Absolut subjektiv und völlig unabhängig aus meiner Jahreslektüre ausgewählt: die Besten. Ich nehme weder an Tauschringen von Autoren für gegenseitige Werbung teil, noch mache ich Gefälligkeitswerbung, noch lese ich Bücher, die man mir anbietet. Ich schreibe aus Gründen nie Amazon-Rezensionen. Was hier auftaucht, hat mich schlicht beeindruckt. Und was hier nicht auftaucht, hat mich nicht beeindruckt oder schlimmeres oder ich habe es nicht gelesen. Oder es hat, wie z.B. "Schattenstill" von Tana French (mein Krimi des Jahres) oder Edmund de Waals "The Hare With Amber Eyes" (mein literarisches Sachbuch des Jahres) bereits eine so große Lobby, dass ich es nicht noch empfehlen muss.
Das E-Book des Jahres:
Nikola Hotel: Rabenblut drängt.
Nikola Hotel entdeckte ich über ihr Blog, das ich schon länger lese. Ich war fasziniert von ihrer frischen, humorvollen und lebendigen Schreibe. Nie hätte ich ein Buch gekauft, das irgendwie nach Fantasy roch, aber auf ihre Arbeit war ich gespannt. Keine Fantasy, sondern Phantastik im besten Sinne, in einer wunderbar ausdifferenzierten, bildhaften Sprache von Niveau. Dank des feinsinnigen Humors nie kitschig werdend. Charaktere zum Verlieben - und die Autorin ist in meinen Augen ein solches Erzähltalent, dass ich sie immer wieder bearbeite, sich doch einmal bei Literaturagenturen zu bewerben. Sie wäre eine Entdeckung durch Verlage wert. Allerdings beherrscht sie inzwischen Buch-PR und die Arbeit rund um ihre Saga selbst so gut und charmant, dass ich langsam daran zweifle, ob sie wirklich einen Verlag braucht.
Eine zauberhafte Welt, die einem die Schönheit von Raben und Musik auch im wahren Leben noch nachklingen lässt.
Weitere Entdeckungen:
Aleksandar Hemon: Best European Fiction 2011
Geheimtipp für die literarisch Interessierten - die Crème de la Crème der amerikanischen Literaten gibt jährlich selbst eine Anthologie heraus, mit der sie junge europäische Talente aus allen möglichen Ländern dem amerikanischen Publikum in englischer Übersetzung präsentieren. Da kann man auch als Europäer noch staunen und entdecken!
Frank Hebben: Das Lied der Grammophonbäume
Wurde mir von einem Autorenkollegen dringend empfohlen, hätte ich allein nicht entdeckt. Und dann war ich von Anfang an in einem sprachlichen Sog und vor allem einem atmosphärischen. Hebben beherrscht es, einen in völlig andere Welten zu ziehen, noch mehr aber lässt er einen Stimmungen fühlen und diese Welten förmlich mit allen Sinnen erleben. Davon will ich mehr. Phantastik.
Dominic Green: Smallworld (2. Teil: Littlestar)
Wenn diese verrückte Story noch kein Kult sein sollte, sie hat alles Zeug dazu. Der Kampf irgendwelcher böser, durchgeknallter oder viel zu ordentlicher Mächte um einen Miniplaneten, der vom "Teufel" und einer Großfamilie seltsamer fundamentalistischer "Christen" bewohnt wird, ist ein Feuerwerk an Ideen und Esprit. Böse Seitenhiebe auf unsere derzeitige Erdkultur und jede Menge Anspielungen inklusive.
In Littlestar habe ich noch nicht hereingefunden, leider hat der Autor selbst Schwierigkeiten, seine komplexe Welt kurz Neulesern vorzuführen und auf die alte Höhe zu finden. Aber ich gebe ihm noch eine Chance, weil das dramaturgisch gar nicht einfach ist und ich beim Anlesen auch zu unaufmerksam war.
Andreas Winterer u.a.: Scott Bradley. Blondinen Blobs & Blaster
Den Autor kenne ich seit vielen Jahren aus einer Autorengruppe, seit seinem Erstling "Cosmo Pollite" bin ich Fan. Ich liebe abgedrehte Parodien. Bei Antiheld Scott Bradley, der als politisch unkorrekter Fiesling den Weltraum unsicher macht, zündet er wieder ein hochintelligentes Feuerwerk an komischen Dialogen, durchgeknallten Szenen und Parodien einschlägiger Filme und Geschichten. Schwäche des Sammelbandes: Nicht alle Autoren der Weltraumabenteuer sind auf gleichem Niveau. Ich will jetzt endlich wieder einen echten Winterer-Roman!
Peter J. Kraus: Geier / Joint Adventure
Als eingefleischter Fan von Krimi Noir und Schnodderton à la Phil Marlowe habe ich den Autor vor vielen Jahren entdeckt, als "Geier" noch bei Knaur erschien und vom Verlag unangemessen schlecht betreut wurde. Dabei hob er sich damals schon wohltuend vom Krimi-Einerlei ab - mit rasanten Dialogen, skurrilen Typen, treffsicheren Pointen und scharfen Verwicklungen in einem reichlich angeschmuddelten Amerika, wo die Guten nie ganz clean und die Bösen nie alleine schuldig sind. Man merkt, dass da einer nicht einfach nur erfindet, sondern seinen Landsleuten genau auf die Finger schaut und die Machenschaften hinter der Fassade entblößt. Weniger "Aasgeier", sondern Joint Adventure ist in meinen Augen ein würdiger Nachfolger: Schön, dass der Conte Verlag übernommen hat.
Bela Bolten: Codewort Rothenburg
Den Autor entdeckte ich vor längerer Zeit durch einen Blog über seine biografische Arbeit. Die Leseprobe seines belletristischen Erstlings fasste ich zunächst mit spitzen Fingern an: Würde er den Sprung von der Auftragsbiografie zur Belletristik schaffen? Und wie würde er mit dem absolut delikaten Umstand umgehen, einen Krimi im Nazireich anzusiedeln, eine Person aus einem Unrechtssystem zum Ermittler zu machen? Ich wurde von der ersten Seite an positiv überrascht: Der Mann kann erzählen und er kann vor allem historisch exakt recherchierten Stoff in dichter Atmosphäre und mit authentisch wirkenden Personen so umsetzen, dass man dem Buch die Hintergrundarbeit nie anmerkt. Die gefährliche Gratwanderung ist ihm gelungen, weil er zum Glück keinen einfachen Krimiplot in den Vordergrund stellt, sondern eher ein Zeitgemälde schafft, - und weil bei ihm die kleinen Leute die große Politik im ganz Privaten widerspiegeln. Ein Roman, der nachwirkt, weil man über ihn nachdenken möchte.
Unter den Klassikern habe ich als Wiederentdeckung in diesem Jahr den großen Sprachkünstler und Erzähler Stefan Zweig besonders genossen.
Seiten
▼
30. Dezember 2012
Ein Jahr Kindle (1)
Ein Jahr habe ich nun meinen Kindle, währenddessen verstummen zum Glück langsam die recht überflüssigen Diskussionen zwischen Menschen, die dadurch das Abendland bedroht sehen, und Nerds, für die das Gerät schon wieder "out" ist, weil sie alle halbe Jahre neue Elektronikspielereien kaufen. E-Books sind für mich so selbstverständlich geworden wie Luxus-Kunstkataloge oder Hardcover aus dem Antiquariat. Ich nutze meinen Reader zum Herumführen von Recherchematerial ebenso wie zum entspannten Lesen ohne Lesebrille oder zum Transport einer dicken Bibliothek in Wartezimmer. Verteufelt gut: Der Soforteinkauf zu jeder Tages- und Nachtzeit hat mir schon oft die Bettlektüre in letzter Minute gerettet
Nach einem Jahr zeichnet sich für mich ein neues Leseverhalten ab:
- Ich lese mehr und schneller, dank Augenschonung.
- Ich lese unerbittlicher. Dank Leseproben hat Schrott keine Chance. Wenn ich sie denn anschaue ... (s.u.).
- Ich lese sehr viel mehr fremdsprachige Originale. Schuld daran: die Preispolitik deutscher Verlage.
- Ich lese sehr viel mehr Klassiker als sowieso schon und entdecke ständig neue dazu.
- Ich kaufe fast keine Taschenbücher mehr, das Geld reinvestiere ich in edel gemachte Hardcover.
- Ich lese wieder SF und Phantastik (keine Fantasy), weil endlich der Zugang dazu da ist (im Gegensatz zum stationären Buchhandel).
Auf meinem Reader findet man deshalb vor allem:
- die typische Einmal-Leseware
- reine Unterhaltung zur Entspannung
- kostenlose Klassiker (und dadurch auch kostenpflichtige Ausgaben)
- Bücher, bei denen das ausländische E-Book billiger ist als alle deutschen Ausgaben
- Recherchematerial wegen der praktischen Such- und Markierfunktion
- Risikoware (Bücher, die ich mir nie gekauft hätte, die mir aber dringend jemand empfohlen hat und die mich dank Leseprobe überzeugen konnten.)
Ich kaufe Bücher aus Papier
- die ich dringend "greifbar" besitzen will
- die ich sicher öfter als einmal lesen werde
- die vom Verlag wertig und liebevoll gestaltet wurden
- illustrierte Sachbücher, Coffee Tables und Kunstbände
- historische Bücher
- die mich über viele Jahre begleiten sollen
- die ich verschenken will
Schwer, eine Bestenliste zu finden, es waren viele gute Bücher dabei. Viele gute Bücher habe ich nicht gelesen. Viele, die andere gut finden, finde ich gar nicht gut. Und ganz ärgerlich ist das Durchwühlenmüssen von immer mehr absolut schrottigen Büchern (wäre das nicht mal eine eigene Kategorie wert?), Spam-Books und wirklich betrügerischen Ausgaben zwielichtiger Macher, die oft die Suchergebnisse verstopfen. Gerade in Sachen Recherchematerial stolpere ich immer häufiger über Copy&Paste-Ausgaben aus Wikipedia und anderen gemeinfreien Quellen, die zu Fantasiepreisen angeboten werden und oft sogar die Verlagsausgaben in der Suchausgabe verdrängen. Ich warte auf den Shop, der Self Publishing anbietet, aber kriminelle Ware und Spam-Books ächtet.
In meinem Trash-Ordner landeten insgesamt sechs Bücher, die kompletter Müll waren. Ich hatte die Bücher ohne Leseprobenansicht sofort heruntergeladen, weil sie kostenlos, also kein Risiko waren. Kriterien: Lektorat, Korrektorat, Aufbereitung von Inhalten. Der wirklich unerträgliche Müll kam von 3 Self Publishers, 1 Kleinverlag und 2 Konzernverlagen. Damit halten sich Verlage und Self Publishing genau die Waage.Die Tendenz, Bücher zu produzieren, die in meinen Augen Müll sind (fehlendes oder unsägliches inhaltliches und sprachliches Lektorat; Inhalte, die wahrscheinlich auch Tante Erna nicht braucht), steigt leider bei Konzernverlagen signifikant an. Ich habe fast schon eine persönliche Black List, bei wem ich mich nie bewerben wollte, aus Angst vor so einem Lektorat. Wenn Self Publisher Müll fabrizieren, kann man das wenigstens mit dem Hobbyfaktor entschuldigen, aber bei einem Verlag?
Kurzum - die ganz großen Gewinner sind bei mir in diesem Jahr die Indie-Verlage (siehe meine Liste rechts "Feine Verlage") und die wirklich in jeder Hinsicht professionell arbeitenden Indie-Autoren. Erstere finden körperlich in meine Bibliothek, letztere auf den Reader.
Was das Kaufverhalten betrifft: Wenn mein stationärer Buchhändler einen E-Book-Shop hätte, der folgende Kriterien erfüllt, würde ich nicht mehr bei Amazon herunterladen:
- Usability, Sicherheit und Bequemlichkeit ähnlich wie bei Amazon
- sowohl Ware von Verlagen wie von Self Publishers
- internationale Bücher
Was mich absolut abtörnt, sind Shopfreuden wie diese hier.
Diesen Artikel gibt es als Crossposting:
im Buchreport
bei Carta
und mit einem dicken Hinweis bei Perlentaucher und Spiegel
Nach einem Jahr zeichnet sich für mich ein neues Leseverhalten ab:
- Ich lese mehr und schneller, dank Augenschonung.
- Ich lese unerbittlicher. Dank Leseproben hat Schrott keine Chance. Wenn ich sie denn anschaue ... (s.u.).
- Ich lese sehr viel mehr fremdsprachige Originale. Schuld daran: die Preispolitik deutscher Verlage.
- Ich lese sehr viel mehr Klassiker als sowieso schon und entdecke ständig neue dazu.
- Ich kaufe fast keine Taschenbücher mehr, das Geld reinvestiere ich in edel gemachte Hardcover.
- Ich lese wieder SF und Phantastik (keine Fantasy), weil endlich der Zugang dazu da ist (im Gegensatz zum stationären Buchhandel).
Auf meinem Reader findet man deshalb vor allem:
- die typische Einmal-Leseware
- reine Unterhaltung zur Entspannung
- kostenlose Klassiker (und dadurch auch kostenpflichtige Ausgaben)
- Bücher, bei denen das ausländische E-Book billiger ist als alle deutschen Ausgaben
- Recherchematerial wegen der praktischen Such- und Markierfunktion
- Risikoware (Bücher, die ich mir nie gekauft hätte, die mir aber dringend jemand empfohlen hat und die mich dank Leseprobe überzeugen konnten.)
Ich kaufe Bücher aus Papier
- die ich dringend "greifbar" besitzen will
- die ich sicher öfter als einmal lesen werde
- die vom Verlag wertig und liebevoll gestaltet wurden
- illustrierte Sachbücher, Coffee Tables und Kunstbände
- historische Bücher
- die mich über viele Jahre begleiten sollen
- die ich verschenken will
Schwer, eine Bestenliste zu finden, es waren viele gute Bücher dabei. Viele gute Bücher habe ich nicht gelesen. Viele, die andere gut finden, finde ich gar nicht gut. Und ganz ärgerlich ist das Durchwühlenmüssen von immer mehr absolut schrottigen Büchern (wäre das nicht mal eine eigene Kategorie wert?), Spam-Books und wirklich betrügerischen Ausgaben zwielichtiger Macher, die oft die Suchergebnisse verstopfen. Gerade in Sachen Recherchematerial stolpere ich immer häufiger über Copy&Paste-Ausgaben aus Wikipedia und anderen gemeinfreien Quellen, die zu Fantasiepreisen angeboten werden und oft sogar die Verlagsausgaben in der Suchausgabe verdrängen. Ich warte auf den Shop, der Self Publishing anbietet, aber kriminelle Ware und Spam-Books ächtet.
In meinem Trash-Ordner landeten insgesamt sechs Bücher, die kompletter Müll waren. Ich hatte die Bücher ohne Leseprobenansicht sofort heruntergeladen, weil sie kostenlos, also kein Risiko waren. Kriterien: Lektorat, Korrektorat, Aufbereitung von Inhalten. Der wirklich unerträgliche Müll kam von 3 Self Publishers, 1 Kleinverlag und 2 Konzernverlagen. Damit halten sich Verlage und Self Publishing genau die Waage.Die Tendenz, Bücher zu produzieren, die in meinen Augen Müll sind (fehlendes oder unsägliches inhaltliches und sprachliches Lektorat; Inhalte, die wahrscheinlich auch Tante Erna nicht braucht), steigt leider bei Konzernverlagen signifikant an. Ich habe fast schon eine persönliche Black List, bei wem ich mich nie bewerben wollte, aus Angst vor so einem Lektorat. Wenn Self Publisher Müll fabrizieren, kann man das wenigstens mit dem Hobbyfaktor entschuldigen, aber bei einem Verlag?
Kurzum - die ganz großen Gewinner sind bei mir in diesem Jahr die Indie-Verlage (siehe meine Liste rechts "Feine Verlage") und die wirklich in jeder Hinsicht professionell arbeitenden Indie-Autoren. Erstere finden körperlich in meine Bibliothek, letztere auf den Reader.
Was das Kaufverhalten betrifft: Wenn mein stationärer Buchhändler einen E-Book-Shop hätte, der folgende Kriterien erfüllt, würde ich nicht mehr bei Amazon herunterladen:
- Usability, Sicherheit und Bequemlichkeit ähnlich wie bei Amazon
- sowohl Ware von Verlagen wie von Self Publishers
- internationale Bücher
Was mich absolut abtörnt, sind Shopfreuden wie diese hier.
Diesen Artikel gibt es als Crossposting:
im Buchreport
bei Carta
und mit einem dicken Hinweis bei Perlentaucher und Spiegel
27. Dezember 2012
Das Jahr der Menschen
Früher fand ich Jahresrückblicke dämlich und langweilig. Es muss wohl mit dem Alter zu tun haben, dass man glaubt, das Leben würde viel zu schnell an einem vorbeisausen, denn man spürt die Endlichkeit stärker. Bei all der Sauserei tut es dann doch ganz gut, sich am Jahresende den eigenen Terminkalender noch einmal anzuschauen: Was ist da alles passiert! Dinge, die ich bereits Jahre in der Vergangenheit wähnte: Januar. Dinge, die ich verdrängte, um die ich mich zu wenig kümmern konnte, oder die ihre "Krallen" schon ins nächste Jahr ausstrecken. Und tatsächlich verändert sich auch äußerlich massiv viel, z.B. in der Buchbranche. Das, wofür man mich vor Jahren noch ausgelacht hat, ist längst eingetreten. Meine Berufe bestanden schon immer aus stetem Lernen, aber in diesem Jahr stand intensives, vor allem technisches Lernen auf dem Stundenplan.
Das Jahr 2012 ist für mich im Rückblick ein seltsames Jahr, weil es sich so "getrieben" anfühlt. Privat wurde ich sehr hart an die eigenen Sterblichkeit erinnert - ein gleichaltriger Freund starb. Und mein Hund Rocco hat nach einer Tumor-OP laut Angabe des Arztes höchstens noch einen Monat zu leben. Solche Erlebnisse verändern einen nachhaltig. Es ist nicht der erste Mensch aus dem Freundeskreis, der starb. Bisher schien der Tod den Alten vorbehalten zu sein. Und plötzlich wacht man auf und wird der Tatsache gewahr, dass man ja selbst schon ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat und endlich ist. Die Diskrepanz zwischen äußerlichem und innerlichem Alter wird immer extremer. Ich fühle das Kind in mir völlig lebendig und schätze mich eher auf 30 oder 40, wenn ich nicht in den Spiegel schauen muss. Aber es kann auch mich jederzeit erwischen.
Gut so, diese Erkenntnis, denn Energie habe ich viel gebraucht, manchmal zu viel davon verbraucht. Ich habe gelernt, wie man professionell E-Books konvertiert, habe angefangen, meine Backlist als E-Books herauszugeben. Und weil die sich nicht von allein verkaufen, musste ich mich stärker in Social Media stürzen, endlich auf mich selbst anwenden, was ich sonst nur für Kunden mache. Auch wenn das äußerlich gesehen ein Zeitfresser ist und mich viele Freunde für verrückt hielten, dass ich meine Zeit "im Web vergeude", hatte es sehr viel Positives: Die PR, der Berufszweig, den ich von all meinen Tätigkeiten eigentlich am wenigsten mochte, machte mir plötzlich wieder einen riesigen Spaß. Diese Art PR ist herausfordernder als die üblichen Flyer und Pressearbeit. Man kann richtig kreativ mit den neuen Medien umgehen, und wie das so schön neudeutsch heißt, Storytelling betreiben. Was ich da am lebendigen Leib an mir selbst erprobte, konnte ich auch an Kunden weitergeben. Und weil das Füllen des Kühlschranks natürlich Vorrang hat, blieb leider so manche wichtige Buchwerbearbeit auf der Strecke.
