In der ARTE-Reihe Yourope sah ich kürzlich einen erschütternden Bericht: Die Krankheit Depression verbreitet sich in Europa in einem nie dagewesenen Ausmaß vor allem bei jungen Leuten, die Selbstmordrate stieg in einigen Ländern um 50% an. Woher kommt's?
Aha, junge Leute, typisch! Gleich gehen allüberall in den Medien die Zeigefinger hoch und jeder glaubt, Bescheid zu wissen. Das Internet ist schuld, das Handygedöns, die schalten ja nicht mehr ab heutzutage. Macht alles dumm, brennt aus und dann tötet es. Manche verdienen richtig viel Knete mit dieser ach so beliebten Art von Skandalbüchern, "populärwissenschaftlich" genannt, in denen man eine möglichst dämliche Behauptung aufstellt und die dann unter Ausblendung von Tatsachen und Gegenmeinungen launig untermauert. Aber wie sagte schon Goethe: "Toren und gescheite Leute sind gleich unschädlich. Nur die Halbnarren und Halbweisen, das sind die gefährlichsten."
Kollegin Christa S. Lotz schrieb erst unlängst über den "Social-Media-Burnout?", der als Mythos (?) anscheinend schon bei den Krankenkassen angekommen ist, und sie schreibt eindrücklich, dass man sich die neue Krankheit auch ganz woanders holen kann. Und was ist mit diesen jungen Leute, die da reihenweise in Depressionen fallen oder sich gleich umbringen? Haben die alle einfach nur zuviel getwittert und bei Facebook kommuniziert?
Die brutale Wahrheit wird im Spätprogramm versteckt. Denn es gibt da ganz andere Untersuchungen. Würde man öfter von ihnen hören, könnten die Bürger Europas vielleicht aufmerken, dass mit unserem ganzen Lebenssystem etwas nicht mehr stimmt und sich die Krise schlimmer rächt, als von Politikern schöngeredet. Yourope brachte zwei Ursachen, die sich nur scheinbar widersprechen: Die einen werden depressiv, weil sie absolut keine Zukunft mehr sehen, weil sie in wirtschaftliche Not geraten sind, weil die Jugendarbeitslosigkeit gefährliche Ausmaße angenommen hat. Sie sehen keine Entwicklungschancen mehr und immer häufiger keinen Sinn des Lebens. Die anderen geraten in Depressionen, weil sie alles haben, alles können, die wahren Überflieger sind, oft aus wohlhabendem und behütetem Haus. Eine junge Frau brachte ihr Lebensgefühl auf den Punkt: In einer Welt, in der einem von allen Seiten gezeigt und erzählt werde, dass man alles schaffen könne, alles kaufen - da schlage die Verzweiflung zu, wenn man an irgendeinem Punkt mal nicht so gut und perfekt sei wie das Ideal. Der Turbokapitalismus verschlingt seine Kinder.
Und währenddessen schieben wir das alles fröhlich aufs Internet, die ach so bösen neuen Medien und den schlimmen Arbeitsstress. Wunderbar, denn so müssen wir nicht daran denken, wie viele Leute krank werden, weil sie gar keine Arbeit mehr haben, auch keine Aussichten darauf, in den nächsten Jahren überhaupt noch welche zu bekommen. Die Krise ist schlimm, die Verschuldung ist schlimm und es schimpft sich vortrefflich, wenn man ausblendet, dass sich in Griechenland und Spanien gerade reihenweise Menschen umbringen, während anderswo auf recht hohem Niveau gejammert wird.
Social Media eignen sich wunderbar als ablenkender Sündenbock. Aber wenn man jene Sendung gesehen hat, dann wurde einem eines klar: Depressiv und ausgebrannt werden nach jenen neuen Untersuchungen nicht diejenigen, die noch miteinander kommunizieren, sondern diejenigen, denen es entweder zu gut oder zu schlecht geht. Nicht dem Internet sind sie ausgeliefert, sondern dem Geldbeutel der Eltern, deren sozialer Herkunft und Lebensbedingungen. Unsere Modekrankheit Burnout ist, wie so viele psychische Störungen der Vergangenheit, die die Geschichte erledigt hat, womöglich eine gesellschaftliche Störung.
Absolut beeindruckend fand ich einen Selbsthilfeansatz aus England, der offensichtlich mit Erfolg betrieben wird. Die jungen Frauen, die das "erfunden" haben, trainieren sich nicht etwa Handy oder Internet ab. Nein, sie steigen auf eine verblüffende Art aus dem Hamsterrad aus: Sie gehen laufen. Sie treffen sich regelmäßig und rennen miteinander. Nicht schnell, nicht langsam und schon gar nicht gleichzeitig: Jede rennt so schnell, wie sie kann, wie ihr gerade danach ist. Da rast mal eine voran und wieder zurück, die nächste sitzt traurig auf einem Stein und macht ein paar Schritte - und alle nehmen sich in ihrer Tagesform und wie sie gerade sind. Gemeinsam machen sie die Pausen: Wenn alle das Rennen einfach Rennen sein lassen. Und sich statt dessen gegenseitig bestärken, annehmen und wertschätzen. Bei einer Tätigkeit jenseits des Drucks, den das Geld aufbaut. Geld, dass man entweder nicht hat oder von dem man zuviel hat - die Mitte der Gesellschaft bricht schon seit Jahren weg. Sie verlassen wenigstens bildlich und kuzzeitig das goldene Hamsterrad, aus dem immer mehr Menschen herausstürzen, während wir verschämt wegschauen.
Und doch hilft das Rennen im eigenen Tempo nur dann, wenn diese jungen Leute wieder einen Sinn im Leben erkennen können und Chancen. Existenzangst macht krank und manchmal ist es die Krankheit zum Tode. In Europa immer häufiger. In manchen Ländern alarmierend häufig.
Nach dieser Sendung frage ich mich, ob es nicht Kalkül ist, alles aufs Internet und Social Media zu schieben. Das hält die Menschen so schön abgelenkt und unwissend. Wäre ja schrecklich, wenn wir über die Grundfesten unseres Lebens nachdenken müssten, anstatt einfach nonchalant ein Handy wegzuwerfen und etwas von Befreiung zu jodeln. Dass es solche Filme im späten Spätprogramm gibt, erfährt man zum Glück durch Social Media und das Internet.
Initiative / Themenschwerpunkt bei ARTE vom 27.-29.11. (ab heute): Why poverty?
Kleiner Hinweis in eigener Sache:
In meinem Buch "Faszination Nijinsky" geht es um einen weltberühmten Künstler, der wahrscheinlich an einer bipolaren Störung litt und mit "Schizophrenie" fehldiagnostiziert wurde.
Im Anhang des Buchs führe ich ein äußerst aufschlussreiches Interview
mit dem österreichischen Kurator Dr. Michael Braunsteiner über das Thema
"Kunst und Wahnsinn". Braunsteiner hatte die weltberühmte
Prinzhorn-Sammlung aus Heidelberg in einer Ausstellung nach Österreich
gebracht. Prinzhorn sammelte sogenannte "Bildnerei von Geisteskranken"
u.a. in der Klinik, in der auch Nijinsky behandelt wurde, sein Buch
wurde zur "Bibel" der Avantgarde. Vom Kurator will ich wissen, ob der
Mythos vom wahnsinnigen Genie stimmt - und ob psychische Störungen nicht
auch von den Umständen ihrer Zeit abhängig sind, die sie besonders
häufig diagnostiziert.
Seiten
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27. November 2012
23. November 2012
Wie ich Papier in einen Reader stopfe
So sieht im Moment mein Schreibtisch aus: übersät mit gestückelten und zusammengeklebten Papieren. So entsteht ein E-Book ...
Jetzt im Ernst? Nun ja, da gibt es ein heftig gemischtes Sammelsurium von Texten in Datenordnern, Stoff für drei Bücher allein, aber völlig durcheinander und zufällig gesammelt und geschrieben. Wie entwickelt man daraus überhaupt ein Buch? Obwohl ich mir beim Surfen Website-Verbindungen wie auf einer Landkarte vorstellen und merken kann, obwohl ich eine Freundin des papierlosen Arbeitens bin: Richtig kreativ werde ich erst auf Papier. Für jedes Buch lege ich ein dickes Entwurfsheft an, in dem ich auch mal zeichne und Dinge sammle, Notizen mache, herumschmiere, durchstreiche.
Diesmal war mir das Chaos zu eindimensional: Da lagen etwa 120 Normseiten brach, die in einen durchgehenden Fließtext einfinden sollen, später mit passenden Fotos bestückt. Im Endeffekt wird es wohl auf die dreifache Menge Text hinauslaufen. Irgendwann ging das Geschiebe in der Datei nicht mehr. Also habe ich kurzerhand alles ausgedruckt, jeden einzelnen Text abgeschnippelt und zusammengeklebt. Und jetzt leuchtet mir das alles dreidimensional ein. Rot werden am Rand die einzelnen Themen vermerkt und grün kommt eine Zahl darauf, zu welchem der drei Bücher der Text verwendet werden wird. Dann spiele ich Karten mit drei Stapeln. Sprich, ich ordne die Texte jeweils zu einer inneren Logik.
Und wenn ich dann den geordneten Packen neben mir habe, gelingt es mir leichter, frisch mit dem Schreiben anzufangen und je nach Bedarf die einzelnen Passagen aus der Datei zu klauben. Denn auch das steht nun fest: Vieles landet da vorab im Müll und will neu formuliert werden. In der Planungsphase muss ich meine Texte im wahrsten Sinn des Wortes be-greifen.
Das Ganze wird dann erst mal zu E-Books. Von der Datei auf Papier und wieder in eine Datei. Soll mal noch jemand behaupten, E-Books hätten keine Haptik! Diese werden sogar Genüsse aus dem Dreiländereck verbreiten!
Jetzt im Ernst? Nun ja, da gibt es ein heftig gemischtes Sammelsurium von Texten in Datenordnern, Stoff für drei Bücher allein, aber völlig durcheinander und zufällig gesammelt und geschrieben. Wie entwickelt man daraus überhaupt ein Buch? Obwohl ich mir beim Surfen Website-Verbindungen wie auf einer Landkarte vorstellen und merken kann, obwohl ich eine Freundin des papierlosen Arbeitens bin: Richtig kreativ werde ich erst auf Papier. Für jedes Buch lege ich ein dickes Entwurfsheft an, in dem ich auch mal zeichne und Dinge sammle, Notizen mache, herumschmiere, durchstreiche.
Diesmal war mir das Chaos zu eindimensional: Da lagen etwa 120 Normseiten brach, die in einen durchgehenden Fließtext einfinden sollen, später mit passenden Fotos bestückt. Im Endeffekt wird es wohl auf die dreifache Menge Text hinauslaufen. Irgendwann ging das Geschiebe in der Datei nicht mehr. Also habe ich kurzerhand alles ausgedruckt, jeden einzelnen Text abgeschnippelt und zusammengeklebt. Und jetzt leuchtet mir das alles dreidimensional ein. Rot werden am Rand die einzelnen Themen vermerkt und grün kommt eine Zahl darauf, zu welchem der drei Bücher der Text verwendet werden wird. Dann spiele ich Karten mit drei Stapeln. Sprich, ich ordne die Texte jeweils zu einer inneren Logik.
