedingten Handyverbot in den meisten Räumen. Weil das Eintauchen in fremde Welten Schriftsteller bekanntlich beflügelt, entschloss ich mich, die Gunst der Stunde zu nutzen, um mich äußerst intensiv mit jenen Menschen und ihren Tätigkeiten zu beschäftigen, aber stattdessen das Handy nur zu extrem sporadischen Zeiten für eine rare Sms an die übrige Welt zu benutzen, die lediglich das Datum meiner Rückkehr auf die Erde verkündete. Von einem Planeten, der sich in einer Sache vollkommen von dem vieler Kollegen unterschied: Es gab keinerlei Social Media. Das Internet wurde dort, wo ich mich aufhielt, rein zur Arbeit und Forschung benutzt. Die spannenden und wertvollen Persönlichkeiten, denen ich begegnen durfte, sind weder bei Facebook, Xing noch auf anderen Plattformen zu finden.
Wie würde sich das völlige Abschalten der Social-Media-Zugänge auswirken? War ich darauf nicht wegen meiner Buchverkäufe angewiesen? Wie schnell würde man mich vergessen? Wie schnell meine Bücher?
Man liest ja viel darüber, wie man Zeit dehnen kann und wie man dann in die aufgesparte Zeit noch mehr Produktivität füllen könnte. Dieses "Du musst abschalten / umschalten / verlangsamen" ist inzwischen ebenfalls zum Geräuschteppich verkommen, mit dem sich hervorragend Geld scheffeln lässt, solange die Menschen nicht einfach selbst diesen Ausschaltknopf finden und betätigen.
Zwei Gespräche vor meiner Abreise gaben mir sehr viel mehr zu denken. Das eine war ein Kollege, der mit der These aufwartete:
Der zweite Freund ist als Coach unterwegs. Das sind diese Leute, die man besonders häufig und aktiv in Social Media vermutet, mit riesigen Fankreisen, die sich wundersam zu künftigen Kunden mausern. Weit gefehlt! Erzählt mir der Mann doch tatsächlich, dass er langsam alles abschaltet. Bei Facebook schreibt er keine neuen Beiträge ins Profil, sondern löscht die alten. Und einen Rattenschwanz an überflüssigen "Freunden" dazu. Internetkommunikation auf Minimal-Level und eher vertraulich per Mail, stattdessen belebt er via moderner Technik das gute alte Telefongespräch. Statt nette Bildchen zu schießen, schaut er den Menschen in die Augen, statt Fotos zu posten, setzt er sich ins Auto und fährt zu Treffen im echten Leben. Er strahlt wie einer, der eine Offenbarung erlebt: Die Zukunftspläne würden deutlicher, eine Empfehlung da draußen im Leben kommt zur anderen; das wahre, das echte Gespräch sei so unerreicht fruchtbar. Und demnächst ginge es in einem Lehrgang um das, was in Social Media nicht mehr funktioniere: das Zuhören, das aktive Hinlesen.
Etwas, das auch mir fehlt. Während ich weg war, haben bei FB trotz riesiger Abwesenheitsmeldung Menschen weiter mit mir kommuniziert, als sei ich anwesend. Ein paar wenige herrschten mich sogar rüde per PN an, warum ich ihnen nicht gleich antwortete. Als ich auch darauf nicht antwortete, redeten sie einfach weiter mit mir. Wollte ich mir all das weiter in diesem Maße antun? Musste ich es nicht, weil alle es so machen, weil "man" das als Autorin heutzutage so macht, weil man ohne ruiniert wäre?
Mein Exitus aus der Social Media Welt ist sicher nicht auf alle Berufe und Persönlichkeiten übertragbar, aber das Fazit war tiefgreifend. Ich brauche das alles nicht - jedenfalls nicht so!
Ich aber habe endlich Zeit, auch seltsame Texte im Internet zu lesen, in denen es nur um Schriftstellerinnen und ihre Schmetterlinge geht:
Wie würde sich das völlige Abschalten der Social-Media-Zugänge auswirken? War ich darauf nicht wegen meiner Buchverkäufe angewiesen? Wie schnell würde man mich vergessen? Wie schnell meine Bücher?
Man liest ja viel darüber, wie man Zeit dehnen kann und wie man dann in die aufgesparte Zeit noch mehr Produktivität füllen könnte. Dieses "Du musst abschalten / umschalten / verlangsamen" ist inzwischen ebenfalls zum Geräuschteppich verkommen, mit dem sich hervorragend Geld scheffeln lässt, solange die Menschen nicht einfach selbst diesen Ausschaltknopf finden und betätigen.