So oft ich scheinbar nur am Computer saß, so intensiv war 2012 das Jahr der Menschen. Als ich zu meinem Geburtstag an meinem Tisch Leute aus vier Ländern bewirtete, von Australien bis Russland, da war mir noch nicht klar, wie dieser "Grenzgängertraum", den ich schon mein ganzes Leben lang habe, mein Leben verändern würde. Schon in der Schulzeit hatte ich Brieffreunde aus aller Welt und schrieb mir die Finger wund, um mit aller Herren Länder zu kommunizieren. Jetzt hatte ich plötzlich das geschafft, was einst eine Uridee Europas war, was die Ballets Russes lebten: Ich hatte meine eigene Lebensachse zwischen Frankreich und Deutschland ganz konkret mit Russland verbunden. Insgeheim muss ich jetzt noch grinsen, weil ich das irgendwo in meinem Nijinsky-Buch geschrieben habe, von dieser Achse grenzüberschreitender Kunst und Kultur zwischen Paris und Sankt Petersburg. Ich schenkte mir die Premiere von Boris Godunov in der Inszenierung des Mariinsky Theaters und fügte lächelnd Baden-Baden der Achse hinzu. Mit dieser Oper hatte Diaghilew in Paris begonnen, in diesem Theater hatte Nijinsky gelernt. So viel Zeichen müssen sein ...
Dann erfüllte sich der Traum, mein Buch "Faszination Nijinsky" einem deutsch-russischen Publikum vorzustellen. Teils las ich aus dem Buch, noch mehr erzählte ich frei - und zeigte dazu Bilder. War so in Trance, dass ich gar nicht merkte, wie hingerissen das Publikum lauschte, obwohl ich eine halbe Stunde überzog. Und danach fast zwei Stunden noch Gespräche führte. Es war eine Art Feuertaufe. Ich hatte ein paar wichtigen Leuten gezeigt, wie ich vor Öffentlichkeit agiere - und ich lernte hochinteressante Menschen kennen, die im Laufe des Jahres eine immer wichtigere Rolle spielen sollten. Es öffneten sich Türen durch Empfehlungen, die womöglich im nächsten Jahr eine Rolle spielen werden.
Vor allem aber tauchte ich ein in eine Welt, die mir in der "Zufälligkeit" der Begegnungen fast märchenhaft erschien - und die für eine Künstlerin so wichtig ist wie das tägliche Brot. Plötzlich stand ich neben einem Choreografen, der als ganz junger Tänzer bei einem anderen Tänzer gelernt hatte, der mir irgendwie bekannt vorkam. Jener Tänzer war einst Mitglied der Ballets Russes und hatte Nijinsky noch erlebt! Ich vergesse nie meine Gänsehaut, die ich hatte, als ich immerhin durch einen Mittler Augenzeugenberichte über Nijinsky hörte. Wie wertvoll, denn die Augenzeugen selbst sind bereits alle tot. Andere Begegnungen waren ähnlich. Da gab es die Musiker, die in einer Petersburger Bibliothek verschollene Noten ausfindig gemacht hatten, Musik, die Diaghilew einst für Ballette benutzte - und die sie im Elsass welturaufführten. Es war ein Gefühl von "Heimkommen". Endlich bewegte ich mich unter Gleichgesinnten, unter Leuten, denen ich von meiner verrückten Arbeit erzählen konnte.
Die forderten mich allerdings auch ganz schön. Ganz plötzlich waren die Zeiten zu Ende, wo ich mir bestimmte Dinge nicht zutraute oder glaubte, Texte würde man nur in Büchern abdrucken. Wenn ich auch nur ein bißchen zögerte, wurde ich auf die Bühne geschubst. Wenn ich mir etwas nicht zutraute, bekam ich Beispiele vorgehalten von Leuten, die tief Luft holten und ins kalte Wasser sprangen. Ich bin so vielen Menschen in diesem Jahr dankbar, dass sie mich gefordert und geschubst haben. Denn so sieht Förderung aus. Ohne diese Menschen würde ich heute noch im stillen Kämmerlein schreiben, ohne meine Kreativität voll ausleben zu können.
Die Textarbeit fand in den "Raum". Im September erlebte ich eine Premiere - ich führte Leserinnen der österreichischen Zeitschrift "Welt der Frau" durch Baden-Baden, auf der Spur der großen russischen Literaten des 19. Jahrhunderts. Fasziniert entdeckte ich, welchen Spaß mir das macht, so dass ich ähnliche Führungen sicherlich 2013 wiederholen werde. Aber es erschütterte mich auch zu erleben, dass es Menschen gibt, die noch nie von einem Schriftsteller namens Tolstoi gehört hatten! Eine Weile war ich verunsichert: Wie packt man diese Menschen? Dann sah ich das Potential: Selbst das mir völlig selbstverständliche Wissen, das mir schon zu den Ohren wieder herauskommen mag, muss bewahrt werden, muss weitergetragen werden. An einem anderen russischen Schriftsteller konnte ich mich in dieser Hinsicht dann richtig austoben.
Mitte Oktober war der Gedenktag für Wassili Schukowski angesetzt, der in diesem Jahr seinen 160sten Todestag hatte. Seinen Lebensabend hatte der große russische Dichter und Übersetzer in Baden-Baden verbracht und war dort begraben worden, bevor sein Leichnam nach Petersburg verbracht worden war. Seine Grabstätte in Russland ist eine Art Nationalheiligtum. Hierzulande kennen ihn allenfalls Spezialisten. Dabei ist er es, der Goethe, Schiller und andere wichtige deutsche Schriftsteller kongenial ins Russische übersetzte und zu seiner Zeit schon die moderne Technik des "Übertragens" und Nachdichtens einführte. Als Dichter hat er die russische Romantik begründet - und ohne seine Freundschaft und Förderung hätte es einen Puschkin so nicht gegeben.
Ehe ich mich versah, saß ich im Planungskommittee für eine kleine Ausstellung in der Stadtbibliothek in Zusammenarbeit mit der deutsch-russischen Gesellschaft, wo ich nach der Weihe der Gedenkstätte einen Vortrag halten sollte. Aufgrund der Bedeutung des Dichters war der russische Konsul aus Frankfurt gekommen, russische Presse war anwesend - und ich schwitzte vor Aufregung und Erkältung, denn klar, am Tag zuvor war die Stimme weggeblieben. Ich hatte recherchiert wie eine Wilde und eine neue Methode dafür kreiert. Denn über Schukowski gibt es nicht viel Verlässliches in deutscher Sprache. Ein russischer Professor und meine Freundin versorgten mich fleißig und hilfreich mit den wunderbarsten Texten von russischen Universitäten - aber wie sollte ich die lesen?
"Gebt sie mir elektronisch!", war mein einziger Wunsch. Und dann musste Google herhalten. Ein Übersetzerkollege riet mir zu Recht, die Texte nicht ins Deutsche, sondern ins Englische umsetzen zu lassen, denn hier funktioniere die Maschine genauer. Wie wahr! Also lief ich überall mit meinem E-Reader herum, auf dem englisches Maschinenkauderwelsch geladen war. So konnte ich in Kürze die wichtigsten Texte überhaupt erst aussuchen, Stellen markieren und diese dann in Ruhe entweder selbst übersetzen oder mir übersetzen lassen. Mein passiver Wortschatz beim Lesen ist in dieser Zeit nicht übel gewachsen. Und der Vortrag war ein grandioser Erfolg. Ich wurde sofort nach einer gedruckten Version gefragt. Die wird auch irgendwann noch hergestellt werden, sobald mein Vortrag ins Russische übersetzt ist. Zunächst bringe ich ihn als E-Book im Original heraus. In einer Essay-Reihe.
Denn auch das habe ich fast wieder vergessen: Im August fragte die Bundeszentrale für politische Bildung an, ob ich für eine Sonderbeilage des "Parlament" zur Buchmesse ein Essay über die Zukunft des Buchs schreiben wolle. Ich weiß nicht, wie ich diese Arbeit überhaupt geschafft habe. Denn gleichzeitig schlug ich mir auf dem Internationalen Musikfestival in Wissembourg fast täglich die Nächte mit Konzerten um die Ohren, recherchierte für den Vortrag über Schukowski und bereitete meine Reiseführung vor. Ich muss manchmal grinsen, wenn mir Leute sagen, sie kämen einfach nicht zum Schreiben, weil sie ständig anderes zu tun hätten. Oh doch, man kommt auch dann zum Schreiben, wenn es gar nicht menschenmöglich erscheint. Man muss nur wollen. Und damit leben, dass man anschließend ziemlich alt aussieht und ziemlich viel Schlaf nachholen muss ...
Irgendwie klingt mir das alles trotzdem recht wenig, wenn ich lese, wie viele Bücher die Kollegen in der Zeit wieder geschrieben haben. Ich habe mich nicht einmal richtig um meine eigenen Bücher kümmern können (was sich leider auch in Verkaufszahlen ausdrückte). Ich habe immer nur nebenher ein paar Gedanken an meine Verlagsgründung verschwenden können, die ich 2013 in Angriff nehmen will. Und auch muss, um rechtlich und praktisch mehr Dinge tun zu können. Essays werden darin einen Platz haben. Und auch die Grenzgängereien, zwischen den Regionen, zwischen den Nationen, für die ich bereits ein Blog geschaffen habe.
Ach ja, das ist auch irgendwann passiert: Der Hanser Verlag rief mich an, ob ich an einer Lizenz meines Buchs "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" bei Suhrkamp-Insel interessiert sei. Obwohl sie die Buchreihe "Oasen für die Sinne" eingestellt hatten, kümmerten sie sich noch um das Buch!Und ich schlug zu und bereue es nicht, wenn ich auch öfter ins Schwitzen komme, ob der Suhrkamp-Verlag nach der Schlammschlacht seiner Eigner nächstes Jahr noch existieren wird. Träume wahrmachen und erleben - das könnte auch ein Motto dieses Jahres gewesen sein.
Leider rauscht so vieles an Freuden viel zu schnell an mir vorüber, ohne dass ich es wirklich genießen könnte. Zu den Sorgen und dem Abschiednehmen mit Rocco kam eine ganze Welle von wichtigen Gerätschaften, die plötzlich ihren Geist aufgaben, darunter auch öfter mal mein altes Auto. Hätte ich nicht wirklich wunderbare Freunde gehabt, ich hätte das finanziell gar nicht überstanden. Diese unkonventionelle Hilfe vergesse ich nie! Manchmal war ich fast beschämt vor Glück, wenn im dunkelsten Tunnel ein Licht sichtbar wurde.
Und im Moment klopfe ich ungeduldig mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum, weil ich auf die Fahnen warte, die wahrscheinlich in der Weihnachtspost feststecken ... und die ich bis zum 15. korrigiert haben muss. Gleichzeitig habe ich an einer Ausschreibung teilgenommen und mich für einen Traumjob beworben, dem ich schon länger hinterherrenne. Auch hier haben mich Kollegen für verrückt erklärt. Ich habe es jedoch in die Endauswahl geschafft, aber nun müssen Geldgeber für meine Arbeit gefunden werden. So hänge ich zwischen den Seilen und muss Geduld beweisen.
2013 wird hochspannend und womöglich ein Jahr von "Lieblingsarbeiten" werden (toitoitoi). Bis zum Erscheinen meines Elsass-Buchs im April / Mai muss ich das E-Book fertigstellen. Falls ich jenen "Traumjob" bekommen sollte, müsste ich darin sofort extrem Gas geben und mir noch einiges einfallen lassen. Auf administrativer Ebene muss ich nicht nur einen Verlag gründen, sondern auch eine Firma als auto-entrepréneur, und einiges an Papieren und Formularen wälzen. Eigen-PR fürs Buch will vorbereitet werden.
Der Mai steht dann ganz im Zeichen eines 100jährigen Jubiläums: Strawinskys Le Sacre in der Choreografie von Vaslav Nijinsky führte 1913 zum größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Mein Buch "Faszination Nijinsky" soll noch an einige ganz besondere Stellen finden ... und natürlich wird es im Nijinsky-Blog wieder aktuelle Beiträge geben.
Außerdem bin ich von der Deutsch-Russischen Kulturgesellschaft und der Stadtbibliothek um eine Arbeit gebeten worden, die ... nur so viel kann ich verraten ... Text in eine andere äußerliche Form bringen wird. Wir werden dafür noch andere Partner brauchen und ich habe eine ziemlich verrückte Idee, was das Thema betrifft. Für mich wird das eine Art Großprojekt, weil es Schreiben und gedruckte Schrift überschreitet und nur im Zusammenspiel unterschiedlicher Partner gelingen kann. Das bedeutet zunächst viel Kontakteknüpfen, Projektvorstellungen. Seit gestern schreibe ich bereits an Textproben ... und habe wunderbarerweise einen Mann vom Fach gewinnen können, der mich im Ernstfall coacht und auf alle Fälle kritisch zerreißt. Jenes Projekt hat entweder das volle Scheitern vor sich oder eine Geburt ... eher dann 2014. Das wird dann auch ein wichtiges Jahr mit Jubiläum der deutsch-russischen Beziehungen und einem Jubiläum Nijinskys, für das ich ebenfalls etwas liefern muss. Wieder geheim - aber die Arbeit beginnt dafür wohl im Herbst 2013.
Das vergangene Jahr barg auch tiefergehenden Lehrstoff für meine berufliche Laufbahn. So habe ich mich endgültig davon verabschiedet, Romane schreiben zu wollen, womöglich auch noch Genre. Ich bin einfach nicht der Typ dazu. Die beiden großen Essays in diesem Jahr und der Weg von Hanser zu Suhrkamp haben mir gezeigt, dass ich im literarischen Sachbuch noch jede Menge Entwicklungs- und Lernchancen habe. Gewiss, das Publikum ist ein kleineres, aber die Arbeit ist für mich ungeheuer befriedigend. Dementsprechend werde ich auch meine Vortragstätigkeit ausbauen.
Das andere Lernen habe ich Kunden zu verdanken, die aus dem Bereich von Kunst und Kultur kommen. Ich habe gesehen, wie viel bezahlte Arbeit dort notwendig und wie wenig Geld oft vorhanden ist. Oft ist es ein mühsames Suchen nach Fördertöpfen oder privaten Investoren, doch am Ende steht meist das gewünschte Projekt. Viel habe ich mir abschauen können, wie man Menschen von Projekten überzeugt. Und so habe ich zumindest in bestimmten Teilen die Angst verloren. Ich beginne ein rein privates Projekt nicht mehr in der Furcht, das würde ich doch nie bezahlt bekommen. Ich beginne mit der Frage: Was muss ich tun, um die richtigen Partner dafür zu finden? Ich lerne, wann man den Atem verlängern muss und wann eine Idee tatsächlich begraben. Das tut gut, denn ich muss mich schriftstellerisch nicht mehr ausliefern. Wenn ich in Zukunft ein Projekt einstampfen muss, dann einfach deshalb, weil ich es nicht geschafft habe, andere Menschen davon zu überzeugen. Und wenn ich das nicht schaffe, wäre das Projekt auch nach Veröffentlichung nicht tragfähig gewesen.
Endlichkeit hat einen Vorteil: Man vergeudet in ihrem Angesicht weniger Zeit als in der Jugend. Und man hat ein Alter erreicht, wo die Erfahrung viele Arbrnchancen habe. Gewiss, das Publikum ist ein kleineres, aber die Arbeit ist für mich ungeheuer befriedigend. Dementsprechend werde ich auch meine Vortragstätigkeit ausbauen.
Für meine Leserinnen und Leser wird das mehr wirkliche Themen bedeuten. Ich werde mehr Grenzgängereien, Genuss und Spaziergänge bringen, weiter über die Ballets Russes und die Avantgarde-Kunst erzählen und über Musik - Schwerpunktthemen meiner Leserblogs. Dafür klinke ich mich weitgehend aus Diskussionen über die Veränderungen in der Buchbranche und den Sinn oder Unsinn des Self Publishing aus. Mögen sich andere die Köpfe darüber zerbrechen, für mich ist all das inzwischen Mainstream. Als Künstlerin interessiert mich nicht mehr, was Branchenmitglieder von irgendwelchen neuen Techniken halten. Mich interessiert schlicht und einfach, welche Technik die richtige für meine Projekte sein wird. Und so sei auch verraten, dass sich mein Verlag nicht nur um Bücher kümmeren wird. Auch wenn manche den Begriff verabscheuen oder abgedroschen finden: Transmedia Storytelling trifft am ehesten meine Arbeit. Altmodisch könnte man auch sagen: Die Frau erzählt am laufenden Band Geschichten, ob sie schreibt, spricht, vorträgt, inszeniert, in Social Media kommuniziert oder durch Straßen führt ...
Das Jahr 2012 ist für mich im Rückblick ein seltsames Jahr, weil es sich so "getrieben" anfühlt. Privat wurde ich sehr hart an die eigenen Sterblichkeit erinnert - ein gleichaltriger Freund starb. Und mein Hund Rocco hat nach einer Tumor-OP laut Angabe des Arztes höchstens noch einen Monat zu leben. Solche Erlebnisse verändern einen nachhaltig. Es ist nicht der erste Mensch aus dem Freundeskreis, der starb. Bisher schien der Tod den Alten vorbehalten zu sein. Und plötzlich wacht man auf und wird der Tatsache gewahr, dass man ja selbst schon ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat und endlich ist. Die Diskrepanz zwischen äußerlichem und innerlichem Alter wird immer extremer. Ich fühle das Kind in mir völlig lebendig und schätze mich eher auf 30 oder 40, wenn ich nicht in den Spiegel schauen muss. Aber es kann auch mich jederzeit erwischen.
Gut so, diese Erkenntnis, denn Energie habe ich viel gebraucht, manchmal zu viel davon verbraucht. Ich habe gelernt, wie man professionell E-Books konvertiert, habe angefangen, meine Backlist als E-Books herauszugeben. Und weil die sich nicht von allein verkaufen, musste ich mich stärker in Social Media stürzen, endlich auf mich selbst anwenden, was ich sonst nur für Kunden mache. Auch wenn das äußerlich gesehen ein Zeitfresser ist und mich viele Freunde für verrückt hielten, dass ich meine Zeit "im Web vergeude", hatte es sehr viel Positives: Die PR, der Berufszweig, den ich von all meinen Tätigkeiten eigentlich am wenigsten mochte, machte mir plötzlich wieder einen riesigen Spaß. Diese Art PR ist herausfordernder als die üblichen Flyer und Pressearbeit. Man kann richtig kreativ mit den neuen Medien umgehen, und wie das so schön neudeutsch heißt, Storytelling betreiben. Was ich da am lebendigen Leib an mir selbst erprobte, konnte ich auch an Kunden weitergeben. Und weil das Füllen des Kühlschranks natürlich Vorrang hat, blieb leider so manche wichtige Buchwerbearbeit auf der Strecke.
So oft ich scheinbar nur am Computer saß, so intensiv war 2012 das Jahr der Menschen. Als ich zu meinem Geburtstag an meinem Tisch Leute aus vier Ländern bewirtete, von Australien bis Russland, da war mir noch nicht klar, wie dieser "Grenzgängertraum", den ich schon mein ganzes Leben lang habe, mein Leben verändern würde. Schon in der Schulzeit hatte ich Brieffreunde aus aller Welt und schrieb mir die Finger wund, um mit aller Herren Länder zu kommunizieren. Jetzt hatte ich plötzlich das geschafft, was einst eine Uridee Europas war, was die Ballets Russes lebten: Ich hatte meine eigene Lebensachse zwischen Frankreich und Deutschland ganz konkret mit Russland verbunden. Insgeheim muss ich jetzt noch grinsen, weil ich das irgendwo in meinem Nijinsky-Buch geschrieben habe, von dieser Achse grenzüberschreitender Kunst und Kultur zwischen Paris und Sankt Petersburg. Ich schenkte mir die Premiere von Boris Godunov in der Inszenierung des Mariinsky Theaters und fügte lächelnd Baden-Baden der Achse hinzu. Mit dieser Oper hatte Diaghilew in Paris begonnen, in diesem Theater hatte Nijinsky gelernt. So viel Zeichen müssen sein ...
Dann erfüllte sich der Traum, mein Buch "Faszination Nijinsky" einem deutsch-russischen Publikum vorzustellen. Teils las ich aus dem Buch, noch mehr erzählte ich frei - und zeigte dazu Bilder. War so in Trance, dass ich gar nicht merkte, wie hingerissen das Publikum lauschte, obwohl ich eine halbe Stunde überzog. Und danach fast zwei Stunden noch Gespräche führte. Es war eine Art Feuertaufe. Ich hatte ein paar wichtigen Leuten gezeigt, wie ich vor Öffentlichkeit agiere - und ich lernte hochinteressante Menschen kennen, die im Laufe des Jahres eine immer wichtigere Rolle spielen sollten. Es öffneten sich Türen durch Empfehlungen, die womöglich im nächsten Jahr eine Rolle spielen werden.
