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28. April 2012

Verschenkaktion - Nachlese

Der Monat neigt sich dem Ende zu, Zeit für eine Überprüfung der Ergebnisse meiner Verschenkaktion ("Hilfe, ich habe mein Buch verschenkt"). Als ich den Artikel geschrieben habe, hatte ich noch große Angst, was sich daraus entwickeln könnte, wenn man sich so offen und vor allem mit Zahlenmaterial in die Öffentlichkeit begibt. Wir wissen alle, manchmal kommt man darin um, so etwas ist ja auch immer ein gefundenes Fressen für Neid oder Häme. Umso freudiger überrascht war ich, dass trotz der aufgeheizten, inzwischen manchmal schon extremistisch geführten Urheberrechtsdebatte die Diskussion auf allen Kanälen sehr sachlich und konstruktiv geführt wurde - und ich dabei auch wieder eine Menge von anderen lernen konnte. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass sich in letzter Zeit die sachlichen Stimmen mehren, die es wagen, Neues zu denken.

"Auf allen Kanälen" muss man übrigens wirklich sagen, denn der Artikel verbreitete sich viral wie ein Lauffeuer, ich war überrascht, wer hier alles so mitliest, nicht zuletzt, als die Interviewanfrage von Radio Fritz kam (Cronenburg im Radio). Über 7000 Menschen haben den Artikel bisher gelesen und fleißig diskutiert. Bei FB, Twitter und Google+ oder in Foren und Blogs. Dabei sind mir zwei Dinge aufgefallen:
  • Die Buchbranche kümmert sich bisher sehr stark um den statistischen Prototyp von Leser, der eine Leserin ist: meist über 50, gebildet, gut betucht. Wie aber gehen wir mit all den "nachwachsenden" LeserInnen um und kennen wir deren Bedürfnisse wirklich? E-Books finden übrigens oft zu völlig anderen Arten von LeserInnen als das Printbuch gleichen Inhalts. Könnte es sein, dass große Teile der Bevölkerung nicht lesen, weil ihnen einfach bisher ihren Bedürfnissen gemäß nicht viel geboten wurde?
  • Die Urheberrechtsdebatte findet in einer abgehobenen Blase statt. Auf der einen Seite ist es notwendig, dass sich Kreative mit politischen Ideen und ihrer eigenen Situation auf diesem Niveau auseinandersetzen. Durch einiges Echo habe ich allerdings festgestellt, dass wir teilweise vom "Normalbürger" gar nicht mehr richtig verstanden werden. Es wäre jetzt an der Zeit, die Dinge überhaupt erst einmal allgemeinverständlich zu erklären.
Und was ist geblieben von der Verschenkaktion?

In Zahlen ausgedrückt: eine der größten Überraschungen meiner Laufbahn. Tatsächlich pendelte sich das Buch auf einem relativ hohen Niveau ein und sank dann nach etwa einer Woche leicht ab - was ich mit ein wenig Klappern zum Handwerk in den Social Media wieder abfing.
Auch wenn der Monat noch ein paar Tage hat, haben im April so viele Leserinnen und Leser mein Buch heruntergeladen (gratis und bezahlt), wie mein Konzernverlag mir im letzten Jahr jährlich brachte. Nun kann jeder aufgrund meiner Angaben meinen Verdienst berechnen, also kann ich auch gleich sagen, dass ich 800 Euro an Tantiemen eingenommen habe. Das ist einerseits viel, weil ich dafür im Verlag 2000 Taschenbücher hätte verkaufen müssen. Auf der anderen Seite schmilzt die Summe schnell, weil ich als Freiberuflerin davon sämtliche Sozialabgaben, Krankenversicherung und Steuern bezahlen muss und nie mit einem festen Monatseinkommen rechnen kann. Aber es ist ein Einkommen, das es mir ermöglicht, den unverschämteren unter den potentiellen Kunden, denen mit den Dumpinghonoraren, ein noch lauteres Nein entgegen zu schmettern.

Diese Erkenntnisse bestärken mich, weiter am Aufbau der Backlist zu arbeiten, denn sie ist bares Geld, überlebenswichtig gerade bei den maßlos gestiegenen Energiepreisen - und LeserInnen wollen ja nicht nur ein einziges Buch haben. Ich glaube inzwischen tatsächlich, dass man als professionell (!) agierender Autor aus der Hungerzone herauskommen kann.

Zwei Dinge habe ich außerdem gelernt:

Vorurteil 1: Ohne Garantiesumme kann man nicht überleben

Man hört ja immer wieder das Argument, Verlage seien wichtig, weil man schließlich von der Garantiesumme lebe. Weil man da "vorab" bezahlt werde. Wenn das der Fall ist, dann ist das auch wahr. Aber wie viele Autoren bekommen heutzutage gar keine Garantiesummen mehr, bei wie vielen ist es eine lächerliche Summe von vielleicht 2000 Euro (im Sachbuchbereich gang und gäbe)? Wie viele Autoren verkaufen nicht mehr vorab, sondern müssen zuerst ein Buch fertig schreiben, bevor ans Bewerben überhaupt zu denken ist? Kommt dazu, dass die Garantiesumme ja anschließend erst wieder in Höhe der Tantiemen "abgearbeitet" werden muss. Bei manchen Kollegen fließen drum gar keine Tantiemen mehr, bis das Buch vom Markt verschwindet. Nehmen wir die 2000 Euro Garantiesumme bei Tantiemen von 40 Cent pro Taschenbuch: Der Autor muss 5000 Bücher abverkaufen, bevor er seine ersten 40 Cent sieht. Eine Auflage, die heute nicht mehr selbstverständlich ist.

Im Self Publishing lebe ich wie der Autor, der Vorleistung bringen muss: nämlich ein fertiges Manuskript. Kommen Unkosten für Fremdleistungen dazu, die man gering halten kann. Ich verdiene aber mein Geld ab Exemplar Nr. 1, und zwar mehr als nur 40 Cent. Kurzum - es kann eine Alternative gerade für diejenigen KollegInnen sein, die nicht mit saftigen Garantiesummen und Vorabverträgen verwöhnt werden. Aber Achtung: Umgekehrt klappt das Überleben im Verlag ohne Garantiesumme nicht, man rechne sich das bei 40 Cent pro Buch selbst aus ...


Vorurteil 2: Self Publishing nimmt Zeit vom Schreiben weg

Am Anfang stimmt das. Gerade in der jetzigen Zeit, wo alles noch ein wildes Experimentieren ist und gewisse Strukturen auf dem deutschsprachigen Markt auch nicht in dem Maße vorhanden sind wie in den USA, muss man viel Neues lernen, sich intensiv mit Dingen beschäftigen, von denen man vielleicht ein Jahr zuvor noch nichts gehört hat. Der Ausgang einer jeden Aktion ist offen, was ich heute behaupte, kann morgen schon nicht mehr wahr sein. Ja, es macht verdammt viel Arbeit, es braucht verdammt viel Zeit und Hirnschmalz, ja man macht eine Menge Fehler. Aber nur beim ersten Buch. Dann weiß man, wie es geht.