Zwei Gespräche vor meiner Abreise gaben mir sehr viel mehr zu denken. Das eine war ein Kollege, der mit der These aufwartete:
"Ein Buch verkauft sich oder es verkauft sich nicht. Du kannst dafür nichts tun, denn könnte man das, dann könnte man Bestseller machen."Was haben wir debattiert! Ich wollte das nicht so stehenlassen. Zumindest für Sichtbarkeit musste man sorgen. Unsichtbare Bücher kauft niemand. Und natürlich entscheiden Inhalte und Empfehlungen eher als Marketinggedöns. Aber wie sollte man heutzutage so ganz ohne Gedöns zu ersteren kommen? War das nicht nur eine gewisse Internet-Müdigkeit, wie sie sich nach starker Aktivität auch bei anderen Kollegen einstellt?
Der zweite Freund ist als Coach unterwegs. Das sind diese Leute, die man besonders häufig und aktiv in Social Media vermutet, mit riesigen Fankreisen, die sich wundersam zu künftigen Kunden mausern. Weit gefehlt! Erzählt mir der Mann doch tatsächlich, dass er langsam alles abschaltet. Bei Facebook schreibt er keine neuen Beiträge ins Profil, sondern löscht die alten. Und einen Rattenschwanz an überflüssigen "Freunden" dazu. Internetkommunikation auf Minimal-Level und eher vertraulich per Mail, stattdessen belebt er via moderner Technik das gute alte Telefongespräch. Statt nette Bildchen zu schießen, schaut er den Menschen in die Augen, statt Fotos zu posten, setzt er sich ins Auto und fährt zu Treffen im echten Leben. Er strahlt wie einer, der eine Offenbarung erlebt: Die Zukunftspläne würden deutlicher, eine Empfehlung da draußen im Leben kommt zur anderen; das wahre, das echte Gespräch sei so unerreicht fruchtbar. Und demnächst ginge es in einem Lehrgang um das, was in Social Media nicht mehr funktioniere: das Zuhören, das aktive Hinlesen.
Etwas, das auch mir fehlt. Während ich weg war, haben bei FB trotz riesiger Abwesenheitsmeldung Menschen weiter mit mir kommuniziert, als sei ich anwesend. Ein paar wenige herrschten mich sogar rüde per PN an, warum ich ihnen nicht gleich antwortete. Als ich auch darauf nicht antwortete, redeten sie einfach weiter mit mir. Wollte ich mir all das weiter in diesem Maße antun? Musste ich es nicht, weil alle es so machen, weil "man" das als Autorin heutzutage so macht, weil man ohne ruiniert wäre?
Mein Exitus aus der Social Media Welt ist sicher nicht auf alle Berufe und Persönlichkeiten übertragbar, aber das Fazit war tiefgreifend. Ich brauche das alles nicht - jedenfalls nicht so!
- Je weniger ich in Social Media anwesend war, desto besser verkauften sich meine Bücher.
- Als ich ganz abschaltete, schnellten meine Verkaufszahlen spürbar nach oben, obwohl das Ostergeschäft vorbei war. (Irgendwie finde ich das hochnotpeinlich!)
- Leute, die mich vermissten, empfahlen mich und machten Werbung für mich.
- Die Bücher, die ich verkaufe, laufen durch Empfehlungen oder Buchhandelspräsenz - und durch Leseproben in anderen Titeln (knallharte Zahlen sagen mir das). Das Marketinggedöns hat in etwa die Reichweite einer Selbstbefriedigung.
- Je mehr ich bei FB & Co. "schwätze", desto mehr entferne ich mich von meinen eigentlichen Lesern hin zu Kollegen und Leuten aus der Buchbranche.
- Social Media und das, was ich bisher für Pflicht hielt, nehmen mir extrem wertvolle Lebenszeit und Schreibzeit.
- Social Media und die ständigen Veränderungen bei FB greifen spürbar manipulativ in mein Kommunikationsverhalten ein. Obwohl ich ein sehr bewusster und analytischer Mensch diesbezüglich bin, ist es schwer, den provozierten Verhaltensweisen zu entgehen (das wäre einen eigenen Artikel wert!)
- Ich schwimme zunehmend im eigenen Saft, die scheinbare Weitung des einsamen Schreibkämmerchens führt auch nur wieder in die Branche.
- Immer öfter und viel zu sehr bin ich versucht, schnell und preiswert online zu recherchieren. Eine Auszeit, um wirklich fremde Welten zu betreten und Menschen darin zu begleiten, leistet man sich viel zu wenig. Aber nur daraus wachsen Bücher mit einer gewissen Tiefe, wachsen Erfahrungen und Inspirationen.
- Externe Plattformen wie Twitter, FB, Google+ und wie sie alle heißen, binden wertvolle Energie, wertvolle Daten und Adressen an sich, die mir woanders sehr viel mehr nützen würden.
- Klasse statt Masse! Ein lustiges Foto bei FB mag tausende von Likes und Shares bringen - aber wer weiß nachher noch, wer damit was hat sagen wollen? Ein Blogbeitrag bringt vielleicht drei aktive Kommentare - aber ungleich mehr echte Leser. Die meisten neuen Buchkäufe außerhalb des Buchhandels werden bei mir nachweislich über Blogbeiträge generiert.
- Ich habe noch nie Aufträge via Social Media generiert. Darum bekam ich auch welche während des Abschaltens.
