cronenburg

Inspirieren - Kreieren - Faszinieren

Seiten

▼

30. November 2011

Frei-Tag

Madame erholt sich, holt sich einen heiligen Weihnachtsschrecken und ist ganz gespannt auf eine Nijinsky-Rezension, die morgen*** erscheinen soll. Bleibt brav.
Sie ist erschienen.

Und eben ein neues Feature bei Blogger entdeckt - ich kann jetzt Links setzen, die auf eine neue Seite führen. Dadurch muss keiner mehr durch Linkklicken mein Blog verlassen.
PvC um 14:55 Keine Kommentare:

27. November 2011

Saumäßig

... stolz bin ich auf mich. Saumäßig ist auch, was vor mir liegt: 12 Seiten Kauderwelsch-Formulare der feinsten Sorte, denn nicht einmal die Franzosen können mir erklären, was genau darin steht. Und ich habe bis auf zwei Punkte alles allein durchgewurstet. Mit Wörterbuch und Deppenlogik, wozu bin ich Übersetzerin, wozu trainiere ich als Autorin ständig Empathie auch noch für den miesesten Antagonisten. Ein Packen Papier liegt da, inklusive Adressen und Belege all meiner Klienten aus zwei Jahren und jeder einzelnen Zahlung, nebst Geburtsurkunde, Angaben über die Elterngeneration und Aufenthaltsgenehmigung. Noch nie habe ich eidesstattlich so stattlich viel erklärt. Dat jeht dann mal nach Paris. Und dann machen die in Paris mit denen in Strasbourg rum. Und dann werde ich hoffentlich irgendwann mal endlich wieder krankenversichert, bevor ich gestorben bin.

Künstlersozialkasse à la francaise.
Suche Land, in dem man fürs Künstlerdasein nicht bestraft wird.
Und schädige jetzt erst mal meine Leber mit einem Glas Billig-Weng-Mussöh und höre mir das Verröcheln des Zaren in Boris Godunov an. Feine Oper für Amtsgeschäfte! (Im Video übrigens der meiner Meinung nach beste Darsteller - Boris Christoff)

PvC um 19:39 2 Kommentare:

26. November 2011

Schwimmende Bücher

Gestern war es so weit. Ich übertrug die Buchdatei von "Faszination Nijinsky" in das Programm Mobipocket Creator, das - so heißt es - aus einem Word-Text eine .mobi-Datei erstellen soll - das Format, das Amazon für seinen Kindle nutzt. (Nebenbei: Das eigentlich weiter verbreitete Format für andere Händler und andere Lesegeräte ist epub. Aber Amazon ist im Moment am dicksten im Geschäft, so dass sich das für Anfänger lohnt).

Was ich sah, war erschreckend. Das war es natürlich deshalb, weil ich mir bei der Originaldatei schier einen abgebrochen habe mit Layout und Typografie - schließlich sollte das gedruckte Buch edel werden. Wer nächtelang über solch einem Buchsatz gebrütet hat, der hat ein Gefühl für Aufteilungen und Rhythmen verinnerlicht. Deshalb saß der Schock tief: Aus meinem "Nijinsky" wurde mit einem Klick ein breitfließender Brei, ein Buchstabendschungel.

Zuerst werde ich alle Sonderzeichen ersetzen müssen - die können Reader nämlich nicht lesen. Weg mit den wunderbaren Jugendstil-Texttrennern, her mit den nichtssagenden Sternchen. Weg mit jeder typografischen Gestaltung, weg mit allen Sonderformatierungen (eine Website hat mehr!). Das Buch wirkt wie dicke Buchstabensuppe, aber unverdaulich. Nun muss es für den Reader strukturiert werden. Und genau hier setzt ein völlig anderes Denken an. Beim Reader bestimmen die Leser selbst, in welcher Schrift und Schriftgröße sie das Buch lesen wollen. Da ist es egal, ob ich mir extra eine wunderbare Schrift gekauft habe, weil sie die Zeit meines Buchs atmet und womöglich in sich schon eine Stimmung transportiert. Mein Buch muss nun in allen verfügbaren Normschriften lesbar sein.

Und dazu muss man sich mit Relativität anfreunden. Alles ist relativ. Ich bestimme nicht mehr selbst, dass eine Überschrift 14 Punkt groß ist. Der Reader interessiert sich für Relationen: Wie viele Punkt ist sie größer als der Text? 4 Punkt? Das ist wichtig. Denn stellt ein Weitsichtiger seinen Readertext auf gefühlte 14 Punkt ein, sieht er eine 18-Punkt-Überschrift.

Es gibt auch keine Seiten mehr. Der Text blubbert vor sich hin. Nur noch Kapitel erhalten am Ende einen eigenen Seitenumbruch, was auf dem Reader für eine sichtbare Pause in der Blubberei sorgt. Je nach Bildschirmgröße des Geräts stehen dann auch mal zwei Zeilen allein auf dem nächsten "Scroll", die man im Print in mühevoller Kleinarbeit extra zum Kapiteltext gebracht hat, weil sie nicht allein stehen sollten.

Ich will hier eigentlich nicht auf die technischen Unterschiede zwischen Print und E-Book eingehen. Mir fiel als Autorin nämlich ein völlig anderes Phänomen auf, das mir bisher in Untersuchungen völlig unbeachtet scheint. Es gibt inzwischen Studien, wie sich unterschiedliche Buchformen auf das Leseverhalten auswirken könnten. Hat sich aber jemals jemand damit befasst, wie sich E-Books auf das Erschaffen von Literatur auswirken könnten?

Wenn ich ein neues Buch beginne, verbringe ich am Anfang die meiste Zeit damit, den richtigen Erzählton zu finden, die adäquate Sprache und Form für meinen Inhalt. Bei mir hat das sehr viel mit Komponieren gemeinsam, denn ich bin besonders sensibel für die Klänge und Rhythmen von Sprache. Stimmt mein Ton endlich, so bekommt das Erzählte einen eigenen Atem, es wird lebendig und trägt mich über das zu schreibende Buch hinweg. Es kommt auch schon einmal vor, dass ich Sätze tanze oder klopfe, um sie besser zu spüren. Ich setze keine Absätze, weil es vernünftig wäre an einer gewissen Stelle oder weil "man" das dort macht. Ich setze sie wie Pausen in einem Musikstück, nach Klangfarbenveränderungen oder für die Rhythmik. Deshalb braucht es manchmal größere und manchmal kleinere "Blickabschnitte".

All das ist plötzlich weg, wenn ich den Text für ein E-Book umformatiert habe. Gewiss, ein Absatz ist weiterhin ein Absatz. Aber die Absätze gruppieren sich nun nicht mehr nach meinem Empfinden, sondern nach technischen Anforderungen. Der lange Atem, der auf Buchseiten sichtbar bleibt, geht verloren, zugunsten eines kurzatmigeren Rhythmus. Ich habe das Gefühl, in meinem Text zu schwimmen, in einer Unschärfe. Meine Gedanken sind nicht mehr eindeutig sichtbar, nicht mehr greifbar - etwas wie Dunst lagert sich um sie.

Natürlich kann ich meine Texte weiterhin mit ganz normalen Seiten in Word entwerfen. Natürlich muss ich ein Buch loslassen, es durch den Leser rezipieren - und nun auch optisch verändern lassen. Würde ich jedoch gleich im Hinblick auf die E-Book-Gestaltung schreiben, so würde mein Schreiben ein anderes - dessen bin ich mir sicher. Ich hätte den "Nijinsky" anders geatmet. Ich hätte meine Leser nicht mehr über die gleichen Strecken Sinneinheiten begreifen lassen. Vielleicht würde ich nicht einmal mehr von ihnen verlangen, sich über drei "Reader-Seiten" etwas zu merken.

Würde ich schnellere Literatur schreiben? Leichtere, kürzere? Würde ich noch Sätze tanzen, die in Maximalschrift - übertrieben gesagt - eine Seite ausfüllen würden? Bin ich überhaupt bereit, meine Schöpfungen an eine äußere Form von "Buch" anzupassen? Oder zwingt mich die Form eines Tages zu anderen Inhalten?

Ich glaube fest daran, dass sich das Phänomen E-Book auch auf das Schreiben selbst auswirkt. Ich habe in der Schublade extrem kurze Geschichten, die ich einmal im Scherz "1:30er" nannte. Ich wollte experimentieren, ob man eien Geschichte in der Zeit erzählen kann, die ein Nachrichtenbeitrag hat: eine Minute und dreißig Sekunden. Die Stories sind extrem schnell, sprunghaft, verrückt. Auf Papier wirkt das komisch. Sie wurden deshalb online veröffentlicht, weil man nur einmal am Bildschirm scrollen muss. Das ist für mich ideales Schreiben für den Reader. Der "Nijinsky" ist nur eine Verbeugung vor dem Publikum, das lieber elektronisch liest. Aber das ist Papierliteratur. Das ist Sprache, die Typografie und Layout verdient. Ich glaube deshalb fest daran, dass wir in Zukunft auch neue Formen der Literatur entwickeln werden - aber die alten werden deshalb nicht untergehen. Es sei denn, die Menschheit verblödet vorher noch völlig...
PvC um 11:37 11 Kommentare:

25. November 2011

Die Grünen gegen ein ganzes Ökosystem

Mein Grundsatz war bisher, im Internet keine Politik zu machen. Aber das, was jetzt kommt, klingt so absurd und verrückt, dass man es für einen Hoax halten könnte oder für das Hirngespinst eines Regimes irgendwo in Hinterasien. Leider ist es bodenständige bundesdeutsche Realität: Die Partei Bündnis 90 / Die Grünen wollen am Wochenende bei der Bundesdelegiertenkonferenz einen Leitantrag stellen, der droht, KünstlerInnen zu enteignen. Sie geben sich darin wie Möchtegern-Piraten, schließlich geht es um Wählerstimmen. Grenzenloser und superleichter, preiswerter Konsum von künstlerischen Erzeugnissen soll als Versprechen wohl noch die letzten Billigheimer hinterm Ofen vorlocken.