Es ist eigentlich halb so schlimm, wenn man sich im Internet tummelt: Es gibt genügend Diskussionsgruppen und Foren, wo man sich beraten kann, Hilfe bekommt oder sogar Zulieferer findet. Man muss nämlich nicht alleine das Rad neu erfinden und zusammenbauen! Nach dem ersten Buch wird auch die Technik zum normalen Workflow, weil man ja weiß, welche Fehler man vermeidet. Für Menschen mit einem Brotberuf im Ganztagesjob wird das alles sicher zu viel sein. Aber nicht für Menschen, die es wirklich darauf anlegen, professionell und hauptberuflich vom Schreiben leben zu können!

Ich bin so eine. Und ich muss als Freiberuflerin ständig - bei fallenden Honoraren in all meinen Brotjobs - schauen, wie ich überlebe. Viel zu oft stehe ich hart am Abgrund, viel zu oft wollte ich schon alles hinwerfen, weil Armut bei so viel Maloche kein Vergnügen ist. Das zehrte natürlich immer wieder an meiner Kreativität. Mir fällt kein lustig-lockerer Roman ein, wenn der Kühlschrank leer zu bleiben droht. Ich kann mich nicht in ein aufwändiges Sachbuch vertiefen, wenn ich bis in die Nacht an Speedübersetzungen sitze. Ich kann auch mit Agentur nicht immer Monate warten müssen oder Manuskripte vorab schreiben. Es ist also bei mir zumindest ganz anders: Nicht das Self Publishing hält mich vom Schreiben ab, sondern all die Jobs zum nackten Überleben! Wenn ich aber jetzt durch ein oder noch besser mehrere E-Books ein hübsches Sümmchen erwirtschafte, dann kann ich vielleicht mit meinen drei Jobs endlich wenigstens einen davon ein wenig zurückfahren. Ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste. Ich sehe sogar reale Chancen, mir tatsächlich wieder freie Zeit zum Bücherschreiben erwirtschaften zu können - und zwar durch das Bücherschreiben selbst! Mir als Freiberuflerin schafft Self Publishing also die Zeit, die ich zum Schreiben brauche.

Für alle, die sich auch darin versuchen und dabei professionalisieren wollen oder ihre Backlist neu auflegen wollen, habe ich zwei ganz wunderbare Tipps:
Im Gegensatz zum üblichen marktschreierischen Gedöns hat dieses Buch Hand und Fuß und verspricht nicht das Blaue vom Himmel, sondern Arbeit und unendliches Feilen am Buch, nicht weniger als für einen Verlag. Menschen mit Verlags- oder Marketingerfahrung lernen dabei zwar nichts grundlegend Neues. Aber es gibt äußerst wertvolle Einblicke in die Funktionsweisen von Dingen, die noch ganz neu sind beim Verkaufen, etwa wie Bestsellerlisten und Verkaufsränge bei Händlern funktionieren und wie man sie erreichen kann, wie man mit Algorithmen umgeht oder sein Marketing schlau auf scheinbar nebensächliche Dinge ausrichtet wie z.B. das berühmte "wer x kaufte, kaufte auch Y". Ich selbst habe es noch nicht fertig gelesen und denke, man kann getrost über die Werbung für Smashwords hinwegsehen, denn der Autor gibt auch viele Zahlen und "Innereien" preis. Ein Must fürs Eigenmarketing, das man natürlich auch kritisch, nicht blind, auf die eigene Situation übertragen sollte.

25. April 2012

Ein Traum wird wahr

Ich bin immer noch völlig trunken vor Freude und laufe mit einem absolut debilen Dauergrinsen durch die Gegend. An Arbeit ist gar nicht zu denken, stattdessen habe ich schnell Sekt besorgt und fürs Festessen frische Kalbsleber, wilde italienische Artischocken und Süßkartoffeln. Heute wurde ein Traum wahr, den ich nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Es geht um mein Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt", das in Hansers Imprint Sanssouci in einer Buchreihe erschien, die es leider nicht mehr gibt. Das Buch war das Beste meiner Laufbahn, es hat mir über sechs Jahre hinweg regelmäßige Auftritte, meist kulinarische Lesungen, verschafft. Es war in der zweiten Auflage restlos ausverkauft und wenn ich mich nicht täusche, ist das Hörbuch auch so ziemlich weg. Es gab Rezensionen sogar in der ZEIT.


Die Zuschriften von Leserinnen und Lesern rissen nicht ab, die gern noch ein Exemplar gehabt hätten, aber es ist einfach wirklich ausverkauft, also nicht verramscht - denn dann bliebe ja noch etwas in den Antiquariaten. Dementsprechend abenteuerlich sind manchmal die Preise für gebrauchte Exemplare.

Lang habe ich überlegt, wie sich das Buch wieder ins Leben bringen ließe. Ich habe aber auch gezögert, denn wer will schon ein Buch von 2006 heute noch lesen? Aber wie das mit literarischen Reisebüchern so ist - im Gegensatz zu den üblichen Führern sind sie zeitlos. Viele Ideen wurden seither geboren und verworfen und ich bekam auch die ein oder andere sehr schräge Anfrage. Dann war es angedacht als deutsch-französisches Europaprojekt, aber irgendwie hatte ich einfach nicht die Zeit dazu und die Idee haperte immer am Vertrieb. Manchmal ist es einfach gut, einmal nicht ständig vorpreschen zu wollen. Einmal nichts zu tun.

So hat mich heute eine Mail des Hanser Verlags komplett überrascht. Obwohl wir seit längerem keinen Vertrag mehr miteinander haben, kümmert sich der Verlag rührend um seine Autoren und Bücher. Ein anderer hätte nach dem Rechterückfall gesagt: danke und tschüss. Das muss gerade in der heutigen Zeit laut gesagt werden: Solche wunderbaren Verlage gibt es! Kurzum - die Frage lautete, ob ich mit einer Taschenbuchlizenz einverstanden wäre. Der Insel Verlag, der zu Suhrkamp gehört, möchte das Buch 2013 herausbringen. Der Erscheinungsmonat steht noch nicht fest, spätestens September jedoch. Über die Konditionen muss ich nicht einmal diskutieren - auch das gibt es heutzutage noch.

Für mich persönlich ist das so besonders, weil mein Buch über Nijinsky auch schon bei Suhrkamp lag, aber abgelehnt wurde, weil es nicht mehr ins Programm passe (auch die Tagebücher Nijinskys und die Biografie von Romola Nijinsky werden leider nicht mehr aufgelegt). Ich weiß noch, wie ich damals schier ausflippte vor Spannung, als mir meine Verlegerin sagte, wo sie das Manuskript hingeschickt habe. Suhrkamp, das war für mich irgendwo da ganz oben auf dem Olymp. Dass die etwas von mir haben wollen, ohne dass ich mich überhaupt bewerbe, hätte ich mir nicht zu träumen gewagt.