Und wenn ich dann den geordneten Packen neben mir habe, gelingt es mir leichter, frisch mit dem Schreiben anzufangen und je nach Bedarf die einzelnen Passagen aus der Datei zu klauben. Denn auch das steht nun fest: Vieles landet da vorab im Müll und will neu formuliert werden. In der Planungsphase muss ich meine Texte im wahrsten Sinn des Wortes be-greifen.
Das Ganze wird dann erst mal zu E-Books. Von der Datei auf Papier und wieder in eine Datei. Soll mal noch jemand behaupten, E-Books hätten keine Haptik! Diese werden sogar Genüsse aus dem Dreiländereck verbreiten!
19. November 2012
Leser wünschen sich ein Layout!
Liebe Leserinnen und Leser,
viele Augen sehen mehr als zwei. Ich habe von meinen neuen Genuss- und Grenzgängerbüchern gesprochen. Nun will ich dazu ein altes Blog aufhübschen und einen Newsletter gestalten. Am schnellsten geht das mit Templates, an denen ich natürlich nachträglich jede Menge herumschrauben kann. Ich kann Farben, Schrifttypen, Schriftgrößen und einzelne Elemente verändern, manchmal auch Titelbilder.
Vorgabe: Es muss zum Thema "Grenzgängereien" passen, zum Dreiländereck, zu Kultur, Tourismus, Natur und Kochkunst. Es werden sehr persönliche, sehr subjektive "Mitteilungen" einer Autorin.
Hier ist das Gerippe des uralten Vorgängerblogs, von dem ich Texte retten möchte.
Vier Templates haben es in die Endrunde geschafft und es darf fleißig abgestimmt und diskutiert werden, welches das beste ist. Vielleicht hat jemand sogar eine völlig andere Idee - dann muss das Template nur kostenlos und rechtefrei sein und auf Blogger-Oberfläche laufen.
Nicht von Titeln und Texten irritieren lassen, das sind alles Dummies!
1: Green Travel (die Diashow wird mit eigenen Bildern bestückt)
2: Travel & Tour (hier ist ein Bildaustausch womöglich nur sehr schwer möglich)
3: Kanata
4: Inspired by nature
Diskussionen laufen parallel auf Facebook in meinem privaten Profil und auf meiner offiziellen Autorenseite, die sich natürlich über weitere Likes freut!
viele Augen sehen mehr als zwei. Ich habe von meinen neuen Genuss- und Grenzgängerbüchern gesprochen. Nun will ich dazu ein altes Blog aufhübschen und einen Newsletter gestalten. Am schnellsten geht das mit Templates, an denen ich natürlich nachträglich jede Menge herumschrauben kann. Ich kann Farben, Schrifttypen, Schriftgrößen und einzelne Elemente verändern, manchmal auch Titelbilder.
Vorgabe: Es muss zum Thema "Grenzgängereien" passen, zum Dreiländereck, zu Kultur, Tourismus, Natur und Kochkunst. Es werden sehr persönliche, sehr subjektive "Mitteilungen" einer Autorin.
Hier ist das Gerippe des uralten Vorgängerblogs, von dem ich Texte retten möchte.
Vier Templates haben es in die Endrunde geschafft und es darf fleißig abgestimmt und diskutiert werden, welches das beste ist. Vielleicht hat jemand sogar eine völlig andere Idee - dann muss das Template nur kostenlos und rechtefrei sein und auf Blogger-Oberfläche laufen.
Nicht von Titeln und Texten irritieren lassen, das sind alles Dummies!
1: Green Travel (die Diashow wird mit eigenen Bildern bestückt)
2: Travel & Tour (hier ist ein Bildaustausch womöglich nur sehr schwer möglich)
3: Kanata
4: Inspired by nature
Diskussionen laufen parallel auf Facebook in meinem privaten Profil und auf meiner offiziellen Autorenseite, die sich natürlich über weitere Likes freut!
14. November 2012
2013: Jede Menge Dreiländer-Genuss
Es war mein erfolgreichstes Buch: zwei große Auflagen komplett abverkauft, das Hörbuch mit der wunderbaren ARTE-Sprecherin für Genussvolles, Doris Wolters, ebenfalls ausverkauft. Und dann kam plötzlich das traurige Aus, weil sich der Hanser Verlag von der gesamten Reihe "Oasen für die Sinne" trennen wollte. Ich stand zwar in den Startlöchern, wenigstens ein E-Book daraus zu machen, schob es aber immer wieder auf, weil das dann doch auch vom Äußeren her absolut professionell gestaltet werden sollte. Und sollte ich das Buch vielleicht selbst neu nachdrucken lassen? Irgendwie war kein Geld übrig, die Sache blieb liegen ...
Zum Glück wartet man manchmal zu lange mit halbherzigen Vorhaben. In der Zwischenzeit war nämlich Hanser nicht untätig. Und das habe ich noch bei keinem Verlag erlebt: Obwohl ich längst wieder alle Rechte am Buch zurückbekommen hatte, hat sich Hanser um den Titel "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" gekümmert. Die Mail im Frühjahr, ob ich mit einer Taschenbuchlizenz bei Suhrkamp-Insel einverstanden sei, ließ mich zuerst ungläubig staunen und dann jubeln. Self Publishing der eigenen Backlist ist ja schön, aber ein Insel-Taschenbuch ist tausend mal schöner.
Und jetzt habe ich Neuigkeiten vom neuen, ebenso bemühten Verlag - ich habe gerade noch Zeit, einen Fehler in einem Rezept zu korrigieren, schon nächste Woche soll das Buch in den Satz. Damit steht auch der Erscheinungstermin fest: Mai 2013. Bis dahin will ich auch eine E-Book-Ausgabe parallel bringen. Ja, im Self Publishing, auch so etwas ist heutzutage möglich. Während da draußen in den Blogs die Debatten blühen, ob Self Publishing nun "igitt" oder "Schund" sei, stehen zumindest Qualitätsverlage über der Sache. Es ist schlicht und einfach eine Frage, wer die Rechte wofür hält - so ein Inhalt ist identisch. Nur Bebilderung und Layout müssen sich natürlich unterscheiden, daran halten Grafiker und Fotografen die Rechte.
Zur guten Nachricht gibt's gleich noch einen Schwung Elsass hinzu. Nein, eigentlich sehr viel mehr, denn ich will das gesamte Dreiländereck betrachten: Elsass, Baden und Pfalz. Ich habe nämlich vor, zum Jahreswechsel selbst einen Verlag zu gründen und darin - zunächst als E-Books - einiges von meinen Grenzgängereien zu veröffentlichen. Etwas anders im Stil, aber wer "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" liebt, wird auch diese Themen mögen. Nicht zuletzt habe ich mich "brotberuflich" gerade an einer Ausschreibung für ein binationales, zweisprachiges Buchprojekt beworben. Steht noch in den Sternen, ob es einen Zuschlag geben wird, das ist immer sehr schwer ... aber warum nicht noch mehr Dreiländereck? Da können noch Daumen gedrückt werden!
Auf alle Fälle verspreche ich meinen Leserinnen und Lesern: 2013 wird ein Jahr der Genüsse, der Landschaften und ihrer Traditionen, der Kultur und Kochkunst aus einer der leckersten und abwechslungsreichsten Regionen Europas! Wie heißt es so schön in meinem Elsass-Buch: "Wir leben privilegiert hier. Wir können uns von allen Seiten das Beste heraussuchen."
Zum Glück wartet man manchmal zu lange mit halbherzigen Vorhaben. In der Zwischenzeit war nämlich Hanser nicht untätig. Und das habe ich noch bei keinem Verlag erlebt: Obwohl ich längst wieder alle Rechte am Buch zurückbekommen hatte, hat sich Hanser um den Titel "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" gekümmert. Die Mail im Frühjahr, ob ich mit einer Taschenbuchlizenz bei Suhrkamp-Insel einverstanden sei, ließ mich zuerst ungläubig staunen und dann jubeln. Self Publishing der eigenen Backlist ist ja schön, aber ein Insel-Taschenbuch ist tausend mal schöner.
Und jetzt habe ich Neuigkeiten vom neuen, ebenso bemühten Verlag - ich habe gerade noch Zeit, einen Fehler in einem Rezept zu korrigieren, schon nächste Woche soll das Buch in den Satz. Damit steht auch der Erscheinungstermin fest: Mai 2013. Bis dahin will ich auch eine E-Book-Ausgabe parallel bringen. Ja, im Self Publishing, auch so etwas ist heutzutage möglich. Während da draußen in den Blogs die Debatten blühen, ob Self Publishing nun "igitt" oder "Schund" sei, stehen zumindest Qualitätsverlage über der Sache. Es ist schlicht und einfach eine Frage, wer die Rechte wofür hält - so ein Inhalt ist identisch. Nur Bebilderung und Layout müssen sich natürlich unterscheiden, daran halten Grafiker und Fotografen die Rechte.
Zur guten Nachricht gibt's gleich noch einen Schwung Elsass hinzu. Nein, eigentlich sehr viel mehr, denn ich will das gesamte Dreiländereck betrachten: Elsass, Baden und Pfalz. Ich habe nämlich vor, zum Jahreswechsel selbst einen Verlag zu gründen und darin - zunächst als E-Books - einiges von meinen Grenzgängereien zu veröffentlichen. Etwas anders im Stil, aber wer "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" liebt, wird auch diese Themen mögen. Nicht zuletzt habe ich mich "brotberuflich" gerade an einer Ausschreibung für ein binationales, zweisprachiges Buchprojekt beworben. Steht noch in den Sternen, ob es einen Zuschlag geben wird, das ist immer sehr schwer ... aber warum nicht noch mehr Dreiländereck? Da können noch Daumen gedrückt werden!
Auf alle Fälle verspreche ich meinen Leserinnen und Lesern: 2013 wird ein Jahr der Genüsse, der Landschaften und ihrer Traditionen, der Kultur und Kochkunst aus einer der leckersten und abwechslungsreichsten Regionen Europas! Wie heißt es so schön in meinem Elsass-Buch: "Wir leben privilegiert hier. Wir können uns von allen Seiten das Beste heraussuchen."
12. November 2012
Mit Spürnase im Keltenwald
Seit bald zehn Jahren laufe ich regelmäßig mit Rocco im gleichen Bergwald - und immer wieder entdeckt Monsieur Spürnase neue Wege und Pfade, die ich noch nicht kenne. Diesmal einen etwas sanfteren Aufstieg von 200 auf 500 Meter zum Gipfel, ein märchenhafter Weg. Unten beginnt es bei alten keltischen Grabhügeln im Wald, zieht sich an Fliegenpilzpfaden durch den flammend bunten Buchenwald und wird dann immer felsiger.