- Beim Bloggen muss ich aufpassen, nicht ins virtuelle Großraumbüro zu verfallen, sondern tatsächlich meine Leserschaft anzusprechen, die sich für Buchbrancheninterna kein bißchen interessiert. Deshalb gibt's zum Kollegentreff hier das Themenblog. Wer das gern liest, wird auch meine Bücher aushalten.
- FB, Twitter & Co. sind ideale Medien, neue Leserschaften auf die Blogs zu leiten, anstatt sie von den Blogs abzuziehen. Dazu muss man sein Kommunikationsverhalten analysieren und evtl. ändern.
- Datenhoheit wird immer wichtiger. Menschen, die mich oder meine Bücher suchen, brauchen einen Ankerplatz, wo sie beides finden. Über diesen Ankerplatz muss ich alleine herrschen, nicht irgendein fremder Konzern. Für mich sind das Website und Blogs - beides vollständig auf meiner Festplatte gesichert und jederzeit überallhin zu transferieren. Für mich sind das nicht meine Plätze auf fremden Plattformen, wo ich alles verliere, wenn es meine Identität dort nicht mehr gibt, ich wie manche Kollegen plötzlich blockiert werde oder die Plattform schließt.
- Meine besten Leser sind Stammleser. Kürzlich erlebte ich das wunderschöne Beispiel einer Frau, die auf Twitter ein Foto fast all meiner Bücher zeigte - sie hatte sie alle gekauft und gelesen. So bekamen wir auch per Mail Kontakt. Warum soll ich all diese Namen und Menschen und Daten von anderen Firmen sammeln lassen, die Geld damit machen? Jetzt wird der Spieß umgekehrt: Ich sammle bei mir, denn ich will denen, die es interessiert, direkt schreiben können. Längst überfälliger Schritt: ein Newsletter muss her! Direktkommunikation mit Kunden jenseits von Verlagen, Buchhandel, aber auch fremden Konzernen und Plattformen.
- Zeitmanagement: Zwei Wochen ohne Social Media haben unwahrscheinlich gut getan. Ich habe absolut nichts verpasst. Die Weltpolitik fühlte sich viel entspannter an. Ich hatte endlich wieder die Zeit für mich, die man zum wirklichen Entwickeln von Projekten braucht. Stattdessen konnte ich mich sogar mit sehr grundlegend wichtigen Fragen des Lebens beschäftigen und völlig neue Welten kennenlernen.
- Wenn ich nichts für den Verkauf meiner Bücher tue, verkaufen sie sich nicht schlechter. Warum das so ist, liegt an völlig anderen Mechanismen, die künftig mehr zu beachten wären: Dem Themenblog, der offline-Pflege echter Multiplikatoren, leicht verfügbaren Leseproben, dem Aufbau eines Namens und Rufs durch Dritte, was man nur bedingt steuern kann, persönliche Empfehlungen, professioneller Qualität, und letztlich den Inhalten Inhalten Inhalten ...
Ich aber habe endlich Zeit, auch seltsame Texte im Internet zu lesen, in denen es nur um Schriftstellerinnen und ihre Schmetterlinge geht:
"When I discovered beauty in bird-songs, apple-blossoms, music, sunsets (but chiefly butterflies), I yearned to put it into tangible form so that I could keep it, hold it, understand it. I wrote masses of stuff, about everything under the sun, just for the pleasure and relief it gave me. This relief I could not have had in any other way." (Barbara Newhall Follett)Disclaimer: Sämtliche Folgerungen und Empfehlungen sind nicht auf jede Krankheit anzuwenden. Fragen Sie besser Ihren inneren Arzt oder Apotheker.
18. April 2013
Endlich in der Post
Zwei Wochen lang hat sich die Post Zeit gelassen, mein Vorabexemplar "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" zu befördern, in dieser Zeit hat es sich ganz Frankreich anschauen dürfen und wurde schließlich aus der Ile-de-France nach Entzheim geflogen und dann in den LKW gepackt. Verstehe einer globale Vernetzungen (es hätte ja eine Fluglinie direkt von Berlin nach Baden-Baden gegeben ... von dort aus ins Postauto???)
Jedenfalls sind mir dabei wieder Erinnerungen gekommen ... und natürlich wird mein Grenzgängerblog nun etwas öfter bestückt werden! Hier entlang bitte!
Jedenfalls sind mir dabei wieder Erinnerungen gekommen ... und natürlich wird mein Grenzgängerblog nun etwas öfter bestückt werden! Hier entlang bitte!
13. April 2013
Lies doch vom Teller!
Eine Freundin hatte mir einen Lesungstermin in Frankreich verschafft. Wunderbar, dachte ich ... und auch der Ort, der große Nebenraum eines Restaurants, würde ganz gut zu meinem Elsassbuch passen. Ich hätte jedoch gewarnt sein müssen: "Pepes Peperonibar" schien zwar gerade hip zu sein, aber bei dem Namen?