Vor allem aber tauchte ich ein in eine Welt, die mir in der "Zufälligkeit" der Begegnungen fast märchenhaft erschien - und die für eine Künstlerin so wichtig ist wie das tägliche Brot. Plötzlich stand ich neben einem Choreografen, der als ganz junger Tänzer bei einem anderen Tänzer gelernt hatte, der mir irgendwie bekannt vorkam. Jener Tänzer war einst Mitglied der Ballets Russes und hatte Nijinsky noch erlebt! Ich vergesse nie meine Gänsehaut, die ich hatte, als ich immerhin durch einen Mittler Augenzeugenberichte über Nijinsky hörte. Wie wertvoll, denn die Augenzeugen selbst sind bereits alle tot. Andere Begegnungen waren ähnlich. Da gab es die Musiker, die in einer Petersburger Bibliothek verschollene Noten ausfindig gemacht hatten, Musik, die Diaghilew einst für Ballette benutzte - und die sie im Elsass welturaufführten. Es war ein Gefühl von "Heimkommen". Endlich bewegte ich mich unter Gleichgesinnten, unter Leuten, denen ich von meiner verrückten Arbeit erzählen konnte.
Die forderten mich allerdings auch ganz schön. Ganz plötzlich waren die Zeiten zu Ende, wo ich mir bestimmte Dinge nicht zutraute oder glaubte, Texte würde man nur in Büchern abdrucken. Wenn ich auch nur ein bißchen zögerte, wurde ich auf die Bühne geschubst. Wenn ich mir etwas nicht zutraute, bekam ich Beispiele vorgehalten von Leuten, die tief Luft holten und ins kalte Wasser sprangen. Ich bin so vielen Menschen in diesem Jahr dankbar, dass sie mich gefordert und geschubst haben. Denn so sieht Förderung aus. Ohne diese Menschen würde ich heute noch im stillen Kämmerlein schreiben, ohne meine Kreativität voll ausleben zu können.
Die Textarbeit fand in den "Raum". Im September erlebte ich eine Premiere - ich führte Leserinnen der österreichischen Zeitschrift "Welt der Frau" durch Baden-Baden, auf der Spur der großen russischen Literaten des 19. Jahrhunderts. Fasziniert entdeckte ich, welchen Spaß mir das macht, so dass ich ähnliche Führungen sicherlich 2013 wiederholen werde. Aber es erschütterte mich auch zu erleben, dass es Menschen gibt, die noch nie von einem Schriftsteller namens Tolstoi gehört hatten! Eine Weile war ich verunsichert: Wie packt man diese Menschen? Dann sah ich das Potential: Selbst das mir völlig selbstverständliche Wissen, das mir schon zu den Ohren wieder herauskommen mag, muss bewahrt werden, muss weitergetragen werden. An einem anderen russischen Schriftsteller konnte ich mich in dieser Hinsicht dann richtig austoben.
Mitte Oktober war der Gedenktag für Wassili Schukowski angesetzt, der in diesem Jahr seinen 160sten Todestag hatte. Seinen Lebensabend hatte der große russische Dichter und Übersetzer in Baden-Baden verbracht und war dort begraben worden, bevor sein Leichnam nach Petersburg verbracht worden war. Seine Grabstätte in Russland ist eine Art Nationalheiligtum. Hierzulande kennen ihn allenfalls Spezialisten. Dabei ist er es, der Goethe, Schiller und andere wichtige deutsche Schriftsteller kongenial ins Russische übersetzte und zu seiner Zeit schon die moderne Technik des "Übertragens" und Nachdichtens einführte. Als Dichter hat er die russische Romantik begründet - und ohne seine Freundschaft und Förderung hätte es einen Puschkin so nicht gegeben.
Ehe ich mich versah, saß ich im Planungskommittee für eine kleine Ausstellung in der Stadtbibliothek in Zusammenarbeit mit der deutsch-russischen Gesellschaft, wo ich nach der Weihe der Gedenkstätte einen Vortrag halten sollte. Aufgrund der Bedeutung des Dichters war der russische Konsul aus Frankfurt gekommen, russische Presse war anwesend - und ich schwitzte vor Aufregung und Erkältung, denn klar, am Tag zuvor war die Stimme weggeblieben. Ich hatte recherchiert wie eine Wilde und eine neue Methode dafür kreiert. Denn über Schukowski gibt es nicht viel Verlässliches in deutscher Sprache. Ein russischer Professor und meine Freundin versorgten mich fleißig und hilfreich mit den wunderbarsten Texten von russischen Universitäten - aber wie sollte ich die lesen?
"Gebt sie mir elektronisch!", war mein einziger Wunsch. Und dann musste Google herhalten. Ein Übersetzerkollege riet mir zu Recht, die Texte nicht ins Deutsche, sondern ins Englische umsetzen zu lassen, denn hier funktioniere die Maschine genauer. Wie wahr! Also lief ich überall mit meinem E-Reader herum, auf dem englisches Maschinenkauderwelsch geladen war. So konnte ich in Kürze die wichtigsten Texte überhaupt erst aussuchen, Stellen markieren und diese dann in Ruhe entweder selbst übersetzen oder mir übersetzen lassen. Mein passiver Wortschatz beim Lesen ist in dieser Zeit nicht übel gewachsen. Und der Vortrag war ein grandioser Erfolg. Ich wurde sofort nach einer gedruckten Version gefragt. Die wird auch irgendwann noch hergestellt werden, sobald mein Vortrag ins Russische übersetzt ist. Zunächst bringe ich ihn als E-Book im Original heraus. In einer Essay-Reihe.
Denn auch das habe ich fast wieder vergessen: Im August fragte die Bundeszentrale für politische Bildung an, ob ich für eine Sonderbeilage des "Parlament" zur Buchmesse ein Essay über die Zukunft des Buchs schreiben wolle. Ich weiß nicht, wie ich diese Arbeit überhaupt geschafft habe. Denn gleichzeitig schlug ich mir auf dem Internationalen Musikfestival in Wissembourg fast täglich die Nächte mit Konzerten um die Ohren, recherchierte für den Vortrag über Schukowski und bereitete meine Reiseführung vor. Ich muss manchmal grinsen, wenn mir Leute sagen, sie kämen einfach nicht zum Schreiben, weil sie ständig anderes zu tun hätten. Oh doch, man kommt auch dann zum Schreiben, wenn es gar nicht menschenmöglich erscheint. Man muss nur wollen. Und damit leben, dass man anschließend ziemlich alt aussieht und ziemlich viel Schlaf nachholen muss ...
Irgendwie klingt mir das alles trotzdem recht wenig, wenn ich lese, wie viele Bücher die Kollegen in der Zeit wieder geschrieben haben. Ich habe mich nicht einmal richtig um meine eigenen Bücher kümmern können (was sich leider auch in Verkaufszahlen ausdrückte). Ich habe immer nur nebenher ein paar Gedanken an meine Verlagsgründung verschwenden können, die ich 2013 in Angriff nehmen will. Und auch muss, um rechtlich und praktisch mehr Dinge tun zu können. Essays werden darin einen Platz haben. Und auch die Grenzgängereien, zwischen den Regionen, zwischen den Nationen, für die ich bereits ein Blog geschaffen habe.
Ach ja, das ist auch irgendwann passiert: Der Hanser Verlag rief mich an, ob ich an einer Lizenz meines Buchs "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" bei Suhrkamp-Insel interessiert sei. Obwohl sie die Buchreihe "Oasen für die Sinne" eingestellt hatten, kümmerten sie sich noch um das Buch!Und ich schlug zu und bereue es nicht, wenn ich auch öfter ins Schwitzen komme, ob der Suhrkamp-Verlag nach der Schlammschlacht seiner Eigner nächstes Jahr noch existieren wird. Träume wahrmachen und erleben - das könnte auch ein Motto dieses Jahres gewesen sein.
Leider rauscht so vieles an Freuden viel zu schnell an mir vorüber, ohne dass ich es wirklich genießen könnte. Zu den Sorgen und dem Abschiednehmen mit Rocco kam eine ganze Welle von wichtigen Gerätschaften, die plötzlich ihren Geist aufgaben, darunter auch öfter mal mein altes Auto. Hätte ich nicht wirklich wunderbare Freunde gehabt, ich hätte das finanziell gar nicht überstanden. Diese unkonventionelle Hilfe vergesse ich nie! Manchmal war ich fast beschämt vor Glück, wenn im dunkelsten Tunnel ein Licht sichtbar wurde.
Und im Moment klopfe ich ungeduldig mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum, weil ich auf die Fahnen warte, die wahrscheinlich in der Weihnachtspost feststecken ... und die ich bis zum 15. korrigiert haben muss. Gleichzeitig habe ich an einer Ausschreibung teilgenommen und mich für einen Traumjob beworben, dem ich schon länger hinterherrenne. Auch hier haben mich Kollegen für verrückt erklärt. Ich habe es jedoch in die Endauswahl geschafft, aber nun müssen Geldgeber für meine Arbeit gefunden werden. So hänge ich zwischen den Seilen und muss Geduld beweisen.
2013 wird hochspannend und womöglich ein Jahr von "Lieblingsarbeiten" werden (toitoitoi). Bis zum Erscheinen meines Elsass-Buchs im April / Mai muss ich das E-Book fertigstellen. Falls ich jenen "Traumjob" bekommen sollte, müsste ich darin sofort extrem Gas geben und mir noch einiges einfallen lassen. Auf administrativer Ebene muss ich nicht nur einen Verlag gründen, sondern auch eine Firma als auto-entrepréneur, und einiges an Papieren und Formularen wälzen. Eigen-PR fürs Buch will vorbereitet werden.
Der Mai steht dann ganz im Zeichen eines 100jährigen Jubiläums: Strawinskys Le Sacre in der Choreografie von Vaslav Nijinsky führte 1913 zum größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Mein Buch "Faszination Nijinsky" soll noch an einige ganz besondere Stellen finden ... und natürlich wird es im Nijinsky-Blog wieder aktuelle Beiträge geben.
Außerdem bin ich von der Deutsch-Russischen Kulturgesellschaft und der Stadtbibliothek um eine Arbeit gebeten worden, die ... nur so viel kann ich verraten ... Text in eine andere äußerliche Form bringen wird. Wir werden dafür noch andere Partner brauchen und ich habe eine ziemlich verrückte Idee, was das Thema betrifft. Für mich wird das eine Art Großprojekt, weil es Schreiben und gedruckte Schrift überschreitet und nur im Zusammenspiel unterschiedlicher Partner gelingen kann. Das bedeutet zunächst viel Kontakteknüpfen, Projektvorstellungen. Seit gestern schreibe ich bereits an Textproben ... und habe wunderbarerweise einen Mann vom Fach gewinnen können, der mich im Ernstfall coacht und auf alle Fälle kritisch zerreißt. Jenes Projekt hat entweder das volle Scheitern vor sich oder eine Geburt ... eher dann 2014. Das wird dann auch ein wichtiges Jahr mit Jubiläum der deutsch-russischen Beziehungen und einem Jubiläum Nijinskys, für das ich ebenfalls etwas liefern muss. Wieder geheim - aber die Arbeit beginnt dafür wohl im Herbst 2013.
Das vergangene Jahr barg auch tiefergehenden Lehrstoff für meine berufliche Laufbahn. So habe ich mich endgültig davon verabschiedet, Romane schreiben zu wollen, womöglich auch noch Genre. Ich bin einfach nicht der Typ dazu. Die beiden großen Essays in diesem Jahr und der Weg von Hanser zu Suhrkamp haben mir gezeigt, dass ich im literarischen Sachbuch noch jede Menge Entwicklungs- und Lernchancen habe. Gewiss, das Publikum ist ein kleineres, aber die Arbeit ist für mich ungeheuer befriedigend. Dementsprechend werde ich auch meine Vortragstätigkeit ausbauen.
Das andere Lernen habe ich Kunden zu verdanken, die aus dem Bereich von Kunst und Kultur kommen. Ich habe gesehen, wie viel bezahlte Arbeit dort notwendig und wie wenig Geld oft vorhanden ist. Oft ist es ein mühsames Suchen nach Fördertöpfen oder privaten Investoren, doch am Ende steht meist das gewünschte Projekt. Viel habe ich mir abschauen können, wie man Menschen von Projekten überzeugt. Und so habe ich zumindest in bestimmten Teilen die Angst verloren. Ich beginne ein rein privates Projekt nicht mehr in der Furcht, das würde ich doch nie bezahlt bekommen. Ich beginne mit der Frage: Was muss ich tun, um die richtigen Partner dafür zu finden? Ich lerne, wann man den Atem verlängern muss und wann eine Idee tatsächlich begraben. Das tut gut, denn ich muss mich schriftstellerisch nicht mehr ausliefern. Wenn ich in Zukunft ein Projekt einstampfen muss, dann einfach deshalb, weil ich es nicht geschafft habe, andere Menschen davon zu überzeugen. Und wenn ich das nicht schaffe, wäre das Projekt auch nach Veröffentlichung nicht tragfähig gewesen.
Endlichkeit hat einen Vorteil: Man vergeudet in ihrem Angesicht weniger Zeit als in der Jugend. Und man hat ein Alter erreicht, wo die Erfahrung viele Arbrnchancen habe. Gewiss, das Publikum ist ein kleineres, aber die Arbeit ist für mich ungeheuer befriedigend. Dementsprechend werde ich auch meine Vortragstätigkeit ausbauen.
Für meine Leserinnen und Leser wird das mehr wirkliche Themen bedeuten. Ich werde mehr Grenzgängereien, Genuss und Spaziergänge bringen, weiter über die Ballets Russes und die Avantgarde-Kunst erzählen und über Musik - Schwerpunktthemen meiner Leserblogs. Dafür klinke ich mich weitgehend aus Diskussionen über die Veränderungen in der Buchbranche und den Sinn oder Unsinn des Self Publishing aus. Mögen sich andere die Köpfe darüber zerbrechen, für mich ist all das inzwischen Mainstream. Als Künstlerin interessiert mich nicht mehr, was Branchenmitglieder von irgendwelchen neuen Techniken halten. Mich interessiert schlicht und einfach, welche Technik die richtige für meine Projekte sein wird. Und so sei auch verraten, dass sich mein Verlag nicht nur um Bücher kümmeren wird. Auch wenn manche den Begriff verabscheuen oder abgedroschen finden: Transmedia Storytelling trifft am ehesten meine Arbeit. Altmodisch könnte man auch sagen: Die Frau erzählt am laufenden Band Geschichten, ob sie schreibt, spricht, vorträgt, inszeniert, in Social Media kommuniziert oder durch Straßen führt ...
21. Dezember 2012
20. Dezember 2012
Qualitätsjournalismus 2.0(815)
Ich habe wie viele Kollegen zwei Berufe, die sich diametral gegenüber stehen: Ich bin Journalistin und ich schreibe PR- und Pressetexte für Geschäftskunden und Organisationen. Als Journalistin habe ich darauf zu achten, absolut unabhängig zu berichten und keine PR in meine Texte einfließen zu lassen. Als PR-Texterin bin ich bestrebt, so viele Pressetexte für Kunden so oft wie möglich in der Presse und anderswo zu landen. Viele Journalisten arbeiten inzwischen derart zweigleisig, weil man freiberuflich anders kaum mehr überleben kann. Und in der Regel funktioniert diese Zweiteilung auch wunderbar, wenn man selbst integer bleibt und beide Bereiche ganz klar trennt. Ein Geschäftskunde würde von mir nie und nimmer einen rein journalistischen Beitrag bekommen. Und PR mache ich nur explizit als solche ausgewiesen.
Schon seit langem fällt mir auf, wie sich leider auch die sogenannte Qualitätspresse nicht mehr zu schade dafür ist, vordergründig journalistische Beiträge zu veröffentlichen, die hart an der PR für Firmen, Organisationen, Lobbyisten und andere Gruppen vorbeischrammen - oder eigentlich schon längst nicht mehr Journalismus genannt werden dürfen. "Cui bono" - "wem nützt es", darf man sich bei Artikeln immer häufiger kritisch fragen. Die Gründe für das Verschwimmen dieser Grenzen sind mannigfaltig, aber kein Grund dieser Welt darf genügen, um die Grenze zwischen Journalismus und PR aufzuheben.
Seit ungefähr knapp zwei Jahren reißen die Missstände mehr und mehr ein. Die PR-Frau in mir reibt sich die Hände: Noch nie war es so einfach, die Tagespresse auf die Seite der eigenen Kunden zu ziehen. Wo ich mir früher mit aller Raffinesse Pressekampagnen ausdenken musste, bekomme ich heute das Material manchmal erschreckend schnell aus den Händen gerissen. Mit der Zeit hat man dann so seine Kontakte, die alles schlucken. Da sind Zeitungen, die würden mir als Journalistin keine einzige Zeile abkaufen: Weil ich so frech wäre, womöglich Spesen zu verlangen, weil ich am knausrigen Zeilenhonorar herummeckern würde, weil ich mich nicht auf Total Buy Out einlassen wollte. Friss oder stirb, heißt da die Devise: Hinter dir steht ein Heer von Ungelernten, das es fast umsonst macht.
Inzwischen lande ich bei solchen Zeitungen auch schon mal Aufmacher. Völlig unbeabsichtigt. Eigentlich war es ja nur ein PR-Text für einen Kunden. Eigentlich war der nur dazu gedacht gewesen, die betreffenden Journalisten zu einer Veranstaltung einzuladen. Eigentlich war er noch nicht mal journalistisch aufgebaut, weil man dem Redakteur noch Infomaterial für etwas anderes mitgeben wollte. Und dann finde ich den kompletten Text unredigiert als Aufmacher abgedruckt und bekomme auch noch ein dickes Dankeschön von der Redaktion. Der Redaktion, die mich als Journalistin nie und nimmer bezahlt hätte. So geht das also. Das Blatt wird kostenlos aufgefüllt (außer mir sind da noch ein paar andere Pressestellen zugange). Und auch ich kann zufrieden sein: Als PR-Texterin bekomme ich für diesen Artikel ein Mehrfaches. Aber die Journalistin in mir heult. Früher hat man als PR-Kunde für solche Zwecke ein sogenanntes Kollektiv bezahlen müssen und der Artikel wurde klar als das gekennzeichnet, was er war: als PR.
Usus, Alltag. Machen alle so, sagen meine Kollegen. Bis dann heute diese Mail von einer nicht gerade kleinen Zeitung in einer größeren Stadt kam - an mich in meiner Eigenschaft als PR-Texterin für einen Geschäftskunden:
Meine Kunden frohlocken natürlich. Noch nie war PR so einfach zu platzieren.
*Mailtext, Beteiligte und Situationen wurden derart verfremdet, dass keinerlei Rückschlüsse auf tatsächliche Ereignisse und Personen zu ziehen sind. Natürlich habe ich nie eine Mail mit genau diesem Text bekommen.
Schon seit langem fällt mir auf, wie sich leider auch die sogenannte Qualitätspresse nicht mehr zu schade dafür ist, vordergründig journalistische Beiträge zu veröffentlichen, die hart an der PR für Firmen, Organisationen, Lobbyisten und andere Gruppen vorbeischrammen - oder eigentlich schon längst nicht mehr Journalismus genannt werden dürfen. "Cui bono" - "wem nützt es", darf man sich bei Artikeln immer häufiger kritisch fragen. Die Gründe für das Verschwimmen dieser Grenzen sind mannigfaltig, aber kein Grund dieser Welt darf genügen, um die Grenze zwischen Journalismus und PR aufzuheben.
Seit ungefähr knapp zwei Jahren reißen die Missstände mehr und mehr ein. Die PR-Frau in mir reibt sich die Hände: Noch nie war es so einfach, die Tagespresse auf die Seite der eigenen Kunden zu ziehen. Wo ich mir früher mit aller Raffinesse Pressekampagnen ausdenken musste, bekomme ich heute das Material manchmal erschreckend schnell aus den Händen gerissen. Mit der Zeit hat man dann so seine Kontakte, die alles schlucken. Da sind Zeitungen, die würden mir als Journalistin keine einzige Zeile abkaufen: Weil ich so frech wäre, womöglich Spesen zu verlangen, weil ich am knausrigen Zeilenhonorar herummeckern würde, weil ich mich nicht auf Total Buy Out einlassen wollte. Friss oder stirb, heißt da die Devise: Hinter dir steht ein Heer von Ungelernten, das es fast umsonst macht.