Dabei erstaunen die Steine auch Laien - sie sehen erstaunlich bearbeitet aus und stützen den Hang wie einen Wall. Der sogenannte "Kastelring" ist tatsächlich ein von den Kelten gebauter Wall. Ein paar Impressionen aus meiner absolut verzauberten Mittagspause möchte ich hier teilen. Die war so lang, wie französische Mittagspausen früher einmal waren, zweieinhalb Stunden. Und natürlich haben sich Menschin und Hund Wurst und Brot redlich geteilt. Nur den duftenden Tee von selbstgesammelten wilden Schlüsselblumen habe ich allein goutiert, während Rocco die Getränkevariante mit Schlammwasser und Wildaroma vorzog.
Muss ich dazusagen, dass ich kurz vor dem Gipfel mit herrlichem Ausblick auf den Schwarzwald aufgab und mich Rocco wandertechnisch voll in die Tasche steckte? Auch von den Fotos sind erstaunlich viele missraten, weil unscharf und verwackelt. Man sollte nie bei zu schlechtem Licht aufwärtskeuchend und vom Hund gezogen auf den Auslöser drücken. Das nächste Mal ... wir müssen da einfach noch einmal hoch!
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Vor dem Aufstieg durch den Wandelgang zwischen Buchenpfeilern |
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Dunkle Akzente setzen die streng geschützten Stechpalmen |
Dabei erstaunen die Steine auch Laien - sie sehen erstaunlich bearbeitet aus und stützen den Hang wie einen Wall. Der sogenannte "Kastelring" ist tatsächlich ein von den Kelten gebauter Wall. Ein paar Impressionen aus meiner absolut verzauberten Mittagspause möchte ich hier teilen. Die war so lang, wie französische Mittagspausen früher einmal waren, zweieinhalb Stunden. Und natürlich haben sich Menschin und Hund Wurst und Brot redlich geteilt. Nur den duftenden Tee von selbstgesammelten wilden Schlüsselblumen habe ich allein goutiert, während Rocco die Getränkevariante mit Schlammwasser und Wildaroma vorzog.
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Wichtel leben in den Vogesen absolut komfortabel |
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Ausgerechnet das Prachtexemplar war losgerissen ... |
Muss ich dazusagen, dass ich kurz vor dem Gipfel mit herrlichem Ausblick auf den Schwarzwald aufgab und mich Rocco wandertechnisch voll in die Tasche steckte? Auch von den Fotos sind erstaunlich viele missraten, weil unscharf und verwackelt. Man sollte nie bei zu schlechtem Licht aufwärtskeuchend und vom Hund gezogen auf den Auslöser drücken. Das nächste Mal ... wir müssen da einfach noch einmal hoch!
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Das Feuer der Buchen am Hang |
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Zwischen den Bäumen hindurch sah man die Ebene und den Schwarzwald |
9. November 2012
Damokles
Die Freude war groß, als es Rocco nach der OP vor zehn Tagen so viel besser ging (Milz mit Tumor entfernt). Heute dann ein absolut stressiges Fädenziehen (vier Leute konnten ihn nicht halten und so brauchte es doch wieder eine leichte Narkose). Und die Diagnose. Der Tumor klingt, wie er ist - extrem aggressiv: hémangiosarcome splénique. Es kann binnen Tagen passieren oder binnen wenigen Wochen - und die Chance, dass er länger lebt als drei Monate, ist extrem gering. Wenigstens wird es, wenn er dann stirbt, extrem schnell gehen.
Darum gibt es nur eins: Wir werden jetzt jeden Tag Leben feiern, als sei es der letzte. Ich hoffe, jeder hat Verständnis, dass ich Social Media und Bloggen aufs berufliche Minimum zurückfahre (oder falls ich mich mal ablenken muss) - und dass mir so manche heiße Diskussion, an der ich mich kürzlich noch beteiligte, plötzlich nichtig und lächerlich erscheint. Leute, genießt auch euer eigenes Leben, Tag für Tag!
PS: Bevor ihr die Applaus-Taste drückt, überlegt bitte, was ihr da tut.
Darum gibt es nur eins: Wir werden jetzt jeden Tag Leben feiern, als sei es der letzte. Ich hoffe, jeder hat Verständnis, dass ich Social Media und Bloggen aufs berufliche Minimum zurückfahre (oder falls ich mich mal ablenken muss) - und dass mir so manche heiße Diskussion, an der ich mich kürzlich noch beteiligte, plötzlich nichtig und lächerlich erscheint. Leute, genießt auch euer eigenes Leben, Tag für Tag!
PS: Bevor ihr die Applaus-Taste drückt, überlegt bitte, was ihr da tut.
7. November 2012
Leseprobe: French Lover
Pünktlich zur Mittagszeit serviere ich hier einmal "Weekend Parisienne". So heißt das Kapitel aus meinem Roman "Alptraum mit Plüschbär", in dem die lebenshungrige Karen an einen sehr besonderen französischen Lover gerät. Welche Frau träumt nicht von l'amour in Paris?
Zeitgleich zum Abenteuer mit Fernand gibt's bis zum Ende des Monats die Foto-Mitmachaktion auf Facebook - wir zerren sie an die Öffentlichkeit! Nein, nicht die Männer, die Plüschbären!
Leseprobe aus Petra van Cronenburg: Alptraum mit Plüschbär, Roman, edition maeve (alle Rechte vorbehalten):
Lust bekommen? Den Roman, der im Print ursprünglich als "Strechapfel und Belladonna" bei Lübbe erschienen ist, kann man HIER sofort als Kindle downloaden. Weil alle meine E-Books DRMfrei sind, lassen sie sich bequem ins epub umwandeln. Eigene Epubs sollen ab 2013 folgen.
Zur Facebook-Aktion "Alptraum mit Plüschbär".
Zeitgleich zum Abenteuer mit Fernand gibt's bis zum Ende des Monats die Foto-Mitmachaktion auf Facebook - wir zerren sie an die Öffentlichkeit! Nein, nicht die Männer, die Plüschbären!
Leseprobe aus Petra van Cronenburg: Alptraum mit Plüschbär, Roman, edition maeve (alle Rechte vorbehalten):
"Jetzt würde alles anders. Ich bin zum zweiten Mal in meinem Leben in Paris, verliebt in Fernand, den Großstädter, der längst als Insider gilt. Paris mit einem Franzosen, lebensprall, abseits von Touristenpfaden! Im Fernzug von Nancy fahre ich meiner Vergangenheit davon und verlasse die frustrierte einsame Frau, in deren Rolle ich mich geaalt hatte. Wieder habe ich nur ein Wochenende Zeit, aber die inneren Bilder dieser Metropole verlangen danach, genießerisch und spontan gepflückt zu werden. Ich träume davon, mit dem antiquitätenbegeisterten Fernand über die Flohmärkte zu streifen, mich im Soukh ins Wüstenblau der Tuareg zu hüllen und meine Nase die Gewürzstraße entlang wandern zu lassen. Dazu ein wenig Fassadenschau, kleine Fluchten in die Vergangenheit und das Prickeln von Kunst, die zeitlos Generationen betört. Bistros und kleine Restaurants würden die Oasen sein im Rausch meiner Begeisterung für diese Stadt und diesen Mann.
Nach fünfstündiger Reise und Klimaanlagenmigräne endlich das trunken machende Wiedersehen mit Fernand. Meine Furcht ist unbegründet, sein Blick und seine Haut wärmen vertraut.
Er lacht mich an und fragt: „Du trägst einen Hut?!“
Obwohl er mein Gepäck schleppt, rennt er so schnell auf die Straße, dass mir das elegante Stück im Novemberwind fast vom Kopf fliegt. Wir müssen weiter zur Gare du Nord, wo sein Dentallabor liegt. Ich sehe gerne, womit sich die Männer beschäftigen, in die ich verliebt bin. Es gibt mir einen Eindruck von ihren Interessen und weitet meinen Horizont. Ich lerne von jedem, und die Erinnerung an verflossene Liebhaber hangelt sich an deren Hobbys und Berufen entlang.
Von Wolfgang, dem Bauernsohn, hatte ich Kühe melken gelernt, Gert brachte mir knifflige Geduldsspiele bei, und Harry zeigte mir, wie man Cocktails zum Umfallen mixt. Seit Peter weiß ich, wie ein Sammler Münzen behandelt – nämlich liebevoller als er mich. Ich habe durch Männer gelernt, Gedichte in fremden Sprachen zu schreiben, Kochlöffel auf einen extra Teller zu legen, die Pizzabestellung am Telefon effektiver zu formulieren und Wein so geräuschvoll zu probieren, als wollte ich ihn gleich dem Kellermeister entgegenspucken.
Ob vielleicht das Fehlen dieser völlig überraschenden Bereicherungen eine lange Ehe zermürbt? Fernand versprach unerschöpfliche Vorräte an Lernstoff, der Mann konnte Möbel abschleifen und las Frauenzeitschriften, er beherrschte das nahtlose Schalten vom zweiten in den vierten Gang und übte, Weinsorten zu unterscheiden. Die Hauptsache würde ich jetzt besichtigen – den Ort, wo er modellierte, feilte und anpasste, dieser Künstler der Zahnskulpturen.
Nach fünf Stunden in einem klebrigen Zug hält sich die Begeisterung jedoch in Grenzen. Der Rundgang im Labor ist schnell gemacht, weil ich mich auf Ahs und Ohs beschränke, nach einem Stuhl fahnde und die Zunge vor lauter Durst ohnehin nicht mehr vom Gaumen lösen kann. Die Reise war anstrengend, aber ich sehe anscheinend nicht müde genug aus. Fernand zeigt mir seine Dessousfotosammlung auf einem Computer, dessen Desktop gefüllt ist wie das Dosenregal eines Atombunkers. Als ich beim zehnten Po in Schwarz-Weiß endlich bestätige, dass Frauenhaut ohne Farbe besser kommt, darf ich noch ein neckisches Spielchen begutachten, mit dem man den Desktop auf unterschiedlich gewalttätige Arten zerschlagen kann.
„Und wo ist der Mülleimer?“, frage ich. Er staunt mich mit kullerrunden braunen Jungsaugen an. „Na, für die Scherben“, sage ich.
Ich beobachte ihn. Wann würde er merken, dass mir nach etwas Abschalten und irgendeiner Flüssigkeit zumute ist? Nein, ich muss noch einen Bildschirmschoner mit Dessous-Animationen bestaunen. Wie in Sankt Pauli öffnen sich Fenster mit Körperteilen, von Frankreichs Luxusfirma Nummer eins eingehüllt. Sie werfen Kleine im Zeitraffer, spuckten immer neue Klone aus. Der Wert der Spitzen nach zwei Minuten Stand-by beläuft sich auf den Neuwert des Computers. Mir ist nach Männerhaut zumute. Nackt, unverhüllt, ohne Sponsoring. Einer würde fürs Erste reichen.
Die Reisemigräne wirbelt Halluzinationen auf den Bildschirm. Swimming-pools, mit prickelndem Champagner gefüllt ... Fernand in Geschenkpapier ... Dessous in Seidenpapier ... Auf einmal das Bild des Metzgersohnes, der mich vor Jahren nach einem Unfall mit einem Reh heimgefahren hatte und als Lohn den kapitalen Rehbock zum Vater bringen durfte. Und ich bibberte, weil der brave Familienvater die Garage mit Pin-up Girls gepflastert hatte und sein Jagdmesser immer griffbereit im Auto lag ... Der Bildschirm gaukelt mir einen Rehbock vor, der in Seidenpapier saftet ... Pin-up Girls, die in kalter Coca-Cola baden ... Fernand mit einem Espresso ...