Der Leitantrag hat es in sich. Vollmundig und vordergründig wird behauptet, man wolle die KünstlerInnen stärken. Gleichzeitig haben sich die Grünen offensichtlich auf die Fahnen geschrieben, eines der wichtigsten Ökosysteme einer Gesellschaft zu zerstören - nämlich die Lebensgrundlage von KünstlerInnen und Kulturschaffenden. Die Ideen der Grünen klingen abstrus, sind aber brandgefährlich:
»Eine deutliche Verkürzung bzw. Flexibilisierung der Schutzfristen z.B. auf fünf Jahre muss mit der Möglichkeit der Neuverhandlung einhergehen. Das bedeutet: Eine fünfjährige Schutzfrist ab Veröffentlichung mit anschließender, gebührenpflichtiger mehrmaliger Verlängerungsoption...«
Einfach gesagt: Die Grünen wollen schnell mal das in Europa hart erkämpfte Urheberrecht auf fünf Jahre herunterbiegen. Danach muss man für das Urheberrecht entweder löhnen - oder ein anderer löhnt und bereichert sich an den künstlerischen Erzeugnissen. Ja, das muss man sich langsam im Hirn zergehen lassen!

Das ist aber noch nicht alles. Wer das Geschwurbel aufmerksam liest, wird noch andere Überlebensleckerli für Künstler und Kulturschaffende finden. So werden die Plattformen in ihrer Macht gestärkt, die jetzt schon die Milliarden verdienen, Contentpiraterie soll von jeglicher Strafverfolgung befreit werden und die öffentlich-rechtlichen Sender sollen verpflichtet werden, ihre gesamten Archive kostenlos öffentlich zu machen. Auch die nicht-kommerzielle Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken soll künftig nicht mehr der Zustimmung des Urhebers bedürfen - jeder soll mit den Werken anstellen können, was er will, sofern er kein Geld verdient. (Nur mal ein Beispiel angedacht: Ich kann dann künftig aus "echten" Büchern Copy & Paste-Texte basteln und kostenlos ins Netz stellen, ohne deren Urheber fragen zu müssen.)

Der einzige Trost bei diesem Enteignungswahnsinn mag sein, dass der Leitantrag politisch derart unausgegoren ist, dass er auf europäischer Ebene nur lächerlich wirken kann, würde sich Deutschland in Sachen Urheberrecht derart isolieren. Trotzdem - was auf Parteitagen gedacht und beschlossen wird, bekommt bekanntlich schnell Junge. Als Betroffener kann man sich nicht früh genug wehren. KünstlerInnen und Kulturschaffende sollen mit einer wolkig angedachten Art von Kulturflatrate abgespeist werden. Sie verlieren aber nicht nur ihre Lebensgrundlage. Sie verlieren - sollte so ein Unsinn Politik werden, das wichtigste immaterielle Gut eines Künstlers: die Fähigkeit, über das eigene Werk zu entscheiden, die Schöpfungsmöglichkeiten in eigenen Händen zu halten.

So aber wird Kunst zum reinen Kommerz, nach Trockenlegung des Biotops der Künstler haben wir dann künftig "Contentbastler" und fröhliche Verwerter. Totaler Konsumismus nun also auch bei den Grünen, politischer Klimawandel. Geiz ist geil! Was braucht eine Gesellschaft Kulturschaffende, wenn sie seltene Tierarten schützt? Für mich sind die Grünen mit diesem Antrag unwählbar geworden. Dass ich sie in der Vergangenheit schon gewählt habe, dafür schäme ich mich.

Der Protest aus Kulturkeisen formiert sich. Gebt die Informationen weiter und beschwert euch - sofern zu den betroffenen Berufen zählend - direkt bei den Grünen. Denkt daran: Kommentare in diesem Blog nützen nicht viel - schenkt sie den "Urhebern" dieses Leitantrags. Macht eure Bedürfnisse öffentlich.
Mein Beitrag geht außerdem an den Verband deutscher Schriftsteller.

Linktipps:
  • Der Protest des Verbands der Drehbuchautoren
  • Der Protest des Verbands der Komponisten (pdf)
  • Die Facebookseite der Grünen für Feedback
  • Die taz vermeldet, der Vorstand wolle "weichere Formulierung vorschlagen" - man hat Angst vor Kritikern. 
update:


Es geht nicht um das Urheberrecht nach dem Tod, sondern eindeutig zu Lebzeiten. Die taz schreibt dazu (Link oben):
"Bisher schlägt er (der Parteivorstand) bei neu entstandenen Werken "eine fünfjährige Schutzfrist ab Veröffentlichung" vor. Künstler und Autoren sollten diese Frist mehrmals gebührenpflichtig verlängern dürfen.
Diesen Passus will der Grünen-Vorstand streichen. Stattdessen wird er den 900 Grünen-Delegierten, die sich ab diesem Freitag in Kiel treffen, eine weichere Formulierung vorschlagen. In dem Text ist dann nur noch von einer "deutlichen Verkürzung und Flexibilisierung der Schutzfristen" die Rede, wobei den UrheberInnen mit Verlängerungsoptionen entgegengekommen werden soll"
UPDATE:

Der DJV informiert über die Beschlüsse des Wochenendes und stellt eine Linkliste zum Thema zur Verfügung. Demnach haben die massiven Proteste offensichtlich Wirkung gezeigt und die wahnwitzige 5-Jahres-Regel ist vom Tisch. Insgesamt hat sich inhaltlich jedoch nicht viel am Konzept geändert. Ich würde mich freuen, wenn noch mehr betroffene Verbände endlich aufwachten...

Die Fotografenvereinigung Freelens: Grüne Piraten vergraben den Kulturschatz
Eine Stellungnahme des VS konnte ich bis heute (1.12.11) nicht finden.
    PvC um 12:13 11 Kommentare:

    23. November 2011

    Das waren noch Utopien!

    Der leider schon verstorbene polnische Schriftsteller Stanislaw Lem wäre heute 90 Jahre alt geworden. Anlässlich seines Jubiläums hat sich Google heute mit seinem Doodle selbst übertroffen. Es ist eine Mischung aus Kunst, interaktivem Spiel und Intelligenztraining - unbedingt noch heute anklicken!

    Die wenigsten Fans seiner Science-Fiction-Romane wissen, dass Lem auch ein bekannter Essayist und Philosoph war. Und was für ein Utopist! Ebook Friendly hat eine Passage aus einem seiner Klassiker von 1961 ausgegraben, wo er seine Idee vom Buchladen der Zukunft beschreibt. Mr. Spock würde beim Lesen die Augenbrauen hochziehen und sagen: "Fas-zinierend!"

    Wenn wir doch solche Visionäre heute noch in der Buchbranche hätten! Die streitet sich 50 Jahre später um das "Prinzip Buch".
    PvC um 15:58 2 Kommentare:

    20. November 2011

    Das Trüffelschwein schnüffelt

    Es gibt Leute, die legen Tarotkarten oder schauen in Kristallkugeln, um in die Zukunft zu sehen. Ich habe ein ähnlich schlimmes Laster - ich schnüffle gern nach Talenten, aus denen einmal etwas werden könnte. Nicht, dass sich jetzt alle Unentdeckten dieser Erde bei mir melden - das funktioniert garantiert nicht! Nein, ich muss zufällig "über Leute fallen" und dann muss zufällig mein rechter kleiner Finger jucken. Wenn er ganz fürchterlich juckt, versteige ich mich in einer Kritik schon einmal zu waghalsigen Prophezeiungen nach dem Motto: "Den Namen wird man sich merken müssen!"

    Zum ersten Mal ist mir das passiert, als ich fürs Feuilleton mit ein paar wortkargen Jungs Bier saufen musste (was tut man nicht alles für den Beruf), damit die Jungs gesprächig genug für ein Interview werden würden. Eigentlich hatten sie wahrscheinlich nur Lampenfieber, denn ihre Band war absolut neu, absolut unbekannt und die Journalistin in der braven Bürgersstadt sah auch nicht aus, als schlage sie sich regelmäßig die Nächte auf Rockkonzerten um die Ohren. In der Redaktionskonferenz am nächsten Tag schauten mich die Kollegen überrascht an. Ich hatte mich dazu verstiegen, der Öffentlichkeit kundzutun, sie würde sich den Namen "Fury in the Slaughterhouse" dringend merken müssen. Das war 1987.

    In loser Abfolge ist mir das immer wieder einmal passiert. Ich kann frech behaupten, einige große Schauspieler, Regisseure oder Musiker seien von mir entdeckt worden. Aber nein, das wäre natürlich vermessen, denn groß wurden sie ja nur, weil eine ausreichende Masse von Menschen sie und ihr Talent wahrgenommen hat. Außerdem irre ich mich extrem oft. So mancher ist heute sehr berühmt, über den ich stöhnte: "Wie kann man nur so einen seichten Trash auf Publikum loslassen?" Ich formuliere also um: Ich habe mich mit meiner Meinung in Kritiken oft schneller aus dem Fenster gelehnt, als andere Kollegen sich das getraut haben. Mit einer höheren Treffsicherheit als beim Tarot - immerhin.

    In diesem Jahr ist es wieder passiert. Dem Trüffelschwein juckte unversehens mehrmals der rechte kleine Finger. Einmal lief er sogar heiß, aber vergebens, denn das traumhaft spielende Szymanowski Quartett ist bereits international bekannt und renommiert (Geheimtipp: im nächsten Sommer wieder beim Internationalen Musikfestival in Wissembourg zu hören).