Inzwischen lande ich bei solchen Zeitungen auch schon mal Aufmacher. Völlig unbeabsichtigt. Eigentlich war es ja nur ein PR-Text für einen Kunden. Eigentlich war der nur dazu gedacht gewesen, die betreffenden Journalisten zu einer Veranstaltung einzuladen. Eigentlich war er noch nicht mal journalistisch aufgebaut, weil man dem Redakteur noch Infomaterial für etwas anderes mitgeben wollte. Und dann finde ich den kompletten Text unredigiert als Aufmacher abgedruckt und bekomme auch noch ein dickes Dankeschön von der Redaktion. Der Redaktion, die mich als Journalistin nie und nimmer bezahlt hätte. So geht das also. Das Blatt wird kostenlos aufgefüllt (außer mir sind da noch ein paar andere Pressestellen zugange). Und auch ich kann zufrieden sein: Als PR-Texterin bekomme ich für diesen Artikel ein Mehrfaches. Aber die Journalistin in mir heult. Früher hat man als PR-Kunde für solche Zwecke ein sogenanntes Kollektiv bezahlen müssen und der Artikel wurde klar als das gekennzeichnet, was er war: als PR.
Usus, Alltag. Machen alle so, sagen meine Kollegen. Bis dann heute diese Mail von einer nicht gerade kleinen Zeitung in einer größeren Stadt kam - an mich in meiner Eigenschaft als PR-Texterin für einen Geschäftskunden:
"Wir berichten künftig gern regelmäßig über Ihren Geschäftskunden, auch an prominenter Stelle in unserem Blatt. Senden Sie uns einfach bei Bedarf bereits druckfertige Artikel, weil wir nicht immer einen Korrespondenten abstellen können. Wenn Sie Informationsmaterial haben, verarbeiten Sie dies bitte auch zu einem journalistischen Artikel passend für unsere Zeitung."Da blieb der Journalistin in mir dann doch die Spucke weg. Ich weiß, warum ich fast nur noch in Ausnahmefällen als Journalistin arbeite. Nicht nur wegen der lausigen Bezahlung und dem noch lausigeren Umgang mit Nutzungsrechten. Sondern weil ich mich morgens noch im Spiegel anschauen möchte. Und weil ich mich für diesen Berufsstand nicht so schämen möchte, wie ich das gerade fremdschämend tue.
Meine Kunden frohlocken natürlich. Noch nie war PR so einfach zu platzieren.
*Mailtext, Beteiligte und Situationen wurden derart verfremdet, dass keinerlei Rückschlüsse auf tatsächliche Ereignisse und Personen zu ziehen sind. Natürlich habe ich nie eine Mail mit genau diesem Text bekommen.
19. Dezember 2012
Parallelwelten einer Autorin
Als Autorin moderner Internetzeiten vergesse auch ich allzu gern, dass sich der Hauptanteil literarischer Arbeit im sogenannten "Real Life" abspielt. Das Publikum dort und die Arten der Kommunikation können manchmal völlig anders sein als die Fandoms im Internet - wodurch sich beide Welten perfekt ergänzen. Bei mir ist das "Echtleben" inzwischen sogar so anders, dass ich ein Wörterbuch brauche, um zu verstehen, was ich da wieder fabriziert habe ...
Die große Überraschung hielt ich gestern in Händen. Ich hatte in diesem Jahr in Baden-Baden bei einem Projekt der Deutsch-Russischen Kulturgesellschaft mitgearbeitet, die für die Grabstätte des berühmten russischen Dichters und Übersetzers Wassili Schukowski und seiner beiden Kinder die Patenschaft übernommen hat und im 160. Todesjahr des Romantikers einen Obelisk aus seiner Zeit für die Gedenkstätte errichten ließ. Wassili Schukowski ist der Begründer der Romantik in Russland und war Freund und Förderer Puschkins. Als Übersetzer übertrug er vor allem deutsche Dichter wie Goethe und Schiller, aber auch den im Badischen beliebten Johann Peter Hebel. Seinen Lebensabend bis zum Tod verbrachte er in Baden-Baden. Der Sohn, in anderer Schreibweise Paul von Joukowsky, dürfte Deutschen eher ein Begriff sein - er war einer der engsten Freunde Richard Wagners im Haus Wahnfried und entwarf für dessen Premiere des Parsifal Bühnenbild und Kostüme, darunter den Gral. Seine Portraits von Wagner und Liszt sind berühmt geworden.
Mir war es eine besondere Ehre, den Festvortrag für das Ereignis auszuarbeiten und zu halten - die Stadtbibliothek war Mitveranstalterin und zeigte auch eine kleine Ausstellung mit Werken von Schukowski in zwei Sprachen. Zwei Schüler vom Russischen Haus in Karlsruhe rezitierten zu meinem Vortrag ein Gedicht von Goethe im Original und in Schukowskis Übertragung (Foto). Russische Professoren aus Baden-Baden schrieben zeitgleich Fachaufsätze für ihre Universitäten zum Ereignis, der russische Konsul kam und die Grußworte aus Wissenschaft, Diplomatie und Außenministerium waren zahlreich. Der Begründer der Romantik und Förderer Puschkins ist nicht irgendwer.
Und so bin ich dann auch in der Welt der kyrillischen Buchstaben angekommen. Und habe meinen Namen zum ersten Mal in russischer Umschrift gesehen ... oben zu sehen sind Ausschnitte aus der Monatszeitschrift "Neue Zeiten", die Interessantes und Wichtiges aus Deutschland berichtet. Um den Artikel aber wirklich zu verstehen, werde ich wahrscheinlich Hilfe brauchen.
Die Veranstaltung blieb nicht ohne Folgen: Der Vortrag erscheint zunächst als E-Book in deutscher Sprache . Außerdem soll er ins Russische übersetzt werden. Und soll später auf alle Fälle auch zweisprachig gedruckt werden.
Und Blogleser wissen ja, dass ich ursprünglich mein geplantes Buch über die Russen in Baden-Baden auf Eis legen wollte (es wird ganz anders als welche mit ähnlichen Titeln, aber darüber halte ich mich bewusst bedeckt). Das Nadelöhr des stationären Buchhandels war mir doch zu riskant, da ich nicht nur lokal verkaufen will, außerdem musste ich dringend Arbeit abspecken. Wie das Leben so spielt, wird es 2014 jedoch einen Anlass geben, der genau diese spezielle Herangehensweise von mir wichtig machen wird. Es wird also nur verschoben, keineswegs aufgehoben. Und der Buchhandel, der dann nicht zugreift, ist selbst schuld.
Das alles begann mit einem russischen Ballettänzer, der plötzlich durch mein Leben quirlte und der "Faszination Nijinsky" ... verbunden damit, dass ich diese Themen unbedingt in mein Leben transportieren musste.
Die große Überraschung hielt ich gestern in Händen. Ich hatte in diesem Jahr in Baden-Baden bei einem Projekt der Deutsch-Russischen Kulturgesellschaft mitgearbeitet, die für die Grabstätte des berühmten russischen Dichters und Übersetzers Wassili Schukowski und seiner beiden Kinder die Patenschaft übernommen hat und im 160. Todesjahr des Romantikers einen Obelisk aus seiner Zeit für die Gedenkstätte errichten ließ. Wassili Schukowski ist der Begründer der Romantik in Russland und war Freund und Förderer Puschkins. Als Übersetzer übertrug er vor allem deutsche Dichter wie Goethe und Schiller, aber auch den im Badischen beliebten Johann Peter Hebel. Seinen Lebensabend bis zum Tod verbrachte er in Baden-Baden. Der Sohn, in anderer Schreibweise Paul von Joukowsky, dürfte Deutschen eher ein Begriff sein - er war einer der engsten Freunde Richard Wagners im Haus Wahnfried und entwarf für dessen Premiere des Parsifal Bühnenbild und Kostüme, darunter den Gral. Seine Portraits von Wagner und Liszt sind berühmt geworden.
![]() |
Ausschnitte aus "Neue Zeiten" zur Einweihung der Schukowski-Gedenkstätte Baden-Baden |
Mir war es eine besondere Ehre, den Festvortrag für das Ereignis auszuarbeiten und zu halten - die Stadtbibliothek war Mitveranstalterin und zeigte auch eine kleine Ausstellung mit Werken von Schukowski in zwei Sprachen. Zwei Schüler vom Russischen Haus in Karlsruhe rezitierten zu meinem Vortrag ein Gedicht von Goethe im Original und in Schukowskis Übertragung (Foto). Russische Professoren aus Baden-Baden schrieben zeitgleich Fachaufsätze für ihre Universitäten zum Ereignis, der russische Konsul kam und die Grußworte aus Wissenschaft, Diplomatie und Außenministerium waren zahlreich. Der Begründer der Romantik und Förderer Puschkins ist nicht irgendwer.
Und so bin ich dann auch in der Welt der kyrillischen Buchstaben angekommen. Und habe meinen Namen zum ersten Mal in russischer Umschrift gesehen ... oben zu sehen sind Ausschnitte aus der Monatszeitschrift "Neue Zeiten", die Interessantes und Wichtiges aus Deutschland berichtet. Um den Artikel aber wirklich zu verstehen, werde ich wahrscheinlich Hilfe brauchen.
Die Veranstaltung blieb nicht ohne Folgen: Der Vortrag erscheint zunächst als E-Book in deutscher Sprache . Außerdem soll er ins Russische übersetzt werden. Und soll später auf alle Fälle auch zweisprachig gedruckt werden.
Und Blogleser wissen ja, dass ich ursprünglich mein geplantes Buch über die Russen in Baden-Baden auf Eis legen wollte (es wird ganz anders als welche mit ähnlichen Titeln, aber darüber halte ich mich bewusst bedeckt). Das Nadelöhr des stationären Buchhandels war mir doch zu riskant, da ich nicht nur lokal verkaufen will, außerdem musste ich dringend Arbeit abspecken. Wie das Leben so spielt, wird es 2014 jedoch einen Anlass geben, der genau diese spezielle Herangehensweise von mir wichtig machen wird. Es wird also nur verschoben, keineswegs aufgehoben. Und der Buchhandel, der dann nicht zugreift, ist selbst schuld.
Das alles begann mit einem russischen Ballettänzer, der plötzlich durch mein Leben quirlte und der "Faszination Nijinsky" ... verbunden damit, dass ich diese Themen unbedingt in mein Leben transportieren musste.
12. Dezember 2012
Cover wechsel dich ...
E-Books im Self Publishing haben einen Vorteil: Man kann grottige Cover gegen noch grottigere Cover jederzeit austauschen. Und weil so viele Stimmen aus dem Publikum meinten, mein altes Schwarzweißfoto auf dem Blogbuch sei so gruslig und das neue Profilbild viel hübscher - teste ich nun mal aus, ob das Publikum Recht hat. Das Motiv hat den Vorteil, dass es deutlicher die Linie zu meinem Blog und meiner Social-Media-Arbeit zieht, aber irgendwann sollte ich doch wieder in einen richtigen Fotografen investieren. Wenn ich einmal reich bin, dideldi, dideldum, dideldiddeldiddeldumm ...
![]() |
Jetzt muss es nur noch überall hochgeladen und getauscht werden ... |
8. Dezember 2012
Alles neu macht der Mai
Vor den Kulissen: Blogruhe. Hinter den Kulissen: Hektik, Überstunden, intensive Arbeit.
Denn manchmal will sich einfach alles neu zusammenfügen. In meinem Fall "biegt" sich eine Entwicklung zu "Kreisen", an der ich seit inzwischen doch recht vielen Jahren stets fokussiert arbeite, weil ich darin nicht nur eins meiner Lieblingsthemen sehe, sondern auch ein Lebensthema mit meiner Kulturenhopserei. Inzwischen habe ich auch ein Wort dafür, das am ehesten die doppelte Bedeutung vermittelt: Grenzgängereien. Einmal real, auf dem Boden der Tatsachen und dem realen Boden, auf dem ich stehe und gehe, über nationale und regionale Grenzen hinweg. Zum zweiten im übertragenen Sinne, über die Grenzen im Kopf hinweg, über die Grenzen hinweg, die man sich oft selbst viel zu ängstlich und zu eng setzt. Da lockt die Weite des Horizonts, die Horizonterweiterung - mit so vielen neuen Möglichkeiten und Chancen.
Wer mich kennt, der weiß, dass man von Büchern allein nicht leben kann und kreative Berufe immer schlimmer entwertet werden. So bin ich längst wie viele Kollegen "multipel" berufstätig. Viele fragen mich, wie ein Mensch das aushält, so viel zu arbeiten, mit Auftragstexterei, Übersetzungen, Projekten und dann noch Bücher schreiben und Social Media machen. Man hält das aus, solange man gesund ist und diese Tätigkeit liebt wie keinen anderen Beruf der Welt. Man hält das aus, wenn man das Schreiben wie das Atmen zum Leben braucht.
Trotzdem habe ich auch ein striktes Energiemanagement. Ich weiß inzwischen sehr genau, wann ich den Griffel fallenlassen und Dolce Vita auf den Terminkalender setzen muss. Und zum Glück bin ich ein Mensch, der den Moment genießen kann - zwei Stunden im Wald, und ich kann beruflich wieder Bäume ausreißen. Das könnte ich aber nicht, wenn ich jede Art von Unkraut als Auftrag annehmen würde. Auch da halten mich viele für verrückt. Ich lasse mir manchmal Aufträge absichtlich durch die Lappen gehen. Nämlich dann, wenn ich weiß, das könnte irgendeine Billigkraft genauso machen; wenn ich ahne, Projekt und Kunde passen nicht zu meiner Arbeit. So kommt es, dass ich lieber Texte über Musik schreibe als über Diamanten, und lieber Texte über Waldwege und die Avantgarde übersetze als welche über Wirtschaft oder Technik. Langfristig zahlt es sich aus, sich aufs eigene Thema zu fokussieren und wählerisch zu sein. Man entwickelt seine Stärken und findet immer öfter zu den richtigen Kontakten. Und in dieser Hinsicht wühle ich derzeit sehr schwer und sehr gezielt.
Äußerlich sichtbar ist zunächst einmal nur eins: Mein Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" ist ab Mai 2013 wieder zu haben (bereits vorbestellbar), diesmal als Taschenbuch mit zahlreichen Farbfotos, nun im Suhrkamp-Insel-Verlag, und als E-Book im Self Publishing. Jeder, der regelmäßig mein Blog liest, wird wissen, dass ich auch sonst gern über meine Grenzgängereien plaudere, über Genussthemen, über Grenzüberschreitendes. Das wird ab und zu flankiert von einem Projekt in EU-Förderung, an dem ich mit einem Team zusammensitze. Und da ist meine Arbeit in Sachen russischer Kultur auf badischem Boden.
Vieles ist noch nicht spruchreif, steckt noch in Verhandlungen. Wenn alles klappt, werde ich einen sehr besonderen Traum leben, pardon arbeiten können, der mir seit der Beschäftigung mit den Ballets Russes und der europäischen Avantgarde vor Augen steht. Es gab einmal diese Achse Paris - Sankt Petersburg, der ich scherzend ein Baden-Baden als "Mitte" hinzugefügt habe: Hier brodelte zur Jahrtausendwende bis 1914 ein Europa, das wir heute zu vergessen drohen: Ein Europa der Kunst und Kultur, der Menschen. Ein Europa der Denker, der Köpfe ... oder wie Tomi Ungerer das mal so passend genannt hat: der Brücken-Köpfe.
Dieses Europa gibt es noch, auch wenn die Medien und leider auch die Stammtische derzeit alles daran setzen, es wegzureden. Viele bemühte Menschen, einfache Bürger, Kulturinstitutionen, Künstler, aber auch Politiker und Geldgeber leben dieses Europa, arbeiten teilweise bis zum Umfallen, um es direkt ins Leben der Bürger zu bringen. Es ist eine schöne Aufgabe, diese kulturellen Zusammenhänge und Schätze nicht auf dem Altar des grenzenlosen Konsums mit all seinen grässlichen Folgen zu opfern - sondern sie, im Gegenteil, wieder sichtbar zu machen, zu bewahren. Ein russisch-deutsches Ereignis ist angedacht fürs nächste Jahr, und wenn die Sterne ordentlich und richtig stehen, auch eines auf französischer Seite. Weil natürlich auch Kunst und Kultur bezahlt werden wollen, oder anders gesagt, mein schnöder Kühlschrank gefüllt und die Stromrechnung bezahlt werden muss, funktionieren diese Dinge natürlich immer erst mit Geldgebern. Unterschiedliche Gremien und Partner müssen sich da zusammensetzen.
Und damit das Ganze auch rechtlich einwandfrei läuft, muss ich mal wieder in meinem Leben das reine Künstlerdasein verlassen und eine Firma gründen - auch das ist nicht mit Fingerschnipp gemacht und will vor allem gut durchdacht sein. Fest steht schon eines: ein Verlag wird es sein, aber ein Verlag, der nicht nur Bücher macht - denn Verlage können so viel mehr.
Auch wenn es also nicht alles öffentlich immer gleich sichtbar sein wird: 2013 wird sich einiges tun rund um den Zander! Die Website will ebenfalls umgestaltet werden. Und die Blogs werden nun endgültig umstrukturiert.
Dieses Blog "cronenburg" hier bleibt in seiner Thematik nah an den Autoren- und Buchbranchenthemen wie gewohnt und wird allenfalls etwas weniger häufig bestückt. Aber regelmäßig!
Das Blog "Grenzgängereien" führt nun alles zusammen: das Dreiländereck, die deutsch-russische Welt, irgendwann vielleicht auch die französisch-russische ... es richtet sich in erster Linie direkt an meine Leserinnen und Leser. Deshalb wird peu à peu auch der Inhalt meines Blogs über das russische Baden-Baden in die "Grenzgängereien" überführt werden und dann das Baden-Baden-Blog aufgelöst. Vaslav Nijinsky hat natürlich weiter einen eigenen Ehrenplatz verdient. Und ich gehe dann mal wieder arbeiten ... mich auf eine Konferenz heute abend vorbereiten. Wie man sieht, habe zumindest ich für den Weltuntergang einfach keine Zeit!
Denn manchmal will sich einfach alles neu zusammenfügen. In meinem Fall "biegt" sich eine Entwicklung zu "Kreisen", an der ich seit inzwischen doch recht vielen Jahren stets fokussiert arbeite, weil ich darin nicht nur eins meiner Lieblingsthemen sehe, sondern auch ein Lebensthema mit meiner Kulturenhopserei. Inzwischen habe ich auch ein Wort dafür, das am ehesten die doppelte Bedeutung vermittelt: Grenzgängereien. Einmal real, auf dem Boden der Tatsachen und dem realen Boden, auf dem ich stehe und gehe, über nationale und regionale Grenzen hinweg. Zum zweiten im übertragenen Sinne, über die Grenzen im Kopf hinweg, über die Grenzen hinweg, die man sich oft selbst viel zu ängstlich und zu eng setzt. Da lockt die Weite des Horizonts, die Horizonterweiterung - mit so vielen neuen Möglichkeiten und Chancen.
![]() |
Ein neues Blog für Genießer, Kulturinteressierte, Reisende und Querdenker |
Wer mich kennt, der weiß, dass man von Büchern allein nicht leben kann und kreative Berufe immer schlimmer entwertet werden. So bin ich längst wie viele Kollegen "multipel" berufstätig. Viele fragen mich, wie ein Mensch das aushält, so viel zu arbeiten, mit Auftragstexterei, Übersetzungen, Projekten und dann noch Bücher schreiben und Social Media machen. Man hält das aus, solange man gesund ist und diese Tätigkeit liebt wie keinen anderen Beruf der Welt. Man hält das aus, wenn man das Schreiben wie das Atmen zum Leben braucht.