Der Insel-Verlag ist ein wunderschönes neues Zuhause für das Buch. Und vielleicht, vielleicht wird es unter diesen neuen Voraussetzungen ja doch auch noch etwas mit einer französischen Lizenz. Jetzt mache ich, was ich mit Verträgen immer mache: pro forma darüber schlafen und morgen sage ich zu. Und natürlich gibt mir das unwahrscheinlich Aufwind für mein literarisches Reisebuch über das russische Baden-Baden: Die Leute wollen offensichtlich solche Bücher. Jetzt sollte ich nur schauen, ob ich nicht auch dafür einen Verlag begeistern kann, trotz der extremen Regionalität.
Also nur ein wenig Geduld, der Zander schläft nur, ab 2013 wird er wieder schwimmen!

21. April 2012

Neuerscheinung: Blogbuch 1

Pünktlich zum Radiointerview über ein Buchexperiment gibt es ein neues Experiment: "Best of Cronenburg. Blogbuch 1" ist erschienen! Wie jetzt - ein Buch aus einem Blog? Wer liest denn sowas? Und wer ist auch noch so doof, Geld dafür zu bezahlen, wenn er hier alles kostenlos haben kann?


Die Idee kam mir durch Leserfeedback. Obwohl LinkedIn am Ende eines jeden Blogbeitrags auch ältere Themen vorschlägt, sei mein Blog inzwischen so angewachsen, dass gute Beiträge leider in Vergessenheit gerieten. Obwohl dieses Blog eine treffsichere Suchfunktion hat, wisse man ja nicht, was für Schätze man suchen könne. Und manchmal würde man gern etwas gemütlicher stöbern.

Ich stieß bei meiner Suche nach einer Form natürlich sofort auf die amerikanische Möglichkeit, Blogs als Kindle "synchronisieren" zu lassen. Das funktioniert so: Kunden "abonnieren" ein Blog per Lesegerät. Für die aktuellen Beiträge, die via RSS eingespeist werden, bezahlen sie nichts, wohl aber einen gedeckelten kleinen Obolus für Blicke ins Archiv. Eine wunderbare Sache, dachte ich, mit der man endlich auch einmal die Arbeit am Blog "monetarisieren" könnte, wie das auf Neudeutsch so schön heißt. Ein Blog wie eine Zeitung, mit festen Abonnenten. Aber leider krabbeln meine Ideen wie so oft der Realität etwas voraus. Blog-Abos dieser Art gibt es derzeit nur in den USA. Eine Ausweitung auf andere Länder ist zwar angedacht, aber die Sache kommt nicht in die Gänge, womöglich mal wieder wegen des Rechtskuddelmuddels.

So lange wollte ich nicht warten. Also kopple ich die Sache ganz einfach ab und setze mein Blog in eine Buchreihe um. Das macht technisch leider sehr viel mehr Arbeit, die Bände erscheinen also nicht plötzlich alle auf einmal. Das Blog als Buch hat einen Vorteil: Man kann es vorwärts lesen, in der richtigen Reihenfolge - und natürlich im E-Book blättern. Optisch werden die Texte auch eher wie ein Buch präsentiert, im Fließtext mit Überschrift und Datum, ohne Tags und all das Gewusel. Ich würde ab und an auch gern Links einbauen, weil viele Lesegeräte ins Web können. Aber da stoße ich an rechtliche Grenzen, denn eine FAZ oder eine Süddeutsche lässt sich ja schon von Blogs ungern verlinken - im Buch würde man wohl gleich zum Kriminellen. Soviel zum Unsinn des Leistungsschutzrechts: Ich empfehle solche Zeitungen natürlich nicht, sondern nur die, die ich auch im Rahmen des Zitatrechts zitieren darf. Kurzum: Das Blogbuch enthält eher die Lesetexte als die Linktipps. Band Nr. 1 beginnt mit der Rechtschreibreform à la 2006 und endet 2008 mit der frechen Frage, wie viel Untergang Kreative eigentlich brauchen, um endlich ihren Hintern hochzubekommen.

Warum zum Teufel verlangt die Frau Geld für das Buch?
Ganz einfach. Ich verschenke mich und meine Arbeit hier seit genau sieben Jahren. Die Stunden für Recherche und Schreiben möchte ich gar nicht erst ausrechnen. Es sind Stunden, die mir als Freiberuflerin beim Geldverdienen fehlen. Ich habe es - die Stammleser werden sich erinnern - mit Spenden versucht, um wenigstens eine winzige Belohnung zu bekommen. Die allertreuesten Stammleser haben sich anfangs auch daran beteiligt. Der Rest hat schlicht nur konsumiert. Also habe ich die Spenden wieder abgeschafft.

Und dann bin ich auf ein ganz tolles Phänomen gestoßen: Menschen wollen sich durchaus mit Geldwert bei den Kreativen bedanken. Viele kauften beispielsweise lieber ein Buch von mir, als zu spenden. Nur ist nicht unbedingt jeder Blogleser automatisch Zielpublikum für meine Buchthemen. Aber vielleicht für ein Blogbuch?

Ja, ich könnte es für 99 Cent verhökern. Aber ich denke, ich verschenke hier genug. Dieses Blog wird weiter absolut kostenfrei im Web stehen; keiner, der es liest, wird um Spenden angebettelt werden. Wer mir etwas Gutes tun will, wer Spaß an diesem Blog hat, der darf sich bedanken - für den Preis von einem Kaffee und einem Keks.

Ganz unfreiwillig ist das Blogbuch auch noch höchst aktuell, denn ich berichtete live von der Front, wie sich das neue "Sarkoland" anfühlt und gruselte mich selbst bei dem Beitrag "Wer die Qual hat, hat Wahlen". Frankreich wählt morgen wieder, mit hoffentlich weniger Desaster. Meine Blogbeiträge sind insofern eine Liveschau auf eine Entwicklung, wie sie die ZEIT heute beschreibt. Und es gibt eine Menge Vergnügliches, wie das russische Weihnachtsmärchen für ewig wartende Autoren oder das Dramolett mit dem Call-Center einer Bank.

Klappentext:
„Cronenburg – viel mehr und nichts weniger – aus Buchbranche, Autorenleben und Kultur“ steht über dem Blog von Petra van Cronenburg, deren Name Programm ist. Es geht es um den „ganz normalen Wahnsinn“, den eine Journalistin, Buchautorin und Übersetzerin in Personalunion erlebt.