Die Besucher strömten nur so, wirkten aber eher, als würden sie von einer Kaffeefahrt kommen und nach billigen Heizdecken suchen ... mich beachteten sie gar nicht, am Büchertisch rauschten sie ohne einen Seitenblick vorbei. Ein paar Paare hatten ganz offensichtlich Pepes Peperonibar mit einem Fünf-Sterne-Hotel verwechselt oder waren von einem langweiligen Fachkongress in der Nachbarschaft ausgebrochen. Aber immerhin, wer hat schon das Privileg, in einem fremdsprachigen Land so schnell die Hallen zu füllen!
Der örtliche Buchhändler versprach den Gästen einen Apéritif und eine schöne Zeit und stellte mich vor. Irgendwie reckten alle die Hälse nach dem Apéritif, ein paar gingen aufs Klo, andere schauten sich im Gastraum um, wieder andere riefen lauthals nach der Karte. So war das eigentlich nicht gedacht und mir ein wenig zu viel Laissez Faire. Mit meinem strahlendsten Lächeln und einer beruhigenden Geste trat ich vor und begrüßte meine Gäste, wollte schon beginnen, ein wenig zu erzählen, was das mit dem Buch eigentlich sollte und warum ich jetzt vor ihnen stand. "Keeeeellner!", schrie es auf Französisch aus der Ecke. In der anderen klirrten die Gläser, ein Korken löste sich mit lautem Plopp. Über drei Tische hinweg brüllte ein beleibter Herr mit Halbglatze: "Ärrrrrnaaaah, kommsch doo har! Mir esse Pizza!"
Ich räusperte mich und griff in Richtung Buch. In solchen Fällen, die ich bisher zum Glück so noch nie erlebt hatte, hilft nur Frontalangriff. Man legt auf der Bühne einfach los. Mit dem Licht war es auch nicht zum Besten bestellt. Ich griff statt an ein Buch an einen Karton. Hatte der Buchhändler etwa noch die alten Ausgaben aus dem Hanser-Verlag aufgetan, die im Kartonschuber? Es klirrte tüchtig im Buchkarton und an den Tischen. Dort herrschte wieder fröhliches Kommen und Gehen. Wenn es mir nicht in kürzester Zeit gelang, mein Publikum an den Haken zu nehmen, hatte ich es verloren ...
Der Karton war mit winzigen handtellergroßen Tellerchen gefüllt. Wo war mein Buch geblieben? Schemenhaft konnte ich erkennen, dass auf die Teller mein Text gedruckt war, winzig klein und verschwommen, von Tellerchen zu Tellerchen fortlaufend. Hilflos blickte ich zu meiner Freundin. "Lies doch vom Teller!", zischte die mir zu, "wenn man im Restaurant eine Lesung macht, liest man vom Teller! Du wolltest doch unbedingt in Frankreich auftreten ..." Was für eine Laune. Und sagt man sowas vor Publikum?
Laune und Nervenstärke sanken bei mir tief in den Keller. Noch einmal hob ich beschwichtigend die Hände und setzte an, halbblind das erste Tellerchen entziffernd. Meine Stimme kam gegen den Lärm nicht an. Irgendwo vor mir stand eine Familie in Jogginganzügen auf und fragte mich: "Haben Sie auch Kamelhaardecken?"
Ich versuchte es mit dem zweiten Teller. Unauffällig versuchte ich, meiner Freundin und dem Buchhändler Zeichen zu geben. Die mussten doch endlich kapieren, dass ich mein Buch brauchte? Warum halfen die mir nicht? Steckten die Köpfe zusammen und kicherten. Meine Stimme klang wie die der Staatsanwältin, die den Pathologen Börne immer im Münsteraner Tatort ärgert: unheimlich tief. Sie erstarb fast als Basso Continuo zum Geschwätz und Gläserklirren. Jetzt kam auch noch Pepe mit seinen Kellnerinnen herein und servierte Peperonizeug. Mir wurde heiß und kalt, eher und meistens fieberheiß. Beim fünften Teller, auf dem sichtlich ein Absatz verwischt war, kiekste ich wie ein Junge im Stimmbruch, beim siebten Teller versagte mir die Stimme ganz, bevor das Ding mit lautem Geklapper zu Boden fiel und in tausend Teile zersprang. "Wenn Sie keine Kamelhaardecken haben, wir nehmen auch Teller!", rief die Dreizentnermutter der Jogginganzugsfamilie.
Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Auch nicht annähernd. Meine Stimme versagte völlig, ich war den Tränen nahe. Aber das wollte ich nun auch nicht zeigen ... nur keine Blöße zeigen vor solchen Leuten. Teller könnt ihr haben, wenn ihr meine Lesung schon nicht wollt, dachte ich. Nahm meine Tellerchen aus dem Karton, ein Tellerchen für jede einzelne Buchseite, und schmetterte sie ins Publikum. Unhörbar flüsterte ich. "Da habt ihr eure billigen Teller, ihr undankbares Pack!" Crash. "Nehmt, kostet heute nichts, Scherben bringen Glück!" Smash. "Wollt ihr auch einen an die Birne? Sind ganz leicht, hinterlassen kaum eine Beule! Hier, nehmt!" Klackschmack.