Trotzdem habe ich auch ein striktes Energiemanagement. Ich weiß inzwischen sehr genau, wann ich den Griffel fallenlassen und Dolce Vita auf den Terminkalender setzen muss. Und zum Glück bin ich ein Mensch, der den Moment genießen kann - zwei Stunden im Wald, und ich kann beruflich wieder Bäume ausreißen. Das könnte ich aber nicht, wenn ich jede Art von Unkraut als Auftrag annehmen würde. Auch da halten mich viele für verrückt. Ich lasse mir manchmal Aufträge absichtlich durch die Lappen gehen. Nämlich dann, wenn ich weiß, das könnte irgendeine Billigkraft genauso machen; wenn ich ahne, Projekt und Kunde passen nicht zu meiner Arbeit. So kommt es, dass ich lieber Texte über Musik schreibe als über Diamanten, und lieber Texte über Waldwege und die Avantgarde übersetze als welche über Wirtschaft oder Technik. Langfristig zahlt es sich aus, sich aufs eigene Thema zu fokussieren und wählerisch zu sein. Man entwickelt seine Stärken und findet immer öfter zu den richtigen Kontakten. Und in dieser Hinsicht wühle ich derzeit sehr schwer und sehr gezielt.
Äußerlich sichtbar ist zunächst einmal nur eins: Mein Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" ist ab Mai 2013 wieder zu haben (bereits vorbestellbar), diesmal als Taschenbuch mit zahlreichen Farbfotos, nun im Suhrkamp-Insel-Verlag, und als E-Book im Self Publishing. Jeder, der regelmäßig mein Blog liest, wird wissen, dass ich auch sonst gern über meine Grenzgängereien plaudere, über Genussthemen, über Grenzüberschreitendes. Das wird ab und zu flankiert von einem Projekt in EU-Förderung, an dem ich mit einem Team zusammensitze. Und da ist meine Arbeit in Sachen russischer Kultur auf badischem Boden.
Vieles ist noch nicht spruchreif, steckt noch in Verhandlungen. Wenn alles klappt, werde ich einen sehr besonderen Traum leben, pardon arbeiten können, der mir seit der Beschäftigung mit den Ballets Russes und der europäischen Avantgarde vor Augen steht. Es gab einmal diese Achse Paris - Sankt Petersburg, der ich scherzend ein Baden-Baden als "Mitte" hinzugefügt habe: Hier brodelte zur Jahrtausendwende bis 1914 ein Europa, das wir heute zu vergessen drohen: Ein Europa der Kunst und Kultur, der Menschen. Ein Europa der Denker, der Köpfe ... oder wie Tomi Ungerer das mal so passend genannt hat: der Brücken-Köpfe.
Dieses Europa gibt es noch, auch wenn die Medien und leider auch die Stammtische derzeit alles daran setzen, es wegzureden. Viele bemühte Menschen, einfache Bürger, Kulturinstitutionen, Künstler, aber auch Politiker und Geldgeber leben dieses Europa, arbeiten teilweise bis zum Umfallen, um es direkt ins Leben der Bürger zu bringen. Es ist eine schöne Aufgabe, diese kulturellen Zusammenhänge und Schätze nicht auf dem Altar des grenzenlosen Konsums mit all seinen grässlichen Folgen zu opfern - sondern sie, im Gegenteil, wieder sichtbar zu machen, zu bewahren. Ein russisch-deutsches Ereignis ist angedacht fürs nächste Jahr, und wenn die Sterne ordentlich und richtig stehen, auch eines auf französischer Seite. Weil natürlich auch Kunst und Kultur bezahlt werden wollen, oder anders gesagt, mein schnöder Kühlschrank gefüllt und die Stromrechnung bezahlt werden muss, funktionieren diese Dinge natürlich immer erst mit Geldgebern. Unterschiedliche Gremien und Partner müssen sich da zusammensetzen.
Und damit das Ganze auch rechtlich einwandfrei läuft, muss ich mal wieder in meinem Leben das reine Künstlerdasein verlassen und eine Firma gründen - auch das ist nicht mit Fingerschnipp gemacht und will vor allem gut durchdacht sein. Fest steht schon eines: ein Verlag wird es sein, aber ein Verlag, der nicht nur Bücher macht - denn Verlage können so viel mehr.
Auch wenn es also nicht alles öffentlich immer gleich sichtbar sein wird: 2013 wird sich einiges tun rund um den Zander! Die Website will ebenfalls umgestaltet werden. Und die Blogs werden nun endgültig umstrukturiert.
Dieses Blog "cronenburg" hier bleibt in seiner Thematik nah an den Autoren- und Buchbranchenthemen wie gewohnt und wird allenfalls etwas weniger häufig bestückt. Aber regelmäßig!
Das Blog "Grenzgängereien" führt nun alles zusammen: das Dreiländereck, die deutsch-russische Welt, irgendwann vielleicht auch die französisch-russische ... es richtet sich in erster Linie direkt an meine Leserinnen und Leser. Deshalb wird peu à peu auch der Inhalt meines Blogs über das russische Baden-Baden in die "Grenzgängereien" überführt werden und dann das Baden-Baden-Blog aufgelöst. Vaslav Nijinsky hat natürlich weiter einen eigenen Ehrenplatz verdient. Und ich gehe dann mal wieder arbeiten ... mich auf eine Konferenz heute abend vorbereiten. Wie man sieht, habe zumindest ich für den Weltuntergang einfach keine Zeit!
2. Dezember 2012
Schneekönig
Weil so viele Menschen so lieb an Roccos Schicksal Anteil nehmen, hier mal ein aktuelles Foto des Schneekönigs von heute:
Zum Glück weiß er nichts von seiner Krankheit und hat sichtlich keine Schmerzen. Mit zunehmender Kälte explodiert er fast vor Energie und hat heute noch einmal den ersten Schnee. Und eine Nebenwirkung der Krankheit: Er hat ein bißchen zu sehr zugelegt, weil er zu sehr verwöhnt wird. Nur die Menschin bemerkt Anzeichen und so feiern wir jeden Tag - und vielleicht können wir auch den zehnten Geburtstag am 19.12. feiern, mal sehen ... Rocco hat dazu gerade nur eine Antwort: Er schnarcht genüsslich unterm Schreibtisch.
Zum Glück weiß er nichts von seiner Krankheit und hat sichtlich keine Schmerzen. Mit zunehmender Kälte explodiert er fast vor Energie und hat heute noch einmal den ersten Schnee. Und eine Nebenwirkung der Krankheit: Er hat ein bißchen zu sehr zugelegt, weil er zu sehr verwöhnt wird. Nur die Menschin bemerkt Anzeichen und so feiern wir jeden Tag - und vielleicht können wir auch den zehnten Geburtstag am 19.12. feiern, mal sehen ... Rocco hat dazu gerade nur eine Antwort: Er schnarcht genüsslich unterm Schreibtisch.
1. Dezember 2012
Erzählräume contra Gemütlichkeit
Früher hat man sich, wenn man etwas erzählen wollte, in der Kneipe getroffen. Noch sehr viel früher traf man sich im Winter in den Spinnstuben, wo sich die Frauen bei der eintönigen Arbeit Märchen, Gruselgeschichten und den neuesten Tratsch weitergaben. Deshalb "spinnt" man noch heute eine Geschichte aus oder sogar Seemannsgarn - oder "hechelt" seine Nachbarn durch, als seien sie verunreinigter Flachs. Wer zurückdenkt an diese Zeiten, verbindet die Orte des Erzählens, Tratschens und Erinnerns mit einem deutschen Wort, das es in keiner anderen Sprache gibt, es sei denn, als Fremdwort: Gemütlichkeit.
Irgendwann kamen neue Erzählmedien dazu: Massendruck, Radio, Fernsehen. Die Hoffnungsfrohen malten sich aus, welch unwahrscheinliche Zukunftsmöglichkeiten man dadurch habe, die Ängstlichen beschworen das Ende der Gemütlichkeit herauf und Schlimmeres. Historisch betrachtet wurden solche Räume jedoch immer schon lange vorher erdacht, bevor sie technisch möglich waren. Nikola Tesla wollte zur Pariser Weltausstellung 1900 drahtlos aus den USA "Nachrichten und Energie" übertragen, der französische Dichter Guillaume Apollinaire, der schon 1914 Schallplattenaufnahmen seiner Gedichte produzieren ließ, schrieb "Bildgedichte", von denen er sich erträumte, sie würden eines Tages mittels spezieller "Schallplatten" sicht- und hörbar von der Spitze des Eifelturms gesendet werden. E-Reader kamen schon in Science-Fiction vor, lange bevor es das Internet gab. Ein russischer Avantgardist namens Velimir Chlebnikov schrieb 1921 einen Text mit dem Titel "Radio der Zukunft", der uns Heutige verblüffend an Social Media erinnert. Denn das, was er mangels anderer Worte "Radio" nannte, würde gehört, gelesen und in speziellen Clubs geteilt, ja sogar Geruchs- und Geschmackserlebnisse sollten derart übertragbar werden - leider auch zu Propagandazwecken.
Daran musste ich denken, als ich meinen Social-Media-Kanälen einen weiteren hinzufügte, nämlich Google+. Nicht, dass ich zu viel Zeit hätte, aber ich beteilige mich gerade an einer Ausschreibung für die Social-Media-PR eines Traumkunden und will wissen, welches Umfeld sich für dessen recht schwieriges Spezialpublikum am besten eignet. Da ist das eine: Transmedia Storytelling, wie man neudeutsch die Fähigkeit nennt, über unterschiedliche Medien hinweg jeweils an deren eigene Kommunikationsform angepasst etwas zu erzählen, anstatt dumpf alles in Crosspostings zu stecken. Das andere ist die Atmosphäre eines Mediums, das Gefühl, das ich dort Menschen bereiten kann, auch wenn es Chlebnikovs Geruchs- und Geschmacksteilen noch nicht gibt. Zunächst sind da mal nur nackte und technische Plattformen: Blog- und Contentsysteme, Facebook, Twitter, Flickr, Google+ und wie sie alle heißen. Wie schafft man dort so etwas wie eine Wohlfühlumgebung, vielleicht sogar "Gemütlichkeit"?
Nun habe ich den Vor- oder Nachteil, dass ich Synästhesistin bin und darum auch Social Media anders erfahre. Ich kann nicht nur Kandinskys Gemälde "hörsehen" und Gustav Mahlers Musik "hörsehfühlschmecken." Ich reagiere auf Räume manchmal extrem: In einer Wohnung ohne Pflanzen und ohne Bilder an hohen kahlen Wänden höre ich eine Art Tonlosigkeit wie einen Basso Continuo. In manchem Baumarkt bekommt man mich nur im Notfall hinein, wenn ich dringend etwas brauche, und dann schalte ich alle Sinne möglichst auf Durchzug: Weil extrem hohe, sehr lange überbunte Regalgänge, die bis in jedes Eck vollgestopft sind mit Dingen, zusammen mit Energiesparlicht und aufdringlichen Werbeplakaten mich nicht nur über den Gesichtssinn nerven. Mit Social Media gehe ich ähnlich um. Mich interessiert am ersten Tag: Wie fühlt sich so eine Plattform synästhesistisch an? Denn ich nehme das Internet dreidimensional wie auf einer inneren Satellitenkarte wahr.
Das ist ganz lustig. Bei Facebook fühlte ich mich zunächst wie auf einer unendlich großen, absolut leeren Ebene, die aber ähnlich wie ein Computerspiel mit möglichen Ein- und Ausgängen lockte. Eine Art dreidimensionales Multilevelspiel, das sich zunehmend mit hopsenden und blinkernden Tönchen füllte und perfekt geschützte Räume vorgaukelt. Da hatte ich trotz der cleanen Aufmachung der Seite die Spinnstube des 19. Jahrhunderts, die manchmal aufgrund zu vieler übereinandergeklebter Tapeten und Bilderchen auch gern einmal zur Kakophonie wird, die in den Ohren schrillt. Aber mit solchermaßen "vertrauter" Umgebung, auch wenn sie virtuell ist, lässt sich gut umgehen: Man singt die eigenen Geschichten im Melodienstrom mit und fühlt sozusagen im Unterarm, wann ein Kontrapunkt angesagt ist.
Google+, wo ich seit gestern erst wirklich aktiv bin, fühlt sich dagegen völlig anders an. Da ist kein Ebenengefühl, sondern der Eindruck, in einer immensen, sehr hohen und sehr kalten Kirche zu sein, so einer Art Technikkathedrale. Ein "Computerspiel", bei dem man eher mit Herumklicken auf Pfeilern und Zwischenräumen arbeitet, spielerisch herumturnt und sich fragt, was wohl hinter jener Wand verborgen ist oder wie man jenes Kerzchen im Lüster kreisen lässt. Es ist still da, extrem still. Und damit meine ich die synästhetische Stille. Ein Kandinsky klingt unwahrscheinlich reich und lange nach, während ein Werbebild einer braunen Limonade nur kurz und kreischend quietscht. Google+ ist ein stiller Hohlraum. Wenn ich dort arbeiten will, muss ich alle Töne allein aus meinen Geschichten erschaffen.
Während ich mein Profil aufbaue und mich bereits mit anderen vernetze, habe ich auch das Gefühl, selbst ständig allzu sichtbar zu sein, während ich mich bei Facebook scheinbar viel enger unter Menschen fühle: Die Sinneseindrücke vom Gegenüber werden anders geleitet. Google+ ist clean und schön einfach und intuitiv, aber es verschluckt Wahrnehmungen. Man tapeziert nicht wild drauflos, sondern steigt manchmal in den unendlichen Pool des Internet; muss erst fischen gehen, erschrickt auch schon mal wegen jenes tief mitternachtsblauen Klangs der Weite jener Möglichkeiten. Ob ich hier je dreidimensional irgendwelche Level wahrnehme und lustig hüpfende Spielfiguren? Ich bespiele ein schwarzes Loch und weiß noch nicht, in welche Galaxie es meine Geschichten bläst.
Techniker, Pragmatiker und Social-Media-Experten können jetzt gern über mich lachen. Ich kann nicht anders. Für mich ist auch ein Gefühl wichtig, das jede Plattform vermittelt: Regt sie mich so auf wie jener Baumarkt, so dass ich nur ein Minimum an Zeit dort verbringe? Oder saugt sie mich herein wie ein gutes Konzert, von dem ich nicht genug bekommen kann? Dementsprechend muss ich meine Geschichten dort erzählen. Tapezieren ist einfach. Aber wie bekommt man eine leere Kathedrale zum Klingen?
Irgendwann kamen neue Erzählmedien dazu: Massendruck, Radio, Fernsehen. Die Hoffnungsfrohen malten sich aus, welch unwahrscheinliche Zukunftsmöglichkeiten man dadurch habe, die Ängstlichen beschworen das Ende der Gemütlichkeit herauf und Schlimmeres. Historisch betrachtet wurden solche Räume jedoch immer schon lange vorher erdacht, bevor sie technisch möglich waren. Nikola Tesla wollte zur Pariser Weltausstellung 1900 drahtlos aus den USA "Nachrichten und Energie" übertragen, der französische Dichter Guillaume Apollinaire, der schon 1914 Schallplattenaufnahmen seiner Gedichte produzieren ließ, schrieb "Bildgedichte", von denen er sich erträumte, sie würden eines Tages mittels spezieller "Schallplatten" sicht- und hörbar von der Spitze des Eifelturms gesendet werden. E-Reader kamen schon in Science-Fiction vor, lange bevor es das Internet gab. Ein russischer Avantgardist namens Velimir Chlebnikov schrieb 1921 einen Text mit dem Titel "Radio der Zukunft", der uns Heutige verblüffend an Social Media erinnert. Denn das, was er mangels anderer Worte "Radio" nannte, würde gehört, gelesen und in speziellen Clubs geteilt, ja sogar Geruchs- und Geschmackserlebnisse sollten derart übertragbar werden - leider auch zu Propagandazwecken.
Daran musste ich denken, als ich meinen Social-Media-Kanälen einen weiteren hinzufügte, nämlich Google+. Nicht, dass ich zu viel Zeit hätte, aber ich beteilige mich gerade an einer Ausschreibung für die Social-Media-PR eines Traumkunden und will wissen, welches Umfeld sich für dessen recht schwieriges Spezialpublikum am besten eignet. Da ist das eine: Transmedia Storytelling, wie man neudeutsch die Fähigkeit nennt, über unterschiedliche Medien hinweg jeweils an deren eigene Kommunikationsform angepasst etwas zu erzählen, anstatt dumpf alles in Crosspostings zu stecken. Das andere ist die Atmosphäre eines Mediums, das Gefühl, das ich dort Menschen bereiten kann, auch wenn es Chlebnikovs Geruchs- und Geschmacksteilen noch nicht gibt. Zunächst sind da mal nur nackte und technische Plattformen: Blog- und Contentsysteme, Facebook, Twitter, Flickr, Google+ und wie sie alle heißen. Wie schafft man dort so etwas wie eine Wohlfühlumgebung, vielleicht sogar "Gemütlichkeit"?
Nun habe ich den Vor- oder Nachteil, dass ich Synästhesistin bin und darum auch Social Media anders erfahre. Ich kann nicht nur Kandinskys Gemälde "hörsehen" und Gustav Mahlers Musik "hörsehfühlschmecken." Ich reagiere auf Räume manchmal extrem: In einer Wohnung ohne Pflanzen und ohne Bilder an hohen kahlen Wänden höre ich eine Art Tonlosigkeit wie einen Basso Continuo. In manchem Baumarkt bekommt man mich nur im Notfall hinein, wenn ich dringend etwas brauche, und dann schalte ich alle Sinne möglichst auf Durchzug: Weil extrem hohe, sehr lange überbunte Regalgänge, die bis in jedes Eck vollgestopft sind mit Dingen, zusammen mit Energiesparlicht und aufdringlichen Werbeplakaten mich nicht nur über den Gesichtssinn nerven. Mit Social Media gehe ich ähnlich um. Mich interessiert am ersten Tag: Wie fühlt sich so eine Plattform synästhesistisch an? Denn ich nehme das Internet dreidimensional wie auf einer inneren Satellitenkarte wahr.
Das ist ganz lustig. Bei Facebook fühlte ich mich zunächst wie auf einer unendlich großen, absolut leeren Ebene, die aber ähnlich wie ein Computerspiel mit möglichen Ein- und Ausgängen lockte. Eine Art dreidimensionales Multilevelspiel, das sich zunehmend mit hopsenden und blinkernden Tönchen füllte und perfekt geschützte Räume vorgaukelt. Da hatte ich trotz der cleanen Aufmachung der Seite die Spinnstube des 19. Jahrhunderts, die manchmal aufgrund zu vieler übereinandergeklebter Tapeten und Bilderchen auch gern einmal zur Kakophonie wird, die in den Ohren schrillt. Aber mit solchermaßen "vertrauter" Umgebung, auch wenn sie virtuell ist, lässt sich gut umgehen: Man singt die eigenen Geschichten im Melodienstrom mit und fühlt sozusagen im Unterarm, wann ein Kontrapunkt angesagt ist.
Google+, wo ich seit gestern erst wirklich aktiv bin, fühlt sich dagegen völlig anders an. Da ist kein Ebenengefühl, sondern der Eindruck, in einer immensen, sehr hohen und sehr kalten Kirche zu sein, so einer Art Technikkathedrale. Ein "Computerspiel", bei dem man eher mit Herumklicken auf Pfeilern und Zwischenräumen arbeitet, spielerisch herumturnt und sich fragt, was wohl hinter jener Wand verborgen ist oder wie man jenes Kerzchen im Lüster kreisen lässt. Es ist still da, extrem still. Und damit meine ich die synästhetische Stille. Ein Kandinsky klingt unwahrscheinlich reich und lange nach, während ein Werbebild einer braunen Limonade nur kurz und kreischend quietscht. Google+ ist ein stiller Hohlraum. Wenn ich dort arbeiten will, muss ich alle Töne allein aus meinen Geschichten erschaffen.
Während ich mein Profil aufbaue und mich bereits mit anderen vernetze, habe ich auch das Gefühl, selbst ständig allzu sichtbar zu sein, während ich mich bei Facebook scheinbar viel enger unter Menschen fühle: Die Sinneseindrücke vom Gegenüber werden anders geleitet. Google+ ist clean und schön einfach und intuitiv, aber es verschluckt Wahrnehmungen. Man tapeziert nicht wild drauflos, sondern steigt manchmal in den unendlichen Pool des Internet; muss erst fischen gehen, erschrickt auch schon mal wegen jenes tief mitternachtsblauen Klangs der Weite jener Möglichkeiten. Ob ich hier je dreidimensional irgendwelche Level wahrnehme und lustig hüpfende Spielfiguren? Ich bespiele ein schwarzes Loch und weiß noch nicht, in welche Galaxie es meine Geschichten bläst.