Gnadenlos subjektiv, von mutiger Ehrlichkeit, ironisch bis polemisch spießt die Autorin alles auf: von der Glosse über die Rechtschreibreform bis zur Frage, wie viel Untergang Kreative brauchen. Dazwischen erzählt sie, wie ihre Wahlheimat Frankreich zu Sarkoland wurde und was man im Elsass noch genießen kann. Sie schreibt einen Toilettenverriss über eine Edelstadt und wie man sich fühlt, wenn man für eine Romanfigur shoppen geht. Da gibt es Samenbomben, Synästhesie und Sülze, Schreibkater, Badewanneneffekte, Hörstürze und Bücher wie Brei. Wer davon noch nicht genug hat, lernt durch vergnügliche Schreibtipps, wie man mit Serviettentechnik plottet oder wie man mit einem Backstein Suspense erreicht. „Best of“ der Jahre 2006 bis 2008, ca. 100 Normseiten.
Petra van Cronenburg: Best of Cronenburg. Blogbuch 1 (Kindle)

20. April 2012

Cronenburg im Radio

Der Artikel über mein Verschenk-Experiment hat Wellen geschlagen und so bin ich dazu morgen live im Radio zu hören: In der Sendung Trackback von Radio Fritz (RBB).
"Die Sendung Trackback läuft jeden Samstag zwischen 18 und 20 Uhr und beschäftigt sich ausgiebig mit dem Thema Blogosphäre und deren Machern. Moderator Marcus Richter berichtet in seiner wöchentlichen Show über neue Trends rund um Weblogs, interviewt Blogger, stellt interessante Blogs vor und stellt die Sendung nach der Show als Podcast ins Internet" sagt Wikipedia
Ich bin live etwa fünf Minuten lang gegen 18:50 Uhr zu hören, falls mir nicht die Stimme wegbleibt ;-) Und werde dann über mein Experiment berichten, erzählen, wie man sich als Autorin so durchschlägt und ob Verlage wirklich böse sind.

Wer wie ich nicht im Einzugsgebiet von Berlin und Brandenburg lebt, kann die Sendung per Podcast jederzeit und überall nachhören. Drückt mir die Daumen!

18. April 2012

Appetitanreger

Mein Blogbuch steckt mitten in der Produktion. Es wird als Band 1 ein "Best of" der Jahre 2006-2008 geben. Das Cover ist noch im Entwurfsstadium, das Vorwort geschrieben:

Entwurf PvC
Cronenburg – viel mehr und nichts weniger – aus Buchbranche, Autorenleben und Kultur“ nennt sich vollmundig mein Blog. Und tatsächlich geht es um den ganz normalen Wahnsinn, den eine Journalistin, Buchautorin und Übersetzerin in Personalunion erlebt, deren große Leidenschaft die Grenzgängerei in jedem nur erdenklichen Wortsinn ist.

Ich habe leider außer Schreiben nichts gelernt, aber das richtig. Beim Theologiestudium übte ich, rhetorisch pfiffig von Ochs und Esel zu erzählen, und begriff das Hitchcock’sche Prinzip des McGuffin, mit dem man ein müdes Publikum munter macht. Beim Jiddischunterricht erfuhr ich viel von vergessener Literatur und wie man Pointen setzt. In den Religionswissenschaften kapierte ich endlich den Witz an der ganzen Sache: An den McGuffin muss man nicht glauben, er funktioniert bei jedem und überall.

Weil ich weltlich gesehen nicht wirklich viel gelernt hatte, wurde ich Journalistin, mit einer echten Ausbildung im Volontariat, learning by doing, mit der Haptik von ständig verklemmten mechanischen Schreibmaschinen und Klebesatz auf Papier. Man brachte mir bei, gleichermaßen über verdorbene Hot Dogs zu schreiben wie über künstliche Intelligenz – und dass der McGuffin auch in der Zeitung funktioniert. Höhepunkt eines Leserbriefansturms war ein Artikel über eine historische Rattenplage nebst Überschwemmung in einem mittelbadischen Städtchen. Ich träumte fortan von einer eigenen Zeitung mit mehr künstlicher Intelligenz.

Ob Kulturreportagen im privaten Radiosender, aufsehenerregende Verrisse im Feuilleton, PR-Texten oder Flucht in eine eigene Medienagentur in Polen – es half alles nichts. Statt mit Volldampf den McGuffin wegzulegen und Karriere zu machen, kam ich völlig auf den Hund: Ich wurde Buchautorin. Seither muss ich mir von meiner fiktiven Tante Erna ständig anhören, ich hätte doch was Anständiges lernen können, ich könnte doch endlich mal damit anfangen, etwas Ordentliches zu arbeiten. Damit Geld hereinkommt.
 
Irgendwie hat sie ja recht. Ich hätte wie meine Journalistenkollegen rechtzeitig auf Weinhändler umschulen sollen. Dann könnte ich mir diesen Zwang zum Schreiben wenigstens schön trinken. Stattdessen hat irgendein Wahnsinniger die Blogtechnik erfunden. Und weil Tante Erna viel besser als ich Tagebuch schreiben kann, machte ich daraus lieber meine eigene Zeitungskolumne. Maßlos subjektiv und auch mal polemisch, himmelhoch jauchzend und knallhart auf dem Boden der Tatsachen. Ich warte immer noch darauf, dass mir die Leute widersprechen und lachen und heulen und mit den Zähnen knirschen. Ordentlich und anständig ist hier nur der McGuffin, dessen Geheimnis in „best of cronenburg“ aus den Jahren 2006 bis 2008 selbstverständlich gelüftet wird!"

16. April 2012

Vampirkutsche

Mein Auto ist zwar nicht blutrot, aber immerhin höllenrot. Und heute diente es einem leckeren Transport. Was ich an Frankreich so liebe, ist seine "souplesse", sprich Geschmeidigkeit, im Umgang mit Widrigkeiten. Da wird nicht gejammert und lamentiert, sondern fleißig überlegt, wie man die Bojen am leichtesten umfährt.

Wie schafft man es, eine Blutanalyse so schnell wie möglich machen zu lassen, wenn der Arztbote schon durch war, die Krankenschwestern schon unterwegs sind und die nächste Nüchternheit fürs Labor erst wieder am nächsten Tag möglich ist, weil der Magen gegen elf Uhr in den Knien hängt? Zur Erklärung: In Frankreich werden alle Tests außerhalb der Arztpraxen in Labors gemacht, wer die Fahrt scheut, kann zur Dorfkrankenschwester, die morgens eine Stunde lang empfängt. Die Lösung ist einfach: Man lässt sich das Blut gleich beim Arzt abzapfen, nimmt das Spezialpäckchen in Empfang und düst selbst zum nächsten Labor. Das hat zwar, wie alles in diesem Genussland, über Mittag zu, aber man solle ruhig klopfen, mit dem Ding in der Hand würde einem aufgemacht.

Die Kapelle von Jägerthal, im Moment noch nicht so ganz begrünt

Auf zur lustigen Vogesenfahrt! Und das Bild mit den Bojen ist durchaus auch auf die Straßen anzuwenden, denn wohl jede zweite ist derzeit wegen Komplettsanierung gesperrt, vor allem in den Bergen. Es war trotzdem einfach herrlich! Die Umgehung um mindestens zwei Berge herum führte nämlich richtig ins Gebirge, auf diesen herrlichen Waldstrecken, die ich so liebe, wo gerade mal zwei Autos knapp aneinander vorbei passen. Und weil alle außer mir und meinem leeren Magen in der Mittagspause waren, hatte ich das grandiose Panorama ganz für mich allein. Majestätische Tannenwälder, hutzelige Dörfchen, die berühmten Kühe, deren Beine an einer Seite länger sind als an der anderen, hier und da ein bellender Wachhund und ein paar Waldarbeiter. Dann der Ausblick von oben auf das schottisch anmutende Schloss der de Dietrich und ein Tal mit Forellenbächen und in gelben Blüten explodierendem Sumpf. Im künstlich angelegten Stausee futterten sich allerlei Wasservögel satt und mein Magen senkte sich in die Kniekehlen.