    Ich möchte in loser Folge hier im Blog meine Entdeckungen des Jahres vorstellen. Das Feuilleton hat sie noch nicht entdeckt, aber das mag daran liegen, dass das Feuilleton sich heutzutage keine Trüffelsuche mehr leistet und lieber risikolos bringt, was alle bereits kennen. Es handelt sich bei meinen Entdeckungen um einen Ausnahmemusiker und zwei Literaten. Die beiden Literaten fallen voll in mein Beuteschema der Zufälligkeit. Das eine Buch bekam ich von einer Freundin geschenkt, hätte ich mir vom Äußeren her nie gekauft, hätte ich wahrscheinlich auch in kaum einer Buchhandlung gefunden. Über den anderen Autor stolperte ich zufällig bei Facebook, irgendwie hatte er es mit einem Satz an die Allgemeinheit geschafft, dass ich mir seinen frechen Buchtrailer anschaute. Der war wirklich so frech, dass ich die Leseprobe suchen musste, rein aus Trotz. So schnell habe ich noch nie ein Buch bestellt. Ein Buch, dass man auch kaum im Laden finden mag. Aus beiden Literaten kann etwas werden, wenn sie so weiter machen. Und wenn sie es schaffen, dass dieser verdammt schwierige Markt auch auf sie aufmerksam wird.

    Der Ausnahmemusiker ist ein junger Cellist. Dem bin ich zufällig am Freitag live begegnet und habe bei seinem Spiel Herzrhythmusstörungen bekommen, weil ich vergessen habe zu atmen. Ich bin an sich nicht so leicht zu begeistern, aber für das, was er auf seinem Instrument lebt, würde ich gern noch ein paar Mal aufs Atmen verzichten. Konstantin Manaev - den Namen sollte man sich merken - über den habe ich hier geschrieben.



    Dass ich in diesem Jahr nur von Männern begeistert war, ist übrigens Zufall. Mein kleiner Finger schaut grundsätzlich nie aufs Geschlecht. Aber das einzige weibliche Talent, das mich nach wie vor umgehauen hat, ist die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk - und die ist nun auch endlich in Deutschland berühmt. Ein neues Buch (Original 2009 erschienen) ist gerade übersetzt worden.

    Et voilà - demnächst in diesem Hause: Ein junger Schriftsteller, dessen orientalische Sprachwucht sich ebenfalls aufs Atemzentrum auswirkt - und ein gemächlich gehender Literat, der die feine Psychologie einer Altersliebe erwandert.

    PS: Wie das Leben so spielt, bin ich eben über eine Journalistin gestolpert, die ich ebenfalls mit ihrem Buch vorstellen will. Weil sie ein journalistisches Genre glänzend beherrscht, für das sich immer weniger Zeitungen Zeit nehmen.

    Ich sage es noch einmal deutlich: Mich bitte jetzt keinesfalls mit Eigenwerbung oder irgendwelchen künftigen, noch ach so unentdeckten Bestsellern zuschütten! Daraus wird nichts!!! Im Laufe meines Berufs als Kritikerin habe ich ohnehin immer wieder feststellen dürfen, dass die billigen Jakobs, die Selbstüberzeugten, die großen Zampanos immer klein blieben. Manche haben mit dieser Haltung sogar das letzte bißchen Talent getötet, das sie vielleicht gehabt hätten.
    Außerdem bin ich nur ein kleines Licht. Das große Feuilleton muss Menschen entdecken und dann müssen sie alle darüber schreiben. Erst dann werden die Konsumenten wach...
    PvC um 12:53 Keine Kommentare:

    16. November 2011

    Babylon, zu Tisch!

    Erst vor wenigen Wochen habe ich aufgrund einer deutschen Studie mit großem Erstaunen festgestellt, dass ich in meinem Geburtsland ein "Mensch mit Migrationshintergrund" bin, "weil mindestens ein Elternteil nach 1950 ins Land kam". Ich könnte mich jetzt theoretisch als Äffchen an deutsche Talkshows verkaufen und richtig Quote machen, weil ich obendrein in Frankreich eine echte Immigrée bin. Einfach so eingewandert, ohne zu fragen.

    Komisches Gefühl, so ein Migrationshintergrund. Ich ertappe mich, wie ich mich öfter unvermutet umdrehe, weil ich glaube, ihn so überlisten zu können. Ich bevorzuge neuerdings die Mittagssonne, weil man da kleinere Schatten schlägt. So ein Hintergrund kann lästig sein, wenn nur andere mit dem Finger darauf zeigen können und man selbst nichts sieht. Ein halbes Jahrhundert weile ich nun schon auf dieser Erde und dachte bisher, es sei völlig normal, dass sich meine Vorfahren wild durcheinander verliebten, kloppten, umarmten oder verjagten. Der Großteil ging sogar freiwillig, ratzfatz aufs Schiff, und vielleicht sammelten deshalb meine Eltern alte Koffer, obwohl sie so gut wie nie verreisten. Von solchen Familien soll man Deformationen bekommen, zwischen allen Stühlen sitzen, heißt es. Chancengleichheit gibt es nicht. Man kommt entweder in die Psychiatrie oder im deutschen Bildungssystem um, wer das überlebt, wird Gegenstand bei Schnurrbartträger Sarrazin oder Schriftsteller.

    Ich hatte also Glück. Meine Migrantenmutter keifte über die deutsche Grundschule, weil ich dort mein gestochen scharfes Hochdeutsch gegen breitestes Badisch einwechselte. Ein Gang durch meine Küche heute bewies mir allerdings, dass ich doch nachhaltig einen an der Waffel habe. Man deformiert in der Tat schon bei den Grundbedürfnissen des Magens. Nach dem letzten Einkauf könnte man meinen, ich wolle die Bauarbeiter eines gewissen orientalischen Turmprojekts beherbergen. "Rote Linsen" stehen neben handgesammeltem "Thym". In der Kühltruhe schmiegt sich französisches "Poulet" an echt polnische "Kasza". Das Gewürz "Hmeli-suneli" habe ich gleich zweimal gekauft, wegen des schönen Namens und des exotischen Geschmacks. Aber weil das eine Tütchen für meine englische Freundin ist, hab ich es mit Angelsachsensprache beklebt.

    Ich weiß bis heute nicht, wie sich meine "Baies roses" auf Deutsch übersetzen ließen - solange sie auf norwegischem Lachs oder estnischem Zander schmecken, ist mir das auch herzlich egal. Aber ich streue ja auch in meinen Reis aus der Camargue "Poudre à Colombo" und kaufe grundsätzlich in jedem Land immer nur "Pasta". Trotzdem ist etwas plötzlich anders in meiner Küche. Ich beschrifte mein babylonisches Genussreich auch noch in seltsamen Buchstaben! Steht da doch tatsächlich eine Dose mit der Aufschrift - vom Klang her gelesen: "Priprawa dlja warki pelmenij". Für die armen Tröpfe unter meinen Gästen, die immer nur in einem Land festklebten - das ist das Gewürz, das man in die Brühe von russischen Maultaschen streut. Oder waren es Ravioli? Egal. Es gibt auch Essen mit Migrationshintergrund. Nudelteig mit Füllung etwa, oder Sauerkraut oder Pasteten. Jeder deklariert es zu seiner Nationalspeise und viele Nationen kochen es. Manche sogar mit Reinheitsgebot. Pardon, ich komme vom Thema ab. Diesen Handlungsstrang überlassen wir mal dem Verfassungsschutz.

    Meine Küche jedenfalls ist schlauer als ich. Sie zeigt mir, dass ich mal wieder heimlich eine Sprache lerne. So fing das mit dem Französischen auch an, bei du vin, du pain et du boursin (gesprochen: du weng, dü peng edü bursäng). Natürlich lerne ich nicht schon wieder eine neue Sprache, langsam müsste ich ja genug haben und angeblich lernt man im Alter auch nichts mehr dazu. Außerdem habe ich weder Zeit noch Energie dazu. Nein, ich kann auch nicht noch in Lehrbücher schauen. Russische Filme mit Untertiteln schaue ich nur aus Versehen an. Kann ich was dafür, wenn plötzlich so viele gezeigt werden? Natürlich werde ich keine Maultaschen kochen, ich doch nicht! Das Schwäbische ist die einzige Sprache, die ich garantiert nie mehr lernen werde. In meiner Studentenzeit mischte ich bei einer Tübinger Petition mit, die Professoren verpflichten sollte, im Unterricht endlich halbwegs Hochdeutsch zu reden. Wegen der Kinder mit Migrationshintergrund. Früher sagte man dazu noch Hamburger, Frankfurter oder Berliner. Was soll ich sagen: Die Petition scheiterte, ich machte es bald meinen Vorfahren nach - ich packte die Koffer.

    Zum Sprachenlernen habe ich keine Zeit. Und keinen Kopf. Und weil ich keinen Kopf habe, merke ich gar nicht, dass ich mir einfachste Lesetexte in komischen Buchstaben hinlege. Nijinskys Tagebücher im Original. Ich bilde mir ein, wenn ich die so lange lese, bis ich sie verstehe, dann muss ich mir keine Zeit zum Sprachenlernen nehmen. Ob ich in jener ominösen Brühe Buchstabennudeln kochen sollte? Und anschließend diese Buchstaben mit dem deutschen Namen "Russisch Brot" zum Dessert? Wenn Liebe durch den Magen geht, müsste man doch auch Fremdsprachen einfach verdauen können? Nein, nein, ich lerne kein Russisch. Ich habe gar keine Zeit zum Sprachenlernen! Und keinen Kopf!