Ich halluziniere. Fernands Kaffeemaschine sieht aus, als würde sie zum Gipsanmischen gebraucht. Ich wage, in Frage zu stellen, ob aus dem Wasserhahn wirklich H2O kommt.
Fernand strahlt mich an, ohne Seidenpapier, ohne Jagdmesser, ohne Kaffeetasse. „Jetzt hören wir aber Musik und schauen den Rest an“, schmeichelt er.
Aufatmen. Wir gehen offensichtlich zum gemütlichen Teil des Abends über. Er würde mir etwas anbieten. Er würde sehen, dass mir inzwischen schwindelte und ich mich an jeder einigermaßen freien Kante festhalten muss. „Jaaaa“, stöhne ich erwartungsvoll, „so ein Kaffee ...“
Er unterbricht mich mit einem Detail seiner discotauglichen Stereoanlage, das mir so wichtig ist wie eine Serviette auf der Espressotasse. Junge, ich brauche was zu trinken, sonst klappe ich hier zusammen! Frisch verliebte Frauen jeden Alters sind unmündig, sie sprechen nicht aus, was sie brauchen. Ich weiß nicht genau, als was er meinen schmachtenden Blick interpretiert, er tanzt jedenfalls mit mir Richtung Ausgang. Ich wusste es doch, auf Franzosen ist in Sachen Verführung und Wunsch-von-den-Augen-Ablesen Verlass!
Wir würden in ein schnuckeliges Pariser Café oder Bistro gehen. Vielleicht an der Markthalle Saint-Quentin mit ihrer altmodischen Metallkonstruktion. Oder noch ein wenig weiter Richtung Gare de l’Est, wo ich ankam und wo einst die Elsässer Emigranten über Literatur und Besatzung diskutierten. Dort würde es heimelig nach Choucroute duften, denn die Aperitifzeit war längst vorbei. Vielleicht könnte ich ja schnell einen Zwiebelkuchen oder eine Quiche gegen den ersten Hunger bestellen. Es ist acht, und ich hatte das letzte Mal zum Frühstück etwas gegessen, war um die Mittagszeit abgereist.
Ich habe mich getäuscht. Mein Kavalier rückt den Schmutzteppich beiseite und zeigt auf eine Klappe, wie sie in alten Schwarz-Weiß-Krimis und Theatern benutzt wird, um Menschen verschwinden zu lassen.
„Willste mal den Keller sehen?“, fragt er mit einem vielversprechenden Blick. Vielleicht hat er dort seine Briefmarkensammlung? Vielleicht geht es durch den Keller in die Katakomben von Paris? Ich bin Abenteuern in unterirdischen Gängen schon in meiner Kindheit nicht abgeneigt gewesen, immer in der Hoffnung auf einen verborgenen Schatz im Kohlenkeller. Ich fasse mir an die Stirn: Er wird seine kühlen Getränke unten aufbewahren, was sonst! Ich werde auf einmal ganz eifrig und finde es aufreizend, dämliche Sachen auf der Suche nach einer Tasse Kaffee zu unternehmen. Die steile, geländerlose Leitertreppe wage ich nur, weil ich rosarot verliebt bin und keinem Liebhaber der Welt verrate, wie mir die Knie beim Blick in den Abgrund zittern.
Unten bringen nur die dicken Mauern einen Hauch von Romantik und altem Paris. Eine öffnet sich zu einer dunklen Röhre, die schräg nach oben zu einer Luke auf das Trottoir führt; man sieht Stöckelschuhe, Latschen und Pumps, seidenbestrumpfte Knöchel, Hosensäume. Der Rest des winzigen Kellerraums ist eine eigens für die Oberfinanzdirektion erstellte Werbung von Ikea. Billy für Buchhalter. Ich finde die geschwollenen Füße draußen interessanter. Ob der Typ mit dem angerissenen Hosenband am Saum auf dem Weg ins Bistro ist?
Plötzlich steht Fernand hinter mir, deutet auf den Betonboden und meint: „Ich frag mich immer, was das ist ... Schau mal.“
Ein Fleck. Feucht.
Er sagt: „Ein Fleck, feucht. Der ist immer da, manchmal trocknet er und kommt wieder.“
Während ich mich schnüffelnd nach unten beuge, nimmt er mich, drückt sich von hinten an mich. Er fingert mein Nichts von Dessous unterm Rock weg, ohne es betrachten zu können, und dringt in mich ein.
Normalerweise könnte mich das ja wild machen. Aber die Reisemigräne meldet sich wieder mit Hitchcock-Sequenzen von vergrabenen Leichen, die so lange den Keller voll bluten, bis es einer sieht. Ich sollte nicht mit offenem Mund hecheln, das dörrt mich noch mehr aus. Ich habe das Gefühl, aus der Röhre nach einem Kellner schreien zu müssen: Kaffee!!! Irgendwie könnte es schön sein, aber mir ist zu schwindlig, und der Arme müht sich so ab mit dieser von Kopf bis Fuß verdorrenden Frau! Kurz bevor ich ins Koma falle, kommt er.
„Hundepisse!“, sage ich.
„Hä?“, tönt es hinter meinem Rücken.
Wir wurschteln beide an unserer Kleidung, der Keller ist verdammt feucht und kalt.
„Na, Hundepisse! Riech doch mal!“
Weil aber der Mensch bekanntlich an einer Fehlverbindung zwischen Sex und Denken leidet, deute ich erklärend auf die Röhre, diesen leeren Ärmel zwischen uns und dem Trottoir. Wie auf Kommando taucht ein Rehpinscher draußen auf und balanciert auf drei Streichholzbeinchen. Was er hinterlässt, dürfte allein nicht ausreichen, um die fast zwei Meter bis auf den Kellerboden zu rinnen. Erst verdünnt mit den Hinterlassenschaften der Rivalen würde der Fleck erhalten bleiben. Paris ist voller Hunde, kleingezüchtet für den kleinsten Käfig von Appartement, aber zahlreich wie die Ratten in den Katakomben.
Fernands Aufnahmefähigkeit kommt in die Gänge. „Wie war ich?“, fragt er in strahlender Erwartung.
Lust bekommen? Den Roman, der im Print ursprünglich als "Strechapfel und Belladonna" bei Lübbe erschienen ist, kann man HIER sofort als Kindle downloaden. Weil alle meine E-Books DRMfrei sind, lassen sie sich bequem ins epub umwandeln. Eigene Epubs sollen ab 2013 folgen.
Zur Facebook-Aktion "Alptraum mit Plüschbär".
5. November 2012
Großes Ausmisten
Manchmal muss man nicht nur Zimmer aufräumen und sich von Dingen trennen. Indem ich durch die Notoperation meines Hundes wieder einmal mit dem Thema Tod und den wirklich wichtigen Dingen im Leben konfrontiert wurde, habe ich viel nachgedacht - dass ich derzeit mit der Pflege etwas zu Hause angehängt bin, gab die nötige Ruhe dazu. Etwas musste bei meiner Arbeit anders werden. Zu viele unterschiedliche Baustellen; Punkte, wo ich unzufrieden war; Dinge, die ich mir vielleicht selbst nicht eingestehen wollte. Letztlich hat leider die immense Tierklinikrechnung ihr Übriges beigesteuert, dass ich mich von einigen Dingen trennen und wirtschaftlicher denken muss.
Ich habe Tabula Rasa gemacht, gnadenlos. Was sehr heilsam war, denn unter normalen Umständen lässt man so vieles mitlaufen, weil man sich an den Exitus nicht herantraut. Oder weil man Angst hat, sich vielleicht lächerlich zu machen, wenn man einen Rückzug ankündigt, wo man vorher noch groß getönt hat. Folgende Dinge haben sich nun verändert:
Ich begrabe zunächst für sehr lange Zeit, wenn nicht sogar für immer, meine Ermittlerin Amanda Joos und die Idee meiner Krimiserie.
Zum einen habe ich auf bald ein Jahr nicht die Muße, wirklich derart langfristig belletristisch zu arbeiten - oder anders gesagt: Ich kann mir diese Extra-Muße nicht finanzieren. Dazu kommt der Punkt, dass ich mittlerweile das Genre "cozy crime" in Deutschland am Abgrund kurz vor der Müllhalde sehe. So schlimm schon manche (nicht alle zum Glück!) Regio-Krimis waren, inzwischen verkommt das Ganze im Buch wie im Fernsehen zum Heimatschnulzen-Genre à la "Kommissar Wampinger und der Semmelknödelmörder" oder "Brezelbäckerin Susi findet den Misthaufenmörder und einen feschen Bauern dazu". Sich davon abgrenzen zu müssen, verschlingt unnütze Energien - ich schreibe einfach in der falschen Sprache. Eingestellt werden also auch Amandas Blog und ihre Facebook-Seite. Ich bedanke mich bei allen, die mich hier unterstützt haben - es ist leider nicht die Zeit für solche Krimis.
Mein "Russenbuch" lege ich vorerst (!) auf Eis.
Ich sehe im Moment keinerlei erquickliche Möglichkeiten für Self Publishing eines solchen Projekts im deutschen Buchhandel und leider auch noch keine genügende Verbindung vom Zielpublikum zur Vermarktung via Amazon. Dieser Ärger, vom stationären Buchhandel als Self Publisher nicht adäquat und wertfrei akzeptiert zu werden, plus die Belastung, ein Projekt mit gleichzeitiger Sponsorensuche effektiv aufzuziehen, ist mir im Moment zu viel. Von der Energie her. Ich könnte auf russischer Seite ohne weiteres stemmen, was auf deutscher noch nicht möglich ist. Aber das wäre für mich doch etwas komisch, dann könnte das Buch auch gleich ein Russe schreiben. Aber vielleicht verändert sich die Branche noch ein wenig bis nächstes Jahr, vielleicht wird Amazons CS ans Sortiment angeschlossen wie in den USA - und dann sehen wir weiter.
Ein neues Europa-Projekt?
Um nicht ständig selbst zu investieren, sondern auch mal wieder einfach ordentlich bezahlt zu werden, habe ich gerade eine Bewerbung laufen. Man darf mir die Daumen drücken. Es geht um ein kleines Buch, grenzüberschreitend, zweisprachig. Die Frage ist, ob wir den Zuschlag bekommen.
Keine ehrenamtliche Arbeit.
Habe ich in diesem Jahr gern gemacht, aber davon kann ich meine Tierarztrechnung nicht bezahlen. Als Freiberuflerin muss ich diese Zeit nun leider mit "geldwerter" Arbeit füllen. Deshalb versuche ich auch, meine Social-Media-Arbeit etwas effektiver zu organisieren.