Nein, Läden gibt es auf der ganzen Strecke nicht. Nur eine Wallfahrtskapelle in einem Weiler mit dem vielsagenden Namen Wohlfahrtshausen. Ich hätte Stunden so weiterfahren können und wünschte mir eigentlich nur meinen Hund und leckeren Proviant. Aber ich hatte ja Blutsoße abzugeben. Dann, wie so oft in den letzten Jahren, der komplette Kontrast, der Schock; das Elsass, das mich abstößt. Rund 30% Wählerschaft von Le Pen sieht man dem einst schmucken Ort an. Seit dem Wahlsieg Notstand pur, alles heruntergekommen, ganze Ladenzeilen stehen leer, zig Häuser sind zu verkaufen: Wer kann, zieht weg. Schon vor einem halben Jahr gab es überall Brandschäden, so viele Häuser, wie jetzt dort Feuerskelette dastehen, können unmöglich zufällig zerstört worden sein. Dann die Le Pen-Plakate, die Schmierereien an den Wänden - ich war fast froh, dass die Bäckereien geschlossen hatten.

Wieder zurück in die wohltuende Natur, auf der Gourmetroute, Ausschau nach einem der vielen schnuckeligen Dorfrestaurants halten, die ich seit meinen Studentenzeiten kenne. Kein einziges mehr existent, die wenigen sichtbar Geschlossenen ebenfalls heruntergekommen bis zerfallen. Aber dafür werden die Straßen verbreitert und frisch geteert. Damit man in Zukunft noch schneller durchrasen kann und das Leid nicht mehr mitansehen muss.

14. April 2012

Frühlingssausen

So langsam lande ich wieder. Ich hätte nie gedacht, dass sich so viele Menschen für meinen letzten Artikel interessieren würden. Er ist in meiner gesamten Bloglaufbahn (seit 2004 oder 2005?) der am meisten abgerufene und verbreitete mit knapp 4000 Einzellesern. Das ist nichts gegen die Auflagen der Zeitungen, für die ich schrieb, aber hier bin ich dichter am Publikum und man stopft nicht damit einfach nur nasse Schuhe aus. Die letzten Tage war ich deshalb überbeschäftigt mit Kommunikation in den Social Media, per Mail und am Telefon, bis mir der Kopf schwirrte. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal allen danken, die mit ihren Kommentaren die Diskussion derart bereichert haben und immer noch bereichern!

Das wilde Kommunizieren war auch gut so, denn der Austausch war überaus fruchtbar, viele Menschen wagten es, sich hinter den Kulissen ebenfalls zu öffnen und von ihren eigenen Erfahrungen zu berichten. Dem kann ich entnehmen, dass ich kein Einzelfall bin. Und ich habe auch wahren Horror aus der Verlagsbranche zu hören bekommen, von allen Beteiligten: Autoren, Verlagsleuten, Buchhändlern. Seither frage ich mich noch stärker, wieso ausgerechnet unser Geschäft so durchgeknallt ist. Aber das fragt sich wahrscheinlich jeder in jeder Branche. Trotzdem - ich bin beeindruckt, wie nett und positiv und vor allem großzügig diese Kontakte sind. Eine Kultur des gegenseitigen Teilens und Tauschens.

Ich habe für mich selbst viel begriffen. Dass es Zeit ist, als Künstler endlich den Hintern hochzukriegen. Dass wir schon lange nicht mehr solche erreichbaren und bezahlbaren Möglichkeiten hatten, unsere Kunst in die Welt zu bringen. Und zum ersten Mal derart dicht am Publikum sind, dass es manchen den Atem rauben mag und andere beflügelt und inspiriert. Vor allem aber habe ich bemerkt, dass 400-Euro-Jobs nicht sein müssen.

Die Idee, sich für einen solchen zu verdingen, hatte mir nämlich fast gleichzeitig eine Freundin ans Herz gelegt, damit ich als Freischaffende doch endlich einmal eine monatliche Sicherheit hätte. Ich habe sie daraufhin gefragt, als was ich mich denn bewerben sollte? Alles, was ich in jungen Jahren gern gemacht habe, geht nicht mehr so einfach. Als Hilfsgärtnerin bin ich aufgrund meines Alters eine Versicherungsrisiko, als Bedienung komme ich aus dem gleichen Grund in den Krampfadernalarm und zur Bürokraft bin ich zu doof. Und wie bitte, soll ich bei der 400-Euro-Ausbeutung dann noch zwei Jobs unter die Haube kriegen, wann kreativ sein?

Das Rechnen für meinen Artikel hat mir ganz klar vor Augen geführt: Die Backlist eines Autors ist pures Geld wert. Da haben die Verlage über Jahre schlichtweg gepennt. Wenn ich schon mit einem einzigen Buch ein nettes Zubrot verdiene, wie sieht das dann erst mit allen Büchern aus!? Zumal ja ein Buch das andere nachzieht, das weiß man in diesem Geschäft. Ich arbeite mit Hochdruck an den Neuerscheinungen. Endlich Geld verdienen mit der Arbeit, die ich wirklich beherrsche und die ich vor allem am meisten liebe.

Und wenn die Backlist durch ist, lassen sich sogar Bücher verkaufen, die in Verlagen absolut nicht gehen. In meiner Schublade liegt ein Krimikonzept mit einem Band, der schon 140 Seiten hat. Durch die Bank abgelehnt: Ja, klasse, gut geschrieben, aber cosy crime und mit Humor, nee, das wollen die Leser nicht, das läuft absolut nicht, viel zu englisch. Ich glaube nicht mehr daran, dass Verlage die allein selig machende Instanz sind, die noch weiß, was Leser wirklich wollen. Wer sind die Leser? Wer macht wirklich Marktforschung und wer setzt nur bequem auf laufende Trends auf? Vielleicht haben ja viele Leser die Nase voll von durchgeknallten Serienmördern und mögen skurrile Whodunnits ohne Blutsauce? Es wäre zu beweisen. Und dazu muss man es ausprobieren.

Meine Sichtweise auf die Käufer hat sich ebenfalls komplett gewandelt, obwohl ich ja schon immer das Publikum weder für doof noch für so schlecht hielt, wie es in vielen Artikeln derzeit gemacht wird. Ich glaube daran, dass begeisterte Menschen andere Menschen und Projekte auch unterstützen. Nur das Ausmaß war mir nicht klar. Jetzt würde ich sagen, es hat sich längst eine neue Alternativkultur gebildet im freiwilligen Geben und Nehmen - und vielleicht ist daran sogar der Neoliberalismus schuld mit seinen alten etablierten Abzockstrukturen. Man spendet lieber einer verbrecherischen Bank Steuergelder als Kunst und Kultur.