Pepe und meine Freundin haben mich einfach rausgetragen. So benehme man sich in Frankreich nicht. Schon gar nicht im Restaurant. Was denn in mich gefahren sei? Ich wüsste doch, ich würde doch die eiserne Regel kennen: "Beleidige nie nie nie dein Publikum, egal, was es dir antut!"
Ich weiß nicht mehr genau, ob ich ruhig geblieben bin oder ob sie mich ruhigstellen mussten, denn in diesem Augenblick bin ich zum Glück aus diesem grottigen Alptraum aufgewacht. Oh war das schlimm! Ich musste mich regelrecht schütteln, um zu begreifen, was mir auch ein Psychologe hätte erzählen können: Solche Alpträume hat man eigentlich vor dem Abitur und anderen Prüfungen. Da muss man so alt werden und glaubt, man sei endlich mit allen Wassern dieses Wahnsinnsberufs gewaschen ... und dann schwitzt man sich vor Angst ins Nachthemd. Hütet euch vor Pepes Peperonibar!
Tja, die lieben Nerven. In zwei Tagen ist es so weit. Am Montag erfüllt sich sichtbar im Buchladen ein Traum, den ich auch in kühnsten Zeiten kaum zu träumen wagte: Einmal im Leben bei Suhrkamp verlegt werden ... Vom Verstand her völliger Blödsinn, darum so einen Bohei zu machen. Suhrkamp ist auch nur ein Verlag wie andere und das Buch noch nicht mal richtig neu. Aber ich freue mich riesig, dass "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" wieder "lebt" und ab Montag ausgeliefert wird. Diejenigen, die es bereits vorbestellt haben, können sich natürlich zuerst freuen. Und natürlich stehe ich wie immer für Auftritte zur Verfügung. Aber eins ist gewiss: Sollte sich ein Veranstalter namens Pepe melden, werde ich mit Heizdecken werfen! Und derweil warte ich nun auf dieses irrewahnsinniggroße Glücksgefühl, das in solchen Momenten eigentlich kommen sollte ...
Das Blog zum Buch: Grenzgängereien mit Genuss
Das Buch: Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt (Das Taschenbuch ist eine aktualisierte Version der Hardcover-Ausgabe, die 2004 im Hanser-Verlag erschienen ist)
Die Besucher strömten nur so, wirkten aber eher, als würden sie von einer Kaffeefahrt kommen und nach billigen Heizdecken suchen ... mich beachteten sie gar nicht, am Büchertisch rauschten sie ohne einen Seitenblick vorbei. Ein paar Paare hatten ganz offensichtlich Pepes Peperonibar mit einem Fünf-Sterne-Hotel verwechselt oder waren von einem langweiligen Fachkongress in der Nachbarschaft ausgebrochen. Aber immerhin, wer hat schon das Privileg, in einem fremdsprachigen Land so schnell die Hallen zu füllen!
Der örtliche Buchhändler versprach den Gästen einen Apéritif und eine schöne Zeit und stellte mich vor. Irgendwie reckten alle die Hälse nach dem Apéritif, ein paar gingen aufs Klo, andere schauten sich im Gastraum um, wieder andere riefen lauthals nach der Karte. So war das eigentlich nicht gedacht und mir ein wenig zu viel Laissez Faire. Mit meinem strahlendsten Lächeln und einer beruhigenden Geste trat ich vor und begrüßte meine Gäste, wollte schon beginnen, ein wenig zu erzählen, was das mit dem Buch eigentlich sollte und warum ich jetzt vor ihnen stand. "Keeeeellner!", schrie es auf Französisch aus der Ecke. In der anderen klirrten die Gläser, ein Korken löste sich mit lautem Plopp. Über drei Tische hinweg brüllte ein beleibter Herr mit Halbglatze: "Ärrrrrnaaaah, kommsch doo har! Mir esse Pizza!"
Ich räusperte mich und griff in Richtung Buch. In solchen Fällen, die ich bisher zum Glück so noch nie erlebt hatte, hilft nur Frontalangriff. Man legt auf der Bühne einfach los. Mit dem Licht war es auch nicht zum Besten bestellt. Ich griff statt an ein Buch an einen Karton. Hatte der Buchhändler etwa noch die alten Ausgaben aus dem Hanser-Verlag aufgetan, die im Kartonschuber? Es klirrte tüchtig im Buchkarton und an den Tischen. Dort herrschte wieder fröhliches Kommen und Gehen. Wenn es mir nicht in kürzester Zeit gelang, mein Publikum an den Haken zu nehmen, hatte ich es verloren ...