    Das komische Ding, das heimlich in der Küche im Wörterbuch blättert, was "poulet" auf Russisch heißt, das bin nicht ich. Ich schwöre. Davon wüsste ich etwas. Schließlich bin ich eine vielbeschäftigte Frau. Ich glaube ja, es ist mein Migrationshintergrund. Weil ich immer in der prallen Mittagssonne spazierengehe, hat er sich wahrscheinlich von mir gelöst. Und führt jetzt ein jämmerliches Schattendasein in meinem Gewürzregal. Dort muss es ihm irgendwie langweilig geworden sein, so ohne Koffer in der Hand und Schiffspassage. Der Kerl ist echt zu bedauern! Dreht grünes Zeug in der Hand, zieht es mir an der Nase vorbei und schimpft: "Du wirst dir das alles merken, du sagst das jetzt nach! Sprich mit mir - aneth, Dill, koperek, ukrop!" - "Und wie, verdammt noch mal, soll ich das meiner englischen Freundin erzählen?", brülle ich zurück und renne, so schnell ich kann, davon.

    Lassen Sie sich nie einen Migrationshintergrund aufschwatzen. Die Dinger sind unhandlich, frech, lichtscheu und eigentlich wirklich nur in deutschen Talkshows zu gebrauchen. Außerdem habe ich Angst, mein Migrationshintergrund könnte beim nächsten Waschen eingehen. Oder sich zu sehr in den Vordergrund drängen.
    PvC um 14:17 4 Kommentare:

    15. November 2011

    Lesebefehl

    Ein paar Lesetipps muss ich dringend und sofort loswerden:

    Andreas Winterer (Autor des höchst vergnüglichen Buchs "Scott Bradley: Blondinen, Blobs & Blaster-Schüsse") deckt auf, was Buchautoren, Dominas und Fensterputzer gemeinsam haben. Das passt zu den paläontologischen Forschungen Nikola Hotels, die der seltsamen Spezies "Der gemeine Autor" mit der Lupe auf den Leib rückt. 

    Harald Martenstein erklärt in seiner ZEIT-Kolumne kurzweilig, wie Mainstream entsteht und warum es wichtig sein kann, sich rar zu machen oder trotzig zu werden.
    PvC um 15:26 Keine Kommentare:

    13. November 2011

    Nebelwaten, Medienstraucheln

    Kaum fährt man seinen Ausstoß an Blogartikeln herunter, machen sich die ersten Sorgen um die Autorin. Natürlich diejenigen, die mich sonst als erste fragen: "Wie machst du das nur, so viel zu schreiben?" Also mal ein kleiner Trösteartikel zwischendurch, aus den nebligen Tiefen der Verinnerlichung ...

    Die kommt nicht wegen des Wetters zustande, sondern weil ich in regelmäßigen Abständen einen Schritt zurücktrete von dem, was ich so mache, und nachdenke: Hat es einen Sinn? Sollte ich irgendetwas ändern?

    Stoff zum Innehalten bietet einem das Leben reichlich. Die ersten Übersetzerinnen in meinem Bekanntenkreis müssen umschulen, weil unsere Berufsbedingungen immer lausiger werden. Ein Buchautor in meinem Bekanntenkreis mit mittlerem Renommé kann sich nur deshalb über Verlagsverträge freuen, weil er sich auf das Spiel einlässt, inklusive Pseudonym alle halbe Jahre einen Roman "herauszuhauen". Dafür tut der Verlag absolut nichts für die Bücher und seine Ehefrau verdient das Geld, um die Familie zu ernähren. Eine Kollegin mit sehr großem Renommé und Bücherpause hat endlich einen winzig kleinen Verlag gefunden. Alle anderen, inklusive mehrerer Agenturen, haben sie jahrelang am langen Arm verhungern lassen, mit der Begründung, ihre Bücher seien zu leise und anspruchsvoll, das könne man sich heutzutage nicht mehr leisten. Zwei Buchhändler in meinem Umfeld, die letzten unabhängigen, kämpfen ums nackte Überleben, weil das Feine, das Leise, das Besondere von der Massenware der Kettenkonkurrenz überbrüllt wird. In so einer Welt werde ich dann immer wieder gefragt, warum ich so viel blogge. Schreiben ist für mich atmen. Ich muss schreiben. Ich stelle ja auch nicht das Atmen plötzlich ein. Mein Blog ist oft die letzte freie Form im Freiberuflerleben. Das kaum mehr Freiräume bietet.

    Und natürlich gehöre ich zu der übel berechnenden Sorte Mensch, die nichts, was viel Arbeit macht, umsonst tut. Ich trete zurück und betrachte mein Schreiben im Internet: Was bringt mir wirklich etwas, wo vergeude ich nur Zeit? Das Experiment, sich die immense Blogarbeit durch freiwillige Spenden finanzieren zu lassen, ist kläglich gescheitert. Meine Artikel übers Self Publishing wurden von einer riesigen Leserschaft konsumiert, die sich sonst keinen Deut für meine Arbeit interessiert. Die Konsequenz ist einfach: Einer reinen Abgreifgesellschaft macht man die Reaktion in Zukunft eben etwas leichter. Die Artikel mit der großen Recherche, die Ratgeberqualität haben, landen künftig im Kindleshop und nicht im Blog. Die Bücherselbstbastler werden mir jetzt in Scharen davonrennen, aber Zahlen sind nicht alles. Die wirklich interessierten Leser bleiben.

    Überhaupt ist das seltsam mit den Zahlen - und darüber denke ich derzeit auch nach: Was bringen Social Media tatsächlich? Wo muss man dabei sein, wo macht man sich nur selbst etwas vor? Ein bißchen ist es wie in der New Economy - bald wird die Blase wohl platzen. Meine Statistiken erzählen davon, dass die Menschen müde sind, sich auf zig Plattformen verströmen zu müssen, sich von Informationen und Kommunikation zuballern zu lassen. Ich selbst schaffe meine Mails und Nachrichten nicht mehr - zu viele kommen herein. Seit einigen Monaten sinken die Zugriffszahlen im Blog, die durch Facebook einst reichlich kamen, rapide. Das liegt nicht nur daran, dass viele zu Google+ gehen. Es liegt daran, dass im Blog die treuen Leser bleiben, aber in Social Media nur noch geklickt wird, was schrill oder schrullig ist. Man fühlt sich zugebaggert von all den Links. Wie viel Texte soll man denn noch lesen? Auch bei Twitter werden Verlage plötzlich still.

    Es geht so nicht weiter. Wir werden an unserer Textvermüllung irgendwann ersticken. Und was bringt das Vernetzen? Zugegeben: Nette Leute. Um die man sich dann mehr kümmert als um die Freunde, die still und ohne Internetaktivität ein ganz anderes Leben leben? Manche Internetbekanntschaften werden zu Freunden - und dann ist die schnelle Kommunikation nebenher bereichernd. Aber Kunden? Aufträge? Wichtige berufliche Connections? Ich arbeite nun wirklich intensiv in Internet-Netzwerken seit den ersten Stunden. Bisher hatte ich nur einen einzigen Auftrag, der virtuell zustande gekommen war. Die BBC entdeckte damals meine zum Glück englischsprachige Website und damit eine Fachfrau für ihr Thema. Es folgten eine Mail, ein Telefonat und sofort der Kontakt im echten Leben. Ansonsten folgten nur eine Menge unredlicher Angebote. Von Kunden, die meinen, bei "virtuellen" Kontakten keine ordentlichen Honorare zahlen zu müssen. Von Kunden, die im Internet Dumme suchten. Von Kunden, die sich aufwändige Kostenvoranschläge machen ließen und von denen ich daraufhin nie wieder etwas hörte.

    Mein Beruf findet nicht im Internet statt - das mag bei Leuten in Metropolen und in anderen Berufen ganz anders aussehen. Meine Website ist die wichtige Visitenkarte, um Echtlebenkontakten schnell Informationen liefern zu können. Suche ich nach den Menschen, mit denen ich tatsächlich arbeite, bei Facebook oder in anderen Netzwerken - Fehlanzeige. Und man kommt übrigens auch nicht leichter an einen Lektor heran, nur weil man bei Facebook mit einem Verlag befreundet ist - man kann allenfalls leichter erfahren, wer für die Ablehnung von Manuskripten zuständig ist. Auch hier: Echtlebenmaloche. Nur Leserinnen und Leser findet man per Social Media. Wenn man es richtig macht. Und sich nicht verzettelt. Im Zeitalter der unsichtbaren Bücher im Buchhandel ist das wichtig.

    Mein Fazit des großen Experiments: Ich bin bei Twitter stiller geworden und finde dort die meisten Menschen, die mich interessierten, kaum noch vor. Der Twitterhype ist vorbei. Die kommerziellen Werbemüllspucker unter den Followern sind nicht mehr zu ordnen. Aber man findet immer noch neue Blogleser, mit sehr geringem Zeitaufwand.

    Facebook ist zu einer Quasselbude geworden. Manche preisen das als "human relations" oder so ähnlich. Aber Quasseln kann ich eigentlich besser am Telefon mit den Leuten, die mir wirklich wichtig sind. Da muss ich keiner Datenkrake unendliche Informationen und Daten in den Rachen werfen. Facebook ist gefährlich - zumindest für Kommunikationsjunkies wie mich. Man verzettelt sich. Ich verbringe dort zu viel Zeit. Also wird auch das auf ein Niveau heruntergefahren, das mit meiner Arbeit verträglich ist. Und wer weiß, vielleicht erübrigt es sich irgendwann von selbst. Google+ ? Viele wollen mich überzeugen. Nein. Nicht noch ein Netzwerk, nicht noch einmal diese Aufbauphase - für was? Ich bin auf dieser Welt, um Bücher zu schreiben, nicht um Social Media zu bestücken.