Mir ist aufgefallen, dass andere Künste längst damit arbeiten, nur die Buchbranche hat das irgendwie verschlafen. Das Festspielhaus in Baden-Baden hatte mich auch am Haken, weil es eingetragenen Kunden mit jeder Veröffentlichung des Saisonprogramms Karten schenkt: Zu einem festgelegten Ereignis bekomme ich zwei Karten umsonst, wenn ich mit vier Leuten in der gleichen Preiskategorie buche. Kein Verlustgeschäft, denn drei neue potentielle Kunden sind damit angefixt. Da meckert mich auch keiner an, dass ich umsonst ins Ballett gehe. Denn ich zahle daneben nicht gerade billige Karten, weil ich mehr will. Weil ich Blut geleckt habe. Jetzt kommt genau das zum Tragen, was mir meine Verlage immer gesagt haben und nicht immer schafften: Qualität setzt sich automatisch durch. Ich würde sagen: Qualität setzt sich durch, aber dazu müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Sichtbarkeit und die Möglichkeit, Menschen damit überhaupt zu berühren. Backstage im Festspielhaus, Theatergespräche bei Kaffee und Kuchen, Szenen vom Filmset oder der Auftritt der Band in der Eckkneipe - in der Literatur haben wir das irgendwie verschlafen. Autoren zum Anfassen, Autoren, mit denen man reden kann - welch Möglichkeiten!

Noch eine Idee setze ich gerade in die Tat um. Ich arbeite ziemlich viel für dieses Blog, Recherche und Schreiben brauchen Zeit, Zeit, in der ich nichts verdiene. Um Spenden zu bitten, hat nicht wirklich funktioniert - nur ein paar ganz treue Leser haben drauf angesprochen. Nun kopple ich das Ganze ab. Wer mag, kann hier weiter alles kostenlos haben. Wer meine Arbeit unterstützen will, kann demnächst das erste Buch zum Blog für einen geringen Obolus kaufen. Ich plane eine Reihe "Best of" zum gemütlichen Nachlesen, nach Themen geordnet. Und ich kann schon jetzt verraten, dass sich bei der Texterfassung selbst für mich Überraschungen boten. Etwa wie ich aus dem Wahlkampf 2008 berichte, wie Frankreich zu "Sarkoland" wurde. Wie die Rezension einer öffentlichen Toilette in einer Edelstadt plötzlich in einem kompletten Umbau des Etablissements mündete. Oder wie man mit Servietten den perfekten Plot bastelt.

Eben flattert via Facebook eine tolle amerikanische Variante des Flashmobs herein: Der Cash Mob. Leute, die lokale unabhängige Läden unterstützen wollen, rufen einen Cash Mob aus, der dem Ladenbesitzer rechtzeitig zur Vorbereitung mitgeteilt wird. Alle, die mitmachen, kaufen etwas ein und hinterher geht man zusammen etwas trinken. Ganz schön Potential, einen Laden in Mundpropaganda zu bekommen, die letzte drückende Rechnung zu bezahlen und neue Kundschaft zu gewinnen. Wäre das nicht was für den unabhängigen Buchhandel?

10. April 2012

Hilfe, ich habe mein Buch verschenkt!

Anmerkung vom 20.09.2016

Dieser Beitrag ist noch heute einer der meistgelesenen in meinem Blog. Leider wird er inzwischen isoliert via Google ausgeworfen und damit fehlt der Zusammenhang.
Ich bitte zu beachten, dass meine Erfahrungen sehr typisch für den Buchmarkt von 2012 waren. Ich würde heute nie und nimmer mehr ein Buch als Marketingmaßnahme verschenken. Es würde auch nicht mehr wie beschrieben funktionieren. Nachdem es zu viele gemacht haben, hat sich der Markt völlig verändert. Heute, vier Jahre danach, gibt es ganz andere Herausforderungen. Unter anderem die, sich selbst nicht zu verramschen. Drum ganz wichtig: Betrachtet die Zusammenhänge, schaut auf die Zeichen der Zeit!

Wie die Ratte im Labor

Ich bin wie die Ratte im Labor. In einer Zeit, in der im Buchmarkt Altvertrautes umbricht und jede Studie das Gegenteil der anderen behauptet - je nachdem, von wem sie in Auftrag gegeben wurde - bleibt oft nur der Selbstversuch am eigenen Leib. Was mich dabei besonders aufregt, ist die überemotionalisierte, vollkommen unsachliche Diskussion, die sich angeblich nur ums Urheberrecht dreht. Beide Seiten bewerfen sich leider gleichermaßen mit Kuhmist, Halbwissen und Propaganda und keiner hört mehr zu, keiner denkt mehr nach. Könnte die Wahrheit der Moderne - wie so oft - nicht auch irgendwo in der Mitte liegen?


9. April 2012

Noch'n Gedicht

Die Dichte
der letzten Tinte oh
Dichter, dichter wird er
der Nebel
tropft
Wasserhähne so prosaisch sensationslüstern
im Jahr der Titanic
sie rinnen und singen und platzen
ein Leck.
Letzte Tinte fließt
Blutgefasel.
Dichten, abdichten, dichter,
oh Dichter!
Undicht. Keine Verse verstopfen so viele Medienmäuler.
Dichte, Dichter, dichte dein Leck - ab.
Lass fahren dein Werk, hol Werg herbei.
Oh wenn du doch nur, lieber, dichter, als Dichter
das Waschbecken repariert hättest.

(Abteilung: Ich wollte schon immer mal Lyrik schreiben.)

7. April 2012

Das schönste Osterei

Manchmal gibt es diese Momente, wo man für all die Plackerei und das hohe Risiko belohnt wird. Wo man wieder weiß, warum man schreibt - und was man eigentlich kann. Etwa dann, wenn sich Feuilleton für Self Publishing öffnet. "Faszination Nijinsky" ist mit einer Rezension im größten und wichtigsten Tanzportal geadelt worden. Und die Autorin schwebt im siebten Himmel.

Annette Bopp schreibt über "Faszination Nijinsky. Annäherung an einen Mythos" bei tanznetz.de:
"Das Besondere an diesem Buch ist, wie Petra van Cronenburg sowohl die künstlerische wie die menschliche Seite Nijinskys nahebringt, auf ganz unprätentiöse, einfühlsame Art, vor allem aber immer darauf bedacht, der vielschichtigen Persönlichkeit Nijinskys im Rahmen seiner Zeit gerecht zu werden. Da ist viel Neugier spürbar, aber auch großer Respekt, Zuneigung und Zurückhaltung, Bewunderung und Skepsis. Auf diese Weise holt sie auch diejenigen unter ihren Lesern ab, die mit Nijinsky bisher vielleicht nicht so viel anfangen konnten. Sie macht ihn und sein Leben, seine Kunst, verstehbar, nachvollziehbar." 
Hier die gesamte Rezension lesen.

4. April 2012

rülps kotz spuck spei!

Meine Eltern haben mir verboten, so zu reden. Deshalb war ich als Kind so fasziniert von diesem Inhalt einer Sprechblase (und deshalb poste ich das heute öffentlich ohne Hemmungen). Es handelt sich um einen Ausspruch von Donald Duck oder Tick, Trick und Track, den sie tätigten, als Onkel Dagobert mal wieder in irgendeinem exotischen Dschungel knauserte. Man kennt das: Eine Entenfamilie, die sich sonst von leckeren, mit viel Liebe selbstgemachten Pfannkuchen  ernährte, musste plötzlich auf zwielichtigem, undefinierbaren, weil irre billigem Zeug herumkauen. Echter Rattenfraß eben.