Der Karton war mit winzigen handtellergroßen Tellerchen gefüllt. Wo war mein Buch geblieben? Schemenhaft konnte ich erkennen, dass auf die Teller mein Text gedruckt war, winzig klein und verschwommen, von Tellerchen zu Tellerchen fortlaufend. Hilflos blickte ich zu meiner Freundin. "Lies doch vom Teller!", zischte die mir zu, "wenn man im Restaurant eine Lesung macht, liest man vom Teller! Du wolltest doch unbedingt in Frankreich auftreten ..." Was für eine Laune. Und sagt man sowas vor Publikum?
Laune und Nervenstärke sanken bei mir tief in den Keller. Noch einmal hob ich beschwichtigend die Hände und setzte an, halbblind das erste Tellerchen entziffernd. Meine Stimme kam gegen den Lärm nicht an. Irgendwo vor mir stand eine Familie in Jogginganzügen auf und fragte mich: "Haben Sie auch Kamelhaardecken?"
Ich versuchte es mit dem zweiten Teller. Unauffällig versuchte ich, meiner Freundin und dem Buchhändler Zeichen zu geben. Die mussten doch endlich kapieren, dass ich mein Buch brauchte? Warum halfen die mir nicht? Steckten die Köpfe zusammen und kicherten. Meine Stimme klang wie die der Staatsanwältin, die den Pathologen Börne immer im Münsteraner Tatort ärgert: unheimlich tief. Sie erstarb fast als Basso Continuo zum Geschwätz und Gläserklirren. Jetzt kam auch noch Pepe mit seinen Kellnerinnen herein und servierte Peperonizeug. Mir wurde heiß und kalt, eher und meistens fieberheiß. Beim fünften Teller, auf dem sichtlich ein Absatz verwischt war, kiekste ich wie ein Junge im Stimmbruch, beim siebten Teller versagte mir die Stimme ganz, bevor das Ding mit lautem Geklapper zu Boden fiel und in tausend Teile zersprang. "Wenn Sie keine Kamelhaardecken haben, wir nehmen auch Teller!", rief die Dreizentnermutter der Jogginganzugsfamilie.
Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Auch nicht annähernd. Meine Stimme versagte völlig, ich war den Tränen nahe. Aber das wollte ich nun auch nicht zeigen ... nur keine Blöße zeigen vor solchen Leuten. Teller könnt ihr haben, wenn ihr meine Lesung schon nicht wollt, dachte ich. Nahm meine Tellerchen aus dem Karton, ein Tellerchen für jede einzelne Buchseite, und schmetterte sie ins Publikum. Unhörbar flüsterte ich. "Da habt ihr eure billigen Teller, ihr undankbares Pack!" Crash. "Nehmt, kostet heute nichts, Scherben bringen Glück!" Smash. "Wollt ihr auch einen an die Birne? Sind ganz leicht, hinterlassen kaum eine Beule! Hier, nehmt!" Klackschmack.
Pepe und meine Freundin haben mich einfach rausgetragen. So benehme man sich in Frankreich nicht. Schon gar nicht im Restaurant. Was denn in mich gefahren sei? Ich wüsste doch, ich würde doch die eiserne Regel kennen: "Beleidige nie nie nie dein Publikum, egal, was es dir antut!"
Ich weiß nicht mehr genau, ob ich ruhig geblieben bin oder ob sie mich ruhigstellen mussten, denn in diesem Augenblick bin ich zum Glück aus diesem grottigen Alptraum aufgewacht. Oh war das schlimm! Ich musste mich regelrecht schütteln, um zu begreifen, was mir auch ein Psychologe hätte erzählen können: Solche Alpträume hat man eigentlich vor dem Abitur und anderen Prüfungen. Da muss man so alt werden und glaubt, man sei endlich mit allen Wassern dieses Wahnsinnsberufs gewaschen ... und dann schwitzt man sich vor Angst ins Nachthemd. Hütet euch vor Pepes Peperonibar!
Tja, die lieben Nerven. In zwei Tagen ist es so weit. Am Montag erfüllt sich sichtbar im Buchladen ein Traum, den ich auch in kühnsten Zeiten kaum zu träumen wagte: Einmal im Leben bei Suhrkamp verlegt werden ... Vom Verstand her völliger Blödsinn, darum so einen Bohei zu machen. Suhrkamp ist auch nur ein Verlag wie andere und das Buch noch nicht mal richtig neu. Aber ich freue mich riesig, dass "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" wieder "lebt" und ab Montag ausgeliefert wird. Diejenigen, die es bereits vorbestellt haben, können sich natürlich zuerst freuen. Und natürlich stehe ich wie immer für Auftritte zur Verfügung. Aber eins ist gewiss: Sollte sich ein Veranstalter namens Pepe melden, werde ich mit Heizdecken werfen! Und derweil warte ich nun auf dieses irrewahnsinniggroße Glücksgefühl, das in solchen Momenten eigentlich kommen sollte ...