Der eigene Verlag
Zunächst einmal warten noch einige Backlist-Titel auf Veröffentlichung und ein Druck meines Vortrags über Schukowski wurde angefragt - genug Arbeit für mich, der ich ständig hinterherhinke. Die geplante Verlagsgründung will durchdacht und vorbereitet werden. Allein Arbeit für drei bis vier Köpfe, die ich allein leisten muss ... Der Vorteil des Verlags: Ich komme damit an Partner heran, die eine einzelne Autorin nicht nehmen würden. Sprich: Meine E-Books würden dann auch endlich als Epub und in allen gängigen Shops zu haben sein. Viel Arbeit also, aber auch Arbeit, die ich mir dann teilweise von Dienstleistern abnehmen lassen kann.
Schuster, bleib bei deinen Leisten
Im nächsten Jahr wird mein Elsassbuch in Neuauflage erscheinen, auch das E-Book dazu. Falls es mit dem Europaprojekt etwas werden sollte (toitoitoi), bliebe ich sehr bei diesem Thema. Dabei fiel mir auf, dass ich ohnehin für mein Leben gern übers Leben und Genießen im Dreiländereck quassle, übers Kochen und Rezepte und übers richtige Einkaufen dazu. Eine Revision meiner Festplatte förderte Rohtext für allein drei Bände zutage! Und wenn ich schon einen Verlag gründe, warum diesen nicht mit einer kleinen Reihe aufmachen, für deren Spezialität ich längst einen gewissen Namen habe? Warum nicht die Synergie mit dem Buch bei Suhrkamp-Insel nutzen? Ja, Bücher übers Dreiländereck und übers Kochen und Genießen gibt es natürlich zuhauf, aber keines in der Art, in der ich erzähle.
Mehr Bücher übers Dreiländereck
Statt Belletristik wird es also von mir zuerst einmal weitere literarische Reisebücher geben, Plaudereien, wie man sie stilistisch von mir bereits aus dem Blog kennt, mit vielen Tipps und Rezepten zum Nachkochen.
Dafür entwerfe ich im Moment ein Reihenkonzept, ein Image, eine Vermarktungsstrategie und sortiere natürlich schon fleißig Texte.
Gestern hat es mich dann gepackt - ich fotografiere plötzlich mein Essen während des Kochens. Wenn bei Facebook selbst Instagram-Gewusel ankommt, dann kann ich das auch, ohne Fooddesignerin zu sein. Nein, natürlich kann ich nicht professionell fotografieren! Aber ich setze bei diesen Büchern auf den Charme des ganz Persönlichen, dem Peepshow-Effekt, der Autorin in die Töpfe schauen zu können.
Mehr als genug zu tun, aber das Hundefutter und der Tierarzt wollen eben erwirtschaftet werden. Und irgendwie bin ich Rocco sogar dankbar, dass er mich aufs Wesentliche gestoßen hat. Auch, wenn ich ein wenig das Heulen kriege, weil so viele Texte ungeschrieben bleiben, einfach nur deshalb, weil sie unwirtschaftlich oder zu risikobelastet wären. Aber immerhin: Ich bleibe ja bei meinen Lieblingsthemen.
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Großreinemachen ist angesagt |
Ich habe Tabula Rasa gemacht, gnadenlos. Was sehr heilsam war, denn unter normalen Umständen lässt man so vieles mitlaufen, weil man sich an den Exitus nicht herantraut. Oder weil man Angst hat, sich vielleicht lächerlich zu machen, wenn man einen Rückzug ankündigt, wo man vorher noch groß getönt hat. Folgende Dinge haben sich nun verändert:
Ich begrabe zunächst für sehr lange Zeit, wenn nicht sogar für immer, meine Ermittlerin Amanda Joos und die Idee meiner Krimiserie.
Zum einen habe ich auf bald ein Jahr nicht die Muße, wirklich derart langfristig belletristisch zu arbeiten - oder anders gesagt: Ich kann mir diese Extra-Muße nicht finanzieren. Dazu kommt der Punkt, dass ich mittlerweile das Genre "cozy crime" in Deutschland am Abgrund kurz vor der Müllhalde sehe. So schlimm schon manche (nicht alle zum Glück!) Regio-Krimis waren, inzwischen verkommt das Ganze im Buch wie im Fernsehen zum Heimatschnulzen-Genre à la "Kommissar Wampinger und der Semmelknödelmörder" oder "Brezelbäckerin Susi findet den Misthaufenmörder und einen feschen Bauern dazu". Sich davon abgrenzen zu müssen, verschlingt unnütze Energien - ich schreibe einfach in der falschen Sprache. Eingestellt werden also auch Amandas Blog und ihre Facebook-Seite. Ich bedanke mich bei allen, die mich hier unterstützt haben - es ist leider nicht die Zeit für solche Krimis.
Mein "Russenbuch" lege ich vorerst (!) auf Eis.
Ich sehe im Moment keinerlei erquickliche Möglichkeiten für Self Publishing eines solchen Projekts im deutschen Buchhandel und leider auch noch keine genügende Verbindung vom Zielpublikum zur Vermarktung via Amazon. Dieser Ärger, vom stationären Buchhandel als Self Publisher nicht adäquat und wertfrei akzeptiert zu werden, plus die Belastung, ein Projekt mit gleichzeitiger Sponsorensuche effektiv aufzuziehen, ist mir im Moment zu viel. Von der Energie her. Ich könnte auf russischer Seite ohne weiteres stemmen, was auf deutscher noch nicht möglich ist. Aber das wäre für mich doch etwas komisch, dann könnte das Buch auch gleich ein Russe schreiben. Aber vielleicht verändert sich die Branche noch ein wenig bis nächstes Jahr, vielleicht wird Amazons CS ans Sortiment angeschlossen wie in den USA - und dann sehen wir weiter.
Ein neues Europa-Projekt?
Um nicht ständig selbst zu investieren, sondern auch mal wieder einfach ordentlich bezahlt zu werden, habe ich gerade eine Bewerbung laufen. Man darf mir die Daumen drücken. Es geht um ein kleines Buch, grenzüberschreitend, zweisprachig. Die Frage ist, ob wir den Zuschlag bekommen.
Keine ehrenamtliche Arbeit.
Habe ich in diesem Jahr gern gemacht, aber davon kann ich meine Tierarztrechnung nicht bezahlen. Als Freiberuflerin muss ich diese Zeit nun leider mit "geldwerter" Arbeit füllen. Deshalb versuche ich auch, meine Social-Media-Arbeit etwas effektiver zu organisieren.
Der eigene Verlag
Zunächst einmal warten noch einige Backlist-Titel auf Veröffentlichung und ein Druck meines Vortrags über Schukowski wurde angefragt - genug Arbeit für mich, der ich ständig hinterherhinke. Die geplante Verlagsgründung will durchdacht und vorbereitet werden. Allein Arbeit für drei bis vier Köpfe, die ich allein leisten muss ... Der Vorteil des Verlags: Ich komme damit an Partner heran, die eine einzelne Autorin nicht nehmen würden. Sprich: Meine E-Books würden dann auch endlich als Epub und in allen gängigen Shops zu haben sein. Viel Arbeit also, aber auch Arbeit, die ich mir dann teilweise von Dienstleistern abnehmen lassen kann.
Schuster, bleib bei deinen Leisten
Im nächsten Jahr wird mein Elsassbuch in Neuauflage erscheinen, auch das E-Book dazu. Falls es mit dem Europaprojekt etwas werden sollte (toitoitoi), bliebe ich sehr bei diesem Thema. Dabei fiel mir auf, dass ich ohnehin für mein Leben gern übers Leben und Genießen im Dreiländereck quassle, übers Kochen und Rezepte und übers richtige Einkaufen dazu. Eine Revision meiner Festplatte förderte Rohtext für allein drei Bände zutage! Und wenn ich schon einen Verlag gründe, warum diesen nicht mit einer kleinen Reihe aufmachen, für deren Spezialität ich längst einen gewissen Namen habe? Warum nicht die Synergie mit dem Buch bei Suhrkamp-Insel nutzen? Ja, Bücher übers Dreiländereck und übers Kochen und Genießen gibt es natürlich zuhauf, aber keines in der Art, in der ich erzähle.
Mehr Bücher übers Dreiländereck
Statt Belletristik wird es also von mir zuerst einmal weitere literarische Reisebücher geben, Plaudereien, wie man sie stilistisch von mir bereits aus dem Blog kennt, mit vielen Tipps und Rezepten zum Nachkochen.
Dafür entwerfe ich im Moment ein Reihenkonzept, ein Image, eine Vermarktungsstrategie und sortiere natürlich schon fleißig Texte.
Gestern hat es mich dann gepackt - ich fotografiere plötzlich mein Essen während des Kochens. Wenn bei Facebook selbst Instagram-Gewusel ankommt, dann kann ich das auch, ohne Fooddesignerin zu sein. Nein, natürlich kann ich nicht professionell fotografieren! Aber ich setze bei diesen Büchern auf den Charme des ganz Persönlichen, dem Peepshow-Effekt, der Autorin in die Töpfe schauen zu können.
Mehr als genug zu tun, aber das Hundefutter und der Tierarzt wollen eben erwirtschaftet werden. Und irgendwie bin ich Rocco sogar dankbar, dass er mich aufs Wesentliche gestoßen hat. Auch, wenn ich ein wenig das Heulen kriege, weil so viele Texte ungeschrieben bleiben, einfach nur deshalb, weil sie unwirtschaftlich oder zu risikobelastet wären. Aber immerhin: Ich bleibe ja bei meinen Lieblingsthemen.
3. November 2012
Self Publishing in Infografiken
Infografiken bringen komplexe Themen immer schön auf den Punkt und sind schneller deutbar als Studien. Ebook Friendly präsentiert gleich vier Stück zum Thema Self Publishing. Man sollte sie allerdings höchst kritisch betrachten, denn sie sind nicht unabhängig. Grafik 2 ist z.B. vom Dienstleister Lulu anlässlich des Jubiläums erstellt worden, Grafik 3 stammt vom Unternehmen Blurb, das hierzulande keine Rolle spielt..
Ein uralter Hut scheint weltweit aber endlich der zu sein, dass Self Publishing nicht nur zu einer wichtigen und ernstzunehmenden Einnahmequelle für Autoren (und Dienstleister) geworden ist, sondern auch völlig lässig und selbstverständlich von Verlagsautoren praktiziert wird. Wer also immer noch glaubt, Self Publishing sei etwas Anstößiges oder Schlimmes, hat bereits die Gegenwart verpasst.
Mit der gebotenen Vorsicht, dass hier ein Dienstleister kräftig Werbung für sich selbst macht und alle anderen Zahlen natürlich nicht berücksichtigt, kann man doch sagen, dass im Print on Demand nicht nur die Buchherstellung sehr viel billiger wird angesichts geringerer Anfangsinvestitionen - hier bleibt oft auch mehr Geld vom Buch für die Autoren. Trotzdem lassen sich Bücher dann immer noch, je nach Dienstleister, recht preiswert an die Kunden bringen. In diesem Bereich sieht es im guten alten Europa natürlich völlig anders aus: Der Buchhandel mauert. Nur eine Minderheit sehr engagierter Buchhändler ist überhaupt bereit, Self-Publishing-Titel in den Laden zu stellen, manche zieren sich sogar bei Bestellungen von Kunden. Dienstleister zahlen oft keine größeren Beteiligungen ans Autoren aus als Verlage - die Ausnahme macht Amazon. Aber die ganz typischen Käufer gedruckter Bücher sind gerade in Deutschland nicht unbedingt identisch mit dem Klientel von Amazon. Trotzdem dürfte deren CS-Konzept in den nächsten Jahren einiges aufmischen, wenn es denn endlich schaffen würde, was in den USA möglich ist: Anbindung ans Sortiment und Druck der Autorenexemplare im eigenen Land.