Techniker, Pragmatiker und Social-Media-Experten können jetzt gern über mich lachen. Ich kann nicht anders. Für mich ist auch ein Gefühl wichtig, das jede Plattform vermittelt: Regt sie mich so auf wie jener Baumarkt, so dass ich nur ein Minimum an Zeit dort verbringe? Oder saugt sie mich herein wie ein gutes Konzert, von dem ich nicht genug bekommen kann? Dementsprechend muss ich meine Geschichten dort erzählen. Tapezieren ist einfach. Aber wie bekommt man eine leere Kathedrale zum Klingen?
27. November 2012
Mein Tempo gehört mir
In der ARTE-Reihe Yourope sah ich kürzlich einen erschütternden Bericht: Die Krankheit Depression verbreitet sich in Europa in einem nie dagewesenen Ausmaß vor allem bei jungen Leuten, die Selbstmordrate stieg in einigen Ländern um 50% an. Woher kommt's?
Aha, junge Leute, typisch! Gleich gehen allüberall in den Medien die Zeigefinger hoch und jeder glaubt, Bescheid zu wissen. Das Internet ist schuld, das Handygedöns, die schalten ja nicht mehr ab heutzutage. Macht alles dumm, brennt aus und dann tötet es. Manche verdienen richtig viel Knete mit dieser ach so beliebten Art von Skandalbüchern, "populärwissenschaftlich" genannt, in denen man eine möglichst dämliche Behauptung aufstellt und die dann unter Ausblendung von Tatsachen und Gegenmeinungen launig untermauert. Aber wie sagte schon Goethe: "Toren und gescheite Leute sind gleich unschädlich. Nur die Halbnarren und Halbweisen, das sind die gefährlichsten."
Kollegin Christa S. Lotz schrieb erst unlängst über den "Social-Media-Burnout?", der als Mythos (?) anscheinend schon bei den Krankenkassen angekommen ist, und sie schreibt eindrücklich, dass man sich die neue Krankheit auch ganz woanders holen kann. Und was ist mit diesen jungen Leute, die da reihenweise in Depressionen fallen oder sich gleich umbringen? Haben die alle einfach nur zuviel getwittert und bei Facebook kommuniziert?
Die brutale Wahrheit wird im Spätprogramm versteckt. Denn es gibt da ganz andere Untersuchungen. Würde man öfter von ihnen hören, könnten die Bürger Europas vielleicht aufmerken, dass mit unserem ganzen Lebenssystem etwas nicht mehr stimmt und sich die Krise schlimmer rächt, als von Politikern schöngeredet. Yourope brachte zwei Ursachen, die sich nur scheinbar widersprechen: Die einen werden depressiv, weil sie absolut keine Zukunft mehr sehen, weil sie in wirtschaftliche Not geraten sind, weil die Jugendarbeitslosigkeit gefährliche Ausmaße angenommen hat. Sie sehen keine Entwicklungschancen mehr und immer häufiger keinen Sinn des Lebens. Die anderen geraten in Depressionen, weil sie alles haben, alles können, die wahren Überflieger sind, oft aus wohlhabendem und behütetem Haus. Eine junge Frau brachte ihr Lebensgefühl auf den Punkt: In einer Welt, in der einem von allen Seiten gezeigt und erzählt werde, dass man alles schaffen könne, alles kaufen - da schlage die Verzweiflung zu, wenn man an irgendeinem Punkt mal nicht so gut und perfekt sei wie das Ideal. Der Turbokapitalismus verschlingt seine Kinder.
Und währenddessen schieben wir das alles fröhlich aufs Internet, die ach so bösen neuen Medien und den schlimmen Arbeitsstress. Wunderbar, denn so müssen wir nicht daran denken, wie viele Leute krank werden, weil sie gar keine Arbeit mehr haben, auch keine Aussichten darauf, in den nächsten Jahren überhaupt noch welche zu bekommen. Die Krise ist schlimm, die Verschuldung ist schlimm und es schimpft sich vortrefflich, wenn man ausblendet, dass sich in Griechenland und Spanien gerade reihenweise Menschen umbringen, während anderswo auf recht hohem Niveau gejammert wird.
Social Media eignen sich wunderbar als ablenkender Sündenbock. Aber wenn man jene Sendung gesehen hat, dann wurde einem eines klar: Depressiv und ausgebrannt werden nach jenen neuen Untersuchungen nicht diejenigen, die noch miteinander kommunizieren, sondern diejenigen, denen es entweder zu gut oder zu schlecht geht. Nicht dem Internet sind sie ausgeliefert, sondern dem Geldbeutel der Eltern, deren sozialer Herkunft und Lebensbedingungen. Unsere Modekrankheit Burnout ist, wie so viele psychische Störungen der Vergangenheit, die die Geschichte erledigt hat, womöglich eine gesellschaftliche Störung.
Absolut beeindruckend fand ich einen Selbsthilfeansatz aus England, der offensichtlich mit Erfolg betrieben wird. Die jungen Frauen, die das "erfunden" haben, trainieren sich nicht etwa Handy oder Internet ab. Nein, sie steigen auf eine verblüffende Art aus dem Hamsterrad aus: Sie gehen laufen. Sie treffen sich regelmäßig und rennen miteinander. Nicht schnell, nicht langsam und schon gar nicht gleichzeitig: Jede rennt so schnell, wie sie kann, wie ihr gerade danach ist. Da rast mal eine voran und wieder zurück, die nächste sitzt traurig auf einem Stein und macht ein paar Schritte - und alle nehmen sich in ihrer Tagesform und wie sie gerade sind. Gemeinsam machen sie die Pausen: Wenn alle das Rennen einfach Rennen sein lassen. Und sich statt dessen gegenseitig bestärken, annehmen und wertschätzen. Bei einer Tätigkeit jenseits des Drucks, den das Geld aufbaut. Geld, dass man entweder nicht hat oder von dem man zuviel hat - die Mitte der Gesellschaft bricht schon seit Jahren weg. Sie verlassen wenigstens bildlich und kuzzeitig das goldene Hamsterrad, aus dem immer mehr Menschen herausstürzen, während wir verschämt wegschauen.
Und doch hilft das Rennen im eigenen Tempo nur dann, wenn diese jungen Leute wieder einen Sinn im Leben erkennen können und Chancen. Existenzangst macht krank und manchmal ist es die Krankheit zum Tode. In Europa immer häufiger. In manchen Ländern alarmierend häufig.
Nach dieser Sendung frage ich mich, ob es nicht Kalkül ist, alles aufs Internet und Social Media zu schieben. Das hält die Menschen so schön abgelenkt und unwissend. Wäre ja schrecklich, wenn wir über die Grundfesten unseres Lebens nachdenken müssten, anstatt einfach nonchalant ein Handy wegzuwerfen und etwas von Befreiung zu jodeln. Dass es solche Filme im späten Spätprogramm gibt, erfährt man zum Glück durch Social Media und das Internet.
Initiative / Themenschwerpunkt bei ARTE vom 27.-29.11. (ab heute): Why poverty?
Kleiner Hinweis in eigener Sache:
In meinem Buch "Faszination Nijinsky" geht es um einen weltberühmten Künstler, der wahrscheinlich an einer bipolaren Störung litt und mit "Schizophrenie" fehldiagnostiziert wurde. Im Anhang des Buchs führe ich ein äußerst aufschlussreiches Interview mit dem österreichischen Kurator Dr. Michael Braunsteiner über das Thema "Kunst und Wahnsinn". Braunsteiner hatte die weltberühmte Prinzhorn-Sammlung aus Heidelberg in einer Ausstellung nach Österreich gebracht. Prinzhorn sammelte sogenannte "Bildnerei von Geisteskranken" u.a. in der Klinik, in der auch Nijinsky behandelt wurde, sein Buch wurde zur "Bibel" der Avantgarde. Vom Kurator will ich wissen, ob der Mythos vom wahnsinnigen Genie stimmt - und ob psychische Störungen nicht auch von den Umständen ihrer Zeit abhängig sind, die sie besonders häufig diagnostiziert.
Aha, junge Leute, typisch! Gleich gehen allüberall in den Medien die Zeigefinger hoch und jeder glaubt, Bescheid zu wissen. Das Internet ist schuld, das Handygedöns, die schalten ja nicht mehr ab heutzutage. Macht alles dumm, brennt aus und dann tötet es. Manche verdienen richtig viel Knete mit dieser ach so beliebten Art von Skandalbüchern, "populärwissenschaftlich" genannt, in denen man eine möglichst dämliche Behauptung aufstellt und die dann unter Ausblendung von Tatsachen und Gegenmeinungen launig untermauert. Aber wie sagte schon Goethe: "Toren und gescheite Leute sind gleich unschädlich. Nur die Halbnarren und Halbweisen, das sind die gefährlichsten."
Kollegin Christa S. Lotz schrieb erst unlängst über den "Social-Media-Burnout?", der als Mythos (?) anscheinend schon bei den Krankenkassen angekommen ist, und sie schreibt eindrücklich, dass man sich die neue Krankheit auch ganz woanders holen kann. Und was ist mit diesen jungen Leute, die da reihenweise in Depressionen fallen oder sich gleich umbringen? Haben die alle einfach nur zuviel getwittert und bei Facebook kommuniziert?
Die brutale Wahrheit wird im Spätprogramm versteckt. Denn es gibt da ganz andere Untersuchungen. Würde man öfter von ihnen hören, könnten die Bürger Europas vielleicht aufmerken, dass mit unserem ganzen Lebenssystem etwas nicht mehr stimmt und sich die Krise schlimmer rächt, als von Politikern schöngeredet. Yourope brachte zwei Ursachen, die sich nur scheinbar widersprechen: Die einen werden depressiv, weil sie absolut keine Zukunft mehr sehen, weil sie in wirtschaftliche Not geraten sind, weil die Jugendarbeitslosigkeit gefährliche Ausmaße angenommen hat. Sie sehen keine Entwicklungschancen mehr und immer häufiger keinen Sinn des Lebens. Die anderen geraten in Depressionen, weil sie alles haben, alles können, die wahren Überflieger sind, oft aus wohlhabendem und behütetem Haus. Eine junge Frau brachte ihr Lebensgefühl auf den Punkt: In einer Welt, in der einem von allen Seiten gezeigt und erzählt werde, dass man alles schaffen könne, alles kaufen - da schlage die Verzweiflung zu, wenn man an irgendeinem Punkt mal nicht so gut und perfekt sei wie das Ideal. Der Turbokapitalismus verschlingt seine Kinder.
Und währenddessen schieben wir das alles fröhlich aufs Internet, die ach so bösen neuen Medien und den schlimmen Arbeitsstress. Wunderbar, denn so müssen wir nicht daran denken, wie viele Leute krank werden, weil sie gar keine Arbeit mehr haben, auch keine Aussichten darauf, in den nächsten Jahren überhaupt noch welche zu bekommen. Die Krise ist schlimm, die Verschuldung ist schlimm und es schimpft sich vortrefflich, wenn man ausblendet, dass sich in Griechenland und Spanien gerade reihenweise Menschen umbringen, während anderswo auf recht hohem Niveau gejammert wird.
Social Media eignen sich wunderbar als ablenkender Sündenbock. Aber wenn man jene Sendung gesehen hat, dann wurde einem eines klar: Depressiv und ausgebrannt werden nach jenen neuen Untersuchungen nicht diejenigen, die noch miteinander kommunizieren, sondern diejenigen, denen es entweder zu gut oder zu schlecht geht. Nicht dem Internet sind sie ausgeliefert, sondern dem Geldbeutel der Eltern, deren sozialer Herkunft und Lebensbedingungen. Unsere Modekrankheit Burnout ist, wie so viele psychische Störungen der Vergangenheit, die die Geschichte erledigt hat, womöglich eine gesellschaftliche Störung.
Absolut beeindruckend fand ich einen Selbsthilfeansatz aus England, der offensichtlich mit Erfolg betrieben wird. Die jungen Frauen, die das "erfunden" haben, trainieren sich nicht etwa Handy oder Internet ab. Nein, sie steigen auf eine verblüffende Art aus dem Hamsterrad aus: Sie gehen laufen. Sie treffen sich regelmäßig und rennen miteinander. Nicht schnell, nicht langsam und schon gar nicht gleichzeitig: Jede rennt so schnell, wie sie kann, wie ihr gerade danach ist. Da rast mal eine voran und wieder zurück, die nächste sitzt traurig auf einem Stein und macht ein paar Schritte - und alle nehmen sich in ihrer Tagesform und wie sie gerade sind. Gemeinsam machen sie die Pausen: Wenn alle das Rennen einfach Rennen sein lassen. Und sich statt dessen gegenseitig bestärken, annehmen und wertschätzen. Bei einer Tätigkeit jenseits des Drucks, den das Geld aufbaut. Geld, dass man entweder nicht hat oder von dem man zuviel hat - die Mitte der Gesellschaft bricht schon seit Jahren weg. Sie verlassen wenigstens bildlich und kuzzeitig das goldene Hamsterrad, aus dem immer mehr Menschen herausstürzen, während wir verschämt wegschauen.
Und doch hilft das Rennen im eigenen Tempo nur dann, wenn diese jungen Leute wieder einen Sinn im Leben erkennen können und Chancen. Existenzangst macht krank und manchmal ist es die Krankheit zum Tode. In Europa immer häufiger. In manchen Ländern alarmierend häufig.
Nach dieser Sendung frage ich mich, ob es nicht Kalkül ist, alles aufs Internet und Social Media zu schieben. Das hält die Menschen so schön abgelenkt und unwissend. Wäre ja schrecklich, wenn wir über die Grundfesten unseres Lebens nachdenken müssten, anstatt einfach nonchalant ein Handy wegzuwerfen und etwas von Befreiung zu jodeln. Dass es solche Filme im späten Spätprogramm gibt, erfährt man zum Glück durch Social Media und das Internet.
Initiative / Themenschwerpunkt bei ARTE vom 27.-29.11. (ab heute): Why poverty?
Kleiner Hinweis in eigener Sache:
In meinem Buch "Faszination Nijinsky" geht es um einen weltberühmten Künstler, der wahrscheinlich an einer bipolaren Störung litt und mit "Schizophrenie" fehldiagnostiziert wurde. Im Anhang des Buchs führe ich ein äußerst aufschlussreiches Interview mit dem österreichischen Kurator Dr. Michael Braunsteiner über das Thema "Kunst und Wahnsinn". Braunsteiner hatte die weltberühmte Prinzhorn-Sammlung aus Heidelberg in einer Ausstellung nach Österreich gebracht. Prinzhorn sammelte sogenannte "Bildnerei von Geisteskranken" u.a. in der Klinik, in der auch Nijinsky behandelt wurde, sein Buch wurde zur "Bibel" der Avantgarde. Vom Kurator will ich wissen, ob der Mythos vom wahnsinnigen Genie stimmt - und ob psychische Störungen nicht auch von den Umständen ihrer Zeit abhängig sind, die sie besonders häufig diagnostiziert.
23. November 2012
Wie ich Papier in einen Reader stopfe
So sieht im Moment mein Schreibtisch aus: übersät mit gestückelten und zusammengeklebten Papieren. So entsteht ein E-Book ...
Jetzt im Ernst? Nun ja, da gibt es ein heftig gemischtes Sammelsurium von Texten in Datenordnern, Stoff für drei Bücher allein, aber völlig durcheinander und zufällig gesammelt und geschrieben. Wie entwickelt man daraus überhaupt ein Buch? Obwohl ich mir beim Surfen Website-Verbindungen wie auf einer Landkarte vorstellen und merken kann, obwohl ich eine Freundin des papierlosen Arbeitens bin: Richtig kreativ werde ich erst auf Papier. Für jedes Buch lege ich ein dickes Entwurfsheft an, in dem ich auch mal zeichne und Dinge sammle, Notizen mache, herumschmiere, durchstreiche.
Diesmal war mir das Chaos zu eindimensional: Da lagen etwa 120 Normseiten brach, die in einen durchgehenden Fließtext einfinden sollen, später mit passenden Fotos bestückt. Im Endeffekt wird es wohl auf die dreifache Menge Text hinauslaufen. Irgendwann ging das Geschiebe in der Datei nicht mehr. Also habe ich kurzerhand alles ausgedruckt, jeden einzelnen Text abgeschnippelt und zusammengeklebt. Und jetzt leuchtet mir das alles dreidimensional ein. Rot werden am Rand die einzelnen Themen vermerkt und grün kommt eine Zahl darauf, zu welchem der drei Bücher der Text verwendet werden wird. Dann spiele ich Karten mit drei Stapeln. Sprich, ich ordne die Texte jeweils zu einer inneren Logik.
Und wenn ich dann den geordneten Packen neben mir habe, gelingt es mir leichter, frisch mit dem Schreiben anzufangen und je nach Bedarf die einzelnen Passagen aus der Datei zu klauben. Denn auch das steht nun fest: Vieles landet da vorab im Müll und will neu formuliert werden. In der Planungsphase muss ich meine Texte im wahrsten Sinn des Wortes be-greifen.
Das Ganze wird dann erst mal zu E-Books. Von der Datei auf Papier und wieder in eine Datei. Soll mal noch jemand behaupten, E-Books hätten keine Haptik! Diese werden sogar Genüsse aus dem Dreiländereck verbreiten!
Jetzt im Ernst? Nun ja, da gibt es ein heftig gemischtes Sammelsurium von Texten in Datenordnern, Stoff für drei Bücher allein, aber völlig durcheinander und zufällig gesammelt und geschrieben. Wie entwickelt man daraus überhaupt ein Buch? Obwohl ich mir beim Surfen Website-Verbindungen wie auf einer Landkarte vorstellen und merken kann, obwohl ich eine Freundin des papierlosen Arbeitens bin: Richtig kreativ werde ich erst auf Papier. Für jedes Buch lege ich ein dickes Entwurfsheft an, in dem ich auch mal zeichne und Dinge sammle, Notizen mache, herumschmiere, durchstreiche.
Diesmal war mir das Chaos zu eindimensional: Da lagen etwa 120 Normseiten brach, die in einen durchgehenden Fließtext einfinden sollen, später mit passenden Fotos bestückt. Im Endeffekt wird es wohl auf die dreifache Menge Text hinauslaufen. Irgendwann ging das Geschiebe in der Datei nicht mehr. Also habe ich kurzerhand alles ausgedruckt, jeden einzelnen Text abgeschnippelt und zusammengeklebt. Und jetzt leuchtet mir das alles dreidimensional ein. Rot werden am Rand die einzelnen Themen vermerkt und grün kommt eine Zahl darauf, zu welchem der drei Bücher der Text verwendet werden wird. Dann spiele ich Karten mit drei Stapeln. Sprich, ich ordne die Texte jeweils zu einer inneren Logik.
Und wenn ich dann den geordneten Packen neben mir habe, gelingt es mir leichter, frisch mit dem Schreiben anzufangen und je nach Bedarf die einzelnen Passagen aus der Datei zu klauben. Denn auch das steht nun fest: Vieles landet da vorab im Müll und will neu formuliert werden. In der Planungsphase muss ich meine Texte im wahrsten Sinn des Wortes be-greifen.
Das Ganze wird dann erst mal zu E-Books. Von der Datei auf Papier und wieder in eine Datei. Soll mal noch jemand behaupten, E-Books hätten keine Haptik! Diese werden sogar Genüsse aus dem Dreiländereck verbreiten!
19. November 2012
Leser wünschen sich ein Layout!
Liebe Leserinnen und Leser,
viele Augen sehen mehr als zwei. Ich habe von meinen neuen Genuss- und Grenzgängerbüchern gesprochen. Nun will ich dazu ein altes Blog aufhübschen und einen Newsletter gestalten. Am schnellsten geht das mit Templates, an denen ich natürlich nachträglich jede Menge herumschrauben kann. Ich kann Farben, Schrifttypen, Schriftgrößen und einzelne Elemente verändern, manchmal auch Titelbilder.
Vorgabe: Es muss zum Thema "Grenzgängereien" passen, zum Dreiländereck, zu Kultur, Tourismus, Natur und Kochkunst. Es werden sehr persönliche, sehr subjektive "Mitteilungen" einer Autorin.
Hier ist das Gerippe des uralten Vorgängerblogs, von dem ich Texte retten möchte.