    Und was, wenn wir sie überhaupt nicht bräuchten? Wenn wir uns das nur einbilden? Ich rate immer wieder, die eigene Website und / oder das eigene Blog als Zentrum der Eigendarstellung zu behalten. Nur dort hat man die eigene Datenhoheit. Social Media können ein Werkzeug sein, um Menschen auf die eigenen Seiten zu locken. Und wenn auch das eingebildet ist?

    Ich habe ganz lustig nebenbei mal schnell ein Blog gebastelt, das mit einem Teil meines Brotberufs zu tun hat und gar nicht für die breite Öffentlichkeit gedacht ist - Zwischen den Stühlen. Dementsprechend finden sich da auch erst drei kleine Beiträge, denn es ist nicht mehr als ein öffentliches Notizheft für mich, unregelmäßig bestückt. Wie erstaunt aber war ich von den Zugriffsstatistiken! Noch mit keinem Blog habe ich diese Anfangszahlen erreicht. Von Twitter kommt niemand. Von Facebook eine lächerliche Minderheit. Die meisten Leute finden es durch dieses Blog hier und durch Google. Noch mehr Menschen aber kommen von der größten russischen Suchmaschine. Und sie kommen wieder, sie geben deutsche Suchbegriffe ein. Auch so kann man zu seinem Zielpublikum finden: Durch Inhalte. Wie einfach eigentlich. So wenig Hype nötig, so wenig Verzetteln und Quatschen.

    Und genau das ist es, was mich nachdenklich macht. Da will ich hin. Ich will wieder mehr Inhalte, weniger "da musst du dabei sein" und "dort musst du dich vernetzen". Ich will schreiben. Nicht Fotos von missratenen Mittagessen anschauen und dumme Sprüche belabern müssen. Nicht Leuten hinterherrennen, die für die Fachinformationen, mit denen ich (zu) großzügig bin, nicht einmal ein Dankeschön übrig haben. "Kannste mir mal da helfen, kannste mal das tun?" - sie greifen nur ab, revanchieren sich nie.

    Die Blase platzt. Wir werden in Zukunft eine Menge Kotztüten brauchen. Auf uns ballert zu viel ein. Da ist zu viel laute Oberfläche. Mir ist wieder nach Inhalten, die auch leise sein dürfen. Nach Schreiben, das auch Stille vermittelt. Das einen zurücktreten lässt vom Mediengebrüll. Mir ist nach Tiefe.

    Bloggen für den harten Kern, der das mitmacht. Und hoffentlich schaffe ich es trotz Winterisolation, in den Quasselbuden dieser Welt stiller zu werden. Nicht zu verschwinden, aber abzubauen. Wer mir am Herzen liegt, wem ich am Herzen liege - wir brauchen keine fremdgesteuerten Plattformen, um das zu zelebrieren. Zum Schriftstellern braucht es vor allem eins: echtes, wahres, greifbares Leben - fernab von Medienverzerrungen und künstlichen Hypes. Ein Künstler muss immer wieder von der ach so wahren Welt zurücktreten können.

    update:
    absolut lesenswerte Antwort von The Rum Diary (deutsch)
    PvC um 14:02 20 Kommentare:

    7. November 2011

    Freuden der Backlist

    Die neuen Möglichkeiten des Self Publishing eignen sich hervorragend auch für VerlagsautorInnen, um ihre eigene Backlist zu pflegen. Denn nur noch wenige Verlage - allen voran die in der Literatur engagierten - halten heutzutage überhaupt noch eine Backlist. Die meisten Bücher werden nicht mehr für die Ewigkeit, sondern fürs schnelle Verramschen gemacht. Die "Halbwertszeiten" von Unterhaltung sinken rapide. Was sich nicht bis zum nächsten Neuerscheinungszyklus durchgesetzt hat, fliegt ins Antiquariat oder ins Altpapier.

    Kommen diverse Katastrophen der Branche hinzu, von denen ich mehrere Lieder singen kann. Mein Sachbucherstling wurde beim Stand von 4000 schnell verkauften Exemplaren im Hardcover plötzlich von einem neuen Verlagseigner aus dem Programm genommen, mein zweites Buch ging gleichermaßen durch eine Verlagsfusion unter. Die Romane wurden Opfer einer völligen Programmumstrukturierung - plötzlich war das Imprint, in dem sie erschienen waren, auf der Abschussliste - keiner kümmerte sich mehr darum. Ganz übel traf es mich mit meinem so aufwändig erarbeiteten Rosenbuch, das von der Natur her ein echter Longseller hätte werden können. Wenn es nicht kurz nach Erscheinen (!) durch Verlagsverkauf in den Besitz einer buchfremden Abwicklungsgesellschaft übergegangen wäre. Aber um Bücher muss man sich kümmern, mit Büchern zockt man nicht.

    Wenn ein Buch untergeht, weil keinerlei Nachfrage zu wecken ist, so ist das traurig, aber verkraftbar. Verschwindet jedoch ein Buch nur deshalb vom Markt, weil ein neuer Verlagseigner nicht mag, was der Vorgänger veröffentlicht hat, oder weil er sich seine Investition zusammensparen muss, dann ist das echt bitter für die Autoren. Bisher waren wir den Veränderungen durch die zunehmende Marktkonzentration hilflos ausgeliefert. Vergriffene Bücher machen keinen guten Eindruck. Wie oft habe ich mir die Frage anhören müssen, ob mein Buch so schlecht gewesen sei, dass man den Verkauf eingestellt habe. Ja, warum denn der neue Eigentümer nicht einfach nachdrucken könne? LeserInnen verstehen diese Mechanismen nicht, die ein Buch zur austauschbaren Ware wie Zahnpasta machen. Umso schöner, dass wir AutorInnen vergriffene Bücher nun selbst neu auflegen können.

    Die eigene Backlist zu pflegen, ist jedoch nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt habe. Zunächst ist zu bedenken, dass man an Layout, Satz und Cover keine Rechte hat, das also alles neu schaffen muss. Gewisse Konzernverlage versuchen neuerdings, einem bei der Rechterückgabe einen Passus aufzudrücken, man habe nur das Recht auf seinen unlektorierten Urtext. Mein Anwalt, Spezialist für Urheberrecht, hat dazu köstlich gelacht, vor allem, wenn nur Doktor Duden zu Rate gezogen wurde. Viele leisten ja nicht einmal mehr ein Lektorat, das seine Bezeichnung wert ist. Man sollte sich also nicht irre machen lassen, hier klirren vornehmlich diejenigen mit den Sporen, die gern vom Backlist- und E-Book-Kuchen etwas abhaben wollen.

    Ich rate übrigens - aus eigener leidvoller Erfahrung - sich zu jedem veröffentlichten Buch eine Endversion abzuspeichern, in der der druckfertige Text enthalten ist. Bisher war nur einer meiner Verlage so freundlich, seine Autoren mit solchen Versionen zu versorgen. Hat man diese Datei nicht, muss man, mit dem gedruckten Buch in der Hand, selbst noch einmal fleißig durchlektorieren. Es gibt nur einen Trost: Bei diesem aufwändigen Duchgang kann man sich auch von den schlimmsten Lektoratsklopsen befreien und die allerletzten Druckfehler aus dem Buch tilgen.

    Zu welcher Buchform man tendiert, hängt meiner Meinung nach vom finanziellen Aufwand ab, den man betreiben möchte. Berechnen sollte man die Chancen, die so ein "gebrauchtes" Buch noch auf dem Markt hat. Manchmal sind Bücher ja zu Recht ausgelaufen. Sehr oft können aber auch aktive Autoren neue Publikumsschichten erschließen. In Social Media und bei Auftritten aktive Autoren bringen manchmal ein Fandom mit, das ihnen ein Verlag nicht bieten konnte. Egal jedoch, wie die Ausgangslage aussieht - Verkaufszahlen wie ein Publikumsverlag wird man natürlich nie mehr erreichen.

    Kostenaufwändig ist eine Herausgabe in Papierform, selbst wenn man das recht risikolose Print-on-Demand-Verfahren wählt. Hier merkt man sofort, wenn bei Layout und Grafik geschludert wurde. Zu den Honoraren in diesem Bereich kommt die Pauschalsumme für den Dienstleister. Und jede Menge PR-Arbeit, weil diese Bücher vom Buchhandel in der Regel gemieden werden - also so gut wie unsichtbar sind. Deshalb sind Autorenwebsites so wichtig!

    Sehr viel schneller und einfacher ist ein E-Book zu haben. Hier fallen einige technische Schritte weg und das Buch wird in den Onlineshops platziert - Buchhandel braucht es keinen. Ein Cover im Kindleshop ist einfacher zu entwerfen als eines auf edlem Hardcovereinband, je weniger Layout-Schnickschnack so ein Buch hat, desto besser. Theoretisch kostet die Herausgabe eines E-Books aus der Backlist so gut wie nichts, bringt aber sofort Geld ein. Nur zwei Probleme könnten sich ergeben: Noch sind E-Books kein Mainstream, treffen vielleicht nicht gleich aufs alte Zielpublikum. Und aufwändig mit Fotos und Apparat gestaltete Sachbücher eignen sich für E-Reader nicht so gut wie Belletristik mit reinem Textkörper.

    Und warum geht das bei mir nicht voran? Ganz einfach: Ich habe das neuerliche Durchlektorieren der alten Buchdateien vollkommen unterschätzt. Im Moment sitze ich an einer Fassung eines meiner Romane, die mich einigermaßen fassungslos macht. Enthalten ist nämlich der gesamte Dialog mit dem Lektorat. Offensichtlich war meine wirklich wunderbare Lektorin gegen Ende im Urlaub gewesen und ich hatte plötzlich eine mir Unbekannte für die Schlusskorrekturen. Hätte ich all ihre Änderungen angenommen, wäre in meinem Roman jede Metapher gestrichen, jeder längere Satz verkürzt worden und Unsinniges eingefügt.