Mit Vorsicht zu genießen sind die Angaben zu den enormen Honoraren bei E-Books - ich möchte nicht wissen, wie ehrlich da die wahren Unkosten eines professionell erstellten Buchs eingerechnet sind, als da wären Grafik, im Print Buchsatz / Layout, Lektorat, Korrektorat. Denn 70% z.B. bei Amazon bekomme ich ja nur vordergründig als "Umsatz", nicht als Reingewinn. Auch mit Vorsicht zu genießen: die Angaben der Marktanteile, die von den Unternehmen selbst stammen und nicht aus unabhängigen Studien. Es lohnt sich durchaus auch, einige Zahlen mit dem Taschenrechner zu vergleichen, da bleibt dann von den Millionen so viel pro Autor auch nicht mehr. Denn auch das ist nicht überraschend: Im Self Publishing ist es gnz genau wie bei den Verlagen: Nur eine kleine Minderheit von Autoren verdient das große Geld.
Ryan Gielens Infografik ist dann so lustig wie vielsagend: Wie verbringt ein Self-Publishing-Autor eigentlich seine Zeit? Das Schöpfen von Literatur scheint jedenfalls nicht nur im Schöpfen von Kaffee unterzugehen ... Wohl dem, der all das stemmen kann und will!
Wie gesagt - alles in allem eine nette Spielerei, die manches bestätigt und an vielen Stellen schlicht nicht unabhängig den Gesamtmarkt betrachtet. Und trotzdem ist eines klar: Self Publishing ist ein wichtiger und ernstzunehmender Zuwachsmarkt geworden, bei dem die deutschsprachigen Branchenbeteiligten höllisch aufpassen müssen, dass sie nicht abgehängt werden. Denn in einem längst globalen Markt ist die Sache ganz einfach: Verweigert sich der eine, macht's eben der andere.
Ein uralter Hut scheint weltweit aber endlich der zu sein, dass Self Publishing nicht nur zu einer wichtigen und ernstzunehmenden Einnahmequelle für Autoren (und Dienstleister) geworden ist, sondern auch völlig lässig und selbstverständlich von Verlagsautoren praktiziert wird. Wer also immer noch glaubt, Self Publishing sei etwas Anstößiges oder Schlimmes, hat bereits die Gegenwart verpasst.
Mit der gebotenen Vorsicht, dass hier ein Dienstleister kräftig Werbung für sich selbst macht und alle anderen Zahlen natürlich nicht berücksichtigt, kann man doch sagen, dass im Print on Demand nicht nur die Buchherstellung sehr viel billiger wird angesichts geringerer Anfangsinvestitionen - hier bleibt oft auch mehr Geld vom Buch für die Autoren. Trotzdem lassen sich Bücher dann immer noch, je nach Dienstleister, recht preiswert an die Kunden bringen. In diesem Bereich sieht es im guten alten Europa natürlich völlig anders aus: Der Buchhandel mauert. Nur eine Minderheit sehr engagierter Buchhändler ist überhaupt bereit, Self-Publishing-Titel in den Laden zu stellen, manche zieren sich sogar bei Bestellungen von Kunden. Dienstleister zahlen oft keine größeren Beteiligungen ans Autoren aus als Verlage - die Ausnahme macht Amazon. Aber die ganz typischen Käufer gedruckter Bücher sind gerade in Deutschland nicht unbedingt identisch mit dem Klientel von Amazon. Trotzdem dürfte deren CS-Konzept in den nächsten Jahren einiges aufmischen, wenn es denn endlich schaffen würde, was in den USA möglich ist: Anbindung ans Sortiment und Druck der Autorenexemplare im eigenen Land.
Mit Vorsicht zu genießen sind die Angaben zu den enormen Honoraren bei E-Books - ich möchte nicht wissen, wie ehrlich da die wahren Unkosten eines professionell erstellten Buchs eingerechnet sind, als da wären Grafik, im Print Buchsatz / Layout, Lektorat, Korrektorat. Denn 70% z.B. bei Amazon bekomme ich ja nur vordergründig als "Umsatz", nicht als Reingewinn. Auch mit Vorsicht zu genießen: die Angaben der Marktanteile, die von den Unternehmen selbst stammen und nicht aus unabhängigen Studien. Es lohnt sich durchaus auch, einige Zahlen mit dem Taschenrechner zu vergleichen, da bleibt dann von den Millionen so viel pro Autor auch nicht mehr. Denn auch das ist nicht überraschend: Im Self Publishing ist es gnz genau wie bei den Verlagen: Nur eine kleine Minderheit von Autoren verdient das große Geld.
Ryan Gielens Infografik ist dann so lustig wie vielsagend: Wie verbringt ein Self-Publishing-Autor eigentlich seine Zeit? Das Schöpfen von Literatur scheint jedenfalls nicht nur im Schöpfen von Kaffee unterzugehen ... Wohl dem, der all das stemmen kann und will!
Wie gesagt - alles in allem eine nette Spielerei, die manches bestätigt und an vielen Stellen schlicht nicht unabhängig den Gesamtmarkt betrachtet. Und trotzdem ist eines klar: Self Publishing ist ein wichtiger und ernstzunehmender Zuwachsmarkt geworden, bei dem die deutschsprachigen Branchenbeteiligten höllisch aufpassen müssen, dass sie nicht abgehängt werden. Denn in einem längst globalen Markt ist die Sache ganz einfach: Verweigert sich der eine, macht's eben der andere.
1. November 2012
Die ruhig gespritze Literatur und das böse E-Book
Schnell heißes Wasser und Jod
"Hilfe, wir verlieren durch E-Books die Fähigkeit des linearen Lesens!" - "Ein Buch muss linear erzählt sein und dem Leser Zeit geben, sich in eine andere Welt vollkommen zu versenken. Sprünge und Unterbrechungen darf man sich nicht erlauben!" So und so ähnlich kann man die Befürchtungen auf den Punkt bringen, auf die ich bei den Recherchen zu meinem Essay "In der dunklen Höhle. Zur Zukunft des Buchs" auf Seiten der Ängstlichen und selbsternannten Bewahrer althergebrachter Literatur immer wieder stieß. Diese Ängste werden im Börsenverein ebenso ausgesprochen wie im führenden Feuilleton oder unter Leuten des Bildungssystems. Eine unterschwellige Furcht scheint durch Deutschlands Buchbranche zu geistern und ihre klebrigen Tentakel bis hinein in den Buchhandel und in große Verlagshäuser zu senken: Eine Geschichte, die nicht glatt und geradeaus erzählt wird, verunsichert die Leser. Könnte sie womöglich eines Tages sogar vergraulen oder gar ihrer Lesebefähigung berauben.
Das Beschwichtigungsextrem, das neben allen möglichen literarischen Traditionen aufgeschossen ist, feiert nicht von ungefähr Massenerfolge: der amerikanische Plot. Vorhersehbar wie die Daten einer Drehbuchsoftware aus Hollywood, heimelig und vertraut - jeder Backstein sitzt an seiner Stelle. Die wahren Meister lassen den ein oder anderen fehlen, herunterfallen - aber nur, um ihn unter viel Baulärm rechtzeitig wieder ordentlich einzumörteln und die Leser damit zu entlasten. Aaaaaah, stöhnen die, alles wieder in bester Ordnung! Geschichten als Fluchtpunkt mit Erlösungsgrantie. Wir beten die Linearität an; das Frey'sche System, das Leben in eine einzige Prämisse quetschen zu können, in die Schwarzweißmalerei zwischen Protagonist und Antagonist. Noch ein bißchen Heldenreise aus der Küchenpsychologie dazu - vom mythischen Vorbild hat man sich längst entfernt. Zu kompliziert für die "einfachen Gemüter". Die ja, glaubt man den Kassandren der Edelblätter, bald gar nicht mehr lesen können. Weil dieses böse Digitale sich an moderne Kommunikationsrituale annähern könnte. Da schiebt sich hier ein Bildchen ins Buch und dort wollen gar Leser eine Rolle vorherbestimmen. Musik oder Film im Buch? Schnell heißes Wasser und Jod! Das Elektronische zerstört unser Kulturgut! Das Elektronische ist der Untergang der Literatur!
Erzählansätze: Bauchnabel oder Migration?
Seit einigen Tagen habe ich eine Gegenthese: Wenn uns überhaupt etwas zerstören sollte, dann ist es die bequemliche, erstarrte Sattheit unserer übermüdeten Kultur. Diese Haltung, was immer lief, müsse automatisch Erfolg produzieren; nur eingelaufene Schuhe seien wirklich bequem und darum müsse man im Vorhinein jeden Schuh gehörig einlaufen, um ihn denn überhaupt Schuh nennen zu dürfen. Selbst die Hochliteratur gefällt sich im Nachahmen von Tonarten. Man erkennt sich, weil das wie Leipzig klingt oder wie dieser Ort in Österreich; war da ein "K" drin - ach, Sie wissen schon, diese Intellektuellen-Soap, die keiner anschaut und über die alle lästern. Man kennt sich und seinen Bauchnabel. Man erkennt sich.
Durch einen meiner Leseschwerpunkte, die osteuropäische Literatur, entdecke ich zum Glück oft völlig andere Welten - die natürlich auch in deutschen Verlagen erscheinen, zumindest verspätet und auf Papier. Der Horizont weitet sich. Natürlich gibt es auf dieser bunten Erde noch jede Menge anderer Erzähltraditionen als die von uns vergötterte amerikanische. Die wir vielleicht vergöttern, weil unsere Vergangenheit die eigenen Wurzeln ausgerottet hat, die ganz Großen der Erzählkunst - und weil einige wenige Glückliche in die USA fliehen konnten, weil sie ihren Samen, Geschichten zu erzählen, in die neue Erde senkten, bis eine neue Literatur erblühte.
Eben habe ich eine geniale alte neue Erzählform entdeckt, im Buch "Hobo Blues" von William T. Vollmann (Suhrkamp), amerikanisch wie nur was. Eine Erzählform, die mir als Journalistin ganz besonders liegt und die mich in ihrem Changieren zwischen Fiktion und Tatsachenbericht, zwischen Autorenstimme und historischen Stimmen fasziniert. Das deutsche Feuilleton hat sich teilweise schwer getan mit dem Buch. Das macht man doch nicht! Entweder erzählt man Tatsachen oder schreibt einen Roman. Warum schreibt der Mann vom "Ich" und quetscht seine "Dus" nicht wie eine Zitrone wenigstens noch zu Halbsätzen aus?