Das Blog zum Buch: Grenzgängereien mit Genuss
Das Buch: Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt (Das Taschenbuch ist eine aktualisierte Version der Hardcover-Ausgabe, die 2004 im Hanser-Verlag erschienen ist)
10. April 2013
Die Nebel lichten sich
... Manche haben es bis heute noch nicht bemerkt und kommunizieren ohne mein Beisein weiter lustig mit mir auf allen Kanälen. Manche drängeln sogar herum, obwohl ich auch bei FB hinterlassen habe, dass ich offline bin. Kommunizieren und Hinlesen sind offensichtlich zwei paar Stiefel ... Aber ich war tatsächlich und wirklich offline, liebe Leute! Ich war sogar so derart offline, wie es sich manche gar nicht vorstellen können, nämlich zeitweise auch ohne Telefon und Handy, ohne Fernseher und Radio. Nein, die Telekom war nicht schuld, ich habe das mehr oder weniger vorsätzlich getan.
Inzwischen bin ich zwar zumindest körperlich wieder anwesend, aber ich leide unter dem, was Menschen manchmal haben, die sich längere Zeit in anderen Welten aufgehalten haben. Ich habe einen Rückkehr-Kulturschock, die bunte Social-Media-Welt und all das laute Mediengedöns betreffend. Im Moment kommt mir alles schlicht lachhaft, komisch, fremdartig und ziemlich überflüssig vor, obwohl ich mir bewusst bin, dass bestimmte Teile dieser Nutzung beruflich äußerst nützlich sind. Ich werde mich also im Schneckentempo wieder einfinden. Und das absolute Zentrum werden meine Blogs sein.
Totalabstinenz von Medien kann sehr aufschlussreich sein. Deshalb wird es, sobald sich die Ergebnisse etwas gesetzt haben, von mir einen Bericht darüber geben, was Social Media für Autoren wirklich bringen, was man getrost abschalten kann und in welche Richtungen man sich eher verlegen sollte. In diesem natürlich wie immer subjektiven Beitrag werde ich vor allem mit einem Marketingmärchen komplett aufräumen (und mir damit wahrscheinlich viele Feinde machen). Es klingt verrückt, aber man muss sich gar nicht so einen abzappeln, wie das immer behauptet wird ... Man muss eigentlich erst mal nur gute Bücher schreiben.
Den Kulturschock in meinem Fall bedingt auch die Tatsache, dass ich einmal ganz konzentriert in einem extrem anderen Mikrokosmos nicht nur theoretisch recherchieren konnte, sondern so richtig "von innen". Diesen Luxus hat man auch als Journalistin nicht immer, als Buchautorin mangelt's oft an den Möglichkeiten. Aber genau das merkt man leider auch vielen mit heißer Nadel gestrickten Büchern an. Meine Erfahrungen, die ich gemacht habe, hätte ich mir durch kein Medium der Welt aneignen können. Aber sie gingen ans Gebein, an existentielle Fragen - und so etwas erfordert Nacharbeit statt Ablenkung durchs Internet. Immerhin wurde mir dadurch außerdem ein riesiges Geschenk zuteil: Der Knoten ums "ewige Machwerk" ist geplatzt! Ich stand plötzlich im echten Leben mitten in meinem Romaneinstieg.
Was soll ich sagen ... ich werde jetzt erst einmal den beginnenden Frühling mit allen Sinnen ganz extrem genießen. Mich psychisch darauf vorbereiten, dass ich in fünf Tagen ganz offiziell und habhaft Suhrkamp-Autorin bin - denn ab da soll "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" ausgeliefert werden. Ansonsten bin ich den Internetlärm noch nicht wieder gewöhnt und will mir das Gefühl auch bewahren. Vor allem will ich nicht mehr dauererreichbar sein und vor hunderten von Mails und PNs nicht mehr zum Schreiben kommen. Na ... und was soll ich sagen ... "Das ewige Machwerk" lockt!
Wer mehr erfahren will, der abonniere einfach meine Blogs per Feed, dann muss man nicht immer nachschauen, wann ein neuer Beitrag kommt, sondern erfährt das geziehlt. Und was Twitter und Facebook betrifft, so wird man mich da in der nächsten Zeit nur sehr sporadisch finden ... und ich werde nicht mal Lust haben, alles und überall zu beantworten.
Das ist auch so eine Geschichte, die ich vielleicht irgendwann einmal erzähle, die vielleicht in ein Buch hineinfindet: Ich traf jemanden, der sich trotz seines Titels und seiner Eigenschaft von allen Leuten nur "Momo" nennen ließ. Und ich fragte mich tagelang, wie er dazu kam. Bis mir aufging, dass es seine Berufung war, gegen die grauen Herren der Zeitsparkasse zu kämpfen, die die Zeit der Menschen sammeln und für sich selbst verbrauchen. Und so sitze ich noch ein Weilchen in einer ganz besonderen Zeit und schnuppere an meiner Stundenblume ... und wünsche auch meinen Leserinnen und Lesern, dass ihnen die grauen Herren nicht zu nahe kommen!