    Da sollte eine Espressokanne unter eine Düse geschoben werden, weil die deutsche Leserin sonst unmöglich kapiere, dass man in Frankreich ganze Kännchen Kaffee machen könne. Wortwiederholungen im Abstand von einem Absatz wurden zusätzlich hineinlektoriert - in der gedruckten Fassung vorhanden. Menschen sollten ständig Sätze lächeln. Kurzum, beinahe wäre das auf Chick-Lit gebürstet worden.

    So übel es ist, sich diese Anmerkungen noch einmal zu Gemüte führen zu müssen, so sehr es Arbeit macht, meine Proteste aus dem Text herauszulöschen - es bringt auch eine ungeheure Zufriedenheit. Die Espressodüse starb unter meinen Fingern zuerst. Als nächstes warf ich falsches Lächeln heraus. Und endlich endlich kann ich diese peinlichen Duplikate und Wortwiederholungen austauschen! Ein bereits in einem Verlag veröffentlichtes Buch selbst neu herauszubringen, kann also durchaus ein nachträgliches Gefühl der Genugtuung vermitteln.

    Übrigens werde ich meine vergriffenen Bücher nach und nach als E-Book herausbringen. Aus finanziellen Gründen und weil ich glaube, dass sich E-Reader in nächster Zeit verbreiten werden. Wer keine Lesegeräte besitzt, kann E-Books mithilfe einer App auf dem Computer lesen. Und ich werde dann anhand der Verkaufszahlen gut testen können, ob sich eine zusätzliche Papierausgabe überhaupt lohnt.

    Schade ist das bei einem reich illustrierten Buch wie "Das Buch der Rose". Da ich jedoch auch an den Abbildungen keine Rechte habe, wäre ein Ersatz sehr teuer für mich. Und dank jener Abwicklungsfirma sind noch genügend gedruckte Exemplare im Antiquariat zu haben, die mir als Autorin keinen Cent bringen und nur den Preis für eine eigene Fassung kaputt machen. Es lohnt sich nicht auf Papier.

    Vorsicht also! Auf die Idee, man müsse "nur" eine fertige Datei in den Kindle-Shop hochladen und ein Cover basteln, können nur blutige Backlist-Anfängerinnen wie ich kommen.
    PvC um 15:30 5 Kommentare:

    6. November 2011

    Haben Bücher ein Verfallsdatum?

    Vor mir liegt ein Packen alter Bücher, die man heute als "Sachbuch" einordnen würde. Beim Lesen fällt mir auf: Kein Genre scheint derart extrem altbacken werden zu können wie das Sachbuch. Das ist etwas anderes als in der Belletristik, wo mir Erzählgewohnheiten vielleicht als "altmodisch" auffallen können. Etwa, wenn ich mit "lieber Leser" angesprochen werde oder wenn die Sprache altertümlich klingt. Das ist jedoch kein Hinderungsgrund, solche Bücher nicht nach wie vor zu genießen: Belletristik behandelt die ewig großen Menschheitsthemen, die sich nicht wirklich durch und durch ändern. Dostojewskijs "Spieler" etwa sitzt auch in heutigen Casinos herum.

    Beim Sachbuch hingegen passiert zweierlei. Die Art, jemandem von Fakten zu erzählen, ändert sich im Verlauf der Jahrhunderte teilweise grundlegend. Vor allem aber ist die Art, wie ein Autor Fakten auswählt und bewertet, abhängig von der Zeit und Gesellschaft, in der er lebt. Wer viel geschichtlich Relevantes recherchiert, der weiß, wie wichtig es ist, auf das Herausgabedatum eines Buchs zu schauen. Es ist nicht egal, ob ein Sachbuch 1870 in Frankreich erschien oder 1937 im Deutschen Reich. Ältere Sachbücher zu lesen bereitet doppelt Mühe: Neben den einfachen Lesevorgang muss das eigene Bewerten treten. Dazu braucht man eine gewisse Sachkenntnis der jeweiligen Zeitumstände. Propaganda durchschaut man nur mit einer gewissen Bildung - gestern wie heute.

    Vor mir liegen ein paar Extrembeispiele. Das liegt zum einen am Thema: Es geht um Russen im westlichen Ausland - wie wir alle wissen, waren diese Beziehungen durch die Geschichte hindurch allzu oft problematisch. Zum anderen liegt es an der Regionalität: Nicht jeder Autor ist wirklich erfahrener Buchautor - hier schreiben Lehrer, selbsternannte Spezialisten, Lokalchronisten. Sie alle leisten wertvolle Arbeit, indem sie Quellen für die Nachwelt überliefern. Aber sie schreiben zwischen zwei Pappdeckeln nicht unbedingt ein "richtiges Buch". Und schließlich sorgt die Zeitspanne für Zündstoff, weil es grob vom Ende des 18. Jahrhundert bis ins zwanzigste geht. Das ist eine Zeit voller unseliger Kriege, eine Zeit einer uns inzwischen fast unbekannten Geistesgeschichte. Nie erlebten Europa und Russland derart extreme Umwälzungen in den Gesellschaftssystemen, den Arbeitsverhältnissen, dem Verhältnis von Mann und Frau, in Technik, Kultur und Kunst. Und all dies, in sich schon kompliziert genug, wird von Autoren bewertet, die den nötigen Abstand nicht haben. Sei es, dass sie innerhalb eines Propagandasystems veröffentlichen, sei es, dass sie sich schwärmerisch den Blick auf die Wirklichkeit selbst verstellen.

    Es ist schon hart, was da auf meinem Schreibtisch liegt. Einem Autor merke ich sofort an, dass er evangelisch ist und einen Faible für die pietistischen Schwaben hat. Die werden darum auch so dargestellt, als hätten sie das Badische förmlich überrannt, um ihm irgendein zweifelhaftes Heil zu bringen. Da spritzt offen der Katholikenhass in den Aussagen, auch in denen, die mit Religion nun wirklich nichts zu tun haben dürften. Richtig abstrus wird es dann, als er Turgenjew zu einem bekehrten Vorzeigegermanen machen will und über seine russischen Zeitgenossen nur so herzieht. Ein Blick ins Impressum verwundert mich - das Buch erschien Anfang der 1980er! Doch dieser Autor sülzt mir allzu selbstherrlich in abstrusen Aussagen herum und serviert in einem unerträglich betulichen Stil schlichtweg Propaganda. Ich recherchiere ihm nach. Mein Gefühl trog mich nicht. Das Buch erschien 1937. In dieses menschenverachtende System passt es haargenau hinein. Wie aber hat man das in den 1980ern so kritiklos neu abdrucken können?

    So ein Buch hat eindeutig sein Haltbarkeitsdatum hinter sich gelassen. In unserer heutigen Zeit wäre es unverantwortlich, den Text ohne Kommentare oder erhellendes Vorwort überhaupt noch einmal zu drucken. Privat könnte ich diesem Autor den Stinkefinger zeigen und das Buch dem Vergessen übergeben. Beruflich muss ich es leider trotzdem lesen. Einfach weil dieser Mensch aus sehr viel älteren Quellen zitiert, die in dieser Fülle nicht mehr aufzufinden sind. Das Problem ist, dass es zu wenige Bücher zum Thema gibt. Jedes Fitzelchen Information, jeder Hinweis auf Namen oder Werke kann wertvoll sein, um danach zielgerichtet in den Archiven zu suchen. Denn die sind noch nicht digitalisiert. Aber wie liest man so ein Buch, ohne ihm auf den Leim zu gehen?

    Hier muss ich als moderne Leserin die Geschichte kennen. Ich muss genug Bescheid wissen, um Propaganda zu durchschauen, um zu wissen, wie es wirklich war. Im Prinzip muss ich alles, was dieser Autor schreibt, hinterfragen. Ich darf ihm gar nichts glauben. Ich habe Zitate aus alten Quellen, zeitgenössischen Quellen. Ich weiß, dass er sie meist falsch bewertet, im Sinne der Nazis. Dadurch ahne ich aber auch, dass die Zitate vielleicht absichtlich aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Was mag im Urtext tatsächlich stehen? Es ist eher ein Erahnen und Stellensuchen denn ein Lesen.

    In einem anderen Buch wird nur so geschwärmt. Man will nichts auf die eigene Region kommen lassen, man wähnt sich selbst im Zentrum der Welt und baut sich in der Schwärmerei ein künstliches Märchenreich zusammen, in dem weder Blut fließt, noch Hass zwischen Menschen denkbar ist. Zwei Jahrhunderte erscheinen wie eine einzige glitzernde, heiße und nahrhafte Suppe. Wie Croutons schwimmen darin die ewig gleichen Namen von Berühmtheiten herum, natürlich alle männlich. Ein Schwein, das einen jungen Mann vom Lynchmob lebendig zerreissen ließ, wird zur niedlichen Gesellschaftsanekdote. Das Heimwehzitat einer Herrscherin, die unter den Intrigen am Hofe litt, wird umgewidmet in Urlaubsfreude.

    Und weil alles so herrlich ist und so schön und reich, werden die handelnden Menschen zu Schablonenfiguren, zu Pappkameraden. In der Belletristik kennt man das vom Genre des Trash. Aber Trash gibt es auch im Sachbuch. Solche Bücher lesen sich leicht und unterhaltsam, vor allem, wenn man der gleichen Schwärmerei verfallen ist wie der Autor. Dumm nur, wenn diese Art der freundlichen Gehirnwäsche nicht mehr à la mode ist. Wenn die Leser in einer Zeit leben, in der man diese Schwärmerei nicht mehr nachvollziehen mag. In der man solche Autoren mitleidig belächelt - sie haben es womöglich einfach nicht besser gewusst? Solch ein Sachbuch wird unglaubwürdig mit der Zeit. Märchen werden entmystifiziert. Was bleibt, ist genauso schwierig zu lesen wie politische Propaganda. Wo ist der wahre Kern, welches sind die echten Fakten? Wann hat der Autor durch die rosarote Brille völlig verkehrt auf die Wirklichkeit geschaut?