Fast Food, nein danke! Foto: tutto62/pixelio.de
Ich habe heute einen Fehler begangen. In der Hoffnung, den Osterwahnsinn zu umgehen und Benzin zu sparen, bin ich in den nächsten Supermarkt in einer elsässischen Kleinstadt gefahren. Keiner dieser viel zu großen Hypermarchées, aber ein ordentlich großer. Firmennamen will ich nicht nennen, denn das Trauerspiel ist inzwischen überall dasselbe. In den 1980ern bin ich selbst von Schwaben aus einmal im Monat nach Frankreich gefahren, um endlich mal wieder ordentliche, frische und feine Nahrungsmittel zu bekommen. 1989 wanderte ich endgültig ins Land der berühmten Küche und hohen Lebensqualität aus und ließ es mir gut gehen. Ich schrieb sogar ein Buch über das Elsass mit eigenen Kochrezepten, das die Fülle der Traditionen zeigte und aus dem überraschend viele LeserInnen genussvoll nachkochten.

Inzwischen ist viel passiert. Kurz nach Erscheinen des Buchs starben die Traiteure um mich herum wie die Fliegen, Märkte gingen ein, Preise stiegen und auf elsässischen Heiratslisten standen ganz vorn zwei Geräte: die Mikrowelle und die Brotmaschine. Restaurants, die seit Jahrzehnten für ihre wunderbare, bodenständige Küche berühmt waren, stellten um auf Tiefkühllieferant und Convenience Food. Natürlich gibt es sie noch heute - die kleinen Läden mit der erlesenen Frischware. In den größeren Städten wie Strasbourg. Und zu Preisen, die sich immer mehr Menschen nicht mehr leisten können. Inzwischen halten viele Franzosen selbst in den Städten Karnickel und entdecken den Anbau in Blumentöpfen. Denn der Wochenendeinkauf kostet - in meiner Region - locker das Dreifache von dem in Deutschland. Bei viel niedrigeren Löhnen.

Beim Blick auf den Benzinpreis beschloss ich, nicht meinen elsässischen Freunden zum Gourmeteinkauf in der nahen Pfalz nachzufahren. Dementsprechend war der Laden hier leer. Wo ich einst fangfrischen Hecht, Zander oder Spezialitäten wie Lotte bekam, roch das Angebot diesmal wenig vertrauenserweckend. Es müffelten Filets aus globalen Kloaken, Pangasius, Nilbarsch aus jenem Sklavensee in Afrika, Crevettes aus der Zucht. Unter 20 Euro das Kilo - da ist eigentlich nur noch Dreck zu kriegen. Und weil die Elsässerin alles mundgerecht möchte, die Verkäuferinnen nicht mehr fürs Fischeausnehmen bezahlt werden, gibt's Filets, denen man nicht ansehen kann, ob die Fischaugen schon trübe waren. Was waren das noch für Zeiten, als man mit dem Fischverkäufer diskutierte und juxte und sich ein feines Menu zusammenstellen ließ, inklusive der besten Rezepte!

Das Fleisch verstecken sie gleich in Marinade, immer bunter, immer dicker, denn das bißchen, was noch roh und rein hinter der Theke liegt, hat auch schon bessere Tage gesehen. Immerhin sind sie schon so unverschämt geworden, dass sie zu Weihnachten das Wildschwein aus Osteuropa und zu Ostern die Lammkeulen aus Neuseeland gleich eingeschweißt auslegen! Auch das hat wahrscheinlich seinen Sinn, denn nicht viele Menschen können knapp 25 Euro für ein Kilo Fleisch hinblättern. Aber bitteschön, wieso essen wir eigentlich Fleisch aus fernen Ländern? In meinem Dorf verdienen sie sich die goldene Nase mit den Sonntagsjägern aus deutschen Großstädten. Wo bleiben eigentlich die Wildschweine, die sich hier viel zu sehr vermehren? In meinem Nachbardorf ist eine große Schafzucht. Wo bitte bleibt deren Fleisch? Es ist kein Aprilscherz - deren Fleisch wird exportiert.

Importiert wird dann tüchtig aus Spanien - all das totgespritzte Gemüse. Immerhin hatten sämtliche Tomaten einen echten Frostschaden, dafür sah der Brokkoli aus, als habe man ihn mit Atomkraft gedüngt. Der Salat kostet das Doppelte wie beim Pfälzer Bauern und hält dafür nur 20% so lang. Die Karotten hatten einen Ansatz zum Schwarzschimmel. Die Französinnen griffen lustig und bedenkenlos zu. Wo sind all die Leute geblieben, von denen ich so viel lernen konnte? Die mir zeigten, wie man mit der Nase Frische prüfte, wie man richtig auf Melonen klopft und wie man Schnittstellen überprüft? Wenn ich das heute mache, schaut man mich an, als käme ich vom Mars. Friss oder stirb, aber guck die Ware nicht so kritisch an!

Wenn man sie denn anschauen könnte. Ein für die Osterfeiertage aufgefüllter großer Supermarkt hat nicht mal Würfelzucker. Ein Produkt, das ich immer noch nur in Frankreich kaufe: Rohe Klumpen braunen Rohrzuckers. Aber das Zeug ist extrem viel teurer geworden. Und vor allem selten, ständig ausverkauft! Man steckt Zuckerrohr nämlich neuerdings lieber in den Tank, angeblich "bio", angeblich ökologisch. Maschinen laufen lassen mit Lebensmitteln. Was braucht der Mensch Zucker, ist doch eh ungesund, ist auch sowieso neuerdings noch eine Zuckersteuer drauf, damit man das Zeug ganz sein lässt. Damit man mehr Energie gewinnen kann. Da kassiert der Staat dann noch eine Steuer.

Vorbei auch die Zeiten, als ich fünf Sorten italienischen Espresso bekam. Heute fördert man die heimische Kaffeerösterei, die schon vor Jahrzehnten Junk in die Tüten steckte. Jetzt gibt es Wellnesscafé mit diesem Zusatzstoff und aromatisierten Café mit jener Chemiebrühe. Überhaupt wird alles mit Zusatzstoffen angereichert, mit Aromastoffen totgespritzt. Nicht einmal mehr im Pfirsichlikör für den Crémant ist Pfirsich drin. Und der Beipackzettel auf den Industrie-Croissants liest sich, als würde man Haarfärbemittel kaufen. Convenience-Food allüberall und das Choucroute oder die Köstlichkeiten im Brotteig aus der Großfabrik macht man längst in der Mikrowelle heiß. Das von mir in meinem Buch beschriebene uralte Dessert namens "Schwimmende Insel" kommt heutzutage portionsabgepackt von Nestle.