Man nennt diese Form "literarische Reportage". Im Gegensatz zur echten Reportage darf sie noch subjektiver und vor allem sogar teilweise fiktiv sein. Bei Wikipedia lese ich, dass literarische Reportagen in Deutschland keine Rolle mehr spielten, wo sie in den 1920ern ganz ganz groß herauskamen. So viele zerstörte Wurzeln - nie wiederbelebt. Das Nachbarland Polen zelebriert sie (Ryszard Kapuscinski), leistet sich in einer der größten Zeitungen des Landes einen großen Stab an Reportern - nur dafür. Im deutschsprachigen Raum kauft man die Amerikaner dafür ein, ein Egon Erwin Kisch ist Geschichte.
Die Amerikaner haben schon immer fremde Literaturen in die eigenen Traditionen aufgenommen. Auch heute wieder sind es junge Schriftsteller mit einer "Migrantenliteratur", die Furore machen und das Buchgeschehen prägen: Jonathan Safran Foers oder Aleksandar Hemon sind zwei Grundpfeiler dieser Art von Literatur, die sich nach den Traditionen Osteuropas ausstrecken, nach den eigenen Wurzeln.
Mit einer Prämisse ruhig spritzen?
Wovor man hierzulande die größte Angst beschwört, das beherrschen osteuropäische Autorinnen und Autoren meisterhaft. Und sie zeigen, wie dumm und autorenfern Besserwisser urteilen, die glauben, es seien lediglich elektronische Entwicklungen und Technikkram, die eine Literatur veränderten, oder ein Leseverhalten. Literatur lebt, zumindest ist sie so lebendig wie eine Gesellschaft. Sie verändert sich, wenn sich Menschen verändern, wenn sich das Leben verändert. Als Autorin gebe ich Linearität nicht auf, weil ich die technischen Möglichkeiten dazu hätte oder weil mir meine Leser nicht mehr länger konzentriert folgen können. Ich breche die alten Formen, weil das Leben Brüche bekommen hat. Eine orientierungslose Zeit spiegelt sich in mäandernden Geschichten. Eine Existenz, die mit letzter Kraft Fragen hinausschreit, um sich zu spüren, lässt sich nicht mit einer Prämisse ruhig spritzen. Interessiere ich mich für Menschen? Für das Leben und den Tod, die Liebe? Dann darf ich wie diese Menschen stammeln, mich im Kreise drehen, wieder von vorn anfangen, Gedanken in die Runde werfen.
Ein großes Buch der letzten Jahrzehnte gibt es für mich. Die Polin Olga Tokarczuk hat mit "Unrast" (Schöffling & Co.) ein "Erzählgebilde" geschaffen, das in meinen Augen wie kaum ein anderes den Denkvorgängen nahekommt, die der moderne Mensch seit dem Internet pflegt. Ich habe in meinem Essay angerissen, warum ich diese Art des Schreibens für so ungeheuer zeitgemäß halte, so nah an uns jetzigen Menschen in der technisierten Welt. Olga Tokaczuk bricht alles, was wir uns unter einem "ordentlichen Roman" vorstellen - und sie tat das bereits 2007, in ihrem Land dafür mit einem der höchsten Literaturpreise ausgezeichnet.
Da ist eine Ich-Figur, die aus unterschiedlichen Lebensphasen erzählt. Eingestreut läuft eine vollkommen andere Handlung um einen Mann namens Kunicki ab, die zu einer Krimihandlung werden könnte, die auf alle Fälle die Geschichte einer Suche ist. Die Ich-Figur wiederum sammelt Kuriositäten, Enzyklopädisches. Winzige Textteilchen, kurz aufflackernde Bilder - und die gibt es auch ab und zu, die Bilder im Text. Keine Minute lang hatte ich in diesem bestens durchkomponierten, scheinbaren Chaos das Gefühl, die guten alten "heruntererzählten" Romane zu vermissen. Im Gegenteil. Hier hatte jemand endlich eine Sprache für meine Welt gefunden. Hier tastete sich jemand mutig in den Ausdruck unserer Unrast, unseres Getriebenseins, unserer Suchen, die manchmal so sehr ans Internetsurfen erinnern.
Eine Literatur der Brüche, der Suche
Im Moment lese ich einen Russen, der das noch früher und noch extremer versuchte. Wladimir Makanin: "Underground oder Ein Held unserer Zeit" (Luchterhand). Der Roman von 1998 spielt in der Zeit der Perestroika, der "Held" ist ein Antiheld, ein Schriftsteller des Untergrunds, der unter Breschnjew das Schreiben längst eingestellt hat und als Wohnungswächter eine Zeitlang seine eigene Obdachlosigkeit und innere Lähmung verbergen kann. Bis es ihn in Tiefen hinabreißt, die wir uns kaum vorstellen können.
Das Buch ist nicht einfach und schon gar nicht schnell zu lesen. Nicht etwa, weil Makanin nicht spannend und mitreißend erzählen könnte - im Gegenteil. Nein, das Buch ist einfach extrem dicht, verschiedene Kodierungen erzählen Geschichten auf mehreren Ebenen, wenn man sie zu lesen weiß oder lesen möchte. Ähnlich wie damals bei Ecos "Im Namen der Rose" kann man auch "Underground" vordergründig wie eine Geschichte lesen, in der Verbrechen vorkommen und sich ein Mörder verantworten soll. Ähnlich verweisen jedoch Zitate und Spiegelungen, ja sogar die Form auf andere Bücher und Geschichten. Es ist wie mit einer Verlinkung im Hypertext: Ich kann den Roman herunterlesen. Dann werde ich extreme Brüche erkennen, unerwartete Kompositionen. Scheinbar unlogische Zeitabfolgen - und trotzdem gut unterhalten werden. Ich kann mich auf einige dieser Kodierungen oder Links jedoch auch einlassen. Intertextualität nennt man das in der Fachsprache: Jeder Text steht in einem Bezugsgeflecht zu anderen literarischen Werken und Traditionen.
Unser Underground-Held vollzieht in diesem Buch tatsächlich auch im Wortsinne einen Abstieg in die Unterwelt, der in der U-Bahn endet. Das ist Dante in Moskau, das ist die neue Form, solche alten Wahrheiten zu erzählen. Da ist aber auch der archaische mythische Held im Labyrinth - oder im verschachtelten Plattenbau. Der Abschnitt "Hunde-Scherzo" - völlig neu und anders liest er sich, wenn man Bulgakows Meistererzählung "Hundeherz" kennt, da ist "Krankensaal Nr. 1" in Anlehnung an Tschechows "Krankensaal Nr. 6". Und ein eindringliches Kapitel, das in einer Irrenanstalt spielt, nimmt Bezug auf eine Gulag-Erzählung Solschenizyns. Dass man das Buch derartig "verlinkt" auch lesen kann (und ohne dieses literarische Wissen trotzdem versteht), sagt der Titel. Er nimmt Bezug auf Dostojewskijs "Aufzeichnungen aus dem Untergrund" und Lermontows "Ein Held unserer Zeit". Für russische Leser sind all diese Texte Schulstoff, sie sind vertraute Klassiker. In Russland hat sich eine Tradition herausgebildet, Bücher nicht linear und vordergründig herunterzulesen, sondern nach Schlüsseln und Symbolen zu suchen, zwischen die Zeilen zu schauen. Eine Folge der Zensur: Eine Literatur, die den Lebensbedingungen folgte.
Dies sind einige ganz wenige, willkürlich herausgegriffene Beispiele, die mir zeigen, was Literatur alles wagen kann und nicht nur wagen darf, sondern muss, will sie lebendig bleiben. Der glattgebürstete Superplot in drei Akten ist nicht alles. Es wäre ja schön, wenn die Welt so einfach wäre und das E-Book und neue technische Geräte uns lehren könnten, wie wir neue Literaturformen entwickeln könnten! Aber wir sind doch im Grunde nur bequem, setzten das Altvertraute in Bits um. Diejenigen, die wirklich wagen und experimentieren und eine völlig eigene Erzählweise entwickeln, schaffen das jedoch lange vor der schnöden Materie, sogar vor dem Papier. Literatur entsteht nämlich im Kopf. Wir finden nur dann eine neue Ausdrucksweise für unsere Zeit und unsere Bedürfnisse, wenn wir uns innerlich von all dem lösen: den Materialien und Medien, den bequemen Instant-Anleitungen, dem Marktgeschrei und Branchengesabber. Ich möchte so weit gehen zu behaupten, Literatur entsteht nicht am Buch, sondern am Menschen.
Zur FB-Diskussion
Update: Offensichtlich liegt das Thema gerade in der Luft, Roger Ebert schreibt in der Chicago Sun Times über das Gequengle nach Linearität im Film.
"Hilfe, wir verlieren durch E-Books die Fähigkeit des linearen Lesens!" - "Ein Buch muss linear erzählt sein und dem Leser Zeit geben, sich in eine andere Welt vollkommen zu versenken. Sprünge und Unterbrechungen darf man sich nicht erlauben!" So und so ähnlich kann man die Befürchtungen auf den Punkt bringen, auf die ich bei den Recherchen zu meinem Essay "In der dunklen Höhle. Zur Zukunft des Buchs" auf Seiten der Ängstlichen und selbsternannten Bewahrer althergebrachter Literatur immer wieder stieß. Diese Ängste werden im Börsenverein ebenso ausgesprochen wie im führenden Feuilleton oder unter Leuten des Bildungssystems. Eine unterschwellige Furcht scheint durch Deutschlands Buchbranche zu geistern und ihre klebrigen Tentakel bis hinein in den Buchhandel und in große Verlagshäuser zu senken: Eine Geschichte, die nicht glatt und geradeaus erzählt wird, verunsichert die Leser. Könnte sie womöglich eines Tages sogar vergraulen oder gar ihrer Lesebefähigung berauben.
Das Beschwichtigungsextrem, das neben allen möglichen literarischen Traditionen aufgeschossen ist, feiert nicht von ungefähr Massenerfolge: der amerikanische Plot. Vorhersehbar wie die Daten einer Drehbuchsoftware aus Hollywood, heimelig und vertraut - jeder Backstein sitzt an seiner Stelle. Die wahren Meister lassen den ein oder anderen fehlen, herunterfallen - aber nur, um ihn unter viel Baulärm rechtzeitig wieder ordentlich einzumörteln und die Leser damit zu entlasten. Aaaaaah, stöhnen die, alles wieder in bester Ordnung! Geschichten als Fluchtpunkt mit Erlösungsgrantie. Wir beten die Linearität an; das Frey'sche System, das Leben in eine einzige Prämisse quetschen zu können, in die Schwarzweißmalerei zwischen Protagonist und Antagonist. Noch ein bißchen Heldenreise aus der Küchenpsychologie dazu - vom mythischen Vorbild hat man sich längst entfernt. Zu kompliziert für die "einfachen Gemüter". Die ja, glaubt man den Kassandren der Edelblätter, bald gar nicht mehr lesen können. Weil dieses böse Digitale sich an moderne Kommunikationsrituale annähern könnte. Da schiebt sich hier ein Bildchen ins Buch und dort wollen gar Leser eine Rolle vorherbestimmen. Musik oder Film im Buch? Schnell heißes Wasser und Jod! Das Elektronische zerstört unser Kulturgut! Das Elektronische ist der Untergang der Literatur!