    Da lobe ich mir noch die alten Chronisten, die minutiös bis zur Langeweile ihre Preise für Brennholz und Brot zusammengetragen haben, die Personenlisten von Hotels abschrieben oder sich in Diskussionen ergingen, warum irgendein Ort plötzlich gemieden wurde. Ihre Bücher sind meist - falls man nicht selbst ein Chronistengemüt hat - unlesbar und stinklangweilig. Ihnen fehlt oft der Blick für das große Ganze, für die Zusammenhänge. Sie ordnen selten das Lokale ein in die große Geschichte und Politik. Aber sie liefern Quellen und Zitate, Kleinigkeiten, die das eigene große Bild abrunden. Sie ersparen einem Archivgänge, weil man zuerst einmal einen Überblick über den sonst ungeordneten Stoff bekommt. Weil man lernt, wo man für die eigene Recherche ansetzen muss. Das Lesepublikum solcher Chronisten mag enorm klein sein - ihre Bücher veralten trotzdem nicht. Sie überliefern das Wissen, wie es zur Lebenszeit des Autors vorhanden war. Sie halten fest, was die lesbaren großen Bücher nicht beachten können, weil es zu kleinkariert wäre.

    Irgendwann wird die Autorin des 21. Jahrhunderts vielleicht all diese Sachbücher gelesen, ausgewertet und selbst in den Archiven in Originalquellen recherchiert haben. Sie wird in einem völlig anderen Stil schreiben. Einem Stil, der wie bei Sachbüchern heute üblich, ein weit größeres Publikum anpeilt. Ein Publikum, das nicht nur lernen will, sondern vor allem unterhalten werden möchte. Ein Publikum, das in der Schule nicht mehr alles so selbstverständlich gelernt hat wie einst.

    Diese Autorin wird ihre Quellen ebenfalls nur vermeintlich objektiv beurteilen können. Sie wird kritisch Aussage gegen Aussage stellen, hinterfragen, an Fassaden kratzen. Und doch ist auch diese Autorin ein Produkt ihrer eigenen Zeit, ihrer Bildung, ihrer Lebensumstände und ihres Denkens. Auch sie wird kein objektives und zeitloses Sachbuch schreiben können, denn sie ist auch nur ein Mensch, der auswählt, bewertet, eine eigene Meinung hat, ein eigenes Erzählziel. Vor allem aber wird sie, wie alle Autoren vor und nach ihr auch, an manchen Stellen irren.

    Wie lange ist ein Sachbuch haltbar? Kann ein Sachbuch irgendwann völlig "out" sein?
    Ich würde die Frage nun gern anders formulieren: Wie viel brauchbare Substanz kann sich auch in einem veralteten Sachbuch überliefern? Wie schaffe ich es, meinem Sachbuch möglichst viel von dieser Substanz zu verleihen? Wie komme ich dem nahe, was zunächst nur Beweggrund der Belletristik zu sein scheint - wie nähere ich mich den großen Menschheitsfragen, den großen bewegenden Themen in meinem "kleinen" und zeitabhängigen Thema? Und wie erzähle ich davon so, dass man es nicht nur studiert, sondern womöglich nachfühlen kann?
    PvC um 12:30 Keine Kommentare:

    4. November 2011

    Ein Tag zum Bleiben?

    War das ein Heidenspaß mit der Behörde vorhin! Behördengänge in Fremdsprache bereite ich wie ein Schauspiel vor. Ich denke mir mögliche Dialogverläufe aus, übe höfliches Zurechtweisen, stures Beharren und wütendes Auftrumpfen gleichermaßen. Man weiß ja nie - und will dann nicht überrumpelt herumstottern müssen. Einen besonders schönen Abgang hatte ich mir zurechtgelegt, falls alle Stricke reißen sollten und der Amtsschimmel laut wiehern würde. "Dann bleibt mir wohl nur noch, dieses Land sofort zu verlassen?!" - das hätte ich theatralisch, bis in den Warteraum hörbar, gedonnert. Begleitet von verzweifelten Gesten.

    Als ich ankam, war nur ein Schalter besetzt. Im überfüllten Warteraum kochten Unmut, Aggression und Unverständnis. Wenn auf einer Behörde nichts läuft, werden die Opfer zu Verbündeten. Wenn keiner ein Ohr für einen hat, erzählt man seine Lebensgeschichte den Mitleidenden. Diese "Plots" in ein paar Sätzen, die ganze Familien ins Unglück stürzen können, wage ich für Romane kaum anzudenken. Da war die alleinerziehende Mutter, die ein halbes Jahr darum kämpfte, dass ihr Neugeborenes endlich behördlich erfasst wurde, die kämpfte, weil sie nach der Geburt operiert werden musste und auf den Kosten saß, weil sie frisch operiert sich nicht einmal eine Schwester oder Haushaltshilfe mehr leisten konnte. Und das alles nur, weil sie in einem anderen Krankenkassenbezirk arbeitete als wohnte, 15 Kilometer entfernt.

    Da war die Familie, der man die Unterstützung für den Sohn gestrichen hatte, weil auf einem Schein seiner Uni ein anderes Wort stand als auf dem alten, und man ihm deshalb unterstellte, sein Studium abgebrochen zu haben. Da war die Frau, die seit vier Monaten immer wieder vorspricht, immer wieder abschlägige Bescheide bekommt, weil ihre Unterlagen fehlerhaft oder unvollständig seien, nur weil die Zentrale beim maschinellen Lesen Fehler macht. Wie unbedeutend war mein Problem dagegen. Auch mir wurde ja nur unterstellt, ich hätte mit den Unterlagen betrogen, weil die Zentrale nicht fähig war, sie richtig zu lesen! "Eine nationale Katastrophe!", rief eine Frau genervt durch den Raum und alle pflichteten ihr bei. Seit Sarkozy aus Spargründen eine einzige Zentrale fürs ganze Departement in Strasbourg eingerichtet hatte, war das so. Zombies würden dort arbeiten, meinte ein frustrierter Rentner.

    Und dann nahmen sie mir meinen Auftritt einfach weg. Die erste Frau vor mir heulte am Schalter los: "Was soll ich denn tun, soll ich emigrieren aus diesem kaputten Land?" Die zweite Frau vor mir am Schalter wurde nach einer ellenlangen Diskussion plötzlich laut, man hörte etwas von "merde" und dann kam ein Ausruf: "Was raten Sie mir denn? Den Strick oder Auswandern? Ich weiß nicht mehr weiter, ich kann nicht mehr!" Das wäre eigentlich mein Text als Ausländerin gewesen. Aber wenn das schon bei den Einheimischen die letzte Verzweiflungswaffe war? Sie nickten mir zu und ermunterten mich, mir ja nichts gefallen zu lassen. Frankreich sei dabei, zu verdorren, da müsse man schauen, wo man bleibe. Das war noch der zivilste Spruch. Wäre ich Politiker gewesen, hätte mich dieser Warteraum mit Panik erfüllt.

    Die Frau am Schalter hat mir dann im feinsten Amtsfranzösisch einen dringenden Appell per Direktmail in die Zentrale geschickt. Mit Schneckenpost geht nun mein gesamtes Dossier wieder nach Strasbourg. Identisch, wie es war. Weil es ja korrekt war. Die Bearbeitung würde wieder zwei Monate dauern, meinte sie in vollem Verständnis für meine Lage. Aber vielleicht hätten die ja auch ein Einsehen, weil sie es jetzt dringend gemacht habe. Und weil es identisch das bereits gelesene Dossier sei, fügte ich hinzu. Sie hat in den Brief geschrieben, ich müsse in kürzester Zeit operiert werden. Auf Behörden kann man das Lügen erst lernen.

    Und das Verbrüdern. Auch das ist eine eigenartige Entwicklung im Land. Die Geschädigten rotten sich zumindest geistig bereits zusammen. Viele haben nichts mehr zu verlieren außer unnützen Sorgen und unverschuldeter Armut. Es hat fast wieder etwas Tröstliches, in so einem Warteraum zu sitzen. Irgendwann wird es so weit kommen, dass sie wieder wie früher die Flaschen kreisen lassen.

    Auf der Heimfahrt kam mir ein erschreckender Gedanke. Ich war von Stolz erfüllt, wie ich es "denen" mal wieder gezeigt hatte. Ich war in Hochstimmung, weil ich recht behalten hatte und weil ich wieder in voller Stärke gegen Amtswillkür kämpfte. So wie alle anderen um mich herum. Ich hatte wieder dieses Feeling, das ich brauche, um beim Schreiben besonders genau hinzuschauen. Um die Psychologie von Figuren zeichnen zu können und deren innere Abgründe wirklich zu verstehen. Meine besten Texte habe ich in Ausnahmesituationen geschrieben, in denen ich theoretisch weder Kraft noch Muße zum Bücherschreiben gehabt habe. Meine Art von Humor, meinen Blick für Skurriles habe ich im Chaos von Systemumbrüchen geschärft, während die einen untergingen und sich die anderen bereicherten, in einem Umfeld der Extreme. Was war das für eine Welt gewesen, als der Eiserne Vorhang in Osteuropa fiel und keiner wusste, wohin einen das Leben führen würde. Es war hart, es war extrem, es war verrückt - und doch so lebendig, so überschäumend in der Kreativität.