PS: Nein, ich habe keine Therapie gegen Social-Media-Sucht gemacht, auch wenn sich das so lesen mag. ;-) Ich habe mich lediglich an gewissen Orten herumgetrieben, wo man das Gepäck nicht mit Radio und Fernseher belasten möchte - und wo gewisse Wellen verboten sind. Mein Kindle, selbstverständlich auf Flugmodus, war natürlich dabei! Denn das kann ich nicht: ohne Bücher existieren.
Inzwischen bin ich zwar zumindest körperlich wieder anwesend, aber ich leide unter dem, was Menschen manchmal haben, die sich längere Zeit in anderen Welten aufgehalten haben. Ich habe einen Rückkehr-Kulturschock, die bunte Social-Media-Welt und all das laute Mediengedöns betreffend. Im Moment kommt mir alles schlicht lachhaft, komisch, fremdartig und ziemlich überflüssig vor, obwohl ich mir bewusst bin, dass bestimmte Teile dieser Nutzung beruflich äußerst nützlich sind. Ich werde mich also im Schneckentempo wieder einfinden. Und das absolute Zentrum werden meine Blogs sein.
Totalabstinenz von Medien kann sehr aufschlussreich sein. Deshalb wird es, sobald sich die Ergebnisse etwas gesetzt haben, von mir einen Bericht darüber geben, was Social Media für Autoren wirklich bringen, was man getrost abschalten kann und in welche Richtungen man sich eher verlegen sollte. In diesem natürlich wie immer subjektiven Beitrag werde ich vor allem mit einem Marketingmärchen komplett aufräumen (und mir damit wahrscheinlich viele Feinde machen). Es klingt verrückt, aber man muss sich gar nicht so einen abzappeln, wie das immer behauptet wird ... Man muss eigentlich erst mal nur gute Bücher schreiben.
Den Kulturschock in meinem Fall bedingt auch die Tatsache, dass ich einmal ganz konzentriert in einem extrem anderen Mikrokosmos nicht nur theoretisch recherchieren konnte, sondern so richtig "von innen". Diesen Luxus hat man auch als Journalistin nicht immer, als Buchautorin mangelt's oft an den Möglichkeiten. Aber genau das merkt man leider auch vielen mit heißer Nadel gestrickten Büchern an. Meine Erfahrungen, die ich gemacht habe, hätte ich mir durch kein Medium der Welt aneignen können. Aber sie gingen ans Gebein, an existentielle Fragen - und so etwas erfordert Nacharbeit statt Ablenkung durchs Internet. Immerhin wurde mir dadurch außerdem ein riesiges Geschenk zuteil: Der Knoten ums "ewige Machwerk" ist geplatzt! Ich stand plötzlich im echten Leben mitten in meinem Romaneinstieg.
Was soll ich sagen ... ich werde jetzt erst einmal den beginnenden Frühling mit allen Sinnen ganz extrem genießen. Mich psychisch darauf vorbereiten, dass ich in fünf Tagen ganz offiziell und habhaft Suhrkamp-Autorin bin - denn ab da soll "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" ausgeliefert werden. Ansonsten bin ich den Internetlärm noch nicht wieder gewöhnt und will mir das Gefühl auch bewahren. Vor allem will ich nicht mehr dauererreichbar sein und vor hunderten von Mails und PNs nicht mehr zum Schreiben kommen. Na ... und was soll ich sagen ... "Das ewige Machwerk" lockt!
Wer mehr erfahren will, der abonniere einfach meine Blogs per Feed, dann muss man nicht immer nachschauen, wann ein neuer Beitrag kommt, sondern erfährt das geziehlt. Und was Twitter und Facebook betrifft, so wird man mich da in der nächsten Zeit nur sehr sporadisch finden ... und ich werde nicht mal Lust haben, alles und überall zu beantworten.
Das ist auch so eine Geschichte, die ich vielleicht irgendwann einmal erzähle, die vielleicht in ein Buch hineinfindet: Ich traf jemanden, der sich trotz seines Titels und seiner Eigenschaft von allen Leuten nur "Momo" nennen ließ. Und ich fragte mich tagelang, wie er dazu kam. Bis mir aufging, dass es seine Berufung war, gegen die grauen Herren der Zeitsparkasse zu kämpfen, die die Zeit der Menschen sammeln und für sich selbst verbrauchen. Und so sitze ich noch ein Weilchen in einer ganz besonderen Zeit und schnuppere an meiner Stundenblume ... und wünsche auch meinen Leserinnen und Lesern, dass ihnen die grauen Herren nicht zu nahe kommen!
PS: Nein, ich habe keine Therapie gegen Social-Media-Sucht gemacht, auch wenn sich das so lesen mag. ;-) Ich habe mich lediglich an gewissen Orten herumgetrieben, wo man das Gepäck nicht mit Radio und Fernseher belasten möchte - und wo gewisse Wellen verboten sind. Mein Kindle, selbstverständlich auf Flugmodus, war natürlich dabei! Denn das kann ich nicht: ohne Bücher existieren.