Vier Templates haben es in die Endrunde geschafft und es darf fleißig abgestimmt und diskutiert werden, welches das beste ist. Vielleicht hat jemand sogar eine völlig andere Idee - dann muss das Template nur kostenlos und rechtefrei sein und auf Blogger-Oberfläche laufen.
Nicht von Titeln und Texten irritieren lassen, das sind alles Dummies!
1: Green Travel (die Diashow wird mit eigenen Bildern bestückt)
2: Travel & Tour (hier ist ein Bildaustausch womöglich nur sehr schwer möglich)
3: Kanata
4: Inspired by nature
Diskussionen laufen parallel auf Facebook in meinem privaten Profil und auf meiner offiziellen Autorenseite, die sich natürlich über weitere Likes freut!
viele Augen sehen mehr als zwei. Ich habe von meinen neuen Genuss- und Grenzgängerbüchern gesprochen. Nun will ich dazu ein altes Blog aufhübschen und einen Newsletter gestalten. Am schnellsten geht das mit Templates, an denen ich natürlich nachträglich jede Menge herumschrauben kann. Ich kann Farben, Schrifttypen, Schriftgrößen und einzelne Elemente verändern, manchmal auch Titelbilder.
Vorgabe: Es muss zum Thema "Grenzgängereien" passen, zum Dreiländereck, zu Kultur, Tourismus, Natur und Kochkunst. Es werden sehr persönliche, sehr subjektive "Mitteilungen" einer Autorin.
Hier ist das Gerippe des uralten Vorgängerblogs, von dem ich Texte retten möchte.
Vier Templates haben es in die Endrunde geschafft und es darf fleißig abgestimmt und diskutiert werden, welches das beste ist. Vielleicht hat jemand sogar eine völlig andere Idee - dann muss das Template nur kostenlos und rechtefrei sein und auf Blogger-Oberfläche laufen.
Nicht von Titeln und Texten irritieren lassen, das sind alles Dummies!
1: Green Travel (die Diashow wird mit eigenen Bildern bestückt)
2: Travel & Tour (hier ist ein Bildaustausch womöglich nur sehr schwer möglich)
3: Kanata
4: Inspired by nature
Diskussionen laufen parallel auf Facebook in meinem privaten Profil und auf meiner offiziellen Autorenseite, die sich natürlich über weitere Likes freut!
14. November 2012
2013: Jede Menge Dreiländer-Genuss
Es war mein erfolgreichstes Buch: zwei große Auflagen komplett abverkauft, das Hörbuch mit der wunderbaren ARTE-Sprecherin für Genussvolles, Doris Wolters, ebenfalls ausverkauft. Und dann kam plötzlich das traurige Aus, weil sich der Hanser Verlag von der gesamten Reihe "Oasen für die Sinne" trennen wollte. Ich stand zwar in den Startlöchern, wenigstens ein E-Book daraus zu machen, schob es aber immer wieder auf, weil das dann doch auch vom Äußeren her absolut professionell gestaltet werden sollte. Und sollte ich das Buch vielleicht selbst neu nachdrucken lassen? Irgendwie war kein Geld übrig, die Sache blieb liegen ...
Zum Glück wartet man manchmal zu lange mit halbherzigen Vorhaben. In der Zwischenzeit war nämlich Hanser nicht untätig. Und das habe ich noch bei keinem Verlag erlebt: Obwohl ich längst wieder alle Rechte am Buch zurückbekommen hatte, hat sich Hanser um den Titel "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" gekümmert. Die Mail im Frühjahr, ob ich mit einer Taschenbuchlizenz bei Suhrkamp-Insel einverstanden sei, ließ mich zuerst ungläubig staunen und dann jubeln. Self Publishing der eigenen Backlist ist ja schön, aber ein Insel-Taschenbuch ist tausend mal schöner.
Und jetzt habe ich Neuigkeiten vom neuen, ebenso bemühten Verlag - ich habe gerade noch Zeit, einen Fehler in einem Rezept zu korrigieren, schon nächste Woche soll das Buch in den Satz. Damit steht auch der Erscheinungstermin fest: Mai 2013. Bis dahin will ich auch eine E-Book-Ausgabe parallel bringen. Ja, im Self Publishing, auch so etwas ist heutzutage möglich. Während da draußen in den Blogs die Debatten blühen, ob Self Publishing nun "igitt" oder "Schund" sei, stehen zumindest Qualitätsverlage über der Sache. Es ist schlicht und einfach eine Frage, wer die Rechte wofür hält - so ein Inhalt ist identisch. Nur Bebilderung und Layout müssen sich natürlich unterscheiden, daran halten Grafiker und Fotografen die Rechte.
Zur guten Nachricht gibt's gleich noch einen Schwung Elsass hinzu. Nein, eigentlich sehr viel mehr, denn ich will das gesamte Dreiländereck betrachten: Elsass, Baden und Pfalz. Ich habe nämlich vor, zum Jahreswechsel selbst einen Verlag zu gründen und darin - zunächst als E-Books - einiges von meinen Grenzgängereien zu veröffentlichen. Etwas anders im Stil, aber wer "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" liebt, wird auch diese Themen mögen. Nicht zuletzt habe ich mich "brotberuflich" gerade an einer Ausschreibung für ein binationales, zweisprachiges Buchprojekt beworben. Steht noch in den Sternen, ob es einen Zuschlag geben wird, das ist immer sehr schwer ... aber warum nicht noch mehr Dreiländereck? Da können noch Daumen gedrückt werden!
Auf alle Fälle verspreche ich meinen Leserinnen und Lesern: 2013 wird ein Jahr der Genüsse, der Landschaften und ihrer Traditionen, der Kultur und Kochkunst aus einer der leckersten und abwechslungsreichsten Regionen Europas! Wie heißt es so schön in meinem Elsass-Buch: "Wir leben privilegiert hier. Wir können uns von allen Seiten das Beste heraussuchen."
Zum Glück wartet man manchmal zu lange mit halbherzigen Vorhaben. In der Zwischenzeit war nämlich Hanser nicht untätig. Und das habe ich noch bei keinem Verlag erlebt: Obwohl ich längst wieder alle Rechte am Buch zurückbekommen hatte, hat sich Hanser um den Titel "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" gekümmert. Die Mail im Frühjahr, ob ich mit einer Taschenbuchlizenz bei Suhrkamp-Insel einverstanden sei, ließ mich zuerst ungläubig staunen und dann jubeln. Self Publishing der eigenen Backlist ist ja schön, aber ein Insel-Taschenbuch ist tausend mal schöner.
Und jetzt habe ich Neuigkeiten vom neuen, ebenso bemühten Verlag - ich habe gerade noch Zeit, einen Fehler in einem Rezept zu korrigieren, schon nächste Woche soll das Buch in den Satz. Damit steht auch der Erscheinungstermin fest: Mai 2013. Bis dahin will ich auch eine E-Book-Ausgabe parallel bringen. Ja, im Self Publishing, auch so etwas ist heutzutage möglich. Während da draußen in den Blogs die Debatten blühen, ob Self Publishing nun "igitt" oder "Schund" sei, stehen zumindest Qualitätsverlage über der Sache. Es ist schlicht und einfach eine Frage, wer die Rechte wofür hält - so ein Inhalt ist identisch. Nur Bebilderung und Layout müssen sich natürlich unterscheiden, daran halten Grafiker und Fotografen die Rechte.
Zur guten Nachricht gibt's gleich noch einen Schwung Elsass hinzu. Nein, eigentlich sehr viel mehr, denn ich will das gesamte Dreiländereck betrachten: Elsass, Baden und Pfalz. Ich habe nämlich vor, zum Jahreswechsel selbst einen Verlag zu gründen und darin - zunächst als E-Books - einiges von meinen Grenzgängereien zu veröffentlichen. Etwas anders im Stil, aber wer "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" liebt, wird auch diese Themen mögen. Nicht zuletzt habe ich mich "brotberuflich" gerade an einer Ausschreibung für ein binationales, zweisprachiges Buchprojekt beworben. Steht noch in den Sternen, ob es einen Zuschlag geben wird, das ist immer sehr schwer ... aber warum nicht noch mehr Dreiländereck? Da können noch Daumen gedrückt werden!
Auf alle Fälle verspreche ich meinen Leserinnen und Lesern: 2013 wird ein Jahr der Genüsse, der Landschaften und ihrer Traditionen, der Kultur und Kochkunst aus einer der leckersten und abwechslungsreichsten Regionen Europas! Wie heißt es so schön in meinem Elsass-Buch: "Wir leben privilegiert hier. Wir können uns von allen Seiten das Beste heraussuchen."
12. November 2012
Mit Spürnase im Keltenwald
Seit bald zehn Jahren laufe ich regelmäßig mit Rocco im gleichen Bergwald - und immer wieder entdeckt Monsieur Spürnase neue Wege und Pfade, die ich noch nicht kenne. Diesmal einen etwas sanfteren Aufstieg von 200 auf 500 Meter zum Gipfel, ein märchenhafter Weg. Unten beginnt es bei alten keltischen Grabhügeln im Wald, zieht sich an Fliegenpilzpfaden durch den flammend bunten Buchenwald und wird dann immer felsiger.
Dabei erstaunen die Steine auch Laien - sie sehen erstaunlich bearbeitet aus und stützen den Hang wie einen Wall. Der sogenannte "Kastelring" ist tatsächlich ein von den Kelten gebauter Wall. Ein paar Impressionen aus meiner absolut verzauberten Mittagspause möchte ich hier teilen. Die war so lang, wie französische Mittagspausen früher einmal waren, zweieinhalb Stunden. Und natürlich haben sich Menschin und Hund Wurst und Brot redlich geteilt. Nur den duftenden Tee von selbstgesammelten wilden Schlüsselblumen habe ich allein goutiert, während Rocco die Getränkevariante mit Schlammwasser und Wildaroma vorzog.
Muss ich dazusagen, dass ich kurz vor dem Gipfel mit herrlichem Ausblick auf den Schwarzwald aufgab und mich Rocco wandertechnisch voll in die Tasche steckte? Auch von den Fotos sind erstaunlich viele missraten, weil unscharf und verwackelt. Man sollte nie bei zu schlechtem Licht aufwärtskeuchend und vom Hund gezogen auf den Auslöser drücken. Das nächste Mal ... wir müssen da einfach noch einmal hoch!
![]() |
Vor dem Aufstieg durch den Wandelgang zwischen Buchenpfeilern |
![]() |
Dunkle Akzente setzen die streng geschützten Stechpalmen |
Dabei erstaunen die Steine auch Laien - sie sehen erstaunlich bearbeitet aus und stützen den Hang wie einen Wall. Der sogenannte "Kastelring" ist tatsächlich ein von den Kelten gebauter Wall. Ein paar Impressionen aus meiner absolut verzauberten Mittagspause möchte ich hier teilen. Die war so lang, wie französische Mittagspausen früher einmal waren, zweieinhalb Stunden. Und natürlich haben sich Menschin und Hund Wurst und Brot redlich geteilt. Nur den duftenden Tee von selbstgesammelten wilden Schlüsselblumen habe ich allein goutiert, während Rocco die Getränkevariante mit Schlammwasser und Wildaroma vorzog.
![]() |
Wichtel leben in den Vogesen absolut komfortabel |
![]() |
Ausgerechnet das Prachtexemplar war losgerissen ... |
Muss ich dazusagen, dass ich kurz vor dem Gipfel mit herrlichem Ausblick auf den Schwarzwald aufgab und mich Rocco wandertechnisch voll in die Tasche steckte? Auch von den Fotos sind erstaunlich viele missraten, weil unscharf und verwackelt. Man sollte nie bei zu schlechtem Licht aufwärtskeuchend und vom Hund gezogen auf den Auslöser drücken. Das nächste Mal ... wir müssen da einfach noch einmal hoch!
![]() |
Das Feuer der Buchen am Hang |
![]() |
Zwischen den Bäumen hindurch sah man die Ebene und den Schwarzwald |
9. November 2012
Damokles
Die Freude war groß, als es Rocco nach der OP vor zehn Tagen so viel besser ging (Milz mit Tumor entfernt). Heute dann ein absolut stressiges Fädenziehen (vier Leute konnten ihn nicht halten und so brauchte es doch wieder eine leichte Narkose). Und die Diagnose. Der Tumor klingt, wie er ist - extrem aggressiv: hémangiosarcome splénique. Es kann binnen Tagen passieren oder binnen wenigen Wochen - und die Chance, dass er länger lebt als drei Monate, ist extrem gering. Wenigstens wird es, wenn er dann stirbt, extrem schnell gehen.
Darum gibt es nur eins: Wir werden jetzt jeden Tag Leben feiern, als sei es der letzte. Ich hoffe, jeder hat Verständnis, dass ich Social Media und Bloggen aufs berufliche Minimum zurückfahre (oder falls ich mich mal ablenken muss) - und dass mir so manche heiße Diskussion, an der ich mich kürzlich noch beteiligte, plötzlich nichtig und lächerlich erscheint. Leute, genießt auch euer eigenes Leben, Tag für Tag!
PS: Bevor ihr die Applaus-Taste drückt, überlegt bitte, was ihr da tut.
Darum gibt es nur eins: Wir werden jetzt jeden Tag Leben feiern, als sei es der letzte. Ich hoffe, jeder hat Verständnis, dass ich Social Media und Bloggen aufs berufliche Minimum zurückfahre (oder falls ich mich mal ablenken muss) - und dass mir so manche heiße Diskussion, an der ich mich kürzlich noch beteiligte, plötzlich nichtig und lächerlich erscheint. Leute, genießt auch euer eigenes Leben, Tag für Tag!
PS: Bevor ihr die Applaus-Taste drückt, überlegt bitte, was ihr da tut.
7. November 2012
Leseprobe: French Lover
Pünktlich zur Mittagszeit serviere ich hier einmal "Weekend Parisienne". So heißt das Kapitel aus meinem Roman "Alptraum mit Plüschbär", in dem die lebenshungrige Karen an einen sehr besonderen französischen Lover gerät. Welche Frau träumt nicht von l'amour in Paris?
Zeitgleich zum Abenteuer mit Fernand gibt's bis zum Ende des Monats die Foto-Mitmachaktion auf Facebook - wir zerren sie an die Öffentlichkeit! Nein, nicht die Männer, die Plüschbären!
Leseprobe aus Petra van Cronenburg: Alptraum mit Plüschbär, Roman, edition maeve (alle Rechte vorbehalten):
Lust bekommen? Den Roman, der im Print ursprünglich als "Strechapfel und Belladonna" bei Lübbe erschienen ist, kann man HIER sofort als Kindle downloaden. Weil alle meine E-Books DRMfrei sind, lassen sie sich bequem ins epub umwandeln. Eigene Epubs sollen ab 2013 folgen.
Zur Facebook-Aktion "Alptraum mit Plüschbär".
Zeitgleich zum Abenteuer mit Fernand gibt's bis zum Ende des Monats die Foto-Mitmachaktion auf Facebook - wir zerren sie an die Öffentlichkeit! Nein, nicht die Männer, die Plüschbären!
Leseprobe aus Petra van Cronenburg: Alptraum mit Plüschbär, Roman, edition maeve (alle Rechte vorbehalten):
"Jetzt würde alles anders. Ich bin zum zweiten Mal in meinem Leben in Paris, verliebt in Fernand, den Großstädter, der längst als Insider gilt. Paris mit einem Franzosen, lebensprall, abseits von Touristenpfaden! Im Fernzug von Nancy fahre ich meiner Vergangenheit davon und verlasse die frustrierte einsame Frau, in deren Rolle ich mich geaalt hatte. Wieder habe ich nur ein Wochenende Zeit, aber die inneren Bilder dieser Metropole verlangen danach, genießerisch und spontan gepflückt zu werden. Ich träume davon, mit dem antiquitätenbegeisterten Fernand über die Flohmärkte zu streifen, mich im Soukh ins Wüstenblau der Tuareg zu hüllen und meine Nase die Gewürzstraße entlang wandern zu lassen. Dazu ein wenig Fassadenschau, kleine Fluchten in die Vergangenheit und das Prickeln von Kunst, die zeitlos Generationen betört. Bistros und kleine Restaurants würden die Oasen sein im Rausch meiner Begeisterung für diese Stadt und diesen Mann.
Nach fünfstündiger Reise und Klimaanlagenmigräne endlich das trunken machende Wiedersehen mit Fernand. Meine Furcht ist unbegründet, sein Blick und seine Haut wärmen vertraut.
Er lacht mich an und fragt: „Du trägst einen Hut?!“
Obwohl er mein Gepäck schleppt, rennt er so schnell auf die Straße, dass mir das elegante Stück im Novemberwind fast vom Kopf fliegt. Wir müssen weiter zur Gare du Nord, wo sein Dentallabor liegt. Ich sehe gerne, womit sich die Männer beschäftigen, in die ich verliebt bin. Es gibt mir einen Eindruck von ihren Interessen und weitet meinen Horizont. Ich lerne von jedem, und die Erinnerung an verflossene Liebhaber hangelt sich an deren Hobbys und Berufen entlang.
Von Wolfgang, dem Bauernsohn, hatte ich Kühe melken gelernt, Gert brachte mir knifflige Geduldsspiele bei, und Harry zeigte mir, wie man Cocktails zum Umfallen mixt. Seit Peter weiß ich, wie ein Sammler Münzen behandelt – nämlich liebevoller als er mich. Ich habe durch Männer gelernt, Gedichte in fremden Sprachen zu schreiben, Kochlöffel auf einen extra Teller zu legen, die Pizzabestellung am Telefon effektiver zu formulieren und Wein so geräuschvoll zu probieren, als wollte ich ihn gleich dem Kellermeister entgegenspucken.
Ob vielleicht das Fehlen dieser völlig überraschenden Bereicherungen eine lange Ehe zermürbt? Fernand versprach unerschöpfliche Vorräte an Lernstoff, der Mann konnte Möbel abschleifen und las Frauenzeitschriften, er beherrschte das nahtlose Schalten vom zweiten in den vierten Gang und übte, Weinsorten zu unterscheiden. Die Hauptsache würde ich jetzt besichtigen – den Ort, wo er modellierte, feilte und anpasste, dieser Künstler der Zahnskulpturen.
Nach fünf Stunden in einem klebrigen Zug hält sich die Begeisterung jedoch in Grenzen. Der Rundgang im Labor ist schnell gemacht, weil ich mich auf Ahs und Ohs beschränke, nach einem Stuhl fahnde und die Zunge vor lauter Durst ohnehin nicht mehr vom Gaumen lösen kann. Die Reise war anstrengend, aber ich sehe anscheinend nicht müde genug aus. Fernand zeigt mir seine Dessousfotosammlung auf einem Computer, dessen Desktop gefüllt ist wie das Dosenregal eines Atombunkers. Als ich beim zehnten Po in Schwarz-Weiß endlich bestätige, dass Frauenhaut ohne Farbe besser kommt, darf ich noch ein neckisches Spielchen begutachten, mit dem man den Desktop auf unterschiedlich gewalttätige Arten zerschlagen kann.
„Und wo ist der Mülleimer?“, frage ich. Er staunt mich mit kullerrunden braunen Jungsaugen an. „Na, für die Scherben“, sage ich.
Ich beobachte ihn. Wann würde er merken, dass mir nach etwas Abschalten und irgendeiner Flüssigkeit zumute ist? Nein, ich muss noch einen Bildschirmschoner mit Dessous-Animationen bestaunen. Wie in Sankt Pauli öffnen sich Fenster mit Körperteilen, von Frankreichs Luxusfirma Nummer eins eingehüllt. Sie werfen Kleine im Zeitraffer, spuckten immer neue Klone aus. Der Wert der Spitzen nach zwei Minuten Stand-by beläuft sich auf den Neuwert des Computers. Mir ist nach Männerhaut zumute. Nackt, unverhüllt, ohne Sponsoring. Einer würde fürs Erste reichen.
Die Reisemigräne wirbelt Halluzinationen auf den Bildschirm. Swimming-pools, mit prickelndem Champagner gefüllt ... Fernand in Geschenkpapier ... Dessous in Seidenpapier ... Auf einmal das Bild des Metzgersohnes, der mich vor Jahren nach einem Unfall mit einem Reh heimgefahren hatte und als Lohn den kapitalen Rehbock zum Vater bringen durfte. Und ich bibberte, weil der brave Familienvater die Garage mit Pin-up Girls gepflastert hatte und sein Jagdmesser immer griffbereit im Auto lag ... Der Bildschirm gaukelt mir einen Rehbock vor, der in Seidenpapier saftet ... Pin-up Girls, die in kalter Coca-Cola baden ... Fernand mit einem Espresso ...