    Ich bin dann ziemlich erschrocken. Was würde eigentlich mit mir passieren, wenn ich tatsächlich in ein komfortables und wohlgeordnetes Land umziehen würde? Wenn ich in einem Umfeld leben würde, in dem man nicht um die einfachsten Selbstverständlichkeiten kämpfen muss? Könnte ich dann noch schreiben? Was für Texte würde ich produzieren, wenn ich satt und zufrieden wäre?
    PvC um 17:21 2 Kommentare:

    Ein Tag zum Emigrieren

    Ein Tag wie ein Molotowcocktail. Die Übersetzung eines Buchs droht, meine Existenz zu vernichten. Vor mir ein Brief der Krankenkasse, ich hätte sie betrogen, es könne nicht sein, dass man fast ein Jahr lang nur für einen einzigen Verlag übersetzt (!) und dann behauptet, Freiberuflerin zu sein und Autorin. Seit zwei Monaten sitze ich ohne Krankenversicherung da, jetzt verlängert sich das. Eine Krankenhausrechnung steht an. Jedes Jahr das gleiche Spiel, weil die französischen Behörden den von französischen Behörden erlassenen Sonderstatus eines "auteur-artiste" nicht begreifen wollen, der auch mal übersetzen darf.

    Jemand, der in diesem Umfeld arbeitet, sagte hinter vorgehaltener Hand, das träfe viele, ja immer mehr Menschen, und das habe Methode. Das Sozialsystem sei derart pleite, dass sie angewiesen seien, Geld herauszuholen oder zu sparen, wo es nur möglich sei. Ob ich nicht die Rechnungen hätte fälschen können, das sei bequemer ...

    Das und vieles mehr sind die Hintergründe, warum Sarkozy in Sachen Euro-Rettung so vorprescht. Frankreich wäre der nächste Wackelkandidat. Noch kann man die Bilanzen schönen - auf dem Rücken der Ärmsten. Mir bleibt nur, wieder einen Tag lang Papiere zusammen zu suchen und einen Brief auf dem Niveau von gehirnamputierten Vollidioten zu verfassen und einen halben Tag auf dem Amt herumzusitzen. Unbezahltes Arbeiten für die Administration. Und auf dem Amt kocht die Stimmung, die Menschen werden immer aggressiver - wer kann es ihnen verdenken. Bei jedem Amtsbesuch höre ich von Schicksalen der Behördenwillkür, wie ich sie mir nie habe vorstellen mögen. Irgendwann wird es wieder brennen in Frankreich. Aber diesmal nicht nur in den Vorstädten.

    Ich denke, meine Tage hier sind sehr gezählt. Das alles ist nur der berühmte Tropfen im überlaufenden Fass. Ich bin müde, ausgepowert, vom täglichen Kampf ums ganz normale Leben. Das hat Ausmaße angenommen, die nicht einmal im Polen der frühen Neunziger so schlimm waren. Aber ich kann nicht einmal einfach so weg. Nach einem Vierteljahrhundert wird selbst Emigrieren zum behördlichen Abenteuer. Und wer weiß, was für Freuden mich als Migrantin in Deutschland empfingen!
    PvC um 10:28 7 Kommentare:

    1. November 2011

    Höher, schneller, weiter

    Alles wächst. Nein, muss wachsen. Wenn etwas nicht wie im Vorjahr 30% zulegt, reden manche von Nullwachstum oder gar Verlusten. Nur die Natur lahmt vor sich hin, erlaubt sich bei Hitzewellen Dürre und in der kalten Jahreszeit eine Winterpause. Manche Lebewesen gehen sogar deshalb so frisch in die nächste Saison, weil sie in Winterstarre verfallen. So eine Winterstarre hat etwas für sich: stark verminderte organische Funktionen, kein Handy, kaum Temperatur, kein Facebook und keine anderen Lebewesen, die ständig etwas von einem wollen. Am besten gestern schon und nachts und überhaupt ...

    René Kohl hat in seinem Blog ein Tierchen aufgespießt, das im Winter noch höher dreht als andere und immer größer wird. Eigentlich ist es längst ein gigantisches Monstrum. Er zeigt anhand gut recherchierten Zahlenmaterials, wie sich Amazon in den letzten Jahren entwickelt und wie es unsere Biotope durch die Großinvasion verändert hat. Wie groß aber kann so ein Händlerkrake werden, bevor er platzt? Und was kann man nur ab einer bestimmten Größe erreichen? In "Amazon: die rote Linie" spart er auch eine weniger bequeme Frage nicht aus: "Wann haben wir eigentlich aufgehört, große Unternehmen kritisch zu beäugen?"

    Kein Nullwachstum habe ich leider inzwischen in meiner Mailbox. Social Media sind ja nett und sinnvoll, aber der Mensch, der noch kein Krake ist mit einem Pool an Privatsekretären, schafft nur ein bestimmtes Kontingent an Kommunikation. Bisher habe ich versucht, jede Leseranfrage zu beantworten. Inzwischen bekomme ich auch für meine Blogs Zuschriften; Feedback, das man nicht in Kommentare geben will, Anfragen, ob ich etwas Externes in meinem Blog bearbeiten könne etc. Ich versuche weiterhin, ernsthafte Leseranfragen zu beantworten. Aber ich brauche einen Schuldenschnitt. Ab sofort erlasse ich mir Mailschulden. Es geht nicht mehr anders. Kommentare kann man so abfassen, dass sie ins Blog passen. Dort kommuniziere ich schneller in der Kaffeepause, als dass ich eine Mail schreibe. Themenhinweise sind schön, aber ich habe keine Redaktion, die das leisten kann, ich werde für meine Arbeit hier nicht bezahlt - sie muss also schnell gehen. Meist handelt es sich obendrein um Anfragen zu PR für andere - warum sollte ich unentgeltlich diese Arbeit für andere in meinem privaten Blog machen, nur weil die keinen eigenen Blog betreiben und nicht bei FB oder Twitter sein wollen? Von denen, die mir Geld bieten, dass ich ihre Firma öfter erwähne, möchte ich gar nicht reden - igitt, pfui Teufel.

    Ganz klar und deutlich: Ja, ich kommuniziere auch für andere, ich schreibe Texte für andere und ich helfe gern, ein professionelles Social Media Account zu betreiben. Das ist Teil meines Berufes. Und deshalb wird diese Arbeit fein säuberlich von all meinen Privat- und Autorenveranstaltungen getrennt und vom Kunden bezahlt. Sie erscheint grundsätzlich unter Kundennamen in dessen Medien. Sollten Sie mir also wieder einmal anbieten, ich möge endlich einen Artikel über die besten Ratzfatzzahnbürsten der Welt schreiben, schicke ich Ihnen gern einen Kostenvoranschlag. Gemeinsam überlegen wir dann, wo wir diesen PR-Artikel in Ihrem eigenen Umfeld platzieren. Ganz bestimmt nicht in meinem Blog. Ihre Firma hat für gutes Geld zielgerichtetere PR verdient!

    Was war da noch? Ach ja, die Winterstarre. Zeit für eine Strategie, nicht mehr ungeregelt zu wachsen und irgendwann womöglich zu platzen. Mit den Kräften haushalten. Prioritäten in der Kommunikation setzen. Nicht die Falschen vergessen, nur weil die anderen lauter und öfter brüllen und um Aufmerksamkeit heischen.
    Leben.

    Vor allem aber agieren statt re-agieren. Das Heft wieder selbst in die Hand nehmen. Schluss mit dem Getriebensein von diesem "das muss noch und jenes muss noch". Mein alter Lateinlehrer hatte immer den Spruch drauf: "Der Mensch muss nur zwei Dinge wirklich: aufs Klo und sterben." Stimmt. Und es ist so wunderschön, einen Tag mit scheinbar (!) sinnlosen Dingen zu vertun. Endlich wieder einmal ein Buch lesen, das zu nichts anderem führt als zum Spaßvergnügen. Endlich einmal wieder einen Text schreiben, den keiner bestellt hat und der nicht in einem Buch landen soll. Womöglich sogar faulenzen.

    So ist die Stimmung, bevor der Vogesenwinter kommt und sich die bequemen Freunde aus deutschen Landen nicht mehr auf die Straßen wagen (das aber von uns erwarten). Noch einen Monat lang schwirren wir wie verrückt umher und nehmen alle Chancen wahr, zu denen man sich später bei Eis und Schnee so leicht nicht mehr aufraffen mag. Es ist ein Monat der Hyperaktivität, des wilden Herumfahrens, bevor die Winterstarre kommt. Man genießt danach die langen Tage, die Ruhe, die Zurückgezogenheit und die herrlichen Feiern mit den winterharten Freunden. Für die man auch mal im Schneesturm nachts über den Hügel steigt, zu Fuß und mit der Taschenlampe. An den Häusern werden die letzten Löcher abgedichtet, die Kellerfenster abgedeckt. Man bunkert Vorräte für die paar Tage im Jahr, an denen man die eigene Straße nicht mehr herauf oder herunter kommt. Eine neue Taschenlampe muss her. Sind die Gummistiefel noch dicht?

    Es ist eine aufregende Zeit, von der man im Winter zehrt, bis wie bei allen "Bergleuten" etwa Anfang Februar mit schöner Regelmäßigkeit der Winterkoller kommt. Dieses Zugvogelziehen in den Zehen, das einen auf Birkenlichtungen treibt und von italienischer Sonne träumen lässt. Noch ist das fern. Morgen werde ich eine der "So-lange-es-noch-geht-Fahrten" machen, bei frühlingshaften Temperaturen und mit dem Fotoapparat. Ich will einer Nase nachlaufen, einer berühmten Nase, die ich an seltsamen Orten zu sichten geglaubt habe. Wenn ich sie finde, zeige ich die Aufnahmen, versprochen!

    Die Nase läuft!
    PvC um 11:41 2 Kommentare:
    ‹
    ›
    Startseite
    Web-Version anzeigen
    Powered by Blogger.