In meiner Küche liegt ein Prospekt für Hofverkauf und "Naturware". Im Nordelsass sieht's düster aus. Immerhin der Ziegenbauer, zu dem ich 40 Minuten fahre ... Dort gibt es auch eine Forellenzucht mit gar feinsten Zubereitungen und Räucherwaren, wenn man denn rund 40 Euro pro Kilo bezahlen will. Fisch aus ach so grüner Natur, so frisch, so gesund, aus reinstem Vogesenquell. Jemand gab mir den Tipp, die Supermärkte zu zählen, in denen man die Ware dieser Zucht findet, allesamt große Ketten. Die vorrätige Ware in so einem Laden mal durchzuzählen. Hochzurechnen. Zufällig kenne ich die Gewässer. Die Fläche. Pangasius lässt grüßen. Massentierhaltung im Naturpark. Und dieser miese, unappetitliche Supermarkt im Nachbarsstädtchen führt das nun auch.

Ich träume von naturbelassener Nahrung. Von Frische. Ich träume von heimischen Produkten, all diesen französischen Spezialitäten, regionalen Köstlichkeiten, die sie irgendwo heimlich verkaufen müssen - oder womöglich exportieren. Ich träume davon, mein Lammfleisch von den Schafen zu bekommen, die hier auf den Wiesen weiden. Ich träume von einem Baguette à l'ancienne, das mich nicht zum Kauf einer Brotmaschine verführt. Ich träume von Weichkäse, der nicht mehr in Stücken abgepackt in Folie schwitzt, weil man sich das Personal spart. Ich träume von Agrarprodukten aus dem Agrarland Frankreich, nicht vom Raubbau für "Biobenzin". Im Fernsehen kommen immer häufiger kritische Berichte, die einem das Vegetarierdasein schmackhaft machen sollen. Aber was bitte soll ich dann essen, wenn die Pflanzen genauso geschunden werden, wenn auch das Fleischlose zum Rattenfraß verkommt?

Wein habe ich gekauft. Damit kann man sich den unsäglichen Zustand der heutigen französischen Küche zum Glück immer noch schöntrinken. Die UNESCO wird wissen, warum sie die Französische Küche wie eine bedrohte Tierart unter Schutz gestellt hat. Solange uns die Nahrungsmittelindustrie derart fest im Griff hat und auf unsere Kosten zockt, gleicht sich die Misere weltweit an. Pangasius for everyone.

2. April 2012

Eiersuche, jetzt!

Na, wer findet das Osterei im "grünem Gras" auf diesem Blog? Kleiner Tipp: Es ist viereckig. ;-)

1. April 2012

Reiche fette Hungerleider

Woher kommt eigentlich dieser Gedanke, man könne sich mit Lust verschenken? Aus der Liebeslyrik des 19. Jahrhunderts oder aus der Bibel? Nun mag es ja angehen, dass man Liebe verschenkt, weil die sich dann auch so schön wundersam vermehrt und weil es andersherum Prostitution wäre. Aber schon Jesus hat nur deshalb so selbstlos durch die Lande ziehen können, weil er in seinem Gefolge jede Menge begeisterter Mäzene hatte. Die Sache mit Luft und Liebe fühlt sich irre gut an, aber von Luft und Liebe allein kann Homo capitalensis bekanntlich keinen Kühlschrank füllen. Verschenken im Privaten ist schön, aber es gibt Grenzen.

Wo diese Grenzen für TexterInnen liegen, zeigen zwei sehr schöne Beispiele, die ich jedem Autor und jedem Nutzer von Texten wärmstens ans Herz lege. Carla Berling regt sich herrlich unterhaltsam über Veranstalter auf, die die Chuzpe haben, Auftritte für umme abgreifen zu wollen. Und Kathrin Elfmann gibt ein dreistes Agenturgespräch wieder mit einem, der ihre Arbeit geschenkt haben möchte. Zufall, dass so etwas häufiger Frauen passiert, die ohnehin sehr viel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen - für gleiche Arbeit und gleiche Leistung?

Mir passiert das auch. Immer häufiger. Ich würde ja derart professionell, journalistisch, wertvoll, unterhaltsam und mit Tiefe bloggen! Ich sei ja so gewandt in Social Media, eine wahre Zauberin der Kontakte!
Nach so viel Honig ums Maul frage ich immer kritisch, worum es denn gehe.
Man könne sich ja so viel vorstellen! Was dann kommt, hört sich ähnlich an wie im Beitrag von Kathrin Elfmann. Es klingt fast nach Imperium, vom Bloggen bis zum Management der gesamten Social Media Aktionen. Ich weiß schon kaum, wie ich einen derart anspruchsvollen Großkunden in meine täglichen Arbeitsabläufe einbauen kann. Immerhin komme ich durch Hartnäckigkeit wenigstens so weit, dass die Leute sich ein Preisangebot machen lassen. Ich bin nicht teuer. Ich arbeite aber auch nicht zu Dumpingpreisen. Man kann mit mir reden - für Dauerkunden und Großaufträge rechne ich günstiger.

Und dann passiert es:
  • Ich höre nie wieder von dem potentiellen Kunden, nicht mal ein Dankeschön für die Arbeit, die in einem individuellen Angebot steckt.
  • Der Kunde ist lautstark entsetzt, wieso ich von ihm Geld will für etwas, das ich doch jeden Tag privat verschenke.
  • Der Kunde regt sich auf, wie ich so irre sein kann, für einen lausigen Blogbeitrag und ein bißchen Fun bei Facebook und Twitter auch noch Geld zu verlangen, das könne doch heutzutage jeder!
  • Der Kunde bietet mir Ehre, Ruhm, Karrierechancensteigerung oder vielleicht ein Belegexemplar als Entlohnung an.
  • Und manche Kunden bieten mir sogar an, Beiträge aus meinen Blogs für umme abzugreifen, denn die hätte ich ja schließlich schon mal geschrieben und drum täte es mir doch nur gut, wenn die auf einer Firmen-Website erschienen.
Nein, es sind nicht die Piraten und die sogenannte Netzgemeinde, die Texter derart abzocken wollen. In meinem Fall - wie bei vielen anderen Kollegen auch - sind es vor allem große Internetplattformen, dicke Agenturen, Luxusfirmen und sogar Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Nein, es geht nicht um Urheberrecht, sondern um unsere Nutzungsrechte, die nicht etwa Leserinnen und Leser geschenkt haben wollen, sondern die Verwerter. Und die werden immer dreister.

Und nein, das mit den Verlagen ist kein Jux. So wie sich Buchhandlungen nicht zu schade dafür sind, Autoren zum kostenlosen Auftritt überreden zu wollen, so bekommt man sogar als ausgebildete Journalistin von potentiellen Arbeitgebern derart unlautere Angebote. Ich könne mir doch mit ihrem Blatt einen richtig schönen Namen machen, müsse nur schauen, in welch erlesener Riege ich da meine Kolumne schreiben dürfe, das färbe schließlich auf meinen Erfolg ab. Allein die Kontakte und der Name des Blattes, das sei pures Gold! Es handelte sich nicht um ein Anzeigenblättchen, sondern um ein Hochglanzmagazin.

Durchgeknallt sind diese Typen. Absolut durchgeknallt. Bin ich Jesus? Und selbst der hat die unverschämten Feilscher aus dem Tempel gejagt.