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Wie viel Schärfe verträgt ein Plot, bis das beschriebene Sujet banal wird? (PvC) |
Erzählansätze: Bauchnabel oder Migration?
Seit einigen Tagen habe ich eine Gegenthese: Wenn uns überhaupt etwas zerstören sollte, dann ist es die bequemliche, erstarrte Sattheit unserer übermüdeten Kultur. Diese Haltung, was immer lief, müsse automatisch Erfolg produzieren; nur eingelaufene Schuhe seien wirklich bequem und darum müsse man im Vorhinein jeden Schuh gehörig einlaufen, um ihn denn überhaupt Schuh nennen zu dürfen. Selbst die Hochliteratur gefällt sich im Nachahmen von Tonarten. Man erkennt sich, weil das wie Leipzig klingt oder wie dieser Ort in Österreich; war da ein "K" drin - ach, Sie wissen schon, diese Intellektuellen-Soap, die keiner anschaut und über die alle lästern. Man kennt sich und seinen Bauchnabel. Man erkennt sich.
Durch einen meiner Leseschwerpunkte, die osteuropäische Literatur, entdecke ich zum Glück oft völlig andere Welten - die natürlich auch in deutschen Verlagen erscheinen, zumindest verspätet und auf Papier. Der Horizont weitet sich. Natürlich gibt es auf dieser bunten Erde noch jede Menge anderer Erzähltraditionen als die von uns vergötterte amerikanische. Die wir vielleicht vergöttern, weil unsere Vergangenheit die eigenen Wurzeln ausgerottet hat, die ganz Großen der Erzählkunst - und weil einige wenige Glückliche in die USA fliehen konnten, weil sie ihren Samen, Geschichten zu erzählen, in die neue Erde senkten, bis eine neue Literatur erblühte.
Eben habe ich eine geniale alte neue Erzählform entdeckt, im Buch "Hobo Blues" von William T. Vollmann (Suhrkamp), amerikanisch wie nur was. Eine Erzählform, die mir als Journalistin ganz besonders liegt und die mich in ihrem Changieren zwischen Fiktion und Tatsachenbericht, zwischen Autorenstimme und historischen Stimmen fasziniert. Das deutsche Feuilleton hat sich teilweise schwer getan mit dem Buch. Das macht man doch nicht! Entweder erzählt man Tatsachen oder schreibt einen Roman. Warum schreibt der Mann vom "Ich" und quetscht seine "Dus" nicht wie eine Zitrone wenigstens noch zu Halbsätzen aus?
Man nennt diese Form "literarische Reportage". Im Gegensatz zur echten Reportage darf sie noch subjektiver und vor allem sogar teilweise fiktiv sein. Bei Wikipedia lese ich, dass literarische Reportagen in Deutschland keine Rolle mehr spielten, wo sie in den 1920ern ganz ganz groß herauskamen. So viele zerstörte Wurzeln - nie wiederbelebt. Das Nachbarland Polen zelebriert sie (Ryszard Kapuscinski), leistet sich in einer der größten Zeitungen des Landes einen großen Stab an Reportern - nur dafür. Im deutschsprachigen Raum kauft man die Amerikaner dafür ein, ein Egon Erwin Kisch ist Geschichte.
Die Amerikaner haben schon immer fremde Literaturen in die eigenen Traditionen aufgenommen. Auch heute wieder sind es junge Schriftsteller mit einer "Migrantenliteratur", die Furore machen und das Buchgeschehen prägen: Jonathan Safran Foers oder Aleksandar Hemon sind zwei Grundpfeiler dieser Art von Literatur, die sich nach den Traditionen Osteuropas ausstrecken, nach den eigenen Wurzeln.
Mit einer Prämisse ruhig spritzen?
Wovor man hierzulande die größte Angst beschwört, das beherrschen osteuropäische Autorinnen und Autoren meisterhaft. Und sie zeigen, wie dumm und autorenfern Besserwisser urteilen, die glauben, es seien lediglich elektronische Entwicklungen und Technikkram, die eine Literatur veränderten, oder ein Leseverhalten. Literatur lebt, zumindest ist sie so lebendig wie eine Gesellschaft. Sie verändert sich, wenn sich Menschen verändern, wenn sich das Leben verändert. Als Autorin gebe ich Linearität nicht auf, weil ich die technischen Möglichkeiten dazu hätte oder weil mir meine Leser nicht mehr länger konzentriert folgen können. Ich breche die alten Formen, weil das Leben Brüche bekommen hat. Eine orientierungslose Zeit spiegelt sich in mäandernden Geschichten. Eine Existenz, die mit letzter Kraft Fragen hinausschreit, um sich zu spüren, lässt sich nicht mit einer Prämisse ruhig spritzen. Interessiere ich mich für Menschen? Für das Leben und den Tod, die Liebe? Dann darf ich wie diese Menschen stammeln, mich im Kreise drehen, wieder von vorn anfangen, Gedanken in die Runde werfen.
Ein großes Buch der letzten Jahrzehnte gibt es für mich. Die Polin Olga Tokarczuk hat mit "Unrast" (Schöffling & Co.) ein "Erzählgebilde" geschaffen, das in meinen Augen wie kaum ein anderes den Denkvorgängen nahekommt, die der moderne Mensch seit dem Internet pflegt. Ich habe in meinem Essay angerissen, warum ich diese Art des Schreibens für so ungeheuer zeitgemäß halte, so nah an uns jetzigen Menschen in der technisierten Welt. Olga Tokaczuk bricht alles, was wir uns unter einem "ordentlichen Roman" vorstellen - und sie tat das bereits 2007, in ihrem Land dafür mit einem der höchsten Literaturpreise ausgezeichnet.
Da ist eine Ich-Figur, die aus unterschiedlichen Lebensphasen erzählt. Eingestreut läuft eine vollkommen andere Handlung um einen Mann namens Kunicki ab, die zu einer Krimihandlung werden könnte, die auf alle Fälle die Geschichte einer Suche ist. Die Ich-Figur wiederum sammelt Kuriositäten, Enzyklopädisches. Winzige Textteilchen, kurz aufflackernde Bilder - und die gibt es auch ab und zu, die Bilder im Text. Keine Minute lang hatte ich in diesem bestens durchkomponierten, scheinbaren Chaos das Gefühl, die guten alten "heruntererzählten" Romane zu vermissen. Im Gegenteil. Hier hatte jemand endlich eine Sprache für meine Welt gefunden. Hier tastete sich jemand mutig in den Ausdruck unserer Unrast, unseres Getriebenseins, unserer Suchen, die manchmal so sehr ans Internetsurfen erinnern.
Eine Literatur der Brüche, der Suche
Im Moment lese ich einen Russen, der das noch früher und noch extremer versuchte. Wladimir Makanin: "Underground oder Ein Held unserer Zeit" (Luchterhand). Der Roman von 1998 spielt in der Zeit der Perestroika, der "Held" ist ein Antiheld, ein Schriftsteller des Untergrunds, der unter Breschnjew das Schreiben längst eingestellt hat und als Wohnungswächter eine Zeitlang seine eigene Obdachlosigkeit und innere Lähmung verbergen kann. Bis es ihn in Tiefen hinabreißt, die wir uns kaum vorstellen können.
Das Buch ist nicht einfach und schon gar nicht schnell zu lesen. Nicht etwa, weil Makanin nicht spannend und mitreißend erzählen könnte - im Gegenteil. Nein, das Buch ist einfach extrem dicht, verschiedene Kodierungen erzählen Geschichten auf mehreren Ebenen, wenn man sie zu lesen weiß oder lesen möchte. Ähnlich wie damals bei Ecos "Im Namen der Rose" kann man auch "Underground" vordergründig wie eine Geschichte lesen, in der Verbrechen vorkommen und sich ein Mörder verantworten soll. Ähnlich verweisen jedoch Zitate und Spiegelungen, ja sogar die Form auf andere Bücher und Geschichten. Es ist wie mit einer Verlinkung im Hypertext: Ich kann den Roman herunterlesen. Dann werde ich extreme Brüche erkennen, unerwartete Kompositionen. Scheinbar unlogische Zeitabfolgen - und trotzdem gut unterhalten werden. Ich kann mich auf einige dieser Kodierungen oder Links jedoch auch einlassen. Intertextualität nennt man das in der Fachsprache: Jeder Text steht in einem Bezugsgeflecht zu anderen literarischen Werken und Traditionen.
Unser Underground-Held vollzieht in diesem Buch tatsächlich auch im Wortsinne einen Abstieg in die Unterwelt, der in der U-Bahn endet. Das ist Dante in Moskau, das ist die neue Form, solche alten Wahrheiten zu erzählen. Da ist aber auch der archaische mythische Held im Labyrinth - oder im verschachtelten Plattenbau. Der Abschnitt "Hunde-Scherzo" - völlig neu und anders liest er sich, wenn man Bulgakows Meistererzählung "Hundeherz" kennt, da ist "Krankensaal Nr. 1" in Anlehnung an Tschechows "Krankensaal Nr. 6". Und ein eindringliches Kapitel, das in einer Irrenanstalt spielt, nimmt Bezug auf eine Gulag-Erzählung Solschenizyns. Dass man das Buch derartig "verlinkt" auch lesen kann (und ohne dieses literarische Wissen trotzdem versteht), sagt der Titel. Er nimmt Bezug auf Dostojewskijs "Aufzeichnungen aus dem Untergrund" und Lermontows "Ein Held unserer Zeit". Für russische Leser sind all diese Texte Schulstoff, sie sind vertraute Klassiker. In Russland hat sich eine Tradition herausgebildet, Bücher nicht linear und vordergründig herunterzulesen, sondern nach Schlüsseln und Symbolen zu suchen, zwischen die Zeilen zu schauen. Eine Folge der Zensur: Eine Literatur, die den Lebensbedingungen folgte.
Dies sind einige ganz wenige, willkürlich herausgegriffene Beispiele, die mir zeigen, was Literatur alles wagen kann und nicht nur wagen darf, sondern muss, will sie lebendig bleiben. Der glattgebürstete Superplot in drei Akten ist nicht alles. Es wäre ja schön, wenn die Welt so einfach wäre und das E-Book und neue technische Geräte uns lehren könnten, wie wir neue Literaturformen entwickeln könnten! Aber wir sind doch im Grunde nur bequem, setzten das Altvertraute in Bits um. Diejenigen, die wirklich wagen und experimentieren und eine völlig eigene Erzählweise entwickeln, schaffen das jedoch lange vor der schnöden Materie, sogar vor dem Papier. Literatur entsteht nämlich im Kopf. Wir finden nur dann eine neue Ausdrucksweise für unsere Zeit und unsere Bedürfnisse, wenn wir uns innerlich von all dem lösen: den Materialien und Medien, den bequemen Instant-Anleitungen, dem Marktgeschrei und Branchengesabber. Ich möchte so weit gehen zu behaupten, Literatur entsteht nicht am Buch, sondern am Menschen.
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Update: Offensichtlich liegt das Thema gerade in der Luft, Roger Ebert schreibt in der Chicago Sun Times über das Gequengle nach Linearität im Film.