Ich halluziniere. Fernands Kaffeemaschine sieht aus, als würde sie zum Gipsanmischen gebraucht. Ich wage, in Frage zu stellen, ob aus dem Wasserhahn wirklich H2O kommt.
Fernand strahlt mich an, ohne Seidenpapier, ohne Jagdmesser, ohne Kaffeetasse. „Jetzt hören wir aber Musik und schauen den Rest an“, schmeichelt er.
Aufatmen. Wir gehen offensichtlich zum gemütlichen Teil des Abends über. Er würde mir etwas anbieten. Er würde sehen, dass mir inzwischen schwindelte und ich mich an jeder einigermaßen freien Kante festhalten muss. „Jaaaa“, stöhne ich erwartungsvoll, „so ein Kaffee ...“
Er unterbricht mich mit einem Detail seiner discotauglichen Stereoanlage, das mir so wichtig ist wie eine Serviette auf der Espressotasse. Junge, ich brauche was zu trinken, sonst klappe ich hier zusammen! Frisch verliebte Frauen jeden Alters sind unmündig, sie sprechen nicht aus, was sie brauchen. Ich weiß nicht genau, als was er meinen schmachtenden Blick interpretiert, er tanzt jedenfalls mit mir Richtung Ausgang. Ich wusste es doch, auf Franzosen ist in Sachen Verführung und Wunsch-von-den-Augen-Ablesen Verlass!
Wir würden in ein schnuckeliges Pariser Café oder Bistro gehen. Vielleicht an der Markthalle Saint-Quentin mit ihrer altmodischen Metallkonstruktion. Oder noch ein wenig weiter Richtung Gare de l’Est, wo ich ankam und wo einst die Elsässer Emigranten über Literatur und Besatzung diskutierten. Dort würde es heimelig nach Choucroute duften, denn die Aperitifzeit war längst vorbei. Vielleicht könnte ich ja schnell einen Zwiebelkuchen oder eine Quiche gegen den ersten Hunger bestellen. Es ist acht, und ich hatte das letzte Mal zum Frühstück etwas gegessen, war um die Mittagszeit abgereist.
Ich habe mich getäuscht. Mein Kavalier rückt den Schmutzteppich beiseite und zeigt auf eine Klappe, wie sie in alten Schwarz-Weiß-Krimis und Theatern benutzt wird, um Menschen verschwinden zu lassen.
„Willste mal den Keller sehen?“, fragt er mit einem vielversprechenden Blick. Vielleicht hat er dort seine Briefmarkensammlung? Vielleicht geht es durch den Keller in die Katakomben von Paris? Ich bin Abenteuern in unterirdischen Gängen schon in meiner Kindheit nicht abgeneigt gewesen, immer in der Hoffnung auf einen verborgenen Schatz im Kohlenkeller. Ich fasse mir an die Stirn: Er wird seine kühlen Getränke unten aufbewahren, was sonst! Ich werde auf einmal ganz eifrig und finde es aufreizend, dämliche Sachen auf der Suche nach einer Tasse Kaffee zu unternehmen. Die steile, geländerlose Leitertreppe wage ich nur, weil ich rosarot verliebt bin und keinem Liebhaber der Welt verrate, wie mir die Knie beim Blick in den Abgrund zittern.
Unten bringen nur die dicken Mauern einen Hauch von Romantik und altem Paris. Eine öffnet sich zu einer dunklen Röhre, die schräg nach oben zu einer Luke auf das Trottoir führt; man sieht Stöckelschuhe, Latschen und Pumps, seidenbestrumpfte Knöchel, Hosensäume. Der Rest des winzigen Kellerraums ist eine eigens für die Oberfinanzdirektion erstellte Werbung von Ikea. Billy für Buchhalter. Ich finde die geschwollenen Füße draußen interessanter. Ob der Typ mit dem angerissenen Hosenband am Saum auf dem Weg ins Bistro ist?
Plötzlich steht Fernand hinter mir, deutet auf den Betonboden und meint: „Ich frag mich immer, was das ist ... Schau mal.“
Ein Fleck. Feucht.
Er sagt: „Ein Fleck, feucht. Der ist immer da, manchmal trocknet er und kommt wieder.“
Während ich mich schnüffelnd nach unten beuge, nimmt er mich, drückt sich von hinten an mich. Er fingert mein Nichts von Dessous unterm Rock weg, ohne es betrachten zu können, und dringt in mich ein.
Normalerweise könnte mich das ja wild machen. Aber die Reisemigräne meldet sich wieder mit Hitchcock-Sequenzen von vergrabenen Leichen, die so lange den Keller voll bluten, bis es einer sieht. Ich sollte nicht mit offenem Mund hecheln, das dörrt mich noch mehr aus. Ich habe das Gefühl, aus der Röhre nach einem Kellner schreien zu müssen: Kaffee!!! Irgendwie könnte es schön sein, aber mir ist zu schwindlig, und der Arme müht sich so ab mit dieser von Kopf bis Fuß verdorrenden Frau! Kurz bevor ich ins Koma falle, kommt er.
„Hundepisse!“, sage ich.
„Hä?“, tönt es hinter meinem Rücken.
Wir wurschteln beide an unserer Kleidung, der Keller ist verdammt feucht und kalt.
„Na, Hundepisse! Riech doch mal!“
Weil aber der Mensch bekanntlich an einer Fehlverbindung zwischen Sex und Denken leidet, deute ich erklärend auf die Röhre, diesen leeren Ärmel zwischen uns und dem Trottoir. Wie auf Kommando taucht ein Rehpinscher draußen auf und balanciert auf drei Streichholzbeinchen. Was er hinterlässt, dürfte allein nicht ausreichen, um die fast zwei Meter bis auf den Kellerboden zu rinnen. Erst verdünnt mit den Hinterlassenschaften der Rivalen würde der Fleck erhalten bleiben. Paris ist voller Hunde, kleingezüchtet für den kleinsten Käfig von Appartement, aber zahlreich wie die Ratten in den Katakomben.
Fernands Aufnahmefähigkeit kommt in die Gänge. „Wie war ich?“, fragt er in strahlender Erwartung.
Lust bekommen? Den Roman, der im Print ursprünglich als "Strechapfel und Belladonna" bei Lübbe erschienen ist, kann man HIER sofort als Kindle downloaden. Weil alle meine E-Books DRMfrei sind, lassen sie sich bequem ins epub umwandeln. Eigene Epubs sollen ab 2013 folgen.
Zur Facebook-Aktion "Alptraum mit Plüschbär".
5. November 2012
Großes Ausmisten
Manchmal muss man nicht nur Zimmer aufräumen und sich von Dingen trennen. Indem ich durch die Notoperation meines Hundes wieder einmal mit dem Thema Tod und den wirklich wichtigen Dingen im Leben konfrontiert wurde, habe ich viel nachgedacht - dass ich derzeit mit der Pflege etwas zu Hause angehängt bin, gab die nötige Ruhe dazu. Etwas musste bei meiner Arbeit anders werden. Zu viele unterschiedliche Baustellen; Punkte, wo ich unzufrieden war; Dinge, die ich mir vielleicht selbst nicht eingestehen wollte. Letztlich hat leider die immense Tierklinikrechnung ihr Übriges beigesteuert, dass ich mich von einigen Dingen trennen und wirtschaftlicher denken muss.
Ich habe Tabula Rasa gemacht, gnadenlos. Was sehr heilsam war, denn unter normalen Umständen lässt man so vieles mitlaufen, weil man sich an den Exitus nicht herantraut. Oder weil man Angst hat, sich vielleicht lächerlich zu machen, wenn man einen Rückzug ankündigt, wo man vorher noch groß getönt hat. Folgende Dinge haben sich nun verändert:
Ich begrabe zunächst für sehr lange Zeit, wenn nicht sogar für immer, meine Ermittlerin Amanda Joos und die Idee meiner Krimiserie.
Zum einen habe ich auf bald ein Jahr nicht die Muße, wirklich derart langfristig belletristisch zu arbeiten - oder anders gesagt: Ich kann mir diese Extra-Muße nicht finanzieren. Dazu kommt der Punkt, dass ich mittlerweile das Genre "cozy crime" in Deutschland am Abgrund kurz vor der Müllhalde sehe. So schlimm schon manche (nicht alle zum Glück!) Regio-Krimis waren, inzwischen verkommt das Ganze im Buch wie im Fernsehen zum Heimatschnulzen-Genre à la "Kommissar Wampinger und der Semmelknödelmörder" oder "Brezelbäckerin Susi findet den Misthaufenmörder und einen feschen Bauern dazu". Sich davon abgrenzen zu müssen, verschlingt unnütze Energien - ich schreibe einfach in der falschen Sprache. Eingestellt werden also auch Amandas Blog und ihre Facebook-Seite. Ich bedanke mich bei allen, die mich hier unterstützt haben - es ist leider nicht die Zeit für solche Krimis.
Mein "Russenbuch" lege ich vorerst (!) auf Eis.
Ich sehe im Moment keinerlei erquickliche Möglichkeiten für Self Publishing eines solchen Projekts im deutschen Buchhandel und leider auch noch keine genügende Verbindung vom Zielpublikum zur Vermarktung via Amazon. Dieser Ärger, vom stationären Buchhandel als Self Publisher nicht adäquat und wertfrei akzeptiert zu werden, plus die Belastung, ein Projekt mit gleichzeitiger Sponsorensuche effektiv aufzuziehen, ist mir im Moment zu viel. Von der Energie her. Ich könnte auf russischer Seite ohne weiteres stemmen, was auf deutscher noch nicht möglich ist. Aber das wäre für mich doch etwas komisch, dann könnte das Buch auch gleich ein Russe schreiben. Aber vielleicht verändert sich die Branche noch ein wenig bis nächstes Jahr, vielleicht wird Amazons CS ans Sortiment angeschlossen wie in den USA - und dann sehen wir weiter.
Ein neues Europa-Projekt?
Um nicht ständig selbst zu investieren, sondern auch mal wieder einfach ordentlich bezahlt zu werden, habe ich gerade eine Bewerbung laufen. Man darf mir die Daumen drücken. Es geht um ein kleines Buch, grenzüberschreitend, zweisprachig. Die Frage ist, ob wir den Zuschlag bekommen.
Keine ehrenamtliche Arbeit.
Habe ich in diesem Jahr gern gemacht, aber davon kann ich meine Tierarztrechnung nicht bezahlen. Als Freiberuflerin muss ich diese Zeit nun leider mit "geldwerter" Arbeit füllen. Deshalb versuche ich auch, meine Social-Media-Arbeit etwas effektiver zu organisieren.
Der eigene Verlag
Zunächst einmal warten noch einige Backlist-Titel auf Veröffentlichung und ein Druck meines Vortrags über Schukowski wurde angefragt - genug Arbeit für mich, der ich ständig hinterherhinke. Die geplante Verlagsgründung will durchdacht und vorbereitet werden. Allein Arbeit für drei bis vier Köpfe, die ich allein leisten muss ... Der Vorteil des Verlags: Ich komme damit an Partner heran, die eine einzelne Autorin nicht nehmen würden. Sprich: Meine E-Books würden dann auch endlich als Epub und in allen gängigen Shops zu haben sein. Viel Arbeit also, aber auch Arbeit, die ich mir dann teilweise von Dienstleistern abnehmen lassen kann.
Schuster, bleib bei deinen Leisten
Im nächsten Jahr wird mein Elsassbuch in Neuauflage erscheinen, auch das E-Book dazu. Falls es mit dem Europaprojekt etwas werden sollte (toitoitoi), bliebe ich sehr bei diesem Thema. Dabei fiel mir auf, dass ich ohnehin für mein Leben gern übers Leben und Genießen im Dreiländereck quassle, übers Kochen und Rezepte und übers richtige Einkaufen dazu. Eine Revision meiner Festplatte förderte Rohtext für allein drei Bände zutage! Und wenn ich schon einen Verlag gründe, warum diesen nicht mit einer kleinen Reihe aufmachen, für deren Spezialität ich längst einen gewissen Namen habe? Warum nicht die Synergie mit dem Buch bei Suhrkamp-Insel nutzen? Ja, Bücher übers Dreiländereck und übers Kochen und Genießen gibt es natürlich zuhauf, aber keines in der Art, in der ich erzähle.
Mehr Bücher übers Dreiländereck
Statt Belletristik wird es also von mir zuerst einmal weitere literarische Reisebücher geben, Plaudereien, wie man sie stilistisch von mir bereits aus dem Blog kennt, mit vielen Tipps und Rezepten zum Nachkochen.
Dafür entwerfe ich im Moment ein Reihenkonzept, ein Image, eine Vermarktungsstrategie und sortiere natürlich schon fleißig Texte.
Gestern hat es mich dann gepackt - ich fotografiere plötzlich mein Essen während des Kochens. Wenn bei Facebook selbst Instagram-Gewusel ankommt, dann kann ich das auch, ohne Fooddesignerin zu sein. Nein, natürlich kann ich nicht professionell fotografieren! Aber ich setze bei diesen Büchern auf den Charme des ganz Persönlichen, dem Peepshow-Effekt, der Autorin in die Töpfe schauen zu können.
Mehr als genug zu tun, aber das Hundefutter und der Tierarzt wollen eben erwirtschaftet werden. Und irgendwie bin ich Rocco sogar dankbar, dass er mich aufs Wesentliche gestoßen hat. Auch, wenn ich ein wenig das Heulen kriege, weil so viele Texte ungeschrieben bleiben, einfach nur deshalb, weil sie unwirtschaftlich oder zu risikobelastet wären. Aber immerhin: Ich bleibe ja bei meinen Lieblingsthemen.
![]() |
Großreinemachen ist angesagt |
Ich habe Tabula Rasa gemacht, gnadenlos. Was sehr heilsam war, denn unter normalen Umständen lässt man so vieles mitlaufen, weil man sich an den Exitus nicht herantraut. Oder weil man Angst hat, sich vielleicht lächerlich zu machen, wenn man einen Rückzug ankündigt, wo man vorher noch groß getönt hat. Folgende Dinge haben sich nun verändert:
Ich begrabe zunächst für sehr lange Zeit, wenn nicht sogar für immer, meine Ermittlerin Amanda Joos und die Idee meiner Krimiserie.
Zum einen habe ich auf bald ein Jahr nicht die Muße, wirklich derart langfristig belletristisch zu arbeiten - oder anders gesagt: Ich kann mir diese Extra-Muße nicht finanzieren. Dazu kommt der Punkt, dass ich mittlerweile das Genre "cozy crime" in Deutschland am Abgrund kurz vor der Müllhalde sehe. So schlimm schon manche (nicht alle zum Glück!) Regio-Krimis waren, inzwischen verkommt das Ganze im Buch wie im Fernsehen zum Heimatschnulzen-Genre à la "Kommissar Wampinger und der Semmelknödelmörder" oder "Brezelbäckerin Susi findet den Misthaufenmörder und einen feschen Bauern dazu". Sich davon abgrenzen zu müssen, verschlingt unnütze Energien - ich schreibe einfach in der falschen Sprache. Eingestellt werden also auch Amandas Blog und ihre Facebook-Seite. Ich bedanke mich bei allen, die mich hier unterstützt haben - es ist leider nicht die Zeit für solche Krimis.
Mein "Russenbuch" lege ich vorerst (!) auf Eis.
Ich sehe im Moment keinerlei erquickliche Möglichkeiten für Self Publishing eines solchen Projekts im deutschen Buchhandel und leider auch noch keine genügende Verbindung vom Zielpublikum zur Vermarktung via Amazon. Dieser Ärger, vom stationären Buchhandel als Self Publisher nicht adäquat und wertfrei akzeptiert zu werden, plus die Belastung, ein Projekt mit gleichzeitiger Sponsorensuche effektiv aufzuziehen, ist mir im Moment zu viel. Von der Energie her. Ich könnte auf russischer Seite ohne weiteres stemmen, was auf deutscher noch nicht möglich ist. Aber das wäre für mich doch etwas komisch, dann könnte das Buch auch gleich ein Russe schreiben. Aber vielleicht verändert sich die Branche noch ein wenig bis nächstes Jahr, vielleicht wird Amazons CS ans Sortiment angeschlossen wie in den USA - und dann sehen wir weiter.
Ein neues Europa-Projekt?
Um nicht ständig selbst zu investieren, sondern auch mal wieder einfach ordentlich bezahlt zu werden, habe ich gerade eine Bewerbung laufen. Man darf mir die Daumen drücken. Es geht um ein kleines Buch, grenzüberschreitend, zweisprachig. Die Frage ist, ob wir den Zuschlag bekommen.
Keine ehrenamtliche Arbeit.
Habe ich in diesem Jahr gern gemacht, aber davon kann ich meine Tierarztrechnung nicht bezahlen. Als Freiberuflerin muss ich diese Zeit nun leider mit "geldwerter" Arbeit füllen. Deshalb versuche ich auch, meine Social-Media-Arbeit etwas effektiver zu organisieren.
Der eigene Verlag
Zunächst einmal warten noch einige Backlist-Titel auf Veröffentlichung und ein Druck meines Vortrags über Schukowski wurde angefragt - genug Arbeit für mich, der ich ständig hinterherhinke. Die geplante Verlagsgründung will durchdacht und vorbereitet werden. Allein Arbeit für drei bis vier Köpfe, die ich allein leisten muss ... Der Vorteil des Verlags: Ich komme damit an Partner heran, die eine einzelne Autorin nicht nehmen würden. Sprich: Meine E-Books würden dann auch endlich als Epub und in allen gängigen Shops zu haben sein. Viel Arbeit also, aber auch Arbeit, die ich mir dann teilweise von Dienstleistern abnehmen lassen kann.
Schuster, bleib bei deinen Leisten
Im nächsten Jahr wird mein Elsassbuch in Neuauflage erscheinen, auch das E-Book dazu. Falls es mit dem Europaprojekt etwas werden sollte (toitoitoi), bliebe ich sehr bei diesem Thema. Dabei fiel mir auf, dass ich ohnehin für mein Leben gern übers Leben und Genießen im Dreiländereck quassle, übers Kochen und Rezepte und übers richtige Einkaufen dazu. Eine Revision meiner Festplatte förderte Rohtext für allein drei Bände zutage! Und wenn ich schon einen Verlag gründe, warum diesen nicht mit einer kleinen Reihe aufmachen, für deren Spezialität ich längst einen gewissen Namen habe? Warum nicht die Synergie mit dem Buch bei Suhrkamp-Insel nutzen? Ja, Bücher übers Dreiländereck und übers Kochen und Genießen gibt es natürlich zuhauf, aber keines in der Art, in der ich erzähle.
Mehr Bücher übers Dreiländereck
Statt Belletristik wird es also von mir zuerst einmal weitere literarische Reisebücher geben, Plaudereien, wie man sie stilistisch von mir bereits aus dem Blog kennt, mit vielen Tipps und Rezepten zum Nachkochen.
Dafür entwerfe ich im Moment ein Reihenkonzept, ein Image, eine Vermarktungsstrategie und sortiere natürlich schon fleißig Texte.
Gestern hat es mich dann gepackt - ich fotografiere plötzlich mein Essen während des Kochens. Wenn bei Facebook selbst Instagram-Gewusel ankommt, dann kann ich das auch, ohne Fooddesignerin zu sein. Nein, natürlich kann ich nicht professionell fotografieren! Aber ich setze bei diesen Büchern auf den Charme des ganz Persönlichen, dem Peepshow-Effekt, der Autorin in die Töpfe schauen zu können.
Mehr als genug zu tun, aber das Hundefutter und der Tierarzt wollen eben erwirtschaftet werden. Und irgendwie bin ich Rocco sogar dankbar, dass er mich aufs Wesentliche gestoßen hat. Auch, wenn ich ein wenig das Heulen kriege, weil so viele Texte ungeschrieben bleiben, einfach nur deshalb, weil sie unwirtschaftlich oder zu risikobelastet wären. Aber immerhin: Ich bleibe ja bei meinen Lieblingsthemen.